Wie es euch gefällt - In Dresden balanciert Jan Gehler die Komödie zwischen Volkstheater und Farce aus
Asyl auf der Augenweide
von Tobias Prüwer
Dresden, 17. Januar 2015. Stadtluft macht frei? Von wegen. In "Wie es euch gefällt" kennzeichnet Shakespeare den Wald als Hort der Freiheit. In Jan Gehlers Inszenierung im Staatsschauspiel Dresden fügen sich agiles Sprechtheater und Life-Musik zum melankomödischen Patchwork mit eingewebter Sehnsucht nach einer besseren Welt: "Kein Gott / Kein Staat / Keine Arbeit / Kein Geld / Mein Zuhause / Ist die Welt" (Das Zelt, Jeans Team).
Die Handlung schürzt Shakespeare aus einem ziemlich komplexen Beziehungsknäuel, das Gehler in knapper Exposition vorstellt. Frederick hat seinen Bruder verbannt, um selbst Herzog zu werden. Dessen Tochter Rosalinde schickt er ihm hinterher, als sie sich in den Adligensohn Orlando verliebt. Der ist mit seinem Bruder Oliver ums väterliche Erbe verfeindet und flieht ebenfalls vor der Ungnade des Usurpators. Fredericks Tochter Celia wiederum begleitet, den Narren Touchstone im Schlepptau, ihre Freundin Rosalind ins Exil. Im schmalen Guckkasten-Bühnenbild – er ist komplett weiß und ein in der Mitte dominierendes Landschaftsgemälde weist auf den Fluchtpunkt Natur – treten sie alle in kurzen Szenen auf, um den Grundkonflikt zu skizzieren. Wortlos treibt Frederick seine Diener machende, stets buckelnd rückwärts laufende Gefolgschaft durch die weiße Enge. Dann öffnet sich die Kulisse und gibt einen grünen Wald- und Wiesenhügel als Haupthandlungsort frei.
Wollviecher
Eine Monty-Python-Collage. Im quietschigen Pappmaché-Idyll hat der Herzog mit einigen Getreuen ein hübsches Asyl gefunden, wo sich alle wiedertreffen. Seiner Amour fou nachtrauernd ritzt Orlando Liebesgedichte in den gesamten Baumbestand, nichts ahnend, dass er sie als Jüngling Ganymed verkleidet vor sich hat. Rosalinde und Celia haben eine Schäferei übernommen, Touchstone treibt erotischen Schabernack und gibt Lektionen in Lebensphilosophie. Und etliche Irrungen und Wirrungen später lösen sich alle Konflikte in Harmonie und Wohlgefallen auf.
Gehler modernisiert Shakespeares Text durch kleine Ergänzungen, wobei die eingeflochtenen Witzchen, Sprachspiele und Kommentare eher willkommene Bereicherung als störende Fremdkörper sind. Ds Ganze bewegt sich immer am Rand zur totalen Übertreibung, aber nie über diese Grenze hinaus. Der Regisseur hat eine Art Zaunkönig kreiert, der es sich zwischen bravem Komödienspiel und entfesselter Farce bequem macht. Mit souveränem Umgang und fabelhaftem Gespür für den Text umschifft er die in diesen Breiten angelegten Pausbäckigkeiten des Volkstheaters erfolgreich. Die Szenen wechseln in rascher Folge. Oft treten die Schauspieler gar nicht erst auf und ab, sondern sind Teil einer meckernd-mähenden Schafsherde, die auf allen Vieren die Wiese bevölkert, und stehen zum Einsatz einfach auf. Das ist: dramaturgisch clever und den rumtollenden Wollviechern zuzusehen ist eine wahre, nunja: Augenweide.
Bärenstarker Dreier
Den Darstellern merkt man ihre Spielfreude an, wobei sich die beiden Freundinnen Celia und Rosalind nebst Touchstone (närrisch-meisterhaft in Rhetorik und Bewegung: André Kaczmarczyk) als flotter Dreier ins Zentrum der Aufmerksamkeit drängen. Die übrigen geraten ein wenig zu schmückendem Beiwerk für dieses Trio, obschon man etwa Thomas Eisen gerne zusieht, wenn er, mehr Naturbursche als Herzog, mit akrobatischen Einlagen bezirzt. Einen großartigen Melankomiker Jaques gibt Philipp Lux ab, der über die ganze Welt als Bühne resignierend räsoniert. Fantastisch starke Figuren aber sind Celia und Rosalinde, nicht nur aufgrund der satten Portion Sex-Appeal, die sie dem Abend beisteuern. Anfangs fallen beide witzig görenhaft über den Text her und entlocken ihm durch Ohne-Punkt-und-Komma-Betonung neue Pointen. Im Wald dann stehen Yohanna Schwertfeger als fast rüpelhafte Adelstochter und Sonja Beißwenger als burschikos Hin- und Hergerissene ihre Frau beziehungsweise ihren Mann.
Gerade als es auf die Zielgerade von Happy-End und Vierfachhochzeit zugeht, hängt der Abend eine Viertelwtunde lang durch. Da müssen diese und jene Zeile eben auch noch abgehandelt werden; die Luft scheint raus. Jan Gehler bekommt aber die Kurve, wenn die Inszenierung mit einem leisen, aber ebenso kraftvollen wie berührenden Schlussbild ausklingt. Zum Publikum gewandt intonieren die Spieler als Chor unter sinkenden Sonne noch einmal besagten Jeans-Team-Song und bewirken damit eine unweigerliche Assoziation zu den Pegida-Spaziergängen: "Aus dem Haufen / Dieser Stadt / Musst Du raus / Und Du wirst sehn / Du wirst Dich verändern / In all diesen Ländern. ... Mein Zuhause / Ist die Welt."
Wie es euch gefällt
von William Shakespeare, Deutsch von Jürgen Gosch und Angela Schanelec Regie: Jan Gehler, Bühne: Sabrina Rox, Kostüm: Irène Favre de Lucascaz, Musik: Vredeber Albrecht, Dramaturgie: Robert Koall, Licht: Michael Gööck.
Mit: Thomas Eisen, Duran Özer, Christian Clauß, Thomas Schumacher, Benjamin Pauquet, Nina Gummich, Philipp Lux, André Kaczmarczyk, Sonja Beißwenger, Yohanna Schwertfeger, Nadine Quittner, Musiker: Vredeber Albrecht, Lars Precht. Länge: 3 Stunden 15 Minuten, eine Pause
www.staatsschauspiel-dresden.de
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Details hier: http://teichelmauke.me/2015/01/18/waldkommune-schafergluck/
Sinngemäß entspricht sie dieser:
http://www.staatsschauspiel-dresden.de/home/fuer_ein_weltoffenes_dresden/
Nur bei den Premieren wurde darauf verzichtet.
Ich finde, viele andere Stücke am Haus befassen sich sehr intensiv mit der aktuellen Situation, Exempel z.B. oder "mein deutsches deutsches Land". Dass "Wie es euch gefällt" ausgerechnet jetzt rauskam, war vielleicht ein bißchen Pech. Aber ein anderes Stück ist ja nicht innerhalb von drei Wochen auf die Beine gestellt.
Außerdem sollten wir uns nicht die gesamte Agenda von den -Gida diktieren lassen. Man darf auch jetzt noch Komödien zeigen.