Leichte Beute

von Esther Slevogt

Berlin, 21. Juni 2015. Es ist ungewiss, ob es die junge syrische Mutter wirklich gegeben hat, deren Begräbnis in Berlin neulich die spektakuläre Kunstaktion Die Toten kommen des Zentrums für Politische Schönheit eröffnet hat. Ob sich ihr angeblich aus einem anonymen Massengrab exhumierter Leichnam wirklich in dem weißen Sarg befand, der auf dem muslimischen Friedhof in Berlin-Gatow in die Erde versenkt wurde. Denn sie ist in erster Linie eine Theaterfigur, erschaffen, um zu erreichen, was gut ausgedachte Theaterfiguren seit Aristoteles zu erreichen versuchen: nämlich beim Zuschauer Jammern ("Eleos") und Schaudern ("Phobos") hervorzurufen, um schließlich Läuterung (und Erkenntnis) zu bewirken. Und wie sehr das ZPS mit dieser Aktion einen Nerv getroffen hat, zeigt schon das enorme Medienecho.

ZPS Toten Bauschild 280h sleKurz vor dem Kanzleramt:  symbolisches Bauschild mit Sarg  © sleEigentlich möchte man daher inständig hoffen, dass der Sarg leer gewesen ist. Ebenso leer, wie die Särge heute, die in einem inszenierten Trauermarsch von der Berliner Straße Unter den Linden bis kurz vor das Bundeskanzleramt getragen wurden: mit der krassen Behauptung, man wolle die anonym verscharrten Ertrunkenen hier nun im Zentrum von Macht und politischer Verantwortung real noch einmal begraben. Denn jeder habe das Recht auf ein würdiges Begräbnis. Die Behörden hatten allerdings reale Bestattungen verboten, inklusive des Mitführens eines Baggers, mit dem die Erde vor dem Kanzleramt hätte aufgerissen werden sollen.

Symbolische Aufladung

Was für eine Würde hätte den im Mittelmeer Ertrunkenen und anonym verscharrten Menschen hier schließlich zurückgegeben werden können: Wenn man sie, wie geplant, plakativ auf dem Platz vor dem Kanzleramt ganz real und guerillahaft begraben hätte? Keine. Ihre Missachtung und Instrumentalisierung hätte sich fortgeschrieben.

Ein kraftvolles und eindringliches Bild stand schließlich am Ende dieser Als-ob-Aktion: ein Feld mit über 100 symbolischen Gräbern für die ertrunkenen Flüchtlinge auf der enormen Wiese vor dem Reichstag, die "Platz der Republik" heißt. Eine ähnlich symbolische Aufladung hatte dieser Platz wohl zuletzt vor 20 Jahren als Christo den Reichstag verpackte: kurz bevor er zum Symbol der neuen Berliner Republik umgebaut werden sollte.

ZPS Toten GrabReichstag 560 sleVor dem Berliner Reichstag © sle

Aber leider ist das nur ein Bild von vielen. Denn die Veranstaltung wurde ziemlich bald übernommen: von unterschiedlichsten radikalen und politischen Gruppierungen von radikal links bis radikal rechts. Alle versuchten, ihre eigenen Bilder zu produzieren und sich in die Aktion einzuschreiben. Das ZPS war am Ende nur noch eine Randerscheinung – die Veranstaltung war ihnen entglitten. Zwar waren einige solidarisierende Gruppen im Vorfeld wohl offiziell ausgeladen worden (siehe ZPS-Facebookseite). Ihrem Unmut darüber machten einige von ihnen während des Trauermarsches lauthals Luft. Ein paar Ultra-Rechte wurden während des Demonstrationszuges sogar von der Polizei entfernt, als sie ihre Parolen brüllten.

Medienspektakel

Die ersten, die am Sammelpunkt Unter den Linden / Ecke Charlottenstraße unangenehm aufgefallen waren, war eine Gruppe mit Grabkränzen bewaffneter Funktionär*innen der Berliner Piratenpartei, die verkleidet waren, als gehörten sie zu einer Provinzinszenierung von "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" – mitten drin: Anke Domscheit-Berg mit rotem Hut und einem Transparent mit peinlich demagogischen Parolen. Umringt waren sie von Dutzenden Medienleuten, vom Rumor des Spektakels angelockt: sie hielten die schrille Truppe für ZPS-ler.

Die echten ZPS-ler jedoch traten eher dezent in schwarzen Anzügen und weißen T-Shirts mit Auschrift "Die Toten kommen" in Erscheinung. Und der obligatorischen schwarzen Schminke im Gesicht. Vielleicht als Symbol für den Dreck dieser Welt, dem sie sich mit ihrem ganzen moralischen Pathos entgegenwerfen. Gemessenen Schrittes begleiteten sie einen Transporter eines muslimischen Bestattungsunternehmers.

Tausende Trittbrettfahrer

Mehrere Tausend Menschen hatten sich dem Zug angeschlossen. Viele mit Blumen und selbstgebastelten christlichen Grabkreuzen. Erst dachte man noch: hier wurde mit einer ebenso krassen wie sinnfälligen Setzung eine gesellschaftliche Bewegung angestoßen. Doch bald wurde auch deutlich: es hatten sich diffuseste Gruppen als Trittbrettfahrer daran gehängt und wollten ihre eigene Gechichte damit schreiben. Die Abschlusskundgebung des Zentrums für Politische Schönheit unter dem symbolischen Bauschild am Kanzleramt findet am Ende mangels Publikum nicht mehr statt.

ZPS Toten PhilippRuch 280 sleAm Rande des Zugs: Philipp Ruch © sle

Denn Antifa-Gruppen hatten den Zaun, der die Reichstagswiese vor dem Demonstrationszug schützen sollte, umgestürzt. Die Menge strömte weg vom Bauschild auf die Wiese. Viele gruben mit bloßen Händen symbolische Gräber für umgekommene Flüchtlinge aus. Eine Wahnsinns-Szenerie. Doch ins friedliche Bild drangen bald schrille Töne. Sogenannte "Anti-Deutsche" skandierten aggressive Parolen. Am Rande immer wieder erhitzte Debatten: Zwei junge palästinensische Männer beschimpfen Gräber-Ausheberinnen in geblümten Hosen: "Ihr missbraucht unser Schicksal!" und ernten völliges Unverständnis. Irgendwo knäulen sich Massen, die aggressiven Parolen schwellen an. Aus einer anderen Ecke des Platzes dringt fanatisch säuselnder Sing-Sang. Schließlich stürmt die Polizei die Veranstaltung. Auch das ein Bild, das bleibt.

