Presseschau vom 23. Mai 2014 - Die FAZ belauscht den Unmut des Stifters Heinz Dürr über die Neuausrichtung des Berliner Stückemarkts
Das Grollen des Mäzens
Berlin, 23. Mai 2014. Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (23.5.2014) hat sich Theaterkritikerin Irene Bazinger mit dem Stuttgarter Unternehmer Heinz Dürr getroffen, dessen Gelder aus der Heinz-und-Heide-Dürr-Stiftung u.a. den Stückemarkt des Berliner Theatertreffens mitfinanzieren. Und auch wenn Dürr keinswegs drohe, dem Stückemarkt seine Zuwendungen zu entziehen, so übe er doch scharfe Kritik am neuen performativen Profil des einstigen Dramatiker-Wettstreits. Was Heinz Dürr hier "zu sehen bekam, konnte er mit der Stiftungssatzung nicht vereinbaren", schreibt Bazinger.
"Als Stifter, so Dürr, der keine inhaltlich-formalen Vorgaben macht, aber im Sinne der großen abendländischen Theaterkunst Menschen mit ihren Problemen auf der Bühne zuschauen und nicht von dekonstruktivistisch-privatbefindlichen Theoriedestillaten angeödet werden möchte, lässt man sich von einem Vorhaben überzeugen, anstecken, begeistern – und gibt Geld dafür."
Dramatik für Großväter?
Schon nach der Eröffnungsrede des Stückemarkts vom Leiter der Berliner Festspiele Thomas Oberender habe Dürr das Gespräch gesucht und bemängelt, dass Oberender "eine Notwendigkeit konstruierte, sich anders zu artikulieren als 'die Großväter'". Dürr habe sich dagegen gefragt, "was zum Beispiel an Shakespeare opahaft wäre? Und ob dieser nun keine Chance auf dem Stückemarkt hätte? Und ob Oberender Kategorien wie Performance, Installation, Happening wirklich für neu halte, die nach Dürrs Meinung ihre beste Zeit längst hinter sich hätten?" Der Mäzen hoffe nun, "dass es bald wieder einen 'Stückemarkt' geben wird, der diesen Namen tatsächlich verdient, und ihm geht es um bessere Aussichten für Autoren, Stücke und Zuschauer."
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Das ist irgendwie unglücklich formuliert, oder? Denn wenn Herr Dürr "Menschen mit ihren Problemen" zuschauen möchte, wo liegt da der Unterschied zu "dekonstruktivistisch-privatbefindlichen Theoriedestillaten" - ausser in der im letzteren Fall abwertenden Formulierung? Wie anders als mit Theorie bearbeiten Menschen denn ihre Leben? Und das haben doch auch schon die alten Griechen - z.B. in den sokratischen Dialogen - so praktiziert. Dass sie Probleme der Polis und damit zusammenhängend ihre eigenen Probleme über philosophische Gespräche reflektiert und auf die Bühne gebracht haben. Was Dürr wohl eher vermisst, ist die eine, zusammenhängende Fabel und die alten Mythen. Aber da geht's dann wohl doch eher um persönliche Präferenzen, also "inhaltlich-formale Vorgaben". Oder nicht?
Die lebendige Wirkung großer Werke der Vergangenheit (Shakespeares große Werke!)lässt sich ja durch all das, was Wissenschaft und Kritik zu diesem
Thema zu sagen haben, immer nur teilweise erklären, würde ich sagen.
Denn sie entspringen der geheimnisvollen(!) Erneuerungsfähigkeit und
Unausschöpflichkeit, die zum Wesen der Kunst h o h e n R a n g e s gehören. Diese ist nämlich nie abgeschlossen "fertig", nicht wahr -
im Sinne einer aufzählbaren Summe ihrer Wirkungsmöglichkeiten, sondern
sie wandelt und entwickelt sich so, wie die G e i s t i g k e i t der sie aufnehmenden Menschen sich doch von Generation zu Generation verändert.
Das innere Wachstum großer Kunst ist dennoch nicht allein von diesen
Veränderungen des geistigen Bewusstseins von Epoche zu Epoche abhängig.
Denn Kunst, die nicht der obersten(!)Orrdnung angehört, hat ihre
a n g e m e s s e n e L e b e n s d a u e r und kann in ihren Wirkungen
ungefähr - ich sage ungefähr - überblickt und abgegrenzt werden.
Dazu kann man ruhigen Gewissens auch Jelinek und Handke zählen . . .
oder, ich tue diesen hochgerühmten "Vielbeachteten" Unrecht - es könnte
schon sein, könnte schon sein . . .
(Wirkung+Lebensdauer)