Jan Fischer

Bahnhof

Serie: Ein Ort

Einfach mal anhalten. Jan Fischer gewöhnt sich die Eile und das Ziel ab und schaut dem Bahnhof in einer namenlosen Großstadt dabei zu, wie er sein spezifisches Leben entfaltet. Als Nicht-Ort, als Utopie, als Modell einer Stadt in der Stadt. Mit Post-Tunneln hinter Panzertüren.

Umschlag mit Naturkarton, Sonderfarbe und matt geprägten Zeichungen

4,99 11,99 

4,99  E-Book

etwa 200 Seiten auf dem Smartphone

ISBN 978-3-944543-66-6
11,99  Taschenbuch

88 Seiten

ISBN 978-3-944543-67-3
E-Book

etwa 200 Seiten auf dem Smartphone

Taschenbuch

88 Seiten

21. Juni / 7. August 2018

„87 Seiten voller scharfer Beobachtungen. Leseempfehlung.“
Leaf and Literature

„Das triviale wie melodramatische Bahnhofstreiben.“
Lesart/Deutschlandfunk Kultur

„Der Bahnhof-Versteher.“
Hannoversche Allgemeine Zeitung

„Jan Fischer hat eine lesenswerte Topologie über den Bahnhof verfasst. Ein Ort, der für jeden anders emotional besetzt ist und von J. Fischer gänzlich unaufgeregt in seiner Gesamtheit erfasst wird. Nach der Lektüre wird man Bahnhöfe definitiv anders wahrnehmen.“
Weltenbummler Mag

Inhalt: Nachhaltig reisen

Wie weit muss man sich von zu Hause fortbewegen, um ein Reisender oder eine Reisende zu werden? In sechzehn Kapiteln über diverse Bahnhofstätigkeiten wie das Einkaufen, Abfahren, Schlafen, Essen oder Arbeiten fächert der erste Band unserer neuen Serie Ein Ort den Bahnhof als einzigartigen Schauplatz auf. Jan Fischer versucht, mehr als nur Bahnhof zu verstehen. Gekonnt verwebt er seine persönlichen Beobachtungen mit soziologischer Raum-Theorie von Marc Augé über Georges Perec bis hin zu Alain Corbins Geschichte des Geruchs: ein Text für alle, die das Zugreisen und die Eisenbahn-Romantik lieben und ihren Blick auf Bahnhöfe bereichern wollen. Und die, ganz zeitgemäß, nachhaltiger Urlaub machen wollen: zu Hause, mit neuem Blick auf das Bekannte.

Das perfekte Lesezeichen für dieses Buch ist natürlich ein Zugticket!

Weitere Reiselektüren aus unserem Programm: Ich bin privat hier über eine Ukraine-Reise von Sebastian Christ oder Nadine Wojciks persönliche Reise nach Polen zu Exorzisten und Besessenen, auf der Suche nach Erklärungen Wo der Teufel wohnt.

Ich trete versehentlich einem Mann in einem hellblauen Anzug hinten auf seinen Rollkoffer. Der Rollkoffer beginnt zu schlingern, der Mann im Anzug kann ihn abfangen, dreht kurz den Kopf, schaut mich einmal an, zieht den Koffer dann weiter geradeaus, an einer Gruppe Jugendlicher vorbei, die sich im Gehen gegenseitig die Bildschirme ihrer Handys zeigen und dann unvermittelt in Richtung der Filiale einer Fast-Food-Kette abbiegen.

Man müsste es mal zählen, sie gegeneinander ausspielen: die Reisenden und die Durchgehenden, herausfinden, ob der Hauptzweck dieses Bahnhofs darin besteht, ein Bahnhof zu sein, oder eine Verbindung zwischen den zwei Stadtteilen. Wie weit muss man sich von zu Hause fortbewegen, um ein Reisender zu werden?

Die Mutter weicht den Jugendlichen aus und versucht, einen Kinderwagen durch die Menge zu bugsieren, eine Kurve zu fahren. Sie gerät vor die Treppe, die sie offenbar nicht nehmen will, dreht wieder um und setzt ihren Weg fort, an einem Mann Mitte 30 vorbei, dem weiße Kopfhörerknöpfe in den Ohren blitzen, mit einer Hand klopft er einen Rhythmus zu der nur für ihn hörbaren Musik gegen seine Jeans.

Es dauert vielleicht fünf oder sieben Minuten, den Bahnhof zu durchqueren, von vorne nach hinten. Vorne ist das Reiterdenkmal, die aufgeräumten Straßen, die Stadtmitte. Hinter dem Bahnhof wurde vor ein paar Wochen jemand im Streit versehentlich erschossen. Vor dem Bahnhof beginnt um die Weihnachtszeit der Weihnachtsmarkt, hinter dem Bahnhof ist ein Kasino. Vor dem Bahnhof spielen professionelle Straßenmusiker, hinter dem Bahnhof schlafen Obdachlose in Schlafsäcke gewickelt vor faltigen Coffee-To-Go-Bechern, in denen Centstücke klimpern. Der Weg dauert nicht lang, die Distanz ist groß.

Der Mann Mitte 30 bleibt stehen, zieht seine Kopfhörer aus den Ohren, zieht einen Zettel aus der Innentasche seiner Jacke, schaut darauf, dreht sich einmal um sich selbst, steckt die Kopfhörer wieder in die Ohren, geht in die Richtung zurück, aus der er gekommen ist und kann dabei nur in letzter Sekunde einem vielleicht vierjährigen Kind ausweichen, das sich an der Hand seines Vaters nur langsam und zappelig vorwärtsbewegt.

Ich frage mich, warum ich vorne und hinten als vorne und hinten denke, warum es nicht anders herum ist oder nicht beides einfach Ausgänge sind.

Ich bleibe stehen, und achte darauf, dass sich niemand an mir stößt, niemand hinter mir ist, den ich zum Ausweichen zwinge. Das Kind sieht mich kurz an, es wird von seinem Vater weitergezerrt, dreht sich kurz zu mir um, sieht mich an, ich winke und es winkt zurück.

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Der Autor

Jan Fischer, Jahrgang 1983, aufgewachsen zwischen Bremen und Toulouse. Er studierte zwischen 2003 und 2010 Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim. Er ist Gründer und Chefredakteur von zebrabutter.net. Er ist Herausgeber von Air Guitar Heroes. Vom Spielen der Luftgitarre (Blumenkamp Verlag, 2012) und Irgendwas mit Schreiben. Diplomautoren im Beruf (mikrotext, 2014/2017). Er veröffentlichte die E-Books Ihr Pixelherz. Eine Love Story und Audrey und Ariane. Vampirnovelle in Disneyland (beide mikrotext) und Ready in der Hanserbox. Zuletzt erschien Bahnhof, als illustriertes Taschenbuch. Zur Zeit arbeitet er hauptsächlich als freier Autor und Journalist. Außerdem als Teilzeittexter für einen Online-Spielzeughandel in Hannover. Er ist international bekannter Luftgitarrist. @nichtsneues

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