Befreit euch aus veralteten Hierarchieformen!

8. September 2010. Die Idee, das Subventionssystem grundlegend umzukrempeln und Fördergelder direkt an Künstler zu vergeben, wird nicht nur von einigen nachtkritik-Kommentatoren diskutiert. Im Interview mit Alexandra Kedves im Zürcher Tagesanzeiger spricht Regisseur Samuel Schwarz davon, dass das holländische Modell für die Schweiz Vorbild sein könnte: "Man unterstützt nicht Häuser, sondern lebendige Teams mit eigenständiger, individueller Organisationsform. Sprich: Der Verteilschlüssel bei den Subventionen muss und wird anders aussehen."

"Stadttheater können mit der kreativen, effizienten Energie einer freien Gruppe nicht gut umgehen", resümiert Schwarz, "das liegt in ihrer Struktur; und deshalb haperts auch mit ihrer Kunst." Wenn die derzeitige Krise das Stadttheater zum Umdenken zwinge, sei das für alle ein Gewinn, "zuerst fürs Stadttheater selbst und für sein Publikum, aber auch für die Freien, die von den fetteren Subventionen mehr abkriegen würden".

Seine Gruppe 400asa versuche, Theater mit sozialer Ausstrahlung zu machen. Dazu gehören Skandal und Eventcharakter ebenso wie die rasche Reflexion aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen. "Ein riesiger, bürokratisierter Theaterdampfer kann das so gar nicht leisten. Er ist auch zu elitär, um nah am Kleinbürger zu inszenieren. Das schaffte im Stadttheaterbetrieb höchstens ein Schlingensief als Einzelerscheinung. Und diese Einzelerscheinung sollte dann als 'Hofnarr' das andere Mittelmass rechtfertigen." Die Gruppenförderung, die 400asa in Zürich bekomme, möchte er nicht loben: "Was wir betreiben, ist Selbstausbeutung. Wir Kreativen brauchen mehr Geld." Und das auch gerne auf Kosten der kuratierenden Dramaturgen und Intendanten, "die ihre ganze Legitimation nur aus Selektionsprozessen ziehen. Und die dann trotz ihrer hohen Löhne Spielpläne zusammenstellen, die wie ein Ei dem anderen gleichen."

Laut Schwarz wird bereits in Luzern heftig darüber diskutiert, ob man das Sprechtheater am Stadttheater auflösen und die Gelder an freie Gruppen verteilen soll. Und in Bern wird überlegt, ob in Zukunft vier Gruppen das Haus leiten oder ein kleines Ensemble, das aber offen ist für die lokalen Gruppen. Überleben werde jenes Theater, "das intelligentes Sprechtheater mit Eventcharakter bietet und das seine gesellschaftliche Anbindung nicht verloren hat. (...) Mit den vorhandenen Subventionen wäre im deutschsprachigen Raum mehr Vielfalt möglich."

Selbst offenere Häuser, wie etwa das Theater am Neumarkt, sieht Schwarz in einer veralteten Hierarchieform gefangen. "Warum es etwa an Theaterhäusern, die für die freie Szene geschaffen wurden, Intendanten und Dramaturgen braucht, ist mir und auch vielen anderen Theaterschaffenden nicht klar. Ich bin mir aber sicher, dass bald mehr Geld zu denen fliesst, die tatsächlich produktiv sind."

 

Mehr zu dieser Diskussion: Auch Matthias von Hartz und Tom Stromberg äußerten sich im Vorwege des von ihnen geleiteten Impulse-Festivals 2009 ähnlich. Auch sie beschrieben in ihrem Debattenbeitrag, dass die Anpassung der Kunst an die Notwendigkeiten der Institutionen im besten Fall das Überleben der Institutionen sichere, mit der Weiterentwicklung von Kunst jedoch wenig zu tun habe.