Und eben das des symbolischen Gräberfelds vor dem deutschen Bundestag. Wenn es nicht über Nacht weggeräumt wird. Als theatrale Setzung hat "Die Toten kommen" enorme Wucht und Wirkung entfaltet. Doch als es auf die Straße ging, in den Raum jenseits der imaginären Bühne im medialen Raum, war die Luft raus, wurde "Die Toten kommen" zur leichten Beute für Instrumentalisierer und Populisten. Das ZPS hatte dem nichts entgegenzusetzen. Merkwürdig schlachtenbummlerische Kommentare auf Twitter stattdessen. Leider.

 

Hier eine Presseschau zur Aktion.

 

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Kommentare  
Die Toten kommen 2, Kommentar: Fragen über Fragen
"Anke Domscheit-Berg mit rotem Hut und einem Transparent mit peinlich demagogischen Parolen." Können Sie genauer darlegen, was damit gemeint ist, Frau Slevogt? Was stand denn auf dem Transparent?

Und dass diese Veranstaltung nicht "unter sich bleiben" würde, war doch irgendwie klar. Im öffentlichen Raum gehört eben jede/r dazu, nicht nur die Künstlergruppe mit Namen. Schlingensief hätte das voll unterschrieben, ausser natürlich die Teilnahme der Ultra-Rechten. Was ist zum Beispiel mit den Flüchtenden aus dem ehemaligen Jugoslawien? Warum werden die hier nicht aufgenommen? Gerade, wo Deutschland an Krieg und Zerstörung dieses Landes mitbeteiligt war? Und warum schreibt Arno Widmann im Kommentar der Berliner Zeitung zu dieser Aktion plötzlich gegen die griechischen Reeder an, welche keine Steuern zahlen würden und doch mit ihren Booten den Flüchtenden im Mittelmeer helfen könnten? Warum wird hier alles thematisch vermischt? Geht's hier am Ende wieder mal um Parteipolitik (Linke und Piraten gegen Grüne)? Hilft das den Flüchtenden? Fragen über Fragen.
Die Toten kommen 2, Kommentar: Dank
sehr guter Artikel. Danke, Frau Slevogt...
Die Toten kommen 2: politisches Handeln bemächtgt sich der Kunst
Wirklich, Frau Slevogt? Politisches Handeln hat sich der hehren Kunst bemächtigt? Passiert doch sonst nur anders herum. Alles hätte so schön und wichtig und wirkungsvoll sein können – richtig künstlerisch eben. Stattdessen kommen diese Politproleten und wissen nicht, wie man sich in der Kunst benimmt. Das bedarf einer scharfen Rüge.
Die Toten kommen 2: erweitertes Sonntagstheater
Da fühlen Sie sich doch glatt von den Trittbrettfahrer*innen überrumpelt, die angeblich die Aktion versucht hätten zu klauen, bzw. umzuschreiben. Ist ja schön, dass Ihr Schubladendenken so gut funktioniert und dass Sie Aktionskunst als erweitertes Sonntagstheater im öffentlichen Raum verstehen.

Am Besten Sie gehen wieder ins Bezahltheater, dort machen Sie nämlich extra Theater nur für Sie und die anderen obersten zehntausend und dann gibt es auch keine unangenehmen Dinge über die man länger als wie während der Vorstellung nachdenken muss.

