Presseschau vom 25. August 2018 – Der Standard beschäftigt sich mit Lohndumping im Musiktheaterbetrieb

Organisierte Verhandlungsmacht

Organisierte Verhandlungsmacht

25. August 2018. In der Wiener Tageszeitung Der Standard berichtet Stefan Weiss ausführlich und mit mehreren Beispielen über Lohndumping im Musiktheaterbetrieb. Aufhänger sind die Tiroler Klassikfestspiele Erl, deren Intendant jüngst erst ankündigte sein Amt ruhen zu lassen. Alfons Puschej, zehn Jahre als Bratschist dort im Orchester, hat Weiss jetzt erzählt, dass er vor allem weißrussische Kollegen hatte, ein Kollege sei "jahrelang mit 150 Euro brutto pro Woche bezahlt worden". Dem Verein Artbutfair seien aus Erl "über 30 Berichte möglicherweise arbeits- und strafrechtlich relevanten Inhalts zugetragen" worden, so Weiss.

Und Erl sei "längst kein Einzelfall", Weiss hat außerdem u.a. mit dem Opernsänger Andreas Jankowitsch gesprochen, der die Lage so beschreibt: Der Reallohn für Solo-Künstler*innen sei über die Jahre kontinuierlich gesunken. Bei vielen Produktionen würden Reisekosten und Unterkunft nicht abgegolten, geringe oder gar keine Bezahlung für Proben sei Usus. "Ich habe erlebt, dass kranke Kollegen zu Proben zitiert oder Leute gemobbt wurden", zitiert Weiss Jankowitsch.

Außerdem hätten die Theater ein System entwickelt, als "schwierig" geltende Arbeitnehmer auszugrenzen. So habe ein Kollege von Jankowitsch sein Engagement an der Wiener Staatsoper verloren, und es sei ihm davon abgeraten worden, dagegen vorzugehen, "weil er sonst keine Verträge mehr in Deutschland bekomme". Deutsche Theater führten Listen, auf denen vermerkt sei, wie viel ein Darsteller wo verdient.

(sd)

 

Kommentare  
Presseschau Lohndumping: NV Bühne
Das eklatanteste Beispiel für die Kartellmacht der Theater ist ohnehin ganz unverhohlen der deutsche NV Bühne, der jegliches Arbeits- und Sozialrecht mit Füssen tritt. Und höchstwahrscheinlich vor keinem Verfassungsgericht Bestand hätte. Und darüber hinaus, niemand hat ja eine Chance, die verbleibenden Rechte einzufordern, ohne seine Karriere aufs Spiel zu setzen. Zum Beispiel macht sich jedes Theater strafbar, das z. B. einen Regieassistenten zwingt, mehr als 10 Stunden am Tag zu arbeiten. Gibt es ein Theater, dass dieses nicht tut? Gibt es ein Theater, dass einen solchen Mitarbeiters Vertrag verlängern würde, wenn dieser diesbezüglich mal sein Recht einfordern würde? Und soll man denken, dass in solchen Betrieben "Gäste" auch nur einen Hauch behandelt werden?
Presseschau Lohndumping: Schiedsgerichte
jeder, der am theater arbeitet, kennt diese verhältnisse. ich habe es selbst erlebt, dass der "neue" intendant während der gagenverhandlung mit dem "alten" telefoniert, um die bisherige gage zu erfragen.
solange es eigene bühnenschiedsgerichtsgerichte gibt, an denen verwaltungsdirektoren und stellvertretende intendanten richten dürfen über einen tarifvertrag, dessen standardauslegung maßgeblich von theaterleitenden juristen verfasst worden ist, wird sich daran nichts ändern. §53 nv-Bühne:"für alle bürgerlichen rechtsstreitigkeiten im sinne des § 2 arbeitsgerichtsgesetz zwischen den arbeitsvertragsparteien sind unter ausschuss (sic!) der arbeitsgerichtsbarkeit ausschließlich die von den vertragsschließenden parteien dieses tarifvertrags nach maßgabe der vereinbarten bühnenschiedsgerichtsordnungen eingesetzten schiedsgerichte zuständig."
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