Kommentare  
Löst das Stadttheater auf: Probleme andersherum
klingt ja wirklich nach einem völlig uneigennützigen vorschlag.
welche freie gruppe ist denn bitteschön "näher am kleinbürger" (was immer das heissen soll)?
es gibt kein einziges stadttheater, das es sich leisten könnte sich auf eine so winzige elitäre szene zu konzentrieren wie die freien gruppen.
die gegenwärtigen probleme im stadttheater kommen doch daher, dass sie versuchen so zu tun als wären sie off-theater und dabei ihr publikum vergessen.
Löst das Stadttheater auf: biedere und visionslose Spielpläne
beängstigend ist schon die gleichschaltung der spielpläne, siehe simons biederer spielplan für münchen. dieses argument ist einfach stichhaltig. visionslose dramaturgenintendanten und ängstliche dramaturgen scheinen das deutschsprachige theater zu einer uniformierten veranstaltung zu machen.
Löst die Stadttheater auf: hochgefährlicher Unsinn
Das ist hochgefährlicher Unsinn, der auf Unkenntnis beruht! Die meisten Stadttheater unterstützen freischaffende Künstler genauso wie die sogenannte "freie" Szene! Nur - immer gibt es da so etwas wie eine Qualitätskontolle - irgend jemand muss schließlich entscheiden, wer die Inszenierungen besorgt, ob das jetzt der Intendant ist, der freischaffenden Teams Arbeiten ermöglicht, oder die Kulturamtsleiterin, die Gelder an freie Gruppen vergibt.
Wo ist der Unterschied - und was sind die bösen, starren "Strukturen", die angeblich Kreativität am Stadttheater verhindern? Sind es verbindliche Abgabetermine für die Werkstätten? Oder festgelegte Probenzeiten? Oder der Umstand, dass am Abend gespielt wird? Je professioneller Theaterarbeit ist, desto mehr muss daran organisiert werden. Desto mehr wird vom Künstler verlangt, dass er sich selbst, seine Arbeitsabläufe und sein Material organisiert. Das ist die Mindestanforderung, die an jeden Theaterschaffenden gestellt wird - ob im Stadttheater oder in der freien Gruppe.
Das einzige, wovon sich die "freie" Szene sich noch befreien muss, sind starre Ideologien und gefährliche Vorurteile, die vollkommen unreflektiert in die Öffentlichkeit posaunt werden und für die Theaterkultur insgesamt großen Schaden anrichten.
Löst die Stadttheater auf: trotz der Intendanten
....kuratierenden Dramaturgen und Intendanten, "die ihre ganze Legitimation nur aus Selektionsprozessen ziehen. Und die dann trotz ihrer hohen Löhne Spielpläne zusammenstellen, die wie ein Ei dem anderen gleichen."....das ist wirklich schön formuliert, gefällt mir...manchmal möchte man sagen: Einige wenige gute Arbeiten am Theater kommen noch zu Stande, nicht wegen der Intendanten und Dramaturgen, sondern geradezu trotz ihnen.
Löst die Stadttheater auf: Stadttheater wird überleben
Hallo "aha",
Danke für den Kommentar. Man kann es nicht mehr hören: Stadttheater langweilig, freie Gruppe super. Die meisten Zuschauer erreicht immer noch das olle Stadttheater. Und es wird auch weiterhin lernen vom Freie-Gruppen-Denken. Und so geht es immer weiter. Bis Klein-Erna-Freie-Gruppen-Heini angekommen ist im Stadttheater. Wohl bekomm's! Oder eben auch nicht. Das Stadttheater wird's überleben.
Löst die Stadttheater auf: zum Kopfschütteln
Dieses Interview mit Samuel Schwarz ist es nicht wert, dass darüber diskutiert wird. In dummdreister Art werden hier Platitüden und Klischees aneinander gereiht, dass man nur den Kopf schütteln kann wie der Zürcher Tagesanzeiger diesem Stuss eine ganze Seite widmen kann. Schwarz, der von Modellen der Zukunft tönt, macht mit seinen 400asa-Leute ein gedanklich verquastes Theater, dass niemand versteht, wahrscheinlich auch nicht die überschaubare Fanclique der immer gleiche coolen wenigen. Zudem wird Schwarz nicht müde sich fortwährend bei Stadttheatern zum Direktionsposten zu bewerben (...) Diese bizarre Mischung aus Eitelkeit und Dummdreistigkeit ist nicht "revolutionär", sondern nur peinlich.
