Hamlet - Thomas Ostermeier brachte seinen zweiten Shakespeare als Festivalproduktion in Athen heraus
Lautsein oder Nichtsein
von Hartmut Krug
Athen, 7. Juli 2008. Thomas Ostermeiers zweite Shakespeare-Inszenierung (nach seinem von Constanza Macras' Choreographie geprägtem "Sommernachtstraum", der vor einem Jahr ebenfalls in Athen Premiere hatte), findet beim Athens Epidaurus Festival in einer riesigen Fabrikhalle in Peiraios vor mehrheitlich recht jungem Publikum statt.
Rauchend und plaudernd sitzt die Hofgesellschaft an langer Tafel, bis Hamlet mit seiner Frage nach dem "Sein oder Nichtsein" die gepflegte Ruhe stört. Dabei filmt Hamlet erst sich selbst und dann die anderen und projiziert die Bilder auf einen durchsichtigen Vorhang, der die Hofgesellschaft von einer mit Torfmull ausgelegten weiten Fläche trennt. Vorn am Bühnenrand steht ein Sarg überm offenen Grab. Wenn alle zur Beerdigung des alten Königs nach vorn rücken, gruppieren sie sich zur malerischen Schirmgesellschaft, für die ein Darsteller am Bühnenrand mit einem Schlauch Regenschauer übers Geschehen sprüht.
Überdeutliche Undeutlichkeit
Von Beginn an bestimmen Atmosphäre und Action diese Inszenierung mehr als Psychologie oder subtile Figurenentwicklung. Die Beerdigung wird als Slapstick gegeben, bei der nicht nur der Sarg nebst Totengräber mehrfach in die Tiefe poltert, sondern bei der sich auch die Trauergesellschaft mit kleinen und großen Schaufeln und mit ihrer Standfestigkeit im Matsch mächtig abmüht. Dazu dröhnt ein Filmsound, der bei der Rückkehr an die Tafel von festlicher Rummelplatzmusik abgelöst wird, bis Laertes mit einer Maschinenpistolensalve Ruhe für die Ansprache des neuen Königs schafft.
Königin Gertrud singt ihren dabei wenig aufmerksamen neuen Gatten mit einem französischen Liebeslied an, bis sie im Filmbild düster verzerrt erscheint. So wird in der überdeutlichen Undeutlichkeit der filmischen Überblendungen immer wieder der fortschreitende Realitätsverlust von Hamlet deutlich, den Regisseur Thomas Ostermeier herauszuarbeiten sucht. Am Schluss, nachdem Hamlet Ophelia verloren hat, verloren gegeben hat, verändert er sich auch körperlich. Er legt sich einen dicken Bauch zu und brüllt verwirrt und verzweifelt "ficken, ficken, ficken".
Theater, Theater
Das Leben ist Theater und das Theater ist es sowieso, erklärt uns die Inszenierung, und Verstellung ist beider Grundprinzip. Damit das auch jeder versteht, wird das Lied vom Harlekin mit dem Refrain "Theater, Theater" immer wieder zitiert, und die mehr als zwanzig Rollen des Stückes werden von nur sechs Schauspielern gespielt. Was oft vor allem ein schauspieltechnischer Vorgang ist, so, wenn z.B. Judith Rosmair Sonnenbrille, Blondperücke und Hochzeitschleier ihrer Gertrud abnimmt und zur dunkelhaarigen Ophelia wird.
Das Mikrophon kommt, von Hand zu Hand gereicht, oft zum Einsatz (Achtung, hier wird etwas vorgeführt!), und lässt dabei die schlechte Sprechtechnik einiger Darsteller nur noch deutlicher werden. Gesprochen wird eine neue Übersetzung von Marius von Mayenburg, die, weil ohne Eigenkraft, leider nur am Ohr vorbei rauscht. Auch wenn Mayenburg sicher eine funktionalistische Sprache ausstellen will, die in ihrer Neutralität und Nüchternheit Ausdruck des Charakters der Beziehungen am Hofe sein soll, so vermisst man doch z.B. die poetischen Widerhaken von Schlegels Übertragung oder die sachlich-sinnliche Kraft der Übertragung von Erich Fried. Neu an dieser Übertragung ist leider nur ihre Farblosigkeit.
