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Chris Dercon wird Intendant der Berliner Volksbühne

Intendant mit Tanz und Hangar

Berlin, 22./23. April 2015. Chris Dercon, der Direktor der Tate Gallery of Modern Art in London, wird Intendant der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Nachdem gestern bereits der Berliner Tagesspiegel und der Rundfunk Berlin-Brandenburg von der Entscheidung berichteten, teilt heute die Pressestelle des Regierenden Bürgermeisters mit, dass Michael Müller morgen "mit dem designierten Intendanten Chris Dercon" über "künftige Entwicklungen bei der Volksbühne Berlin" informieren wird.

Damit zieht das Land Berlin die ursprünglich für den 30. April geplante Bekanntgabe vor. Wie der Tagesspiegel gestern berichtete, solle der "theaterunerfahrene" Belgier Dercon (geb. 1958) von "Bühnenspezialisten" der Abteilung Tanz flankiert werden, die Namen Anne Teresa de Keersmaeker und Boris Charmatz seien gefallen. Bislang unbestätigten Informationen von nachtkritik.de zufolge, sollen die Namen der beiden Choreographen bereits seit November 2014 im Gespräch gewesen sein.

Die Volksbühne unter Dercon solle ab 2017 Teile des alten, derzeit leer stehenden Flughafens Tempelhof bespielen. Der Etat der Volksbühne solle um 5 Mio. Euro, von 17 Mio. auf 22 Mio. Euro, aufgestockt werden.

Experte für Kaprow und Schlingensief

Dercon studierte laut Tagesspiegel Kunstgeschichte, Theaterwissenschaft und Filmtheorie in Amsterdam und Leiden. Danach arbeitete er als Radiojournalist. 1988 ging er für zwei Jahre als Programmdirektor an das Institute of Contemporary Art P.S.1 nach New York, 1990 wechselte er nach Rotterdam, zunächst an das Witte de With, einem Zentrum für zeitgenössische Kunst, sechs Jahre später ans Museum Boijmans Van Beuningen, dessen Direktor er wurde. 2003 übernahm der das Münchner Haus der Kunst und stieß dort eine nachhaltige Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Geschichte des Hauses an. Neben Künstlern wie Ai Weiwei und Gilbert&George zeigte er dort immer wieder für das zeitgenössische Theater einflussreiche Künstler wie Alan Kaprow und Christoph Schlingensief. Seit 2012 leitet Dercon die Tate Modern in London, ein Haus mit sechs Millionen Besuchern im Jahr und einem Etat von 87 Millionen Pfund.

(Tagesspiegel / jnm)

 

Diese Meldung stammt ursprünglich vom 22. April 2015 und wurde am 23. April, 13.30 Uhr, grundlegend aktualisiert.

 

Hier ein Kommentar zu Chris Dercons Ernennung von Christian Rakow sowie eine Polemik von Matthias Weigel wider die Ensembletheater-Nostalgie.

Alle wichtigen Meldungen, Interviews und Pressestimmen zur Diskussion um die Berliner Kulturpolitik, die Zukunft der Berliner Volksbühne, die Nachfolge Frank Castorfs und die Personalie Chris Dercon finden sich auch in unserer Chronik zum Berliner Theaterstreit.

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Kommentare  
Chris Dercon zur Volksbühne: Hammer!
Einfach toll! 5 Millionen mehr! Hammer!
Chris Dercon zur Volksbühne: Doppelhammer
Die Fünf Millionen schluckt locker die Flughafenbespielung. Was im Haupthaus passieren soll, wäre interessant zu erfahren. Aber ein Ensemble braucht man da mit Sicherheit nicht mehr. Auch wieder was gespart. Doppel-Hammer.
Chris Dercon zur Volksbühne: da habt ihr den Salat
@alle Abwiegler: Es sind also (bis gestern) keine Entscheidungen gefallen? Die Diskussion und der Protest waren wohlfeil? Da habt ihr den Salat. Übrigens, mit 5 Millionen allein kann ich auch Tempelhof bespielen (ohne die VB jemals von innen zu sehen).
Chris Dercon, Volksbühne: ohne Ausschreibung?
Und noch eine Frage an alle Experten: Wie ist das organisatorisch/öffentlich-rechtlich? Müller/Renner können nach Gutdünken entscheiden/besetzen? Braucht es den Senat? Das Abgeordnetenhaus? Ohne Ausschreibung?

