Der Fosse-Effekt

9. August 2014. Christine Dössel hat sich in Bergen mit dem norwegischen Dramatiker und Schriftsteller Jon Fosse getroffen, der angekündigt hat, dass sein soeben dort uraufgeführtes 33. Theaterstück „Hav / Meer“ sein letztes gewesen sein wird.

Natürlich ziehe er sich nicht vollständig als Autor zurück, weiß Dössel zu beruhigen. "Fosse schreibt weiter, schreibt Romane, Erzählungen, Essays." Er könne gar nicht anders als zu schreiben. Nur als Dramatiker glaube er seine "Möglichkeiten ausgeschöpft" zu haben, da sei er "müde", seiner selbst müde. Außerdem sei das Theaterleben ihm nicht gut bekommen, gibt er Dössel zu Protokoll, "die vielen Reisen, die langen Premierennächte, zwei Scheidungen: 'Ich endete als Alkoholiker.'" Seit zweieinhalb Jahren trinke er nicht mehr. Und habe sich als Schriftsteller "das verordnet, was er 'langsame Prosa' nennt".

"Fosse sagt, er habe sich als 'Mann der Literatur' ohnehin nie wirklich dem Theater zugehörig gefühlt", schreibt Dössel und setzt selbst dagegen, "das Theater – mit seinen Möglichkeiten, etwas absolut Gegenwärtiges zu fassen – kam Fosses Art zu schreiben sehr entgegen." Das Theater, das Fosse früher als "schmierigen kulturellen Konsens" abgetan habe, hätte ihm, "dem kontemplativen Seelen-Fischer", ungeahnte Möglichkeiten eröffnet. Nämlich die Entdeckung des "Fosse-Effekts", den Dössel als "dieses Berührtsein von etwas Tieferem, Grundangstmenschlichem" charakterisiert.

Als Privatperson strahle Fosse "eine angenehme Wärme" aus, "eine grundsympathische Mischung aus Sanftheit, Weichheit, Bescheidenheit". "Nichts von dem verschlossenen Trübsinnsbläser, als den ihn der Leser zu kennen meint." Fosse möge soziophob sein – "man sieht die Scheu, das Unbehauste in seinen kleinen, wasserblauen Augen." Er sei ein Getriebener. "Aber er fasst, wenn er sich wohlfühlt, auch schnell Zutrauen, dann fängt er, als habe er nur einen Anlass gebraucht, ungebremst zu reden an: kurzatmig, hastig, haspelnd. Wie auf Autopilot."

(sd)

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