Presseschau vom 19. Juni 2012 – Die Berliner Zeitung über die Ausstellung "Brenne und sei dankbar", die zeigt, was vom Künstlerdasein zu erwarten ist

Künstler geh Du voran

Künstler geh Du voran

19. Juni 2012. Vor zwei Jahren wurde der "Report Darstellende Künste" über die Lage der Theater- und Tanzschaffenden in Deutschland herausgegeben. Die Ausstellung Brenne und sei dankbar in der Berliner Akademie der Künste beruht auf den Ergebnissen und zeigt treffend, was von einem Künstler erwartet wird und was ihn erwartet, berichtet Birgit Walter heute in der Berliner Zeitung.

Die Münchener Regisseurin Gesche Piening und der Grafiker Ralph Drechsel haben aus der Studie und der allgemeinen Situation freier Künstler eine Ausstellung gemacht, denn als beide den 723 Seiten dicken Report sahen, war ihre erste Reaktion: Wer soll denn das lesen? "Beide Künstler, selbst Freiberufler, fanden das Werk aber wichtig", schreibt Walter, "auch weil die meisten Freien mit Tonnen von Unwissen durch ihr soziales Leben in eine dramatische Zukunft schaukeln. So haben sie Kernthesen herausgefiltert, in zwölf Plakaten visualisiert und durch ein paar Fakten darunter ergänzt. Dabei ging es ihnen ausdrücklich um eine Versachlichung des Problems, nicht um eine Emotionalisierung."

Das Problem seien etwa eine Rente, die sich auf 427,50 Euro im Monat beläuft, ermittelt nicht in Bulgarien, sondern in Deutschland nach einem vollen Berufsleben. "Das ist die Durchschnittsrente eines freiberuflichen Schauspielers oder Tänzers, der 45 Jahre lang in die Künstlersozialversicherung eingezahlt hat." Die Zahl sei ernüchternd, neu ist sie nicht.

Es gebe auch überraschende Tatsachen in der Ausstellung zu entdecken, aber keine tröstlichen. "So ist festgehalten, dass 80 Prozent der Freiberufler neben ihrer Kunst noch einer anderen Arbeit nachgehen müssen, zumeist Kellnern, Kassieren und Klos putzen. Der Stundenlohn der Künstler liegt bei 5 Euro, trotz überdurchschnittlicher Qualifikation: Knapp zwei Drittel haben einen akademischen Abschluss. Genau so viele sind hoch flexibel und arbeiten stetig an verschiedenen Orten. 90 Prozent sprechen mindestens eine Fremdsprache."

Zur Eröffnung der Ausstellung in der Akademie sei in den Ansprachen wort- und variantenreich erklärt worden, wie es künftig dringend um die Verbesserung der oft verzweifelten Lage von Künstler gehen müsse, wie sie sich einsetzten, was schon erreicht wurde. "Dabei weiß jeder, dass sich deren Lage seit den 90er-Jahren nur verschlechtert hat, dass die Prekarisierung zügig voranschreitet und zwar nicht nur unter Künstlern. Künstler sind nur die Vorhut. Sie gehen voran und zeigen, wie die Zukunft der Arbeit aussieht."

Mehr zu dem Thema: wir berichteten über das Symposium "Report Darstellende Künste" in Berlin im Mai 2009

 

Kommentare  
Presseschau Künstlerdasein: Sich vor harten Fakten schützen
Mit den harten Fakten des Berufsalltags darf man als Künstler doch gar nicht vertraut sein. Wer würde denn dann noch Kunst machen wollen? Da muss man sich auch ein Stück weit davor schützen.
Presseschau Künstlerdasein: Wird es aufrütteln?
Supertext von Birgit Walter. Das (auch die Ausstellung natürlich) sollte aufrütteln. Wird es das?
P-Schau "Brenne und sei ...": arbeiten, konsumieren ad lib.
sehr schöne idee und auch interessant, nur wem wird das interessieren? kommentar 1: Künstler selbst wollen es gar nicht wissen. Kommentar 2: wen sollte es bitte aufrütteln?
die Leute, die es interessieren sollte, gehen ARBEITEN, KONSUMIEREN, ARBEITEN, KONSUMIEREN ad.lib. und fertig. Wer keine Kohle scheffelt, muss schauen, wo er bleibt.
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