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Leipzig, 25. Juli 2014. Die Studenten der Universität Leipzig, die seit dem 14. Juli das Rektorat besetzen und damit gegen die massiven Stellenstreichungen protestieren, die einer Schließung des Instituts für Theaterwissenschaft gleichkämen, haben heute auf einer Pressekonfenferenz über die Besetzung und über die Gespräche mit den beiden Prorektoren Prof. Dr. Thomas Lenk und Prof. Dr. Thomas Hofsäss informiert. Das teilen sie in einer Presseerklärung mit. Rektorin Beate Schücking hatte sich nach der hitzigen Debatte am Tag der Besetzung einem offenen Dialog entzogen, doch auch die Gespräche mit den beiden Prorektoren verliefen aus Sicht der BesetzerInnen enttäuschend, heißt es. 

So treffe das Rektorat fortlaufend "einsame Entscheidungen, die das Gesamtbild der Universität nachhaltig veränderten, über die Köpfe der Betroffenen hinweg und ohne inhaltliche Grundlage", lautet einer der Hauptvorwürfe gegenüber dem Rektorat. Auch während der Gespräche sei kein transparenter Dialog zustande gekommen. "Im Gegenteil: Die zynische Haltung der Rektoratsmitglieder, erst durch die massiven Stellenkürzungen würde das Rektorat die Theaterwissenschaft 'zukunftsfähig' machen und eine 'Perspektive 2020' bieten, verhinderten eine konstruktive Debatte über die Zukunft des Instituts."

Hintergrund ist, dass die Universität Leipzig in der Theaterwissenschaft fünf Stellen einsparen will, so dass nur eine Professur übrig bleiben würde. Das wurde im Januar bekannt. Insgesamt soll die Uni bis 2015 jährlich 24 Stellen streichen, obwohl die Studierendenzahlen kontinuierlich steigen.

In der Pressemeldung der BesetzerInnen heißt es weiter, dass die Gespräche eine gefährliche Ignoranz des Rektorats gegenüber den Forschungs- und Lehrinhalten der betroffenen Institute offenbart habe. "Die Entscheidungen des Rektorats, die über die Zukunft ganzer Institute richten, basieren auf erschreckender Unkenntnis. Weder inhaltlich noch strukturell geschah eine Auseinandersetzung mit der Theaterwissenschaft". Ohnehin zeige sich das Rektorat nach eigenen Angaben überfordert, die Inhalte eines Fachbereiches zu evaluieren. So wurden die BesetzerInnen im Gespräch von Prorektor Lenk dazu aufgefordert, tragfähige Evaluierungskriterien für die Theaterwissenschaft zu benennen. Gleichzeitig gestand der Prorektor damit massive Versäumnisse des Rektorates bei der Evaluierung der Studiengänge ein: "Erst wird gekürzt, dann evaluiert", so die BesetzerInnen. Diese Reihenfolge entbehre jeglicher Logik.

Die BesetzerInnen kritisieren auch, dass seit dem Beschluss der Landesregierung, 1042 Stellen an Sachsens Universitäten zu kürzen, Land und Universität mit gegenseitigen Schuldzuweisungen einem konstruktiven Prozess entgegenwirkten. Vor den Landtagswahlen am 31. August würden bewusst öffentliche Diskussionen über die Zukunft der Universitäten verhindert: "Die Koalition und auch das Rektorat rütteln an den Grundfesten der Universität."

In einem offenen Brief an den Sächsischen Landtag, an die Sächsische Staatsregierung und die sächsische Wissenschaftsministerin Frau Prof. Sabine von Schorlemer fordern die BesetzerInnen:

"1. KÜRZER GEHT'S NICHT!
Sachsen steht finanziell sehr gut da. Die Beschäftigungsverhältnisse an den Universitäten in Sachsen sind bereits mehr als prekär. Sollen nun noch weniger Dozierende, noch mehr Studierende betreuen? Nehmen Sie den Beschluss von 2010 zurück, 1042 Stellen an den sächsischen Hochschulen zu kürzen!

2. AUGEN AUF!
Ignorieren Sie nicht länger den Protest, der sich seit vielen Jahren gegen Ihre Sparpolitik richtet. Immer mehr Menschen, u.a. namhafte Vertreter aus Kunst, Kultur und Wissenschaft, treten sichtbar und laut für Veränderungen ein. Politik ist keine Einbahnstraße: Bei veränderter Sachlage müssen Sie in der Bildungspolitik Korrekturen vornehmen!

3. FÄCHERVIELFALT!
Die Universität Leipzig ist mit ihrer 600-jähriger Tradition die älteste Universität Sachsens. Die gewachsene Fächervielfalt in den Geistes- und Naturwissenschaften stellt eine wertvolle kulturelle Errungenschaft dar. Zerstören Sie diesen Reichtum nicht, sondern schaffen Sie Bedingungen, mit denen alle Hochschulen Sachsens in ihrer Vielfalt bestehen können!

4. FAIRE ARBEITSBEDINGUNGEN!
Schaffen Sie Möglichkeiten für langfristige Stellen! Maßnahmen, wie das Überlastpaket, mögen kurzfristig sinnvoll erscheinen, verschärfen aber mittel- und langfristig prekäre und unsichere Arbeitsbedingungen!

5. OFFENER DIALOG!
Treten Sie dafür in einen offenen, fairen Dialog mit den Hochschulen auf tatsächlicher Augenhöhe. Stärken Sie die Rechte der universitären Gremien und der Studierendenschaft. Mittlerweile weiß man nicht nur an den Hochschulen, dass das Hochschulfreiheitsgesetz das Wort "Freiheit" im Namen nicht verdient!

6. AUTONOMIE JETZT!
Richten Sie eine unabhängige Kontroll- und Schlichtungsinstanz ein, die im Fall eines Dissens zwischen Universität und Land juristisch schlichtet und entscheidet!

7. WIDER DER ÖKONOMISIERUNG!
Verwehren Sie sich einer fortschreitenden Ökonomisierung der Hochschulen. Eine
Universität kann nicht wie ein Unternehmen "gemanaged" werden. Messen Sie die
einzelnen Disziplinen nicht an Ihrem unmittelbaren Ertrag für Industrie und Wirtschaft, sondern an ihren langfristigen, theoretischen wie praktischen, Verdiensten!"

(sik)

 

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