Krieg den Hütten, Frieden den Palästen!
Kommentar Die Toten kommen: Fragen und Leerstellen
Keine Frage, ein Denkmal, ein Grab für den unbekannten Flüchtling im Zentrum Europas, an prominenter Stelle, ist mehr als angemessen. Aber muss man einen solchen Ort durch eine exhumierte Leiche aufladen? Wohl kaum. - Wie verzweifelt, wie hilflos muss einer sein, wenn er seine politischen, künstlerischen Absichten nur durch echte Leichname beglaubigt sehen kann? Und hat diese Syrerin und ihr Kind denn nun tatsächlich ihr Gesicht, ihre Geschichte würdevoll zurückerhalten, soweit so etwas überhaupt möglich, denkbar ist? Nein. Sie bleibt weiterhin anonym. Wir wissen nicht, was ihre Absichten waren. Ob sie überhaupt eine solche Beerdigung wollte. Dafür können auch ihre Angehörigen nicht bürgen, außer sie verfügten über eine entsprechenden Auftrag der Verstorbenen. Das Ganze ist in sich nicht schlüssig und auch nicht schön. Es ist nicht einmal klar, ob diese Frau ursprünglich nach Berlin wollte, lebend natürlich, mit ihrem Kind. Eine Aktion rundherum um zentrale, wichtige Leerstellen, die von den Künstlern nicht aufgefüllt, sinnhaft vermittelt wurden. Wieso eine Mutter mit Kind? Ist dies ein christliches Bild? Vielleicht sogar ein Kitschiges? Warum nicht ein junger Mann mit krimineller Vergangenheit, ein Genet? Da will uns jemand erklären, er wolle keine Geschichte erzählen, aber er nimmt ständig Rollenzuweisungen vor. Für die Reporter hält er einen Platz bereit, für die Politiker, für die Gäste und Zuschauer. Wer eine Rollenkonzeption verfolgt, erzählt natürlich auch eine Geschichte. Erzählt er auch eine wahrhaftige? Der weiße Mann und die weiße Frau in Berlin sind eher in der Lage eine Anonyme, Flüchtige würdevoll zu beerdigen als der „gemeine“ Sizilianer? Der die Leichen nur so stapelt? Wir wissen doch gar nicht wie viele der dort Tätigen schon seit Wochen und Monaten in tiefe Trauer verfallen sind? Was sie erleiden, wenn sie so viele fremde Tote zu Grabe tragen. Die materiellen und religiösen Bedingungen machen eine Beerdigung doch nicht würdevoll, sondern die Menschen, die daran teilnehmen. Und das können wir Deutschen in Berlin besser? Sicherlich, wie überall wird es auch an den europäischen Grenzen Menschen geben, die keinen Respekt vor dem Tod haben. Aber das kann man nicht rigoros allen Beteiligten unterstellen. Sich selber die Rolle des moralisch Überlegenen zuzuschreiben, da liegt der Fehler. Nicht deutlich nach außen zu kommunizieren, ob es sich um eine Beerdigung oder um Kunst handelt, dort verbirgt sich die fatale Unschärfe. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sich die Demonstranten am Sonntag von dieser Aktion entkoppelt haben und anfingen ihre eigene Geschichte zu erzählen. Vielleicht die einzig schöne Wendung in diesem Spektakel mit echten Leichen. Sonst wäre nur mehr Hässliches geblieben, das Hässliche der Aneignung, die Störung der Totenruhe, das Würdelose der Instrumentalisierung, etwas, dass sich aggressiver Humanismus nennt und sich leicht in sein Gegenteil verkehren kann.
Kommentar Die Toten kommen 2: unfassbares Happening
Hä? Verstehe ich nicht. Ich war ehrlich gesagt auch dabei und habe selten so ein unfassbares Happening auf der Bundestagswiese erlebt. Es wurde gebuddelt, was das Zeug hielt. Rechte Gruppen habe ich nirgends gesehen, ehrlich gesagt.
Die Toten kommen 2: Woran erkennt man Rechte?
Und selbst wenn Rechte da waren (woran erkennt Frau Slevogt Ultra-Rechte? An ihren Parolen? Welche waren das?), Schlingensie hätte versucht, selbst die zu integrieren (siehe sein Hamlet-Projekt), obwohl das natürlich ziemlich heikel ist und ob nun mit oder ohne Erfolg.
Die Toten kommen 2: kindlicher Egoismus
unfassbares happening?? Buddeln, was das Zeug hält? Von solchen Ausdrücken wird mir ,ehrlich gesagt, einfach nur schlecht. WAs hat das mit dem Füchtlingsproblem zu tun? Ich glaube nicht, daß sich die Politik von diesen Dingen beeindrucken läßt.Diese Veranstaltung hat 10 000 (!) allein Schaden an der Rasenfläche verursacht, Steuergelder, die man lustig bedürftigen Geflüchteten oder sizilianischen Helfern überweisen hätten können...dieses"Hapening" (scheußliches Wort im diesem Zusammenhang) zeugt on kindlichem Egoismus, der Politik und das Schicksal toter Menschen nur benuutzt, aber nichts bewirken kann und auch offensichtlich nicht will...als ein gutes Gefühl, der am Happening Beteiligten. Mit wird schlecht....
Die Toten kommen 2: Tippfehler
10 000 Euro....Happening...soll es natürlich heißen, Tippfehler
Die Toten kommen 2: nichts integriert
@Inga: abe hier wurde nichts integriert. Nicht mal die diebische Freude an der Manipulierbarkeit von Menschen. Grausiger Politkitsch. Brrrr
Die Toten kommen 2: Für wen sind die Gräber?
Bei einem Happening geht es sehr stark darum, verschiedene Materialien unter Einbeziehung des Publikums in einem improvisiertem Vorgang auf einander reagieren zu lassen. Die Wahl der Mittel, des Stoffes und des Materials ist hierbei für den Erfolg des Happenings entscheidend. Leichname aber sind kein Material. Sie sind zu Recht geschützt vor solchen Zugriffen. Auch kann man sich nicht auf Antigone zurückziehen, denn die Leiche des Polyneikes liegt ungeschützt auf dem Feld, den Hunden und Vögeln als Aas ausgesetzt. Und natürlich hat die Schwester das Bedürfnis den Bruder zu beerdigen. Wohlgemerkt die Schwester. Denn Trauer entsteht unter Menschen, die verwandt sind, sich nahe stehen. Alle nicht unmittelbar Betroffenen zeigen Anteilnahme. Ob Gräber ausheben ein Zeichen für Anteilnahme sein kann oder eben doch nur ein Happening bleibt, müsste man also beurteilen. Wer Gräber aushebt, will etwas hineinlegen, möchte man meinen. Es ist so, als ob die Aktionskünstler die Leiche des Polyneikes wieder ausgraben und selber beerdigen wollten, weil sie sich eher begabt dazu fühlten, als die Hilfskräfte vor Ort. Und dann kamen ihnen die Massen zur Hilfe und hoben gleich unzählige Gräber aus. Aber wer soll darin liegen? Für wen sind die Gräber? Scheinbar sind sie für diejenigen, die sie aushoben, um auch an der Trauer teilnehmen zu können, um Anteilnahme zeigen zu können. Es war eher ein Kampf für das Recht auf eigene Emotionen, eigene Partizipation, und weniger ein Akt, der wirklich etwas an der Situation der Flüchtlinge verändern will.
Die Toten kommen 2, Berlin: Umkonstruktion
@ Rigoberta: Ja eben. Manipulierbarkeit. Deutschland will die Flüchtenden nicht haben, und wenn, dann sowieso nur die akademisch Gebildeten, zum eigenen Wirtschaftsnutzen (Stichwort: Arbeit, macht frei?). Es geht also nicht um Menschenleben, um das Leben selbst? Sondern um die deutsche Vertriebenenproblematik und die christliche Religion als allumfassenden Sinnstifter? Ja, aber weder die Mutter der Nation noch das deutsche Volk (was ist das?) sind Gott. Ich habe mich schon da gewundert, wo es auf einem muslimischen Friedhof losging. Mit weissen Särgen. Man begräbt andere, weil man im Grunde die eigene Geschichte noch nicht begraben, sondern bloß verdrängt bzw. die Rollen verkehrt hat: Das deutsche Volk war nicht Täter, sondern Opfer. So einfach wird Geschichte umkonstruiert.
Die Toten kommen 2, Berlin: Gut UND böse
das Problem mit der deutschen Geschichte und auc mit der Fllüchtlingsproblemstik hier, ist das verbreitete Schwarz-Weiss Denken, im wahrsten Sinne des Wortes und im übertragenen Sinne....es gibt leider nicht Gut ODER BÖSE, nicht Weiss ODER Schwarz, es gibt IMMER, ja, so ist das!, GUT UND BÖSE in EINEM , in einer Geschichte...- Deutsche sind natürlich Täter UND Opfwe, jja, es ist so, und auch Flüchtende sind nich timmer nur gut , aber auch nicht immmer nur böse, es gibt Vermischungen..immer, Die europäische Politik ist nicht nur böse, aber ganz gewiss sehr verbesserungswürdig, Mesnchen, die hierherkommen, sind nicht immer nur arme Opfer ,a ber auch manchmal gerissene Täter, es wird viel Geld verdient an den Flüchtenden von den Schleusern,a ber manchmal helfen diese auch...die Deutshcen sind nicht immer nur die böösen Reichen, manchmal helfen sie auch selbstlos ohne viel Tamtam, privat, aber manchmal sind es auch abgeschottete Profithaie.....also....ich denke, Sie wissen nun, was ich ausdrücken möchte...dies Integration beider Seiten müßte eine Kunstaktionn zeigen, - das gehört zu einer ernstzunehmenden Kunst, die sich politishc oder intellektuell irgendwie einmischen möchte.....dies geschah hier aber leider nicht.
Die Toten kommen 2: deutlich pointierter
Aus Frau Slevogts Besprechung wird leider nicht recht deutlich, was passiert ist. Weder ist der Ablauf der "Kunstaktion" im Text nachvollziehbar skizziert, noch trägt ihre persönliche Interpretation des Geschehens zum besseren Verständnis bei. Deutlich pointierter geschieht dies beispielsweise in einem Beitrag des "Freitag": https://www.freitag.de/autoren/juloeffl/wer-ist-hier-uebergriffig

Die Diskussion und Kritik um das Projekt ist hochinteressant. Etwa die Frage, warum entsteht so etwas nur in diesem künstlerischen Kontext? Oder umgekehrt: Warum passiert es sonst – aus politischen Zusammenhängen heraus – nicht? Und was sagt das über das System "Kunst" aus?



