Historische Chance

23. Juli 2014. Der Bundesverband Freier Theater, Dachverband der Freien Szene in Deutschland, teilt der Presse mit, dass er die Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns ab 2015 begrüßt. "Auch wenn der Mindestlohn nur für den Bereich sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung gilt und damit zahlreiche Freie Theater vom Mindestlohngesetz gar nicht erfasst sind, weil sie auf der Basis von Honorarvereinbarungen tätig werden, ist der Mindestlohn auch für diesen Bereich ein wichtiges Signal", heißt es in dem Schreiben. Das Mindestlohngesetz mache unmissverständlich klar, "dass es in Deutschland kein Lohn- und Sozialdumping geben darf".

Der Bundesverband Freier Theater nimmt damit eine deutlich andere Position ein als der Deutsche Bühnenverein, der unlängst in einer Pressemitteilung vor den möglichen Folgen des Mindestlohngesetzes warnte und eine Ausnahme künstlerischer Berufe forderte (Meldung vom 10. Juli 2014). "Der Bundesverband Freier Theater distanziert sich von Stellungnahmen der letzten Tage, der Mindestlohn schade der Kulturproduktion in Deutschland zum Beispiel deshalb, weil unvergütete Praktika von Hochschulabsolventen unverzichtbar für die praktische künstlerische Ausbildung seien", heißt es explizit. An den deutschen Theatern gebe es immer weniger bezahlte Stellen für junge Kolleginnen und Kollegen. Das aber sei ein kulturpolitisches Problem, das nicht auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen ausgetragen werden dürfe.

Auch der Landesverband freie darstellende Kunste Berlin (LAFT) und die Koalition der Freien Szene der Hauptstadt haben Pressemitteilungen herausgegeben, in denen sie die Vorteile eines gesetzlichen Mindestlohns für (freie) Theaterschaffende betonen. "Die auf der Bühne vorgetragene Kritik an der Welt, in der wir leben, kann nur gelten, wenn ihrer Formulierung keine ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse zugrunde liegen", steht in der Aussendung des LAFT. "Die Einführung des Mindestlohns können und sollten wir Tanz- und TheatermacherInnen nun als historische Chance sehen, das schon lange geforderte Ende prekärer Arbeitsverhältnisse in künstlerischen Berufen aktiv mitzugestelten." Der Verband sehe auch nicht die Gefahr, dass der Mindestlohn jungen theaterbegeisterten Menschen den Einstieg in die Praxis erschwert. "Vielmehr wird ein Berufsanfang für diejenigen erleichtert, die nicht über einen ausreichend privilegierten Hintergrund verfügen, der monatelange Praktika privat alimentiert."

(Bundesverband Freier Theater / LAFT / Koalition der Freien Szene / sd)

Mehr zum Thema:

Bühnenverein warnt vor Mindeslohngesetz – Meldung vom 10. Juli 2014

Art but fair initiiert Selbstverpflichtungen für Fairness im Kunstbetrieb – Meldung vom 3. Juli 2014

Reaktionen der Theater- und Kulturszene auf den Mindestlohn für Praktikanten – Presseschau vom 10. Juni 2014

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Kommentare  
Mindestlohn: korrekt
Korrekt!
Mindestlohn: Verträge in der freien Szene
Ja, sehr korrekt. Ich bin auch ein Verfechter des Mindestlohns. Aber mal ehrlich: die Anzahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse ist ja in der freien Szene sehr übersichtlich. Es ist immer einfach, für etwas zu sein, dass einen selbst nicht (finanziell) belastet.
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