Presseschau vom 5. November 2014 – Der Berliner Tagesspiegel porträtiert den Schauspieler Charly Hübner

Zum Glück kam's anders

Zum Glück kam's anders

5. November 2014. Anlässlich seines Auftritts als grenzöffnender NVA-Soldat heute Abend in Christian Schwochows Fernsehfilm "Bornholmer Straße" porträtiert der Berliner Tagesspiegel den Schauspieler Charly Hübner.

Erstaunlich schlanker Mann

Unter dem hübschen Titel "Charly Hübner öffnet die Mauer" (dabei weiß doch jeder der Thomas Brussig gelesen hat, dass Klaus Uhltzscht die Mauer geöffnet hat, aber egal ...) schreibt Torsten Hampel über den gebürtigen Mecklenburger, der als Kommissar Bukow im Rostocker Polizeiruf beträchtliche Popularität erlangt hat. Dass Hübner auch am Deutschen Schauspielhaus Hamburg in Karin Beiers Ensemble spielt, erfährt der geneigte Leser dagegen nur en passant.

Der Reporter Hampel ist wohl still erstaunt, so wenigstens klingt er, dass der so überzeugende Kommissar und überzeugende Wampeträger Hübner im wirklichen Leben einiges braucht, um sich in die Rolle des Polizisten hineinzuarbeiten und dass er außerdem als "doch erstaunlich schlanker" Mann begegnet.

Jugend in der DDR

Freimütig, schreibt Hampel, erzähle Hübner von seiner Jugend in der DDR. Man müsse nur fragen. Und erfährt dann: Mehr "als 'ne Westjeans und die neue AC/DC-Platte" habe ihm damals eigentlich nicht gefehlt, "er habe sich nicht unterdrückt gefühlt". Auch das ist ein Beitrag zum 25jährigen Jubiläum des Mauerfalls.

Hampel schreibt den schönen Satz: "Die Rolle, in der er an diesem Mittwochabend im Fernsehen zu sehen ist, hallt vor." Sie gebe Gelegenheit von dem einen Monströsen in seinem Leben zu erzählen.

Hübner war fast 17 als im November 1989 die Mauer fiel. Mitbekommen habe er davon nichts. Er hatte die Generalprobe für ein Satireprogramm hinter sich und war betrunken. Auch am nächsten Morgen zu Hause habe er nichts von den Ereignissen erfahren. Und wieso nicht? Warum verschwiegen ihm seine Eltern am 10. November, was in Berlin in der Nacht zuvor geschehen war?

Das Leben der Anderen

Kunstvoll verzögert der Reporter die Antwort auf diese Frage über mehrere Absätze, dann kommt das Folgende: Hübner inzwischen Schauspieler geworden, Ausbildung an der Berliner Ernst-Busch-Schule, sieben Jahre Theater hinter sich, war inzwischen zum Film gekommen. 2003 stand er auch für eine Nebenrolle in "Das Leben der Anderen" vor der Kamera. "Hübner spielte darin die Wachablösung Ulrich Mühes, er war der Mann, der die Abhör-Nachtschicht übernahm. Der Film lief auch in Neustrelitz. Hübner ging mit seinen Eltern hin. Hinterher, seiner Erinnerung nach muss es auf der Heimfahrt im Auto gewesen sein, sagte der Vater den Satz: 'Solche Kameras wie ihr in dem Film hatten wir nicht.' "

Auf diese Weise erfuhr Hübner vom Beruf seines Vaters, schreibt Hampel. Mehr hätten seine Geschwister und er vor dem Tod des Vaters nicht mehr aus ihm herausbekommen. Diese doch "sehr private Geschichte" erzähle Hübner "ohne Scheu, vollkommen arglos und offenbar auch ohne die Absicht, dabei heroisch wirken zu wollen". Stattdessen sage er: "Meine Kindheit war schön."

Zum Glück

Aber besondere Illusionen habe er nicht gehegt. "Was mit ihm passiert wäre, [...] hätte die DDR weitergelebt, darüber hat Hübner sich später immer wieder Gedanken gemacht. [...] Die jovialen Gespräche mit dem Werbepersonal des Systems. 'Na, junger Mann, wir möchten doch studieren, oder?' Hübner zählt auf: die Armee, die Partei, die Stasi. Nee, die Stasi vielleicht nicht. Aber die Armee auf jeden Fall. 'Ich weiß nicht, ob ich dem widerstanden hätte.'

Ein Glück für uns, dass es anders gekommen ist.

Lesen Sie den ganzen Dritte Seite-Text im Tagesspiegel, es lohnt.

(jnm)

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