Löst die Stadttheater auf: unkünstlerische Koproduktionen
@Gaga. Sturz naiv, was sie da schreiben. (...) Ich frage mich manchmal: Was bilden sich diese subventionierten Künstler eigentlich ein,...so kann doch jeder Irgendwiekunst produzieren. Schauen sie doch nur hin auf die Ruhrtrienale und ihre "wahre" Blechtrommel. Da müssen dann Produktionen in die Jahrhunderthalle passen und ins Gorki in Berlin. Diese Art von Koproduktionen sind absolut unkünstlerisch. Das wünscht sich doch keiner, dass das überlebt. Vielleicht wollen ja allein sie in diesem Quark überleben, und immer mal wieder in der Off-Szene absahnen, wenn den Kuratierenden im muffigen Stadttheater mal gar nichts mehr einfällt. Schauen sie auf die Volksbühne, was in Moskau schon hinkte soll aber in Berlin funktionieren. Brandauer am Be und und und...keiner will diesen Festivalquark hier wirklich sehen. Wer mag schon Netzwerker. Netzwerktheater sollte man die Stadt und Staatstheater umtaufen. Es gibt doch überhaupt kein Off und kein In mehr. Das sind verbrauchte Begriffe; und wenn ich an Ihnen ablese, was für Geisteshaltungen subventionierte Kunst in dieser Form schafft, dann "Ade, du schödes Stadttheater". Ihr Grundton und hat mit Kunst nichts zu tun, nur mit Verwertung,...und da wären wir dann wieder bei Frau Bergmann,...liefern sie doch wenigstens einen innovativen Ansatz in allem Ihren: Es bleibt so.

Totgeweihter Unsinn kommt aus diesen Apparaten, ständig morbider Ausfluss. Darauf könne auch die Stadtväter verzichten. Sucht nach einer neuen Auswahl und Vergabestruktur!!!
Löst die Stadttheater auf: überragende Qualität
Selbst wenn sich Samuel Schwarz unermüdlich um irgendwelche Posten bewirbt: Man kann ihn über die Jahre hinweg als Allerletzten bezichtigen, bloss egoistisch oder aus eigenen Interessen heraus zu argumentieren. Im Gegenteil. Gerade, dass er immer wieder über Dinge spricht, die dem Theaterbetrieb tatsächlich weh tun, und zwar ungeachtet dessen, ob er sich damit Möglichkeiten verbaut, ist erfrischend und grade auf die Dauer überzeugend. Dass er trotzdem zu tun hat, und zwar hier und dort, liegt an der Qualität seiner Arbeit. Ohne diese könnte er sich sein grosses Maul gar nicht leisten. Dass nur eine kleine Gruppe von Fans seine Qualität als Regisseur schätzt, ist schlicht eine Lüge. Ich bin auch nicht mit allem einverstanden, was Samuel in dem Interview sagt (zum Beispiel denke ich, dass man als Schauspielerin an einem Haus der Hierarchie nicht unbedingt mehr ausgeliefert ist, als in der Freien Szene, vielleicht sogar im Gegenteil). Aber das Ganze auf Eitelkeit und Dummdreistigkeit zu reduzieren ist eine blanke Unterstellung.
Löst die Stadttheater auf: endlich ein konstruktiver Ansatz
Endlich einmal konstruktive Denkansätze!
An den Stadttheatern vermisse ich seit Jahren das Abrufen des kreativen Potentials – stattdessen dominiert das professionalisierte Abspielen eingeübter Gesten von Akteuren, die sich am bildungsbürgerlichen Mainstream abmühen müssen, um manchen Denkfaulen das Lesen von Romanen zu ersparen.
