Presseschau vom 11. April 2015 – Peter Stein spricht im Spiegel über Theater, Russland und Claus Peymann
Gegen jede politische Zensur
Gegen jede politische Zensur
11. April 2015. Die Alten schimpfen weiter. Im aktuellen Spiegel reiht sich Peter Stein ein, sagt aber auch einige kluge Dinge über Russland und spricht sich deutlich gegen politische Zensur aus.
So getrübt sei sein Verhältnis zu Deutschland gar nicht, erzählt Peter Stein im Spiegel-Interview mit Wolfgang Höbel und Matthias Schepp. Ihn störe, dass man ihn dort nicht arbeiten lässt. Auf die Frage, ob man ihm am Berliner Ensemble, wo er zuletzt gearbeitet habe, nicht sofort den Teppich ausrollen würde, sagt Stein: "Das glaube ich nicht. Am Berliner Ensemble, wo ein Kollege gleichen Alters von mir arbeitet, will ich nicht arbeiten. Ich habe da ungünstige Erfahrungen gemacht. Über die will ich nicht reden." Soweit das Verhältnis dieser Generation Theatermacher untereinander.
Stein spricht vor allem über Russland, seine Reisen mit der Schaubühne in die Sowjetunion in den siebziger und dann nach der Perestroika in den achtziger Jahren. Ein Russenversteher sei er, "man sagt es mir nach". Antiwestliche Aufruhr sehe er in Russland nicht, Gespaltenheit schon. "Die Menschen in Russland sind versessen auf westliche Waren, westliche Filme, westliche Kultur, auf manchmal bescheuerte Art. Trotzdem steht eine große Mehrheit der Bevölkerung hinter Putin. Ich kann das verstehen. Ein Bruch des Völkerrechts war die Annexion der Krim dennoch." Auch mache ihm trotz allem Putins Rüstungsprogramm Angst.
Wobei Stein nicht viel davon hält, wenn sich Künstler außerhalb ihrer künstlerischen Arbeit politisch äußern, wie zum Beispiel der Dirigent Walerij Gergijew und die Sängerin Anna Netrebko. "Das hat mit Kunst nichts zu tun. Ich kenne Gergijew sehr gut, der hat sich klar bekannt. Der ist ein richtiger Putin-Mann, ein gefährlicher Typ - politisch. Künstlerisch ist er manchmal sehr gut und manchmal sehr schlecht, weil er zu viel macht. Aber soll man den Mann nun wegen seiner politischen Haltung ablehnen als Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker?" Will man jedem Einzelnen von denen nun vorschreiben, welche politischen Ansichten er zu haben hat? "Ich finde es katastrophal, was Gergijew macht, und ich finde falsch, was Anna Netrebko macht. Aber ich bin gegen jede politische Zensur." Aber auch von den Amerikanern und ihrem Verständnis von Freiheit sollte man besser aufhören, denn die USA sei ein autoritärer Staat. "Das waren sie schon immer, jetzt ist es gerade besonders deutlich. Für mich gilt: Jede Art von Freiheitsbelehrung aus Amerika geht nicht mehr. Vorbei."
(sik)
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