(Es handelt sich um keine Besprechung sondern einen Kommentar. Freundliche Grüße aus der Redaktion)
Die Toten kommen 2: Schuss ins Leere
Das Thema stand auch vor der Aktion des Zentrums für politische Schönheit im Zentrum der Berichterstattung. Es konnte also nicht darum gehen mehr Aufmerksamkeit für ein vernachlässigtes Thema zu generieren. Es war der Versuch, sich auf eine Welle zu setzen und sie zu reiten. Eben nicht von dem Tiger Medien geritten zu werden, sondern den Tiger zu reiten und ihm eine neue Richtung zu geben. Das ist gründlich misslungen. Die Teilnehmer haben die Sache selber in die Hand genommen und Gräber vor dem Reichstagsgebäude ausgehoben. Am Ende konnten sie sich nur selber dort hineinlegen, im übertragenen Sinne.

Es geht um einen Völkermord im Mittelmeer. Dem kann man sich nicht mit offenen Gräbern und weißen Särgen entgegenstellen. Das Bild versagt und deformiert die gute Absicht ins Groteske.

Das Zentrum für politische Schönheit konnte der Tragödie im Mittelmeer nur ein Zwischenspiel hinzufügen. Der eigentlich Konflikt bleibt unberührt und wälzt sich weiter aus. Der Mangel an absichtsvoller Genauigkeit lässt einen ratlos zurück. Das ist traurig. Ein Schuss ins Leere. Und nun verwalten wir sein hohles Echo.
Die Toten kommen 2: mehr Information
@ oh weh: Natürlich gibt es hier kein gut ODER böse, kein schwarz ODER weiss. Geht es dem ZfpS denn um dieses Thema? Aber es gibt zumindest die Behauptung, dass die Deutschen über gut und böse erhaben sind, weil sie aus ihrer Geschichte gelernt haben. Doch das stimmt einfach nicht. Ich würde hier deswegen gern mehr Mitgefühl reinbringen. Arno Gruen hat einmal gesagt, dass es im Kontext des Zweiten WK Täter gab/gibt, welche am Ende gesagt haben: "Ich wollte es nicht, aber ich musste es tun." Damit machen sich diese Menschen ZUGLEICH zum Täter UND zum Opfer (einer mörderischen Ideologie), auch und vor allem im Nachhinein. Empathie war/ist da nicht.

Seit der Aneignung dieser Aktion durch Bürger und andere Aktivisten frage ich mich nun, ob das vom ZfpS eigentlich von vornherein mitgedacht wurde. Diese Möglichkeit, dass eine Kunstaktion im öffentlichen Raum sich immer auch verselbständigen kann. Zudem hätte ich gern mehr Information darüber, was hier anhand von "Die Toten kommen" kritisiert wird. Das fehlt mir hier nämlich sehr, mehr Information. Gestern lief ich an folgendem Plakat vorbei und war irritiert, was mich zu folgender Website führte:

http://www.asylrechtsverschaerfung-stoppen.de/?p=550
Die Toten kommen 2, Berlin: falsche Trauer
Es liegt doch nicht am mangelnden Informationsfluss. Es geht darum, die vorhandenen Informationen richtig zu verarbeiten. „Die Toten kommen.“ könnte ja fast ein Titel eines absurden Theaterstücks sein, etwas, was man dem Existentialismus zuordnen könnte. Und neu ist die Idee auch nicht. Schon Zwerenz stellte fest, dass, wenn alle Ermordeten der Shoa heimkehrten und ihr Eigentum, ihr Recht forderten, es zu einer kompletten Überforderung käme. Auch ein Gräberfeld ist keine neue Idee, unweit des Mahnmals für die Ermordeten Juden. Das alles ist ein Konglomerat vorhandener Konzeptionen. Nur trifft es auch den Kern? Wenn es sich tatsächlich um eine neue Form von Völkermord handelt? Wer begeht dann diesen Völkermord? Die, die ihn organisieren? Oder jene, die den Opfern dieses Völkermords die Hilfe verweigern? Wohl beide.

Aber wenn man dieses Tragödie wirklich künstlerisch thematisieren möchte, muss man die Informationen doch differenziert verarbeiten. Da geht es bei dem Zentrum für politische Schönheit so unterkomplex zu, man kann nur mit den Gehirnwendungen hilflos hin und her schlackern.

Wie kommt jemand auf die Idee, für die Toten dieses Völkermordes Kreuze und Särge und offene Gräber zu organisieren? Was für eine Art Empfang für die Toten ist das? Kreuze, verstehen sie?! Sind alle Afrikaner Christen? Und wenn „ja“, warum wäre das so? Stehen an muslimischen Gräbern Kreuze? Deckt dies eine christliche Symbol alle Religionen Afrikas ab? Nein!

Da kann man doch nur zornig werden. Ist ein moderner Völkermord mit christlichen Symbolen allein zu bewältigen und offenen Gräbern? Gibt es auch ein atheistischen Ansatz? Einen analytische, politischen, neben diesem künstlerischen Unvermögen?