Allerdings würden sich freie Gruppen mit einer öffentlichen Bezuschussung auch zwangläufig dem Publikumsgeschmack anpassen, sonst wären sie nur auf elitäre – oder phasenweise kleinbürgerliche – Gruppen kapriziert, die nicht den erhofften Zulauf garantieren. Das würde ihnen auf Dauer den Geldhahn abdrehen und sie wären leider dahin gedrängt, nicht am Auditorium vorbeizuspielen und moderates, allgemein zugängliches, dem Bildungsbürger halbwegs vertrautes Theater zu fabrizieren.
Löst die Stadttheater auf: Zuschauerschwund, es braucht Ideen
Als ob Eitelkeit nicht einer der stärksten Antriebe in dieser Sparte wäre! Man kann die Ideen natürlich kopfschüttelnd als Quatsch verwerfen, nur macht das Stadttheater es sich da etwas einfach: Zuschauerschwund ist allgegenwärtig! Es braucht also neue Ideen, vielleicht auch solche, die dieses Intendanten/Dramaturgen-System grundsätzlich hinterfragen. 400asa macht seit über 10 Jahren erfolgreich Theater. Von "Unkenntnis" kann also nicht die Rede sein.
Löst die Stadttheater auf: DDR-Erinnerung
Es herrscht ein Kuratell von Intendanten und Dramaturgen, die für die totale Gleichschaltung verantwortlich sind. Es geht um Koproduktionen, ein paar wenige Großregisseure und deren Epigonen/Schüler, Kritiker werden eingekauft, (...), Dramaturgen wechseln die Häuser, die Netzwerke bleiben die gleichen. Es herrscht die völlige Visionslosgikeit bei gleichzeitigem Systemdruck, das erinnert an die DDR. Das ist undemokratisch, hermetisch und vor allem unkünstlerisch.
Löst die Stadttheater auf: Verteilungskämpfe anzetteln bringt nichts
oh du fröhliches intendantenbashing. - was wäre (wird) die freie institution HAU ohne lilienthal und sein team? es kommt doch immer drauf an, was drin ist in den leitungsköpfen. es gibt mittlerweile etliche leerstehende theater in deutschland. bitte besetzen und mit überzeugenden konzepten viele HAUs installieren. das stadttheater braucht weitere reformen, aber wer seine abschaffung fordert, sollte sich vorher bitte noch mal kurz mit theaterstrukturen und -etats in den nachbarländern beschäftigen. wer benelux als utopie feiert, wird sich möglicherweise wundern über die realen produktionsbedingungen dort. verteilungskämpfe anzetteln bringt nichts, fürchte ich. es läuft ja nicht so, dass für eine abgewickeltes theater oder eine oper anderswo ein neues theater aufgemacht würde. es braucht zusätzliche kulturetats für die professionelle freie szene. eigentlich gehts nur um "peanuts", um mal einen schweizer intendanten zu zitieren.
Löst die Stadttheater auf: Existenzgrundlage
das stadttheater ist für einen schauspieler die einzige möglichkeit ein wenigstens halbwegs normales leben, manchmal sogar familienleben zu haben. wer seine abschaffung fordert, möchte all diesen menschen doch die existenzgrundlage entziehen. all das mit dem wahnsinnig subversiven argument, dass dies alles verkrustet und muffig. ich kenne dutzende schauspieler an stadttheatern, die um ein vielfaches kreativer und flexibler sind als einige leute aus der freeien szene, die ich kenne.vielleicht sollten theaterleute in der lage sein individuelle unterschiede wahrzunehmen und nicht nur leute in stereotypen einzuteilen.
@123 etliche der auführungen von denen sie sprechen sind regelmässig ausverkauft. wieso also will das "niemand?" sehen - wer ist dieser niemand von wem sprechen sie? ein paar sachliche argumente würden ihre polemik wesentlich nachvollziehbarer machen.
Löst die Stadttheater auf: ganz zu schweigen von Köln
@ 12

Ja !

Verteilungskämpfe anzetteln, genau: das bringt garnichts !!
