Blog – Die übergroße Ehre für die Kölner Oper im Sultanat
The place to be. Heute: Das Sultanat
23. Februar 2015. Ein ganz, ganz großer Glückwunsch geht in dieser Woche an die Oper Köln. Die derzeit gar nicht in Köln ist, sondern auf einem honorigen Gastspiel in einer hochgelobten Kultur-Oase. "Sie befindet sich in einem kleinen illustren Kreis deutschsprachiger Opernhäuser, die die Ehre haben, ein solches Gastspiel antreten zu dürfen", schwellt die stolze Brust der Pressemitteilung.
Zig Koffer und Hunderte Mitarbeiter
Seit zwei Jahren würden die Vorbereitungen dafür laufen, seit sechs Wochen seien "neun Überseecontainer (jeweils 12 Meter lang) mit Bühnenbild, Kostümen, Requisiten etc." unterwegs, außerdem "ein Koffer mit Pyrotechnik und 18 Instrumentencases mit den Instrumenten des Orchesters".
Wohin ging es also mit den "100 Mitarbeitern der Oper Köln (unter ihnen auch Intendantin Dr. Birgit Meyer und der geschäftsführende Direktor Patrick Wasserbauer) und 43 Musikern des Gürzenich-Orchesters"? Vergesst die Salzburger Festspiele, die Metropolitan Opera, wat willste im Sydney Opera House. Der Place to be für den hottesten Opern-Shit ist, das hat ja nun jeder mitbekommen: das Sultanat Oman! Mit seiner Kulturmetropole Muscat, in der das Royal Opera House steht, was sonst. Sie wissen schon, Oman, auf dem Demokratie-Index gleich hinter Kuba, Irak und Kuwait zu finden.
Jedenfalls konnte beim Gastspiel sicher ein starkes, kritisches Zeichen gesetzt werden. Mit dem, äh, Gender-Stück "My Fair Lady" nämlich: "Alle feierten die Kölner Inszenierung – das erste Broadway-Musical im Oman – mit stehenden Ovationen." Und von den 20 bis 30 Prozent der Frauen, deren Gentialien laut Terre des Femmes im Oman verstümmelt sind, waren wahrscheinlich eh nicht so viele bei den drei Gastspielen. Jene Damen, die doch anwesend waren, konnte man aber laut Mitteiliung immerhin "leicht erkennen an den traditionellen Gewändern (Abaya)".
Wir reisen zur nächsten Übergabe-Zeremonie
Die Kritiken dürften im Oman dann auch recht positiv ausgefallen sein. Seit ein paar Jahren ist ja die Veröffentlichung von Nachrichten strafrechtlich verboten, "wenn die Meldungen die innere oder äußere Sicherheit des Staates gefährden könnten oder wenn sie die Armee und die Sicherheitskräfte zum Thema haben" (Amnesty International). Andererseits aber auch schade, hätte es doch ganz gut in die Rezension gepasst, sich bei der Gelegenheit nochmal für die 500 Maschinenpistolen aus Deutschland zu bedanken.
Sowieso könnten hier Wirtschaft und Kultur besser zusammenarbeiten. Wenn in Zukunft Krauss-Maffei ein paar Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien liefert, soll die Oper Köln doch gleich ein paar Überseekontainer mit einpacken lassen. Bei der feierlichen Übergabe mit Musical-Gastspiel reitet dann die Intandantin Dr. Birgit Meyer auf dem Kanonenrohr, während im Hintergrund der König zu den schönsten Melodien von "Miss Saigon" eine Probefahrt unternimmt. Bei solch hohen Ehren reisen wir dann auch persönlich zum Gratulieren an.
(mw)
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Wenn Ländern wie der Oman oder die Golfstaaten viel Geld in Theater und Museen, in Orten der öffentlichen Begegnung investieren, dann ist das sehr positiv. Auch wenn es vielleicht derzeit nur die Eliten oder Touristen sehen.
aber gerade deswegen verstehe ich den patzigen ton sehr gut.
wir sind am beginn einer neuen zeit, und zwar gesamtgesellschaftlich. die auflösung des klassischen bildungsbürgertums wird mit zunehmender liberalisierung sämtlicher märkte in dein feudalsystem münden. (verzeihung, das passiert bereits jetzt.) die oper köln trägt dieser gesamtgesellschaftlichen richtung beispielhaft rechnung. "der künstler wird weitergereicht - von hof zu hof". ach ja, und es gibt geld, wie Du sehr richtig erwähnst. stimmt alles, SCHADE, bis ins detail.
naja, und deswegen der patzige ton. oder besser der polemische ton, denn die leute, die sich hier wundschreiben, haben keine lust auf den bevorstehenden feudalismus. feudalismus ist kein cooles pflaster für journalisten, die was auf sich halten.
Und weil es um eine subventionierte oper geht, die von den bürgern finanziert wird. gerade bei solchen gastspielreisen sollte da doch jemand ein wörtchen mitreden dürfen. würde mich mal interessieren wie viel davon der sultan berappt hat und wie viel die oper.
Im Gesamtkontext sollte man m.E. aber auch beleuchten, wie es denn mit Gastspielen in Russland, China, Ungarn u.ä. Ländern aussieht - ist das den Kommentierenden in diesem Forum uForum zu nah vor der eigenen Haustür? Wohin fahren denn Thalia, DT, Burg, Kammerspiele usw? Statt mit Zeige- oder Stinkefinger auf die böse Oper zu deuten, müsste man dann doch erst in den Spiegel schauen. Das wird natürlich niemand machen, diese Reisen machen doch auch jedem/r Theaterschaffenden Spaß. Und letztlich lässt sich noch behaupten, der 184. Hamlet seit der Jahrtausendwende sei soch auch politisch... Da kann ich nur müde und pessimistisch gähnen.
Relevantes und aktuelles, politisches Theater ist kaum zu finden.
Und anstatt über Inhalte und Strukturen, wird über einen Intendanten im Berliner Siechtum diskutiert.