Statt Gutsherrenart müsste es Schlechtsherrenart heißen. Herjemineh, genug gejammert. Zurück zu den Argumenten, Entschuldigung.
Chris Dercon zur Volksbühne: noch oder schon?
"solle" "werde" "seien gefallen"... Ist das jetzt noch nachtkritik oder schon morgengerücht?
Chris Dercon zur Volksbühne: anderthalb Jahre Zeit
Heute in der VB "Kill your Darlings". Hoffe, es gibt einen Sturm. Jetzt sind anderthalb Jahre Zeit für Vabanque, für Zorn, für Geisterstunden, für Solidarität, für Glühen.
Chris Dercon zur Volksbühne: diese Hupfdohlen
NEIIIIIN!!! Es soll demnächst ein Theater in Berlin geben mit dem Schwerpunkt TAAAANZ!!!

Eine Katastrophe! Ein Skandal! Pina Bausch wird sich in ihrem Grabe umdrehen. Und einige andere werden von dem Vorgang wohl in den Suizid getrieben werden. Da muss der Bühnenverein einschreiten. Die Intendantenrunde. Einfach alle. Diese grässlichen Hupfdohlen in der Volksbühne. Einfach widerlich.

Empört euch. Tanz, dass ist doch keine Kunst! Außerdem kann man das doch überall in Berlin haben, im Berghain und all den vielen Clubs. Das geht nicht. Das braucht niemand. Tanz. Einfach schrecklich. Einfach gruselig.

Wenn man mit der Haltung, vor über dreißig Jahren an die Arbeit von Frau Bausch herangegangen wäre, gäbe es das Tanztheater in seiner heutigen Form nicht. Da hätte man schon damals so einiges verhindern können. Eben diese wunderbare Truppe mit ihrem außergewöhnlich Weltruhm. Das darf nie wieder geschehen.

Wehrt euch!
Dercon zur Volksbühne: Berliner Sachverstand
Ein Museeumsleiter soll ein Sprechtheater in ein Tanztheater umwandeln...berliner Sachverstand: auch die Kunst will ihre Flughäfen...und Thomas Ostermeier übernimmt die Gemäldegalerie.
Dercon zur Volksbühne: tatsächlich Spezialisten
Wenn man nicht lesen kann, dann gerät man natürlich schnell ins Staunen. Schaut man aber noch mal oben in die Meldung hinein, findet man tatsächlich die Namen zweier Spezialisten für Tanz die Herrn Der in flankieren.
Dercon zur Volksbühne: Hinweis
http://m.taz.de/Debatte-um-die-Volksbuehne-Berlin/!158632;m/
Dercon zur Volksbühne: auch Identifikation ist ein Gut
Bitte nicht dieses alte Eventgetue!!
Wieso müssen über zwanzig Jahre alte Ideen im Theater nochmals als neu verkauft werden!
Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert!
Performance ( was auch immer unter diesem schwammigen Begriff gemeint ist, ursprünglich als Perfomance-art aus den Siebzigern begründet geboren, Installation, Tanz, Crossover, Multimedia,... etc. ist doch längstens alles Mainstream = konservativ.
Die Frage ist nicht WAS, sondern WIE die Mittel verwendet werden.
Ein Beamer ist heutzutage verhältnissmässig billig, da überlegt man halt nicht so lange.
Und diese ganze Networking-, Coproduktions-Falle....
Auch Identifikation ist ein Gut.
Ein hohes Gut in vernetzten Welten.
Dercon zur Volksbühne: erneut Schauspiel geschlossen
Was auch geschieht - da wird nach Schillertheater und Freier Volksbühne erneut eine Produktionsstätte für Schauspiel geschlossen. Es wird schon wieder am deutschen Ensemble- und Repertoiretheater gesägt. Denn sie (Müller, Renner) wissen, was sie tun....
Dercon zur Volksbühne: Freude auf Ideen
Ich bin gespannt und freue mich auf die Ideen, die Herr Dercon für die Volksbühne vorstellen wird! Vielleicht erstmal abwarten, bevor alles schwarz gesehen wird....

