Still und leise durchgewunken

Brüssel, 23. Oktober 2014. Das Parlament der Europäischen Union hat Jean-Claude Junckers EU-Kommission bestätigt. Wie u.a. die Welt meldet, steht damit auch der ungarische FIDESZ-Politiker Tibor Navracsics als EU-Kommissar für Bildung, Kultur und Jugend fest. Nach Einwänden des Parlaments wurde ihm lediglich die Verantwortung für die Bürgerschaft entzogen – wie Hungarian Voice berichtet, wird er statt des Teilbereichs EU-Bürgerschaft nun für Sport verantwortlich zeichnen.

220px-navracsics tibor portraitTibor Navracsics
Quelle: kormany.hu
Der Hintergrund: Das EU-Parlament kann nur die gesamte Kommission eines designierten Kommissionspräsidenten bestätigen oder ablehnen, nicht einzelne Kommissare. Noch vor wenigen Wochen hatte der zuständige Ausschuss des EU-Parlaments Navracsics mit knapper Mehrheit zwar für persönlich geeignet für den Posten eines EU-Kommissars befunden, jedoch die Übernahme des Ressorts Bildung, Kultur, Jugend und EU-Bürgerschaft abgelehnt. Danach wurde über seine Berufung für das Verkehrsressort spekuliert.

Als Mitglied der Regierung Viktor Orbáns war Navracsics zunächst Justizminister und später Außenminister. In seine Amtszeit als Justizminister fällt u.a. die Verabschiedung der umstrittenen Mediengesetze, die mehrheitlich als Einschränkung der Pressefreiheit in Ungarn bewertet werden. Deshalb hatte es harsche Proteste gegen seine Berufung gegeben, etwa vom Deutschen Bühnenverein oder vom Verband der Freien Darstellenden Künstler Ungarns.

(Welt / Hungarian Voice / geka)

mehr meldungen

Kommentare  
Tibor Navracsics: Glückwunsch
Klasse! Glückwunsch!
Tibor Navracsics: Wahnsinn
Wahnsinn, während die USA Einreiseverbote gegen fidesz Politiker verhängt, u.a. wegen der in Navracsics Amtszeit verabschiedeten Pressegesetze, macht die EU ihn zum Kommissar. Was für ein beglückendes Demokratieverständnis. Aber ist ja nur Kultur, Bildung, Jugend. Wer will schon in unsere Zukunft investieren ..
Tibor Navracsics: Nachricht, die klare Worte braucht
Diese Meldung ist katastrophaler, als sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Es gibt sicher Gründe, die Kulturpolitiker in den einzelnen Staaten zu kritisieren. Aber was immer man gegen Monika Grütters in Berlin, gegen Josef Ostermayer oder seine Vorgängerin Claudia Schmied in Österreich, gegen die Kulturminister in den deutschen Ländern vorbringen mag: kann irgend jemand, der mit Kultur zu tun hat, glücklich sein, wenn deren Zuständigkeiten zum Teil an Tibor Navracsics delegiert werden? Dazu erwarten wir eine Stellungnahme von jenen Europa-Euphorikern, die seit Jahren jeden Skeptiker gegenüber dem Brüsseler Wirtschaftsinteressenverband zumindest des Provinzialismus oder des Nationalismus, wenn nicht des Hochverrats verdächtigen. Robert Menasse, Elfriede Jelinek, wir warten auf ein klares Wort.
Tibor Navracsics: das Beste daraus gemacht?
Finde es auch erschreckend und schlimm, das vorweg!

Allerdings sollte man zur Einordnung dieser Personalie eines im Blick behalten: Ungarn hat das Recht, einen EU-Kommissar zu stellen. Das Kulturressort ist eines der am wenigsten bedeutsamen in der EU - hier haben die Mitgliedstaaten, verglichen mit anderen Bereichen, sehr hohe Kompetenzen behalten und der EU-Kommissar muss sich dauernd mit ihnen abstimmen.

Wenn schon ein fidesz-Politiker in der EU-Kommission sitzen muss, dann am besten in dem Ressort, in dem er wenig bewirken kann.

Ein Skandal bleibt es allemal, aber vielleicht hat Juncker noch das Beste daraus gemacht.
Kommentar schreiben