"Die größte Fehlbesetzung des Jahrzehnts"

Berlin, 1. April 2015. Claus Peymann, Intendant des Berliner Ensembles, hat einen Frontalangriff auf die Berliner Kulturpolitik gestartet. In einem Brief an den Regierenden Bürgermeister und Kultursenator Michael Müller (SPD) nennt Peymann den Kulturstaatssekretär Tim Renner "die größte Fehlbesetzung des Jahrzehnts". Hintergrund sind die Pläne zur Zukunft der Berliner Volksbühne und die Spekulation, Renner wolle den Chef der Tate Gallery Chris Dercon zum Nachfolger von Frank Castorf machen. "Das fände ich grundfalsch", so Peymann im Kulturradio des rbb. Man müsse sich besonderen Geschichte des Hauses bewusst sein. "Vernetzten Blödsinn gibt es schon genug, das ist ein Schauspielhaus mit grandioser Vergangenheit."

Außerdem kritisiert Peymann die mangelnde Reaktionen Müllers auf die Bitte um ein persönliches Gespräch, in dem er seine Sorge über das Fehlen jeglicher Vision in der Kulturpolitik ausdrücken wollte. "Einem solchen Gesprächswunsch hat Ihr Vorgänger Klaus Wowereit in der Regen innerhalb von 14 Tagen entsprochen, bei Diepgen dauerte es eine Woche, beim Bundespräsidenten Köhler maximal drei Wochen – und beim Kulturstaatssekretär Schmitz wäre es eine Frage von wenigen Stunden gewesen." Müller zeige Desinteresse, sei nicht eingerbeitet, und gebe die Verantwortung ab an "unerfahrenen Jüngling aus der Musikbranche", so Peymann im rbb. In seinem Brief schreibt Peymann über Renner: "Mir bricht buchstäblich der Angstschweiß aus, wenn ich mir vorstelle, was dieser unerfahrene und in dieser Position völlig überforderte Mann bereits angerichtet hat - und was uns noch erwartet."

Einen Tag später konterte Renner laut Berliner Zeitung, die ein Interview mit dem Berliner Sender Radio Eins zusammenfasst : "Er ist nicht mehr der jüngste". Auf den Umstand, dass Peymann dem erst 50 Jahre alten Renner einen Job  als Regieassistent angeboten hatte ("dass er mal weiß was Theater ist, was Kunst ist"), antwortete Renner: "Mich würde eher moderneres Theater interessieren, das Gorki-Theater oder Ostermeier an der Schaubühne." Renner äußerte auch Verständnis für Peymann, ein "älterer, trauriger Herr": "Dass er da anfängt ein bisschen um sich zu schlagen und jeden in Frage zu stellen, den er mit dafür verantwortlich hält, dass sein Vertrag nicht verlängert wird, das finde ich menschlich nachvollziehbar."

(Berliner Zeitung / geka / mw)

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