Und das mit den Spielplänen landauf-landab, das kann einfach auch nicht so stehen bleiben. Ich befinde mich gerade in Chemnitz: die
Spielzeit ist überschrieben mit "Wolken-Heim"; es gibt zahlreiche Stücke der "Neuen Dramatik", und das finden Sie nicht nur in Chemnitz, mal ganz zu schweigen von Köln, denn das lobt "123" in
der Regel: Stadttheater für Köln, damit hat Frau Beier gepunktet.
Theater des Jahres und Frau Blomeier ist da jetzt auch hin ...
Schafft die Stadttheater ab: Ouh!
Ouh, jetzt wissen wir, wie wir das Lob von "123" erreichen können! Neue Dramatik!
Schafft die Stadttheater ab: wunderbare Blüten
"Es herrscht ein Kuratell", schreibt in #11 jemand und meint vermutlich ein "Kartell" und der Geist, der dahintersteht, ist einfach erbärmlich. Statt sich zu freuen, zu jubeln, dass es in Deutschland noch immer dieses fantastische Subventionssystem gibt, das fast einmalig auf der Welt ist, wird es von den Erniedrigten und Beleidigten gebasht. Preist doch allmorgendlich den Herrn, dass wir uns dieses System noch leisten! Wie wunderbare Blüten bringt es immer wieder hervor: Baumbauers Hamburger und Münchner Jahre, Khuons Thalia, Beiers Köln, Petrassens Gorki, die frühe Volksbühne unter Castorf, Schulzens Hannover und nun Dresden, die Frankfurter, die Stuttgarter undundund. Was soll denn dieses Gebelfer?! Freut Euch! Es gibt verantwortungsvoll Handelnde und sie machen die Szene lebendig seit Jahren. Mannmannmann.
Schafft die Stadttheater ab: Holzhammerhafte Zeichnung
@ Sabine

Geht dabei nicht darum, das Lob von "123" einzukassieren, nur um den
schlichten Hinweis, daß ich in den knapp 11 Monaten hier auf Nachtkritik nicht zum ersten Mal auf diese sehr holzhammerhafte Zeichnung
des Stadttheaters stoße, auf die Gefahr allenthalben, freie Szene und Stadttheater gegeneinander auszuspielen ...: Das nimmt dann schnell den Verlauf, der hier schon von anderen Teilnehmern skizziert wurde: Frau X oder Herr Y profiliert sich öffentlich als Kritiker des Stadttheatersystems und greift dann statt in Fördertopf A in Fördertopf B , aus Fördertopf C fließt dann bei Rückkehr ins Stadttheater das Doppelte etcpp. ... .
Nur einen solchen Fall, und diejenigen, die Futter gegen das Schauspiel überhaupt suchen, werden fündig !!
Ein Signalwort wie "Event" reicht mir im Text vollends hin, um an den länger als sehr kurzfristigen Erfolg abrupter Umwälzungen zu
zweifeln; da ist der Hinweis von § 12 allemal beherzter: Öffnet zB. das Kleist-Theater in Frankfurt (Oder) wieder, zeigt, daß "Ihr" das ohne Stadttheaterstruktur hinbekommt, argumentiert das an, gerade im Kleist-Jahr die Chance dazu: so könnte ich dieses Ansinnen nachvollziehen, würde es zu unterstützen suchen wohl !
Für mich ist dagegen noch nicht einmal ausgemacht, ob die "Reibung" in der Stadttheaterstruktur zwischen nicht-künstlerischen und künstlerischen Beschäftigten bzw. dieser Gruppen und dem Publikum
nicht manchmal sogar das Salz in der Suppe sind, ja, beinahe zu den Rezeptionsbedingungen von jetzigem Theater zu zählen sind.
Genügend Aufpreise für persönliche Beratung (Bahn) bzw. keine KassiererInnen stattdessen Computerkassen, das kennen wir doch alle: wollen wir das auch noch im Theater ??
Vielleicht ist der Apparat so, daß alles, frei nach Schernikau, ich sah ja gerade am 9.9. "Schernikau Sehnsuchtsland" von Portofolio im LOFFT, was verstanden werden soll, dreimal gesagt werden muß (ist es außerhalb des Theaters zudem anders ??), aber schön, daß wir uns das leisten, deimal sagen zu lassen, zuhören und auch harren lernen !!