Marthaler, Castorf, Fritsch, Marton und Pollesch-Inszenierungen, die sowieso aus einem halb Gast, halb Ensemble-Pool rekrutiert werden, wird man sicherlich auch schnell anderswo in Berlin sehen können...
Dercon zur Volksbühne: Flughafen bespielen?
Allein den Flughafen Tempelhof "bespielen" zu wollen, ist eine Schnapsidee. Wissen der Herr Bürgermeister und sein Staatssekretär überhaupt wie groß der Flughafen ist.
Dafür 5 Mio (lächerliche Größenordnung) zur Verfügung zu stellen ist die nächste Schnapsidee.
Wenn mit "bespielen" auch nur annähernd der Flughafen und nicht nur irgend eine Halle und mehr als 2, 3 "Events" im Jahr gemeint sind, dann braucht`s das mehrfache an Etat.
Dercon zur Volksbühne: warum allein entschieden?
Wie kann es möglich sein,dass ein ausgewiesener Nichtkenner der Theaterszene wie Tim Renner und ein auch nicht gerade Theater Spezialist von Oberbürgermeister- und Kultursenator Müller eine derart wichtige Entscheidung allein treffen! Jetzt hoffe ich auf einen grossen Protest der Theaterleute und auch der Zuschauer.Bitte Frau Grütters- wir hoffen aus Sie,diese alleinige Vollmacht für Tim Renner erinnert an die DDR! Der Mann ist toll, aber dies ist der falsche Ort.
Dercon zur Volksbühne: warum die Aufregung?
warum regen sich so viele leute auf? das ganze klingt spannend, auf jeden fall nicht so abwegig, wie viele glauben machen wollen. die idee mit dem tempelhof hatte lilienthal ja schon 2012 promotet, natürlich geht es nicht darum, das ganze open air gelände zu bespielen.
Dercon zur Volksbühne: lieber Schönefeld bespielen
Tempelhof als Flughafen öffnen und Schönefeld bespielen. Das wäre ein interssantes Stadtentwicklungskonzept. Dann würde sich die Gentrifizierung von Neukölln erübrigen und Köpenick zum Hip-Viertel mutieren. Leander Haussmann könnte als Gast bei Dercon den Hauptmann von Köpenick inszenieren und müsste nicht vor den Fluglärm am Müggelsee warnen.
Dercon zur Volksbühne: Schönefeld wird schon bespielt
Aber Schönefeld wird doch schon bespielt! - Erstklassiges, bewährtes Theater und niemand regt sich über die Intendanz und ihre abgelegten Bilanzen auf!
Dercon zur Volksbühne: elitär und modelastig
Auch als junge Studentin, Tanz und Performance, fand ich das Haus des Kommerzes in MÜNCHEN, er sagt ja: ein Künstler ist ein KulturPRODUZENT,

unfassbar elitär und unerträglich modelastig . Er versteht, wenn überhaupt, unter Tanz: Tanzt das Kapitals, und tötet das Theaters. Das ist ein Kapitalnihilist
Dercon zur Volksbühne: Was kann man tun?
War jemand bei Kill your Darlings? Wie wars denn? Gibt es etwas das man tun kann? In Wuppertal hatte man wenigstens noch die Chance zu demonstrieren, hier habe ich irgendwie das Gefühl, dass schon jede Hilfe zu spät kommt. Ach und Herr Baucks: Sie missverstehen den Gegenwind - hier geht es nicht ums Tanz-Bashing, sondern darum, dass eines der wichtigsten Theater des Landes in seiner jetzigen Form (und explizit diese ist es die es zu einem der wichtigsten macht...) abgewickelt wird. Und ich denke das wissen Sie auch. Was würden Sie sagen wenn plötzlich Claus Kleber bei Ihnen am Set von Wege zum Glück auftauchen und den Laden übernehmen würde? Na ich geb zu der Vergleich hinkt vielleicht etwas...
Dercon zur Volksbühne: Abwicklung der letzten politischen Bühne
Wir erleben die Abwicklung der letzten politischen Bühne Berlins. Wir dürfen uns auf angestaubtes Air Berlin-Tanztheater und eitle Biennalen Kunst Marke Tino Sehgal freuen. It ´s so contemporary. Ist das nicht das Programm der Foreign Affairs, HAU und der Berliner Festspiele ???? Egal. Und Tempelhof soll mit der Volksbühne schneller gentrifiziert werden, eventuell mit Sponsorenfreunden von BMW und Unilever wie in London. Das nennt man wohl eine Investition.
Dercon zur Volksbühne: endlich mal wieder durchatmen
Ich freue mich auf diesen Abschied, vielleicht auch auf das Neue. Die kuratierten Projekte sind oft demokratischer, durchlässiger und sorgfältiger gearbeitet. Die Volksbühne öffnet sich endlich wieder für ein kritisches Publikum, hoffentlich bleibt die Kantine samt Karte für die alten Fans erhalten. Die Provinz holt sich ästhetische Anregungen aus der Hauptstadt, die es auch heimtragen kann und sagt: Das probieren wir jetzt auch mal, das können wir auch. Und es kam mir auch so vor, als wären die Gagen von Castorf und Marthaler gar nicht mehr in Berlin zu realisieren, die Premieren fanden andernorts statt (...). Vielleicht wird Dercon nur ein kurzes Gastspiel, dafür kann das Haus endlich einmal wieder tief durchatmen, das hat damals in den 90ern auch gut getan.
Dercon zur Volksbühne: Fahre denn hin, Mäßigung!
@alle (inbesondere auch die überaus hinter dem aktuellen Diskussionstand - allein schon hier bei nk - zurückbleibende Eva Behrendt):

In einer Woche will sich Renner erklären. Die Personalie Dercon zu 2017 wird nicht dementiert! Weder von ihm selbst, noch von Müller/Renner, noch von Lilienthal (Übrigens schön, dass er offenbar so singulär an Entscheidungen mitwirken darf. Souffleur a bout de souffle bei so viel Modernität, helau.)