In Dessous und außerhalb der Rolle
Lars Eidinger stellt als Hamlet die Frage nach dem "Sein oder nicht Sein" gleich mehrfach. Er geht dafür auch einmal ins Publikum und wirft sich von Beginn an mit viel, mit allzu viel Kraft in die Rolle. Das wirkt vor allem grob, emotionale Unter- und Nebentöne scheinen weniger gefragt als das Ausstellen einer Rolle. So zitiert Eidinger gelegentlich frühere Hamlet-Darsteller (Oskar Werner?), vor allem aber tobt er lautstark durch das Geschehen.
Er gibt in Dessous die Königin-Darstellerin in der "Mausefalle" und tritt gelegentlich auch aus seiner Rolle ("Stellt doch mal die Bedrohungsatmo aus" oder "Macht die Musik aus"). Mit Ophelia vereinigt er sich in erotischer Bodenakrobatik zwischen Anziehung und Ekel, und bei ähnlicher Aktion mit seiner Mutter versucht er fast eine Vergewaltigung.
Effekte, Effekte
Thomas Ostermeier sucht und findet keinen einheitlichen Stil für das Stück, sondern benutzt alle aktuell gängigen Effekte. Da gießt man sich Wasser aus der Flasche aus dem Kopf oder spuckt zuvor eingesaugte Blutflüssigkeit, und Hamlet umwickelt in der Mausefalle den alten König mit durchsichtiger Plastikfolie oder filmt sich und die anderen unentwegt. Wobei die Veränderungen an und in den Figuren nicht schauspielerisch, sondern mit filmtechnischen Tricks erspielt werden.
Es ist eine Inszenierung, die zwischen körperbetontem Actiontheater und herkömmlichem "Sprechtheater" des deutschen Stadttheaters mächtig hin und her schwankt und nach furiosem Beginn in der zweiten Hälfte ihrer fast drei pausenlosen Spielstunden immer wieder spannungslos durchhängt. Am Schluss steht die Verwirrung durch eine allgemeine Sprach- und Lärmkakophonie, bis Hamlet vor dem Vorhang das Schlusswort spricht: "Der Rest ist Schweigen." Worauf das Publikum sich in freundlichen Beifall hinein befreite.
Hamlet
von William Shakespeare
deutsch von Marius von Mayenburg
Regie: Thomas Ostermeier, Bühne: Jan Pappelbaum, Kostüme: Nina Wetzel, Musik: Nils Ostendorf, Video: Sebastien Dupouey.
Mit: Robert Beyer, Lars Eidinger, Urs Jucker, Miron Hakenbeck, Judith Rosmair, Sebastian Schwarz, Stefan Stern
www.greekfestival.gr
www.schaubuehne.de
Mehr über Hamlet heute ... können Sie im Bericht über die Inszenierung Tilmann Köhlers am Maxim Gorki Theater Berlin im März 2008 erfahren. Oder in der Kritik zu Michael Thalheimers Variante für das Thalia Theater Hamburg im April 2008.
Kritikenrundschau
Tom Mustroph (Frankfurter Rundschau , 9.7.2008) sah einen vielversprechenden Anfang der Inszenierung, der "signalisierte, dass Ostermeier nach deftiger Komik wie nach stilsicheren elegischen Bildern" sucht und "nicht eine weitere – verzichtbare – Version eines edel verzagenden Zauderers abliefern würde". Bereits am Anfang äußerte sich aber auch die Gefahr: "zu viele unterschiedliche Stilelemente mögen für Kurzweil sorgen, die Heterogenität kann aber auch eine Inszenierung ihres tieferen Grunds berauben." Dieser Falle entging Thomas Ostermeier nicht, so Mustroph. Eidinger als Hamlet forscht mit der Kamera "das eigene Antlitz und die der anderen aus". Seine wahnhaften Überschreitungen erscheinen "mal als Täuschungsmittel, mal als nicht steuerbare Dynamik einer zerrütteten Persönlichkeit". Im Gonzago-Spiel in der Doppelrolle als Königin und als Brudermörder Lucianus "gelang Eidinger eine vorzügliche Performance-Art-Parodie ... Doch oft genug werden die Textmassen nur abgearbeitet. Mayenburgs Neuübersetzung hilft zuweilen; die Sprache ist heutiger, frischer, schneller. Sie ist aber auch flacher, hat eine Dimension an versteckter Bedeutung verloren." Fazit: Am "Hamlet" wird "wohl nur ein Teil der Berliner Kritikercombo ... Grund zur Mäkelei finden. Doch kommentarlos darf dieses Werk nicht durch den Trivialisierungswolf gedreht werden".