Im übrigen zeigte sich bei der LOFFT-Leipzig-Premiere der dreiseitigen (sehenswerten !) Annährung an Ronald M. Schrnikau auch ein gewisses Off-Dilemma, das "wir" nicht unter den Tisch fallen lassen sollten: der Zuschauerraum war besetzt lediglich zu einer Stärke eines mittleren Deutsch-LKs, bei einer Leipzig-Premiere (zum Leipzigexstudenten Schernikau) -von "üblichen Verdächtigen", die ich auch sonst schon sah, wenn ich mal zu einem beliebigen Zeitpunkt dort in ein Theater gegangen war ...-.

An dieser Stelle noch vielen Dank, Herr Heinrich, für die Urlaubwünsche ! aus Zwickau liebe Grüße AZ
Löst die Stadttheater auf: Intendant Nix antwortet Schwarz
Zum zweiten Mal wird Samuel Schwarz jetzt am Stadttheater Konstanz inszenieren. Er bekommt ein anständigs Honorar und wir haben sein gesamtes Regieteam engagiert. Ich selbst komme aus der freien Szene und habe nicht vergessen, was es für idiotische Stadttheaterintendnaten gab und vielleicht auch noch gibt, seit Jahren unterstützen wir die freie Szene, wichtiger noch Künstler in Togo und Malawi, die sonst gar keine Chance hätten nach Europa zu kommen.
Insofern ist Schwarzens Interview doppelzüngig, hat er sich soch selbst in Bern als Intendant beworben, doppelzüngig auch, weil Stadtheater nicht Stadttheater ist und weil es immer auf die konkreten Menschen und das Team ankommt, er entfacht in reichen Ländern wie der Schweiz und Deutschland eine falsche Debatte und fördert Verteilungskämpfe in wohlhabenden Verhältnissen, das ist dumm und deutsch bzw. schweizerisch, rebellisch ist es nicht und emanzipatorisch schon gar nicht: scheinbar basis-populistisch, mehr nicht. schade für einen, der vorgibt brecht und marx verstanden zu haben: the beat goes on.
Löst die Stadttheater auf: Intendanten-Amt korrumpiert
Lieber Christoph Nix, Danke für den Kommentar. Ich stelle gar nicht in Abrede, dass es durchaus auch Teams geben kann, die an den Stadttheatern ihrer Job redlich machen und für die nötige Unruhe sorgen ( siehe auch das jüngste Projekt von Florian Fiedler in Hannover ). Trotzdem: Die meisten Menschen werden durch das System, indem sie agieren, korrumpiert. Das stramme, sich an vielen Sprechtheater sehr ähnlich manifestierende System ist meiner Auffassung nach für die meisten Künstler & Intendanten, die sich zu lange darin aufhalten, der künstlerischen Sensibilität und der gedanklichen Durchdringung der Welt nicht zuträglich, folglich auch nicht der Qualität der Arbeiten. Das militärische Stadttheatersystem - ich nutze diesen Begriff gerne - macht bei einer Sparte wie der Oper vielleicht eher Sinn, riesige Menschenmassen, ein Orchester, Sänger, etc. müssen orchestriert und dirigiert werden, das musikalische Material lebt von der strengen Reproduktion des Gewesenen, weniger von der Neuschöpfung. Für das Sprechtheater aber - das von dem kreativen Potential und der Intelligenz der Schauspieler lebt - ist diese strenge System aber - so meine ich - nicht zuträglich. Dass ich einmal pro Jahr auch am Stadttheater inszeniere hat auch damit zu tun, dass die freie Szene geldmässig (noch) zu wenig einschenkt. Die Freiheit, die ich aber als Leiter einer freien Gruppe geniesse und die sich immer besser vernetzenden Gruppen, sowie auch die besseren Fördermodelle machen mir Hoffnung, dass es zu einem Nachdenken über den Subventionsfluss kommen wird. Im Ansatz findet der beispielsweise in diesem