Und, noch einmal, ich schrieb es bereits an anderer Stelle: Es gibt 2 Debatten. Eine zur Berliner Theaterzukunft. Eine zur aktuellen Volksbühne.

Erstere KANN Zweitere beinhalten. Aber MUSS eben auch alle anderen Berliner Häuser beinhalten. Sie MUSS NICHT die *jetzige* VB berühren. Bislang habe ich noch kein einziges schlüssiges Argument gehört, warum der wieder an Fahrt gewinnende Castorf-Intendant *jetzt* weg muss. Es ist einfach ein Schildbürgerstreich sondergleichen.

Die große Debatte dreht sich hier und anderswo um die erstere der Debatten, die Grundsatzdebatte. Aber für die haben wir doch Zeit. Und die BRAUCHT Zeit. Aber nun werden vor einer breiten, öffentlichen Debatte offenbar Tatsachen geschaffen. (Meine Hoffnung, dass der Ballon Dercon nur ein Aufhänger für die *erstere* der Debatten sein sollte, atomisiert sich jeden Tag mehr, qua rennerscher Stille.)

Und dann würde ich gern separat die zweitere der Debatten führen. Was bitte spricht gegen Castorf in der Verlängerung? Gerade nun, da Arbeiten wie Cousine Bette und Kaputt, aber auch derdiemann und Pollesch/Lotzow. Also offenbar FRUCHTBARER Boden. Der nun ohne Not und bei kräftigem neuen Wuchs umgepflügt wird. Fahre denn hin, Mäßigung!!
Dercon zur Volksbühne: Tatsachen nach Gutdünken
PS: Mea culpa. Ich hatte überhaupt nicht die (nk:) "grundlegend aktualisierte" Meldung gelesen. Es ist ja alles schon verlautbart. Liebe, Abwiegler, liebe Eva Behrendt, jetzt bitte nach Canossa.
Warum ziehen Müller und Renner jetzt die Vorstellung vor? Die Kritik, dass sich der Kultursenator nicht selbst kümmern würde ist offenbar angekommen. Kommt nun auch die Kritik an, dass die beiden Debatten unabhängig geführt werden sollten? Und kommt die Kritik an, dass hier ohne öffentliche Debatte Tatsachen nach Gutdünken geschaffen werden? Man darf auf Renners/Müllers Argumentationen gespannt sein.
Dercon zur Volksbühne: stehender Applaus
@20: Ja, ich war dort. 15 Minuten stehender Applaus. Aber im Grunde kein direkter Bezug zur Abwicklung der VB. War vielleicht einfach ein starker Abend (einer genialen Inszenierung eines politischen/intellegenten Textes). In der Kantine aber danach nix Besonderes zu vermelden.
Dercon zur Volksbühne: Sieg der Verwaltung
@23: Siehe dazu auch heutige SZ, Artikel von Jens Bisky, der auf die von Ivan Nagel 1991 angestoßene öffentliche(!!) Berliner Theaterlandschaftsdebatte hinweist. Bisky betitelt Renners "Coup" vieldeutig mit "Sieg der Verwaltung". Sieg 2.0
Dercon zur Volksbühne: Apokalypse verschoben
Nein, her Zisch, es ist beileibe nicht "alles schon verlautbart". Das einzige, was bekannt ist, ist die Personalien Dercon. Alles andere dann um 15 Uhr.Dann kann man reden. Aber da hier so viel Kaffeesatzleserei betrieben wird, mache ich das auch mal. Ich wage zu behaupten, dass die Götterdämmerung des deutschsprachigen Theaters auch diesmal ausbleiben und die Apokalypse verschoben wird.Dass die Volksbühne in ihre jetzigen Form verschwinden wird ist unbenommen – ebenso wie Bessons Volksbühne verschwunden ist und Piscators und das Gorki in seiner Form vor Langhoff usw.
Dercon zur Volksbühne: Unterschied
Man hat Castorf engagiert weil er tut, was er tut.
Dercon engagiert man, weil er weiß, was Menschen wie Castorf tun, vielleicht sogar, warum sie es tun und was sie morgen tun, und nicht zuletzt weil er ihre Telefonnummer hat.
Bemerkt irgendjemand den Unterschied?
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