Wenn, darf man doch erwarten das Künstler einen Aufschrei der Empörung erzeugen, und nicht alles mit einer falschen Trauer überziehen. Wut, Zorn, Empörung sind angemessene Kategorien und vieles mehr. Wozu das Spiel mit den Toten, wenn es soviele Lebende zu retten gilt?
Die Toten kommen 2, Berlin: Kampf um Deutungshoheit
Nachdem ich nun schon länger mir den Kopf über der Kunst-Aktion zerbreche und eben zu keinem "ja!" oder "bäh!" kommen kann... oder will...
Ich glaube, dass es wenig Sinn macht die Aktion(en) von ihrer medialen Rezeption zu trennen. Das ZPS produzierte Leerstellen (angefangen mit der Behauptung (?) eines Begräbnisses bis zum Fehlen von Lösungsansätzen) und für mich liegt die "eigentliche" Performance in den Reaktionen auf diese Leerstellen, die durch das Kunstsetting eine Rahmung erhalten und dadurch vielleicht etwas sichtbarer werden.
Überspitzt formuliert: Geht es in dieser Arbeit wirklich um das Leid von Flüchtenden bzw. um politische Forderungen, oder um uns und unser Verhalten gegenüber dieser Thematik?
Ich konnte aus gesundheitlichen Gründen am Sonntag nicht an dem Marsch teilnehmen (teilnehmen als solidarisierung? bzw. wäre eine neutrale Position überhaupt möglich?) und verfolgte deshalb das Treiben in der Facebook-Veranstaltung. Flüchtende als Thema? Fehlanzeige! Weiße Männer, die sich im Kampf um Deutungshoheit über Begriffe zerfleischen...
Die Toten kommen 2, Berlin: Leerstellen sind keine Kunst
Das Produzieren von willkürlichen Leerstellen ist keine Kunst. Zudem können das Politiker viel besser und sind deshalb noch lange nicht Künstler. Einfach eine unnötige Aktion, die uns falsch beschäftigt.
Die Toten kommen 2, Berlin: Kreuzsymbolik
@ digitalirritiert: Interessant, was Sie da schreiben. Denn so sehe ich es auch, vor allem, wenn ich hier so die Kommentare lese. Martin Baucks regt sich hier ja sehr schön auf, aber, Herr Baucks, warum eigentlich? Sie meinen: So leben die nicht in Afrika. Und wie leben Sie so? Wie lebe ich? Ich kann mit dieser Kreuzsymbolik zum Beispiel auch nichts anfangen, ich bin eher Existenzialistin, und der Existenzialismus ist ein Humanismus. Und demnach muss jede/r selbst entscheiden, ob er die Teilnahme an so einem Begräbnis als humanistisch betrachtet oder es umschreibt usw. Ich kann mir tatsächlich auch kaum vorstellen, dass das ZfpS es nicht reflektiert hat, dass nur weisse Särge (für mich ein Symbol, auch bezüglich der dualistischen Denkweise weiss/schwarz usw.) und das christliche Kreuzsymbol verwendet werden, zum Beispiel. Die wollten einfach mal sehen, was passiert. Oder nicht?
Die Toten kommen 2: gering wahrheitsfähig
Aufregung? Nein. Es geht lediglich darum herauszuarbeiten, dass sich hinter dem Denken einer solchen Aktion ein bigotter Trugschluss verbirgt. Plötzlich verfallen die Macher einer Egozentrik, dass alle Reaktionen auf sie zurückzuführen seien. Dass sie alles folgerichtig erfassen. Und es kein von ihrer Aktion entkoppeltes Urteil mehr gäbe. So eine totalitäre Denstruktur, die alles auf sich beziehen will, ist jedoch nur gering wahrheitsfähig. Denn es gibt eine unabhängige Sicht auf Kunstäußerungen, die nicht vom Kunstwerk, falls es eines ist gelenkt wird.
Die Toten kommen 2: Einbeziehung von Unterschieden
@ martin baucks: Für einen Existenzialisten regen Sie sich aber trotzdem noch zu sehr auf. Wut, Zorn, Empörung? Vorher könnten "wir" erstmal (wieder) lernen, uns selbst zu lieben und glücklich zu sein. Die vielen "Minderheiten"-Communities in unserer Gesellschaft brauchen keinen Schutz der Mehrheit, auch nicht die Toten, Verzeihung, denn es geht um die Einbeziehung von Unterschieden.

Warum gerade Deutschland (und das ZfpS agiert doch in diesem Rahmen, oder nicht?) die Toten aus dem Mittelmeer besser bestatten können soll als zum Beispiel Italien, das verstehe ich auch nicht. Öffnung der Grenzen heisst Internationalismus. Und Religionen sind immer schon grenzenlos. Ja, vielleicht kann das ZfpS das jetzt hinterher alles auf seine Fahnen schreiben. Ob das so ist, werden wir es erfahren? Schade, dass sich hier niemand von ihnen dazu äussert.
Die Toten kommen 2, Berlin: Werkbegriff
@martin baucks: Damit gehen Sie, scheint mir, von einem ziemlich statischen Werkbegriff aus, den ich in diesem nicht teile. Der Status der Aktion wurde und wird in der Rezeption permanent verhandelt, z.B. durch die pragmatische Zuordnung von Besprechungen in Zeitungsressorts oder Ihre Setzung als Nicht-Kunst. Es geht mir dabei nicht darum einem objektivistischen Kunstbegriff ein Flüchtigkeitspathos entgegenzusetzen, da sie gegensätlich gedacht für mich nicht Wirklich funktionieren (Stichwort: Verhältnis von Performance und Dokument)
Da ich also davon ausgehe, dass das "Werk" überhaupt erst durch diese Aushandlungsprozesse entsteht und im Bezug auf die Übersetzungsprozesse in Bilder usw. ständig transformiert wird, müssen sie mir schon etwas genauer erklären, woraus Sie die Unabhängigkeit (schwingt da auch etwas Objektivitätsbehaubtung mit?) Ihrer Betrachtung ableiten.
Sonst ist das erstmal nur eine Setzung Ihrerseits, die in ihrer Opposition zur "Egozentrik" der Macher für mich nicht ganz do unabhängig wirkt bzw. Ihre Agenda verschweigt.
Die Toten kommen 2: totalitäre Denkstruktur
Das ist sehr freundlich von ihnen, dass sie der ganzen Aktion einen Werkcharakter zuschreiben wollen. Ich möchte diesem Urteil nicht folgen. Es gibt kein Kunstwerk, dass sich von alleine fortschreibt und alle Reaktionen auf sich beziehen und subsumieren kann. Man kann natürlich behaupten, alles Folgende sei gewollt, und so eine eigene Zeitrechnung eröffnen, die die Ereignisse subjektiv in eine Zeit vor und nach der Aktion einteilt. Aber das hieße eine totalitäres Denkstruktur ausbilden, die alles allein auf sich bezieht. Frau Slevogt hat es eigentlich schon gesagt, die Aktion wurde zur leichten Beute und entglitt den Machern, sobald sie den erweiterten öffentlichen Raum betrat. Ab da begann das „Werk“, falls es eines war, sich aufzulösen, und wurde zur Aneignungsbeute der Betrachter, die in die Handlung, den Vorgang einstiegen. Diesen Vorgang als Initiatoren auch sein Eigen zu nennen, wäre mehr als vermessen. Es würde unterstellen, das der Fortschreibung der Aktion durch den Betrachter kein eigener Wille zu Grunde lag.
Die Toten kommen 2, Berlin: Auflösung war Entstehung
Wenn eine Aktion den Machern entgleiten kann, so wie das laut Frau Slevogt passiert sei, liegt daran ja die Annahme begründet, dass die Aktion in sich geschlossen sei, sich aber im öffentlichen Raum nicht gegen "falsche" Lektüren und Fortschreibungen wehren konnte. Mein Problem damit: Das Verhalten der Teilnehmer_innen im öffentlichen und digitalen Raum wird als Verstoß gegen ein Postulat eines passiven Lektüreprozesses ins Feld geführt. Ich muss wirklich nicht alles, was zu Feedbackschleifen und Energieaustausch in Theater, Performance und bildender Kunst seit dem performative turn geschrieben wurde unterschreiben, um stark zu machen, dass die medialen und direkten Reaktionen auf die Aktion diese als (Kunst)aktion überhaupt erst konstituiert haben und weiter verändern. Deshalb auch die Anführungszeichen bei "Werk" ;) Und ich bin auch d'accord, dass ein Kunstwerk sich nicht alleine fortschreiben kann, da dieses ja konsequenterweise autonomom sein müsste, was ich ja auch anzweifle.
Nun zum Zentrum: Den Zeitpunkt, in dem Sie die Auflösung verorten, denke ich als Entstehung. Und das erst einmal wertungsfrei im Gegensatz zum "entgleiten". Deshalb ist es für mich auch irrelevant, ob das nun vom Zentrum intendiert ist oder nicht (obwohl Fall zwei eine sehr dürftige Reflexion der eigenen Position im Verhältnis von Akteur_innen und Zuschauer_innen bzw. Teilnehmer_innen darstellen würde), da ich in dem Ganzen die Position der Teilnehmer_innen stark mache und als konstitutiv erachte.
An welcher Stelle hat sich das Zentrum explizit die Reaktionen der Teilnehmer_innen angeeignet? Dieses Statement hab ich wohl dann in dem ganzen Rauschen nicht gelesen? Haben Sie diesbezüglich einen Link?
Die Toten kommen 2, Berlin: vor halbleerer Leinwand
Man muss das Ganze auch von der praktischen Seite sehen. Eine Künstlergruppe begibt sich in einen hoch sensiblen Bereich und im entscheidenden Moment schubst man den Betrachter vor die halbleere Leinwand und sagt: Nun mal du mal da weiter, wo ich stecken geblieben bin.