Forum statt. Beworben habe ich mich übrigens am Berner Stadttheater mit einer Bewerbung, die auf "Leitungsteam" setzte, auf Reduktion der Produktionsdichte, sowie auf unkonventionelle Ideen, wie integrierte Kinderkrippen und feste Einbindung von freien Gruppen, die die Nutzungsrechte an ihren Produktionen nicht ans Stadttheater abgeben würden. Ein völlig anderes Modell als das gescheiterte Marc Adam Konzept mit einem CEO an der Spitze. Man kann mir also nicht vorwerfen, dass ich mich als Intendant bewerbe, wenn mein Bewerbungkonzept dann den Auswahlgremien als zu gewagt erscheint und vor allem dieser Gewagtheit wegen scheitert. "Einer muss sagen, wo es langgeht" heisst es dann immer. Okay. Aber wenn dann dieser einer in den meisten Fällen (siehe auch Bremen ) nach nur ein paar Monaten regelmässig den Grössenwahn kriegt und sein Theater in die wirtschaftliche Misere und den künstlerlischen Misserfolg reitet, kann es auch sein, dass die Korrumpierung durch ein solches Amt bei den meisten Menschen die Regel ist. Der Intendant mit zuviel Machtbefugnissen ist ein auslaufendes Modell. Dessen bin ich mir ziemlich sicher. Solidarisch funktionierende Teams aber, die beispielsweise auch durchgeknallten Regisseuren, die ihre Schauspieler willkürlich quälen, die Stange halten könnten, Teams, die es schaffen, auch wirtschaftliche Solidität & künstlerischen Wagemut in eine gute Balance zu bringen, sind meiner Aufassung nach das Modell der Zukunft. Theater, die so organisiert sind, werden - ob in freier Szene oder am Stadttheater - mehr Erfolg haben. Ich will nicht das Stadttheater per se abschaffen ( das wurde vom TAGESANZEIGER als Headline herausextrapoliert ), ich will dass das altmodische Stadttheater eine Generalüberholung erfährt. Es scheitert einfach in zu vielen Städten.
Löst das Stadttheater auf: die dummen Konterrevolutionäre
Gut, dass wenigstens am Bodensee Brecht und Marx noch gelesen UND RICHTIG VERSTANDEN werden. Was machen wir denn jetzt mit den ganzen dummen Konterrevolutionären, die überall falsche Verteilungskämpfe anzetteln? Brennt schon die Provinz? (...)
Löst das Stadttheater auf: Zukunft der Durchgeknallten?
die zukunft sind durchgeknallte, die schauspieler quälende regisseure, denen solidarische teams die stange halten? (...)
Löst die Stadttheater auf: das Leben als Team
@ L E: Tja, da haben wir dann wohl das Problem, dass zwar immer und überall von Teamarbeit geredet wird, am Ende aber eben doch immer nur der Name und das Image des Regisseurs im Vordergrund stehen: "Teamarbeit im gelebten Leben ist nicht schrecklich, nur die Rede davon, weil sie sich immer in nur den einen Namen verwandelt: Rainer Werner Fassbinder, dieses Arschloch. Der Boss ist schrecklich, die Darstellung eines Teams ist schrecklich, aber nicht das Leben als Team." (René Pollesch, "Tal der fliegenden Messer")
Und das ist ja noch selbstironisch, bei Samuel Schwarz dagegen klingt das eher wie die Lust eines Sadisten, der davon ausgeht, dass sich die von ihm "willkürlich" gequälten Schauspieler auch noch dafür bedanken. (...)
Löst die Stadttheater auf: helvetisches Missverständnis
öh, ich glaube, da liegt ein (helvetisches?) Sprachmissverständnis vor: Mit "die Stange halten können" ist wohl "etwas entgegen halten können" gemeint von Schwarz - er redet von Teams, die egozentrischen Einzelkämpfern etwas entgegensetzen können. Ist doch klar, Mensch.
