Triptychon eines seltsamen Gefühls - In Basel zeigt Beatrice Fleischlin einen Liebesreigen
Reigen von Verzweiflung und Euphorie
von Annette Hoffmann
Basel, 2. Juni 2012. Treffen sich zwei. Zur falschen Zeit. Er dachte acht Uhr, sie neun. Und schon sind da die Probleme. Was soll das werden? Ein Witz oder die große Liebe? "Triptychon eines seltsamen Gefühls" hat die 1971 geborene Autorin Beatrice Fleischlin ihren Beitrag für das Stück Labor Basel genannt. Und er befasst sich wirklich mit der Liebe. Das hätte man in dieser Saison durchaus in allen Schattierungen auch in Arthur Schnitzlers "Das weite Land" haben können. Doch nun gut, es herrscht Sommer am Rhein, die Spielzeit geht auf ihr Ende zu und Liebe passt immer.
Beatrice Fleischlin, die 2011/12 Hausautorin am Theater Basel war und deren erstes Stück "mein törichter beweis von leidenschaft" 2010 ebenfalls beim Stück Labor Basel entstand, zergliedert ihr Thema in drei Teile. Die Regie der ersten beiden Bilder hat der scheidende Schauspielchef Elias Perrig übernommen, das des dritten Bildes jedoch Antje Schupp überlassen. Seit 2008 besteht dieses Förderprojekt, das zeitgenössische Dramatik in der Schweiz stärken möchte.
Bestandsaufnahme der Liebe
Überragende Stücke wären eine Überraschung, aber zumindest wohl bedachte Inszenierungen, die nicht experimenteller sind als ihre Textvorlage, darf man erwarten. Gut eineinhalb Stunden dauert diese Bestandsaufnahme der Liebe. Da ist zum einen das junge Paar, dem Inga Eickemeier und Jan Viethen soviel anrührendes Nasegekräusel, Augenlachfalten und immer wieder Schweigen geben, dass man ihm alles Glück der Welt wünscht. Sie führt noch spröd-charmante Monologe, während er sich ihr längst zugewandt hat und beide fallen aus der Rolle, wenn ihnen das Herz überzugehen scheint und ihnen die Worte fehlen, so dass die Souffleuse um ihren Einsatz gebeten werden muss.
Und da sind die Einsamen und absonderlichen Einzelgänger, die sich in Wagons oder Türme verlieben oder gar Liebe mit Nahkampf verwechseln. Und da sind noch die Besucher eines ziemlich ausgeleuchteten Darkrooms, in dem man sich mit heliumgefüllten Geschlechtsteilattrappen besondere Lust beim Sex verschaffen kann. Eins vorweg, das einzige, was in dieser Szene mit Helium gefüllt ist, ist ein Luftballon in Schweinchenform, der sehr possierlich auf trippelnden Klauen von Andrea Bettini an der Leine geführt wird.
Im Aufzug
Die Liebe ist das eine, das andere ist ihre Theatralik und ihre Fiktionalität. Und die sind in "Triptychon eines seltsamen Gefühles" groß, was niemanden ernsthaft überraschen wird. So erinnern die Luftballonpenisse und -brüste an die antiken Satyrspiele, Claudia Jahn und Andrea Bettini zeigen eine hübsche Karaoke-Nummer und das junge Paar wiederholt auf Ansage seinen Text, weil die Liebeserklärung nun doch zu schön war. Während der einsame Mann über einer Knutschperformance eines ihm unbekannten Paares im Foyer die halbe Inszenierung versäumt. Und Eickemeier liest, während sich die Clubbesucher an der Decke schwebend aneinander verlustieren sollten, den Text ein. Das unterstreicht den Werkcharakter dieses Theaterlabors. Wo die Illusion nicht eingelöst wird, hilft immer noch der Bruch mit ihr.
Man merkt überhaupt Fleischlins Text die Auseinandersetzung mit dem Handwerk an: Monologe lösen Dialoge ab, darauf folgt wiederum eine Gruppenszene, da reiht sich Geschichte an Geschichte. Elias Perrig löst diese Stückmechanik mit Bühnentechnik ein. Indem das Paar mit dem Aufzug nach oben transportiert wird und sozusagen als halbe Figur spielt und indem die objektfixierte Frau (Claudia Jahn) auf eine Art Podest erhoben wird. Ansonsten bleibt die Bühne leer und schwarz, bis eine Discokugel, eine Jukebox, eine Bar und eine Kleiderstange mit verschiedenen Tierkostümen im letzten Bild für Abwechslung sorgen (Bühne und Kostüme: Beate Faßnacht). Liebe ist in diesem "Triptychon eines seltsamen Gefühls" ein Reigen der Verzweiflung und der Euphorie. Egal, ob er nun im Katzenjammer oder im Glück endet, mit einem Handlungsbogen muss man dieses Tableau nicht verwechseln. Kein Konflikt weit und breit.
Triptychon eines seltsamen Gefühls* (UA)
*dieses eine bombastische
von Beatrice Fleischlin
Regie: Elias Perrig, Antje Schupp, Bühne und Kostüme: Beate Fassnacht, Dramaturgie: Fadrina Arpagaus, Licht: Anton Hoedl.
Mit: Andrea Bettini, Inga Eickemeier, Claudia Jahn, Katka Kurze, Barbara Lotzmann, Jan Viethen, Max von Mühlen.
www.theater-basel.ch
www.stuecklaborbasel.ch
In ihrem "Triptychon eines seltsamen Gefühls" gehe es Beatrice Fleischlin "um Zweisamkeit und die Liebe, nach der alle streben im schmerzlichen Bewusstsein der Vergänglichkeit", schreibt Annette Mahro in der Badischen Zeitung (4.6.2012). "Einer nach dem anderen erzählt da seine Geschichte." Alles in allem sei das "mal geradlinig, mal herzlich verworren und immer schwer textlastig. " Gleich zwei Regisseure, Elias Perrig und Antje Schupp, hätten "sich daran gemacht, dem Fleischlin-Text über Tarnidentitäten und Untiefen des Ichs das Laufen beizubringen. Es gab, so scheint es, auch schon leichtere Aufgaben. Herausgekommen ist mehr Versuchsanordnung als fertiges Stück."
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