Kolumne: Zeug & Stücke - Teresa Präauer über die Titel der Lebenserinnerungen Wiener Schauspieler*innen
Memoiren
von Teresa Präauer
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21. April 2015. Wenn man im Foyer des Wiener Burgtheaters auf den Beginn der Vorstellung wartet oder sich in der Pause später die Zeit vertreibt, ohne beim Buffet im oberen Stockwerk ein Schinkensemmerl zu verdrücken – dazu ein andermal –, dann fällt der Blick auf die Auslage der dort integrierten Buchhandlung, die nämlich DVDs, Bücher und CDs über Theater und Theaternahes feilbietet.
Einigermaßen unterhaltsam ist, was sich dort in diesem April 2015 zuvorderst zeigt: Klaus Maria Brandauer beispielsweise mit Shakespeare-Anspielung auf dem Umschlag: "Ein Königreich für das Theater". Das ist kühn gesprochen und vergleicht das Theater mit einem Pferd, das als Ersatz für ein getötetes verlangt wird. Doch immerhin ein Königreich als Gegenwert! Brandauer selbst trägt auf dem Cover seine lange weiße King-Lear-Mähne, und ich drücke mir, angesichts seiner Haarpracht, die Nase an der Auslage platt, während Cornelius Obonyas Titel spricht: "Kommen Sie bitte weiter vor". Wie jung muss man eigentlich sein, um nicht bereits jemandem seine Lebensgeschichte diktiert zu haben?
Flüssiges, Überflüssiges
Im Fall von Obonya folgt dem Zusatz "aufgezeichnet von" übrigens der Autorenname Haide Tenner. Das ist wiederum jene Journalistin des Österreichischen Rundfunks, die bis 2009 unter anderem auch die beliebte Seniorensendung "Klassiktreffpunkt" moderiert hat. Als Radiohörerin, seit Kindertagen!, habe ich ihre allzu strenge Stimme noch im Ohr, und der Imperativ "Kommen Sie weiter vor" zeigt unmittelbar seine Wirkung als Maßregelung. Jetzt bloß nicht mit dem Kopf gegen die Scheibe knallen! "Aus euch wird nie was" heißen denn auch die Erinnerungen von Elisabeth Orth, aus der allerdings doch etwas geworden ist, nebenbei: Doyenne des Burgtheaters.
Und wenn wir beim österreichischen Theater sind und manch' Gepflogenheiten, sei hier wiederholt: der Doyen und die Doyenne sind die ältestgedienten Schauspieler des Burgtheaters und sie werden bis an ihr Lebensende nicht in Pension geschickt. Und sollte das Ende einmal kommen, was man ihnen noch lang nicht wünscht, dann werden sie im Sarg einmal ums Haus am Ring getragen. "Ich bleib noch ein bissl" raunt dagegen Otto Schenk gemütlich-trotzig aus der Auslage der Buchhandlung im Burgtheater, und sein Untertitel lautet: "Flüssiges und Überflüssiges". Ich kann nicht behaupten, dass ich es für überflüssig hielte, dass die Buchhandlung im Burgtheater bei der Auswahl ihrer Monografien mehr auf die Publikumslieblinge der Josefstadt setzte, denn es handelt sich vielmehr um einen Zufall, dass weiter unten auch Elfriede Ott mit ihrem Wau-wau vom Umschlag grinst: "Worüber ich lache". Kunden, die nicht im Burgtheater kaufen, sondern beim Online-Buchhändler, kauften übrigens auch: Heinz Marecek: "Ich komme aus dem Lachen nicht heraus".
Mitspielen im Schreibgeschäft
Wenns zwei lustig haben, ist auch Lotte Tobisch nicht weit: "Langweilig war mir nie". Lotte Tobisch ist jene Dame, die man mittlerweile kennt für ihr Engagement für "Künstler helfen Künstlern", ein Verein, an den wir uns wenden können, wenn wir als 90jährige Künstlerinnen und Künstler eine Altersresidenz in Baden zu beziehen gedenken. Außerdem hat Lotte Tobisch bis 1996 den Wiener Opernball organisiert und trägt den Ehrenring des Wiener Burgtheaters. Sie hat für ihre Ehe, denn langweilig war ihr nie, den Schauspielberuf an den Nagel gehängt, ist dafür aber im Briefwechsel gestanden mit Teddy Wiesengrund. "Das Schnitzel ist umbesetzt" heißt wiederum das Buch von Maria Happel – ein Satz, der hier nicht als Überleitung verstanden werden soll.
"Bitte lasst mich mitspielen!", nennt Bibiana Zeller, etwas devot, ihre Erinnerungen. Auf das Spielen konzentrieren sich unterdessen auch die Unter-Vierzigjährigen; eigentlich ist es kaum vorstellbar, dass Birgit Minichmayr, später einmal, ihre Memoiren veröffentlicht. Oder Jasna?! Naja. – Doch was hat Frank Castorf in Zukunft vor?
Teresa Präauer ist Autorin und Zeichnerin in Wien. Sie erhielt 2012 für den Roman "Für den Herrscher aus Übersee" (Wallstein, TB Fischer) den aspekte-Literaturpreis für das beste deutschsprachige Prosadebüt. 2015 ist sie auf Lesereise mit ihrem aktuellen Roman "Johnny und Jean". In ihrer Kolumne Zeug & Stücke spürt sie den Einzelteilen nach, aus denen Theater sich zusammensetzt, und wird sich jeweils zu einem Begriff ihre Notizen machen.
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Meiner Meinung ist das aber auch den tatsächlichen Erfolg der Auto-Biographie der Schauspielerin Erni Mangold vor ein paar Jahren zurückzuführen, der sich nicht nur auf die Theater-Community beschränkte. Sehr originell und ohne Maulkorb erzählt, mit großer Klappe und aus einem langen und interessanten Leben. Und mit über 80 durchaus berechtigt.