Der Letzte seiner Generation

5. Oktober 2014. Der legendäre russische Theaterregisseur Juri Ljubimow ist tot. Das melden russische Medien, darunter das deutschsprachige Internetportal von Ria Novosti. Der 1917 geborene Schauspieler und Regisseur hatte 1964 das Moskauer Taganka-Theater gegründet, das in der anti-illusionistischen Tradition von Wsewolod Meyerhold und Jewgenij Wachtangow stand. Das Taganka-Theater machte, wiewohl ständigen Angriffen durch die Staatsmacht ausgesetzt, in den 1970er und 1980er Jahren nicht nur in der damaligen Sowjetunion, sondern auch international Furore.

In der Sowjetunion selbst geriet Ljubimow in der Breshnew-Ära immer stärker unter politischen Druck. Inszenierungen wurden verboten, und als er 1983 eine Einladung annahm, in London Dostojewskis "Schuld und Sühne" auf die Bühne zu bringen, wurde er von den sowjetischen Behörden ausgebürgert. Er erlangte danach u.a. mit Inszenierungen an der Mailänder Scala, in Covent Garden in London, an der Chicagoer Oper oder der Bayerischen Staatsoper erst recht Weltruhm. Michail Gorbatschow holte Ljubimow, der seit 1988 die israelische Staatsbürgerschaft besaß, 1989 in die Sowjetunion und ans Taganka-Theater zurück, von dessen Leitung er erst 2011 zurücktrat. Von 1994-1998 war Ljubimow außerdem Chefregisseur der Bonner Oper. In einem Moskauer Krankenhaus ist er nun mit 97 Jahren gestorben.

Mit Ljubimow sei der letzte Regisseur einer großen Theatergeneration verstorben, zitiert Ria Novosti Wladimir Urin, den Direktor des Bolschoi-Theaters, wo Ljubmows letzte Regiearbeiten entstanden. "Es ist unmöglich, sich die russische Kultur ohne Ljubimow vorzustellen", so der russische Kulturminister Wladimir Medinski. Auch Präsident Wladimir Putin habe in einem Schreiben Ljubomows Verdienste um das moderne russische Theater gewürdigt.

(Ria Novosti / sle)

Kommentare  
Juri Ljubimow: werde ihn immer lieben
Traurig, traurig, traurig...
Ich habe einen grandiosen Puschkin-Boris Godunov mit Nikolai Gubenko von ihm gesehen, Eugen Onegin in Bonn, Pique Dame in Karlsruhe, Jenufa in Zürich, Doktor Schiwago in Berlin und dann in Berlin Mitte der 90er Faust. Der Faust war bereits eine traurige Veranstaltung: ein alter Mann, seine Vitalität verzweifelt, starrsinnig, böse behauptend gegen eine Zeit, die nicht mehr die seine war. Aber die Aufführungen davor haben ihn zu einem meiner Lieblingsregisseure gemacht. Ich werde ihn nie vergessen und immer lieben.
Juri Ljubimow: Mensch und Künstler
Sorry: NIKOLAI Gubenko. Machte sich später in der Kulturpolitik die Hände schmutzig.

Und Ljubimow hat es leider auch versäumt, Herrn Putin rechtzeitig darum zu bitten, auf die schwarze Liste unerwünschter Künstler gesetzt zu werden. Aber ein großer Künstler muss ja kein großer Mensch sein. Das ist Kinderaberglaube. Und in Russland ist es wieder mal soweit.

(Anm. Redaktion. Der Vorname Gubenkos wurde im vorangegangenen Kommentar entsprechend geändert.)
Kommentar schreiben