Mal abgesehen davon das Macher und Betrachter in dem Moment nicht über die selben Mittel verfügten, gab es auch keine Chance zur Konzeption unter dem Druck des öffentlichen Raum. Das ist fahrlässig und verantwortungslos. Leider.
Die Toten kommen 2, Berlin: Steckenbleiben eingeschrieben
Das "Steckenbleiben" war zumindest den letzten beiden Aktionen doch bereits eingeschrieben. Und ist nicht vom Himmel gefallen...

Wo setzen Sie hier die Trennlinie zu anderen Interventionem im öffentlichen Raum oder formulieren Sie damit eine generelle Kritik an diesen?
Der Begriff der Verantwortung für die Reaktion (?) beißt sich dann doch etwas mit dem Vorwurf der totalitären Denkstruktur in diesem Punkt.
Die Toten kommen 2: kein absoluter Masterplan
Wie schon gesagt, ich glaube nicht an den absoluten Masterplan dieser Aktion. Solche Allmachtsvorstellungen sind mir fremd. Ich denke es war ein ganz schlichtes und ungelenktes Scheitern.
Die Toten kommen 2, Berlin: Allmachtsphantasie
Wo beziehe ich mich denn auf einen solchen?
Vor allem wenn ich Intentionalität gar nicht so wichtig erachte, um Effekte der Aktion für eine Analyse fruchtbar zu machen?

Es wäre an dieser Stelle echt hilfreich, wenn sie ihre erkanntem Allmachtsphantasien mal an einer konkreten Stelle festmachen.
Die Toten kommen 2: für die Liebe öffnen
@ martin baucks: Masterplan? Na ja, wenn Sie den Glauben als Liebe auffassen, also nicht als Krücke (Identifikation mit einer Macht, deren Regeln man folgt und sich unterwirft), sondern als innere Orientierung, dann wäre DAS möglicherweise der Masterplan (Gottes?). Gott als moralische Herr-Schaft ist tot, aber wir und unsere Herzen (Frau-Schaft?) sind offen. Wenn er abwesend ist, können wir uns frei öffnen für die Liebe.
Die Toten kommen 2, Berlin: kein Raum für Gegenentwurf
Nun schauen wir einmal auf den Entwurf für den Vorhof des Kanzleramtes. Ein postpostmoderner Albert Speer hätte es nicht schlimmer gestalten können. Nicht nur das es dem Mahnmal für die ermordeten Juden Europas fatal ähnelt, ebenso fehlt es auch. Denn wir stehen nicht am irreversiblen Ende einer historischen Entwicklung und bedürfen eines Grabfeldes für unwiderruflich tote Menschen. Wir stehen mitten in einem historischen Vorgang und können Menschen retten. Kurz möchte man erinnern, daran, wie schwer das Mahnmal zustande kam. Aber das Zentrum für politische Schönheit scheut die Mühen der Ebenen in einem demokratischen Vorgang. Es geht davon aus, wir haben Recht, wir sind die Richtigen und deshalb müsste der Vorhof der Macht längst so gestaltet sein, wie wir es uns vorstellen. Alles andere ist Unrecht. Es ist eine Form der Selbstermächtigung, die alle demokratischen Regeln umgehen möchte. Mit dem selben Recht könnte der radikale Flügel der Pegida im Vorhof der Macht eine Denkmal für Rudolf Hess fordern.

