Richard III - Wann ist das Morden nicht mehr cool, fragt Krzysztof Minkowski in Konstanz
Wenn der Kotzbrocken tanzt
von Valeria Heintges
Konstanz, 30. Januar 2015. "Der Marsch der Kriege weicht dem Tanzschritt", prophezeit Richard, Herzog von Gloucester. Und dann beginnt er seinen Tanz der Gewalt. Es ist kein Friedenstanz, das merkt man sofort, so wie Ralf Beckords Richard da auf der Bühne des Konstanzer Stadttheaters steht, wie er jedes Wort genau setzt, sich seiner eigenen Fähigkeit zur Lüge und zur Täuschung voll bewusst. Das Wort "Friedenstrallalla" in der kalten, genauen Übersetzung von Thomas Brasch spuckt er aus wie etwas Faules, Ekelhaftes, Ansteckendes.
Widerlinge
Krzysztof Minkowski lässt in seiner Fassung von Shakespeares "Richard III" am Konstanzer Stadttheater keinen Zweifel: Dieser Typ ist ein ekelhafter Kotzbrocken. Allerdings sind seine Mitmenschen nicht besser. Der Hof der Yorks und der Lancaster – ein Haufen von Widerlingen. Für sie alle ist "Friedenstrallalla" keine Option. Allen, selbst den Kindern, ist die Rohheit näher als die Freundschaft, alle sind aggressiv, übersexualisiert, laut. Ein Volk im Bürgerkrieg, behauptet das Programmheft, die Inszenierung nicht unbedingt. Es könnte ein Drogenkartell in Mexiko sein, Separatisten in der Ukraine, die Gefolgschaft eines afrikanischen Diktators – die Machtkämpfe von Menschen, die nichts zu verlieren haben und niemandem trauen. Einmal singen sie gemeinsam die EU-Hymne "Freude schöner Götterfunken". Zum Fürchten.
Um seine Könige streitet England schon seit Jahrzehnten. "Die Welt rollt abwärts", sagt Richard, und alle lachen gequält. Richards Anspruch auf den Thron ist ein wenig abseitig? Dann muss er eben intelligenter vorgehen als die anderen. Und mehr Menschen um die Ecke bringen als sie. Kein Problem: Ralf Beckords hat vor allem den fiesen Richard sehr gut drauf. Alle fallen auf ihn herein. Seine Mutter, seine Brüder, seine Neffen. Alle glauben ihm seine Schmeicheleien, seine Unschuldsbeteuerungen. Jonas Pätzolds Clarence ist daher zu gutgläubig, auch Friederike Pöschels Elisabeth hofft zu lange. Andreas Haases Buckingham, Richards Speichellecker, denkt die Ekelhaftigkeiten, bevor sein Chef sie ausspricht – und wundert sich trotzdem, dass ihm seine Belohnung verweigert wird, als Richard endlich auf dem Thron sitzt. Buckingham wird erschossen, Haase wäscht sich das Blut ab, zieht eine andere Perücke an und macht als Reichsretter Richmond weiter. Es wird weitergehen wie gehabt.
Herausragend Natalie Hünig, die Lady Anne als gebrochene Trauernde, dann als machtliebende Richard-Gattin gibt, dazwischen im olivgrünen Overall und mit der Waffe im Gürtel den Gehilfen Catesby, der für ein bisschen Macht bereitwillig sein Gehirn abgibt.
Grob gehauen
Und zwischen allen: Beckords Richard. Er verzieht das Gesicht zur ironischen Grimasse, schleimt und schmeichelt, da stimmt jede Geste. Minkowski führt seine Darsteller eng und genau. Nur: Warum heiratet Anne den Mörder ihres Ehemanns, warum will ihm Elisabeth die Tochter zur Frau geben? Die Frage trifft das Problem der Inszenierung: Minkowski arbeitet das Stück um Rohheit und Gewalt – zu grob. Wenn alle einseitig böse und hinterhältig sind, findet schon die Angst, das nächste Opfer zu sein, auf der Bühne kaum Platz. Dass Richards Schmeichelei eine Saite in den Frauen zum Klingen bringt, die in dieser Welt zum Schweigen verdammt ist, das passt in Minkowskis Regiekonzept nicht hinein, auch wenn es Lady Anne offen ausspricht.
Vielmehr interessiert den 34-jährigen in Szczecin (Stettin) geborenen Regisseur die Frage, die er im Programmheft stellt: "Wann ist beim Zuschauen die Grenze überschritten zwischen 'cool' und 'es ist zu viel', wenn jemand umgebracht wird?" Abgesehen davon, dass das Publikum, auf seinen Sitzen sitzend, wenig Möglichkeiten hat zu zeigen, wann es etwas "nicht mehr cool" findet – ist die Frage erstens infantil und zweitens uninteressant. Man weiss bald, was passieren wird, wenn ein Opfer zur Trinkflasche mit Theaterblut greift. Wieder wird einer erschossen (da gibt es viele Varianten), mit dem Hammer erschlagen, erwürgt, erstochen, oder ihm wird der Schädel aufgebohrt. Dazu werden Gedärme geworfen und Hirn gefressen.
Die spannende Frage, wie eine innerlich völlig verrohte Gesellschaft den Weg aus all der Gewalt finden kann, verliert Minkowski dabei aus den Augen. Auch dass sich alle auf den christlichen Gott und die Bibel berufen, wenn sie morden, wäre aktuell eine spannende Lesart gewesen. Aber Minkowski war die sinn-lose Provokation wichtiger.
Richard III
von William Shakespeare, Übersetzung Thomas Brasch
Regie: Krzysztof Minkowski, Ausstattung: Konrad Schaller, Dramaturgie: Laura Ellersdorfer, Musik: Micha Kaplan.
Mit: Gabi Geist, Natalie Hünig, Friederike Pöschel, Jana Alexia Rödiger, Ralf Beckord, Andreas Haase, Julian Härtner, Jonas Pätzold, André Rohde.
Dauer: 2 Stunden, 30 Minuten, eine Pause
www.theaterkonstanz.de
In seiner "prallen und schrillen Inszenierung" lasse der junge Regisseur "nichts aus, was in die tiefsten Abgründe unserer Gegenwart" blicken ließe, schreibt Wolfgang Bager im Südkurier (2.2.2015). Doch bei aller Spielwut, die sich in dieser Inszenierung fast zum Spielrausch steigere, fehlt es aus Sicht des Kritikers "bisweilen etwas am kühlen, disziplinierten Kopf, der den einen oder anderen Gag vielleicht auf seine Sinnhaftigkeit überprüft, der die Grenzen vom wohlfeien platten Klamauk zum kreativen Kunstgriff etwas schärfer zieht".
"Wir blicken auf Böses, das sich – als großartige Ensembleleistung der in verschiedenen Rollen eingesetzten Schauspieler – jegliche Faszination verbietet", schreibt Christa Dietrich in den Vorarlberger Nachrichten (2.2.2015). "Leerlauf entsteht dennoch keiner, denn die kleinen Mechanismen des Machtkampfes werden umso deutlicher, je pointiert banaler die optische Ausformulierung der Grausamkeit oder Horrorszenarien ausfällt."
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Beste Grüsse
Krzysztof Minkowski
(Wird in der Kritik korrigiert – mit freundlichen Grüßen, die Redaktion)
Gruß
Charro
enschuldigen Sie bitte. Ich bin froh, dass ich mich nach unten und nicht nach oben verrechnet habe.
Freundliche Grüsse
Valeria Heintges
Südkurier