Trotz der 40 Grad in Athen sah Manuel Brug in der Welt (9.7.2008) eine "kühl und sachliche" Inszenierung (wie die Übersetzung auch), einen "penibel aufgeräumten sprachlichen Musterkoffer". In der ersten Hälfte der "dann doch etwas zähen zweieinhalb pausenlosen Spielstunden wird vor allem Handlung transportiert. Später wird dann extemporiert und intensiv selbstbespiegelt". Lars Eidinger dürfe seinen Seinsmonolog gleich dreimal anstimmen, "eine multiple Persönlichkeit", ein "bleicher, weniger von Melancholie umflorter denn ratloser Prinzjüngling mit den tausend Videogesichtern". Lars Eidinger bleibe jedoch undeutlich in Figuralübungen stecken. "Thomas Ostermeier spult gekonnt seinen Katalog durch, befriedigt auch jede Erwartungshaltung. Wer hier den Autoren Shakespeare sucht, wird schnell im gängigen Regiemusterkoffer fündig." Aber, so wendet Brug noch ein, "kein Zweifel, auch diese jüngste Thomas-Ostermeier-Produktion ist – nach der weltweit gefeierten Damentrias mit Nora, Hedda und der ebenfalls in Athen gastierenden Blechdachkatzen-Maggie – zu 110 Prozent tournee- und festivaltauglich."
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zugegeben, die übersetzung kann höchstens als funktional bezeichnet werden, mehr gibt sie mitnichten her. aber eben gerade auf dieser grundlage gelingt ostermeier der spagat zwischen angestaubtem tragödienpathos und einer durchaus (jedenfalls in großen ansätzen vorhandenen) kritischen auseinandersetzung mit diesem urstoff.
mich jedenfalls hat das alles durchaus überzeugt und mitgerissen; und das ist nicht allein verdienst der filmischen mittel, sondern ganz speziell auch der herausragenden und treffsicheren schauspieler.
theater hat doch so viel mehr zu bieten als rampe, texttreue und samtköstümchen. beim neuen batman-teil springt doch auch niemand auf und schreit: Schluss! Diese ganzen Spezialeffekte, furchtbar!
nein, beim Batman-Film springt keiner auf und ruft "Schluss mit den Spezialeffekten", aber vielleicht sollte das mal einer tun. Mittel einzusetzen, WEIL sie zur Verfügung stehen, halte ich in der Tat für einen falschen Weg. Wenn es ein wie auch immer geartetes Darstellungsbedürfnis gibt, sollten sich daraus die Mittel ergeben, und die dürfen dann von mir aus postmodern oder schnickschnack oder intermedial sein. Aber die Mittel nur selbstreferentiell und effekthascherisch vorzuführen, das ist und bleibt ein im Grunde kunstfernes Unterfangen.
Übrigens: im Batman-Film dienen die Spezialeffekte weitgehend der filmischen Idee, weswegen er auch trotz (oder sogar wegen) dieser Effekte ein ziemlich reicher Film ist. Aber wollte jemand im Ernst bezweifeln, dass Filme von Lars von Trier oder von David Lynch, deren Mittel sublim auf das jeweilige Darstellungsbedürfnis abgestimmt sind, die größeren, eben noch reicheren Kunstwerke sind?
aber muss denn hinter dem einsatz gleichwie gearteter mittel immer auch zwingend eine idee stecken? ich weiß nicht, ob es so einfach ist, zu agen: die aussage bedingt die mittel. sicher ist das ein guter weg, ein kunstvoller und von aussagestärke und intention gesäumter; aber sind denn bilder und inspirationen/anstöße nicht genauso sehr kunst? regen die denn nicht auch zum denken/fühlen/lieben ein, wie es klare gedanken tun, die klare bilder nach sich ziehen? wenn es mit effekthascherei gelingt, irgendetwas zu vermitteln, ist das dann nicht ein (kunst)legitimes mittel?
ich persönlich kann auch einer inszenierung von zweifelhafter dramaturgischer substanz ganz viel abgewinnen, wenn sie mich nur irgendwie berührt. theater ist eben auch ein optisches medium, und da kann auch ein furchtbares bühnenbild schon sehr über gefallen und nichtgefallen entscheiden. oder plakativ-trashige bilder. irgendwas entsteht, und wenn dieses irgendwas mich dazu bringt, auch nach dem applaus noch darüber nachzudenken, sind mir viele mittel und wege recht.
aber zugegeben: eine schwierige frage.
was ich jedoch heute sah. war erbärmlich/langweilig...
inflationär wurde umgegangen mit allem, "was masse reißt" ...
zerreißt mich, aber es war nicht mehr als "70er-jahre-klamauk", dann halt in 2008, mit VIDEO.... toll...