Natürlich ist eine solche Argumentation eine Provokation. Aber da sitzt eine Künstlergruppe und meint mit Rechthaben und Baggern und Särgen und echten Leichen alle demokratischen Regeln umgehen zu können. Doch am Ende sagt sie, es war gar nicht so gemeint. Es war alles nur ein Setting. So dumm sind wir ja auch nicht, dass wir meinen aus dem Stand heraus den Vorhof der Macht umgestalten zu können. Und in dieser Unmöglichkeit suchen sie Belege dafür, dass die „Mächtigen“, die „Entscheider“, eben immer falsch entscheiden, denn eigentlich müsste dieses Gräberfeld längst am Kanzleramt angelegt sein. Das Eigentliche führen sie ins Feld, gegen alle Mühsal demokratischer Umsetzung. Sie suchen die Abkürzung, wohl wissend, dass es die rechtlich nicht gibt. Sie bauen sich ein System auf, indem sie immer Recht haben, egal wie es kommt. Das sind selbstermächtigte Allmachtsvorstellung, zumindest im Ansatz.

Einen Gegenentwurf kennen sie nicht. Sie überlassen den Betrachter der Eile. Eilig sollen sie an einem Sonntagmorgen ihre Pfade weiter austreten.

Was aber wenn jemand sagte, ich möchte keine offenen Gräber. Ich möchte lieber ein Flüchtlingsboot in die Mitte Berlins, ins Zentrum der Macht holen, und dort ein internationales Büro für Kriegsflüchtlingsausweiße einrichten. Für solche Querschläger der Phantasie lassen sie keinen Raum.
Die Toten kommen 2, Berlin: warum der Kunstanspruch?
Zitat Martin Baucks: "Denn es gibt eine unabhängige Sicht auf Kunstäußerungen, die nicht vom Kunstwerk, falls es eines ist gelenkt wird."

Ja, falls es eines ist. Warum müssen sich politische Aktionen und Demonstrationen, die als solche höchst eindrucksvoll sein können, ein ästhetisches Mäntelchen umhängen und worin besteht die ästhetische Dimension genau, worin deren politischer Mehrwert? Auch das Kongo-Tribunal, das ich aus tiefer Provinz nur durch Kritiken und die Debatte hier mitbekomme, ist eine mutige, bewundernswerte politische Tat - so etwas benötigt m. E. keinen, im Grunde lediglich behaupteten, Kunstanspruch.
Die Toten kommen 2, Berlin: Sinnlicher/symbolischer Körper
@ martin baucks: Kriegsflüchtlingsausweiße? Ausweise? Und welchen Krieg meinen Sie da? Jetzt und heute? Ja, es gibt eben mittlerweile auch andere Themen bzw. Kriege als den ewigen deutschen Kriegsflüchtling/Vertriebenen. Zeitfragen. Oder meinen Sie allgemein alle Flüchtenden aus heutigen Kriegsgebieten? Dann würde ich Ihnen zustimmen.

@ Gottfried Fischborn: Könnte diese Aktion des ZfpS nicht unter dem Label "erweiterer Kunstbegriff" bzw. "soziale Plastik" nach Beuys stehen? Ich kopiere hier mal kurz Wikipedia rein:

"Beuys erweiterte nun den gewohnten physikalischen Aspekt der Kunst um die geistige, nicht greifbare, aber ebenso formbare plastische Komponente. Schließlich führte er ein Wechselspiel der Begrifflichkeiten ein, indem er Polaritäten definierte und Kunst und Anti-Kunst gegenüberstellte, was letztlich zu der einfachen Relation 'Alles und nichts ist Kunst' führte. Als sozial definierte er dabei die Erkenntnis, dass der Mensch ein schöpferisches, die Welt bestimmendes Wesen sei und gemeinschaftlich an diesem sinnlichen Erlebnis teilhaben solle. Er formulierte diese Erkenntnis in dem oft zusammenhangslos und beliebig zitierten Ausspruch: 'Jeder Mensch ist ein Künstler'."

Wenn "Die Toten kommen" nicht unter dem Label "Kunst" laufen würde, dann würde es auch nicht zu Irritationen führen, welche beabsichtigt waren/sind(?). Diese Aktion hinterfragt möglicherweise die Zuordnung von sinnlichem und symbolischen Körper. Sinnliche Körper ersaufen, Verzeihung, und die deutsche Regierung macht dazu höchstens Symbolpolitik.
Die Toten kommen 2, Berlin: Label Kunst
Inga:
Man könnte Ihrer Antwort komplett zustimmen, wenn man einer Ausweitung des Kunstbegriffes ins Unendliche, wo er sich ins Ungefähre verliert, zustimmen könnte. Man kann aber auch, mit Verlaub, Beuys für einen genialischen Scharlatan halten. Und politische Aktionen benötigen nicht das Label "Kunst", um wirksam oder irritierend zu sein; sie benötigen es nicht einmal, um symbolisch zu sein.
Die Toten kommen 2, Berlin: bitte erklären
Bevor sie uns wieder schwindelig reden Frau Inga, erklären sie uns doch einmal, wie ein echter Leichnam Teil oder Gegenstand eines Kunstwerkes sein kann?
Die Toten kommen 2, Berlin: Festung EU befragen
@ Gottfried Fischborn: Ich meinte auch nicht, dass die Aktion des ZfpS symbolisch sei, sondern dass sie nur die Symbolpolitik der Regierung spiegele, die in solchen Zahlenmeldungen bzw. in der Trauer darüber immer nur sich selbst meint.

@ martin baucks: Warum schwindelig reden? Waren in den Särgen denn jetzt "echte Leichname"? Das ist doch die politische Leerstelle, diese leeren Särge. Es geht dagegen um die zahlreichen noch lebenden Menschen, welche durch eine andere Asylpolitik gerettet werden könnten! Darf man daraus eine Art Massenbegräbnis vor dem deutschen Reichstag machen? Die Aktion hat für mich in dem Moment Sinn gemacht bzw. funktioniert, wo die ersten Gräber auch in anderen europäischen Ländern aufgetaucht sind. Und ich frage mich auch immer noch weiter, ob das beabsichtigt war, im Sinne des erweiterten Kunstbegriffs. Die Festung EU muss befragt werden, darum geht's! Deutschland nimmt im Vergleich mit anderen EU-Ländern eher wenige Geflüchtete auf. Da brauchen "wir" dann auch keine narzisstische Trauer-Symbolpolitik.
Die Toten kommen 2, Berlin: keine Kunst
Liebe Frau Inga, die Monstranz hat ja auch so eine Leerstelle, in die man alles hineinlegen könnte, aber sie ist kein Kunstwerk . Es gibt kein einziges Kunstwerk in das ein echter Leichnam integriert wurde und das ist auch gut so. Solche Objekte dienen kultischen und religiösen Handlungen, die sich immer ganz solitär aus sich selbst heraus begründen und meinen über jede Kritik erhaben zu sein.