Schafft die Stadttheater ab: besser verständlich
@ Signora: Hö, ja, aber dann darf man das doch nicht so missverständlich formulieren! Jemandem die Stange halten, das bedeutet im geläufigen Verständnis "für jemanden eintreten/Partei ergreifen; loyal sein; jemanden unterstützen". Das Gegenteil davon, also das "jemandem etwas entgegenhalten", das würde ich eher mit "jemandem kontra geben" bezeichnen. Über das Interview wird tatsächlich besser verständlich, worauf Samuel Schwarz hinaus wollte.
Schafft die Stadttheater ab: Stirn oder Stange
@ Signora: Zusatz: "Jemandem die Stirn bieten", das geht auch als Gegenteil von "jemandem die Stange halten".
Löst die Stadttheater auf: den Garaus machen
faux amis!? kulturelles mißverständnis? nein, der herr schwarz redet schon von dem, wovon er redet: den teams den garaus machen. das ist es eben wo sich diese "off"-künstler dann freudsch outen. daß sie eben dasselbe sind was eh herrscht.
Löst die Stadttheater auf: sich was vormachen
wenn jemand in seiner nächsten nähe schwarz als doppelzüngig empfindet dann ist dann schon was dran. die nzz ist ja nicht unbedingt die nächste nähe. da kann jemand wie schwarz sich mal schon selbst was vormachen. was aber zählt ist das, was er in seiner nächsten nähe macht, und nicht seine erzählung davon.
Schafft das Stadttheater ab: Autoritätshörigkeit?
@ L E: Ja. Es stellt sich hier wohl die Frage, was Samuel Schwarz eigentlich meint, wenn er vorgibt, für sein Team sprechen zu können, indem er sagt, dass ein Schauspieler dem Regisseur etwas entgegensetzen können muss. Denn letztlich steht auch da - trotz der großen Erzählung vom Team - eben doch wieder nur der Regisseur (Samuel Schwarz) im Vordergrund. Aber man darf ihm schon auch kontra geben. Ist das noch Team oder schon versteckte Autoritätshörigkeit? Das könnte man erst beantworten, wenn man Samuel Schwarz' Arbeitsweise kennt bzw. am eigenen Leib erfahren hat.
Schafft das Stadttheater ab: die gleichen alten Schinken
Alles soll so bleiben wie es ist: Das Stadttheater und die Opernhäuser sollen weiterhin das grösste Stück vom Kuchen bekommen,die Zuschauer wollen immer wieder die gleichen alten Schinken sehen, schön, wenn auch hin und wieder etwas Exotischeres dabei ist und es darf hin und wieder durchaus auch etwas frech und trashig sein etc. Freie Szene bleib an deinem Platze und warte gefälligst darauf, bis du dann endlich durch die Häuser bzw. Intendanz geadelt wirst.Was willst du maulen, sind doch alle ganz zufrieden, so wie's ausschaut.....gute Nacht im Durchlauferhitzer!
Schafft das Stadttheater ab: zum Begriff des Events
"das intelligentes Sprechtheater mit Eventcharakter bietet(...)". Ich arbeite abwechselnd als freier Schauspieler (bin ich dann off?) und an Stadttheatern. Aber ganz egal, in welchem System ich mich bewege, "Events" will ich nicht produzieren. Dann würde ich in die Werbung gehen, oder ins Musical oder zum von Radeberger und Til Schweiger produzierten Megablockbuster auf Pro7. Ein Event ist eine Veranstaltung, die für kurz Zeit Zusammengehörigkeit verschafft, ein Gefühl von Gruppe schenkt ("ich war live dabei!"), von Nachhaltigkeit keine Spur. Insofern passt Schwarz´ Vorstellung von Theater wunderbar in unsere Zeit. Statt das Theater als Gegenpol zu diesen manchmal sehr hirnfreien Veranstaltung zu sehen, will er mit selbigen mithalten und das Theater schafft sich ab.
Schafft die Stadttheater ab: Lektüre-Link
Ich darf den Interessierten, den KollegInnen im Stadttheater und der Freien Szene diesen Link zur Lektüre empfehlen:
http://www.novo-argumente.com/magazin.php/archiv/novo108_108
Kommentar schreiben