Vorführung am 26.3.2012: Nach 2 1/2 Stunden Hamlet/Eidinger Getöse, dass die Schwarte kracht, die Schlussworte: der Rest ist Schweigen. Und ein Kommentar aus der ersten Reihe: Endlich!
Schwere narzisstische Kränkung. Wie Prof. Unrath im "Blauen Engel" forscht Eidinger in den Stuhlreihen - wer war das? Und dann: Verlassen Sie das Theater! Gehen Sie doch - hauen Sie ab!
Schwerste Majestätsbeleidigung. Fehlte nur noch: Hausverbot wegen Kritik.
"Indem er das Bild einer möglichen Rolle in sich konzentriert, konzentriert der Star - d.h. die spektakuläre Darstellung des lebendigen Menschen - diese Banalität. Der Stand eines Stars ist die Spezialisierung des s c h e i n b a r e n E r l e b t e n, ist das Objekt der Identifizierung mit dem seichten, scheinbaren Leben, welches die Zerstückelung der wirklich erlebten Produktionsspezialisierungen aufwiegen soll. [...] Indem er als Identifikationsmodell ins Spektakel übergeht, hat er auf jede autonome Eigenschaft verzichtet, um sich selbst mit dem allgemeinen Gesetz des Gehorsams gegenüber dem Lauf der Dinge zu identifizieren." (Guy Debord)
Ergo: the/ater, the/ater... Doch am Ende geht es immer nur um das Leben selbst. Offensichtlich nicht so bei Ostermeier/Eidinger.
Ich habe ihn dadurch das ich in seiner nähe saß beobachten können. Meines erachtens war das Verhalten dieses Mannes ebendso narzistisch wie es in vorrausgegangenen Bemerkungen Eidinger unterstellt wird. Mann konnte förmlich beobachten das dieser Aktion nur dazu galt sich zu produzieren. Hamlet ist eines meiner Lieblingsstücke an der Schaubühne. Ich denke das Zuschauer ein Recht haben ihren unmut zu äußern. Jedoch mag ich keine inszenierte berechnende Empörung. Sie scheint mir gerade durch das schauspielerische Potential des besagten Zuschauers meiner Zuschauerfreude zuwieder zu laufen.
Jetzt kurz zum Stück. Damals als ich das Stück bei der Premiere das erste mal sah war es mein erster Hamlet. Auch meine Erfahrung als Zuschauer hielt sich in Grenzen. Jedoch hatte ich an dem Stück nichts auszusetzen. Heute könnte ich natürlich einiges mehr dazu sagen.
Ich denke das die Übersetzung von Marius von M. falls die Intention genau in die Richtung geht die kritisiert wurde genau deswegen diesen Stand erreicht hat.
Die Aussprache die anscheinend Absichtlich nicht immer das Ohr trifft ist für mich auch ein Ärgernis auch wenn dahinter eine Intention stehen sollte. Jedoch hat sich die Aufführung in den letzten zwei Jahren verändert etwa bei der Stelle wo Sebastian Schwarz als Horatio beim essen redet.
Wird etwa der Sexismus gegenüber Ophelia, oder Gertrud nur reproduziert oder durch die Offenlegung auch kritisiert ?
Warum ist das Stück gestern und heute ausverkauft
gewesen auch wenn die meisten Kritiker bei Nachtkritik sagen das es ihnen nicht gefallen hat ?
(PS: Ich bin froh, dass ich den Kommentar aus der ersten Reihe gestern nicht hören musste. Hätte mir den Spass ein wenig geraubt...)
würde mich in diesem zusammenhang hamletisch interessieren
aber man weiß es nicht und nichts ist überliefert
Wenn Sie jetzt mehr dazu sagen können, dann sagen Sie doch mal. Was genau empfinden Sie so wesentlich und/oder aussagekräftig daran, dass Horation (Sebastian Schwarz) beim Essen redet? Wie genau wird der Sexismus gegenüber Ophelia/Gertrud durch die Offenlegung kritisiert?
Ausverkauft ist die Inszenierung, weil Eidinger Hype und/oder hip ist, aber kreischende Groupies sagen noch lange nichts über die Qualität der Kunst aus, Stichwort: Starsystem.
