Presseschau vom 31. Mai 2018 – Die taz berichtet über einen Blackfacing-Fall am Theater Bremen

Die Zeichen sind nicht frei

Die Zeichen sind nicht frei

31. Mai 2018. In Michael Talkes Strawinsky-Operninszenierung "The Rake's Progress" am Theater Bremen wird Blackfacing eingesetzt. Auf Kritik an dem rassistisch konnotierten Stilmittel sagte der Bremer Generalintendant Michael Börgerding, das Blackfacing sei mit allen Beteiligten, "insbesondere natürlich mit dem Sänger selbst", besprochen und für unproblematisch befunden worden.

In der taz greift Benno Schirrmeister den Fall auf – und zitiert Michael Börgerding weiter mit der Verteidigung, es handle sich bei dem Auftritt eines schwarz geschminkten weißen Sängers (Christoph Heinrich) gar nicht um Blackfacing, da Heinrich nicht einen schwarzen Menschen, sondern die Figur Nick Shadow, Schatten des Protagonisten und Teufel zugleich, spiele.

Schirrmeister zitiert dagegen den Sprecher der Initiative Schwarzer Menschen Tahir Della: Während Börgerding die Schwärzung seines Darstellers durch ihre Zeichenhaftigkeit für legitimiert halte, sei es aus Dellas Sicht gerade der semiotische Charakter der Schminke, die zwangsläufig rekontextualisiert: "Es geht um den Marker und die Bedeutungen die durch dieses Stilmittel transportiert werden" – weniger darum, ob die Rolle einen schwarzen Menschen konkret karikiert.

Gerade das Diabolische schwarz zu machen, sei besonders problematisch: "Diese Gleichung, schwarz gleich schlecht, das wirkt verletzend. Und diese Wirkung für schwarze Menschen ist eindeutig." Aber genau um die Wirkung gehe es, so Della in der taz. Und gerade weil in den allermeisten Fällen "keine rassistische Haltung dahinter" stehe, sei einigermaßen verstörend, wie brachial die Praxis verteidigt werde.

(sd)

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Blackfacing in Bremen: Stellungnahme
Die theatrale Technik des Blackfacing bezeichnet das Schwarzmalen eines*r weißen Darsteller*in mit der Absicht, einen schwarzen Menschen auf der Bühne zu spielen. Das Blackfacing steht in Zusammenhang mit der Reproduktion rassistischer Stereotype und Klischees bzw. wird verwendet, um eine Figur als „Fremde*n“ kenntlich zu machen oder aber um Figuren darzustellen, die in den literarischen Vorlagen schwarz sind (Othello, Monostatos in der „Zauberflöte“ oder Elisio und Fadoul in Dea Lohers „Unschuld“)
In der Inszenierung von Michael Talke hat der Darsteller der Figur „Nick Shadow“ ein schwarzes Kostüm, schwarze Haare und auch ein schwarzes Gesicht. Die Figur, die er spielt, ist der Schatten des Protagonisten Tom Rakewell. Dass es sich bei der Figur um den Schatten handelt, wird durch das Aufgreifen und die Spiegelung von Bewegungen deutlich gemacht. So wie Tom Rakewell weißgrau geschminkt ist und in dem grauen Bühnenbild bisweilen eins wird mit der Welt um ihn herum, so steht Nick Shadow als schwarze Kontur mal das Spiel führend im grellen Lichtspot und mal verschwindet er als artifizieller Schatten gesichtslos im Gegenlicht. In keinem Moment bedient der Darsteller dabei rassistische „schwarze“ Stereotypen.
Es geht bei diesem Kostüm und dieser Maske also nicht darum, dass Nick Shadow ein* Person of Color sein soll oder gar um die absurde Behauptung, der Teufel sei ein Mensch schwarzer Hautfarbe. Gleichwohl löste der Auftritt Nick Shadows bei einigen Menschen im Premierenpublikum am Sonntag diese Gedanken aus. Das Zeichensystem der Inszenierung wird überlagert durch Assoziationen, die ein schwarz geschminktes Gesicht auf einer deutschen Theaterbühne gegenwärtig auslöst. Gesehen wird nicht der Schatten von Tom Rakewell, sondern die aus dem weißen Bilderkanon bekannte Stereotype des bösen Mannes mit schwarzer Haut.
Die Fragen, die sich daraus ableiten, sind vielfältig: Ist also, unabhängig vom Gesamtkontext einer Inszenierung, ein wie auch immer schwarz geschminkter weißer Darsteller grundsätzlich als schwarzer Mann zu sehen? Oder wie die taz es formulierte: schwarze Schminke ist rassistisch? Verbirgt sich hinter jeder schwarzen Maske der Rassist? Und ist der Teufel nicht geschmink weiß? Und was bedeutet das für das Theater? Verliert es nicht an Bedeutungsebenen und Interpretationsmöglichkeiten, wenn ein Zeichensystem ohne Zwischentöne, ohne Ironie, Humor und Distanz überdeterminiert ist – schwarz geschminkt gleich rassistisch?
Diese Diskussion wäre mit allem wechselseitigen Respekt zu führen, ihr Ergebnis ist noch offen. Trotzdem haben wir gemeinsam beschlossen, die Maske von Nick Shadow ab der nächsten Vorstellung von „Rake’s Progress“ zu ändern. Die Inszenierung ist in diesem Kontext nicht zu betrachten, sie hat mit dieser Diskussion überhaupt nichts zu tun und wir haben selbstverständlich zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, schwarze Menschen zu verletzen.
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