Ist mir schnuppe.
Die Szenen dort funktionieren und mir ist es auch schnuppe, ob es "Effekthascherei", "sexistisch", "postmodern", "anale Matschaktionen" für manche Zuschauer sind.
Darf das Theater nicht "was masse reißt" sein?
Ich würde meinen H...... dafür verwetten:
Hätte der gute englische Dramatiker S. damals, oder wenn er heute leben würde, eine "Effekt" zur Verfügung gehabt, um dem damaligen wie heutigen Bildungsbürger und schongeistigen Konformisten den A.... zu rösten, er hätte ihn benutzt.
Komm ich nach Berlin, schau' ich mir das an, - den Hamlet.
"Das Bild lockt durch seine Leere. Nichts kann uns da blockieren. Dagegen ist die Anwesenheit des Körpers (das Theater) immer ein 'Block', irgendwie von einem Hauch der Enttäuschung umgeben, ja von Trauer - die man vielleicht mit derjenigen zusammendenken müßte, die nach Hegel die antiken Götterplastiken umgibt: die allzu vollständige und vollkommene Anwesenheit, die schiere Fülle des Bilds erlaubt keinen Abstieg in ein Innen. Nach dem Körper kommt nichts mehr. Wir sind angekommen. Anders im Theater. Hier gilt: Der Schauspieler ist die Bildstörung. Die Wahrheit einer Frustration. Eines Fehlens. Vor dem wirklichen Körper sind wir blind, während wir vor dem Bild zu sehen glauben: Allmachtsphantasie als Alltag." (Hans-Thies Lehmann, "TheaterGeister/MedienBilder")
wenn ich ein Interesse an politischer Philosophie habe, lese ich unter anderem den genannten Denker oder andere.
Wenn ich ins Theater gehe möchte ich weder ein politisches noch philosophisches, theoretisches Geschwurbel sehn.
Ich möchte eher Menschen, Schauspieler, sehen , die keine "Bildstörungen" sind, sondern die um das "Innen" ringen.
Das kann meinetwegen mit "Alltag" oder sonstigen Welten zu tun haben.
Ich bin gerade zu faul, um ein Zitat zu copypasten.
ich habe in meiner ersten post von "Effekten" geschrieben, die ein Shakespeare in seiner Zeit auch schon benutzt hat, siehe "traps" oder auch Flugseile.
Warum sollte sich ein heutiger Regisseur in seiner Inszenierung nicht mit "Effekten" aus anderen Künsten bedienen dürfen, die ihm Metaphern und Assoziationen ermöglichen, um seine Sicht des Stückes zu zeigen.
Das "A…. rösten" ist als Gleichnis zu verstehen.
Mir dem Sexismus ist das so eine Sache: es wimmelt leider nun mal in Sh.'s Stücken von ihm, siehe "Romeo und Julia", "Der Widerspenstigen Zähmung", "Viel Lärm um nichts" usw., auch eine Fülle von politischen Unkorrektheiten, die mit unserem heutigen Verständnis von Korrektheit nicht sonderlich gut vereinbar sind - siehe "Der Kaufmann von Venedig".
Geht es darum sie glatt zu bügeln oder raus zu streichen?
"….die schiere Fülle des Bilds erlaubt keinen Abstieg in ein Innen. Nach dem Körper kommt nichts mehr."
Vielleicht ist es aber für manchen Betrachter genau anderes herum.
Theater kann nicht körperlos sein.
Theater kann nicht körperlos sein, nein. Aber noch viel weniger sollte es sprachlos sein, es sei denn, es sei Musik.
Es ist aus verschiedenen Quellen überliefert das Shakespeare in drei verschiedenen Versionen geschrieben wurde.. Soviel zur Rechtschreibung und zur Authenzität meiner Kritik ;-)
Warum sagen Sie: Mir(satt mit) dem Sexismus ist das so eine Sache: es wimmelt leider nun mal in Shakespeares Stücken von ihm...
Sehen Sie sich doch unser modernes Leben an: es wimmelt nur so von Sexismus.
Und so entspricht der Sexismus Shakespeares unserer heutigen, sexistischen Zeit.
Dazwischen war aber auch das Viktorianische Zeitalter, und seine Prüderie wirkt immer noch nach - bis heute - -
es gibt auch Stücke, die sehr philosophisch sind, und ganz an der Spitze stehen: Faust und Hamlet -