In dem Sinne wurden wir Betrachter einer etwas missratenen Beerdigung und einer plumpen Demonstration. Kunst gab es keine.
Die Toten kommen 2: Verstehensfragen
@ Was ist eine Monstranz? Ich kenne mich in diesem Bereich nicht so gut aus und verstehe nicht ganz, was Sie damit im Kontext des ZfpS meinen. Die Toten als Stilisierung der Mutter Maria mit dem Jesuskind? Ja, das ist ein christliches Heiligenbild. Nur, dass der deutsche Staat (Vater Staatspräsident?) bzw. die deutsche Nation (Mutter der Nation?) eben nichts mit Gott oder besser mit einer Form von (nicht-religiösem, humanistischem) Glauben zu tun haben. Müssen wir also wirklich weiter an diese Gebilde glauben, welche die zwischenmenschliche Liebe und Solidarität durch Repräsentation und abgenudelte Gedenktagsveranstaltungen ersetzen?
Die Toten kommen 2, Berlin: eine Art Transsubstantiation
Meine Liebe Inga sie sind anscheinend immer wieder für eine Überraschung gut. Eine Monstranz ist ein kostbares Schaugefäß, in dem eine Hostie aufbewahrt wird. Nun, wenn man es so sehen will betreibt das Zentrum für politische Schönheit eine Art Konsekration, ein Vorgang, in dem eine Sache oder eine Person sozusagen in einen sakralen Bereich übertragen wird. Der wiederauferstandene Leichnam einer Flüchtigen bekommt somit etwas Heiliges, Unangreifbares.
Es ist eine Art Transsubstantiation mit der die Gruppe während der Demonstration spielte. Man wusste zunächst nicht, bis die Polizei die Särge öffnete, ob weitere Leichname tatsächlich enthalten waren. Es war der Versuch die toten Flüchtlinge, ähnlich wie in der Eucharistie, die Anwesenheit der Toten real werden zu lassen. Das Ganze trägt stark rituelle Züge. Es wäre zumindest eine Lesart.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, das einige Demonstranten sich neben die offenen Gräber legten, stellvertretend sozusagen, leibhaftig. Ein recht hilfloser Versuch der Versinnlichung, denn ein Lebender kann nicht stellvertretend für einen Toten stehen. Das wäre anmaßend und auf seine Art respektlos. Wie auch die ganze Richtung etwas gruseliges hatte. Es geht ja nicht darum in die Gräber zugeraten, eine persönliche Nahtoderfahrung zu machen, sondern die Gräber zu verhindern. Die Aktion ist also eher im Bereich einer kultischen Handlung, einer politischen Demonstration zu sehen und kaum ein Kunstwerk. Herr Ruch betonte ja auch, dass es ihm scheißegal sei, ob dies Kunst sei. Es ging um einen Generalissimus dem gefälligst alle folgen sollten.
Die Toten kommen 2: Arten abschaffen
@ martin baucks: Ich verstehe Ihre Sprache leider nicht. Oder nur schwer. Sie packen diese Aktion jetzt also in den theologischen bzw. religionswissenschaftlichen Diskurs? Okay. Kann hier jetzt also jeder sagen, was er dazu denkt und wie er das Ganze wahrnimmt? Dann wäre Philipp Ruch aber doch gerade nicht der Bestimmer, sondern derjenige, welcher eben doch die Beteiligten machen und interpretieren lässt? Also quasi Lehrstücktheorie nach Brecht? Oder Tragödientheater im öffentlichen Raum? Wird da die Tragödie des deutschen Polit-Theaters bzw. der Ästhetisierung der Politik nachgespielt? Ist das zugleich die Politisierung der Kunst?

Ich habe mich übrigens zunächst gefragt, warum die erste Tote eine Mutter mit Kind war. Und das ging dann nicht in Ihre Richtung der Ikonisierung bzw. Auferstehung von den Toten, sondern ich fragte mich vielmehr, was das mit der von Spencer verdrehten Evolutionstheorie in Bezug auf Menschen ("Sozialdarwinismus") zu tun hat. Warum nicht ein Mann mit einem Kind? Würden "wir" über einen Mann nicht genauso trauern, weil Frauen und Kinder eben die "schwächsten Glieder der Gesellschaft" sind? Sind sie das denn? In welcher Gesellschaft? Der deutschen oder der afrikanischen? Ich kenne mich da nicht so gut aus.

Geht es in diesem Kontext dann auch um die Frage der "Arterhaltung", vorzugsweise der eigenen? Sollten wir nicht lieber die Arten abschaffen, frei nach Dath, was immer nur wieder eine Hierarchisierung von Menschen nach sich zieht?

Der deutsche Innenminister soll ja in diesen Tagen gesagt haben, dass, wer kommt und sich nicht über Arbeit und (deutsche?) Sprache integriert, sofort wieder raus soll. In Bezug auf wen sagt er das? Auf das männliche oder weibliche Geschlecht? Welche Vorurteile stecken dahinter? Männer werden schneller kriminell? Deswegen Handyüberwachung und Ausweitung der Abschiebehaft? Welche (Sexual-)Ängste gar? Ängste der Mischung eines national homogenen Volkes?
Die Toten kommen 2: Feindbild konstruiert
Nun, was soll ich sagen, sie hinterlassen den Eindruck, dass sie sich Fragestellungen von außen lieber nicht stellen. Meine Frage war, wo sie den Einsatz von echten Leichnamen in der Kunstgeschichte und der Kunst sehen? Ich sehe das gar nicht. Wohl aber kennt man die Verwendung von toten Körperteilen in der Religion in Form von Reliquien. Dann käme es eben auch zu einer solchen Zuordnung dieser Aktion. Jedoch läuft man dabei Gefahr eine an sich grobe Aktion überzubewerten. Letztendlich ist Herr Ruch ja nur Stichwortgebern für fast vorgefertigte Reaktionen und Kommentare, und das macht die Geschichte so unangenehm. Er platziert „leere Stühle“ und konstruiert so ein schon vorhandenes Feindbild. Die Gruppe der Flüchtigen wird positiv besetzt und Irritationen werden ausgelassen. Da taucht nicht das Bild eines Attentäters auf, wie wir ihn gerade am Strand von Tunesien erlebten. Es fehlt jede selbstkritische Ebene in der Aktion. Belassen wie es dabei. Herr Ruch schmiert sich dazu, wie ein Büßer etwas Asche ins Gesicht und schon wissen wir nicht mehr, ob wir uns kurz vor der Fastenzeit befinden oder in einem billigen Actionfilm. Es werden lauter Zeichen gesetzt, deren Deutung letztendlich vor ihrer Beliebigkeit nur scheitern kann.
Die Toten kommen 2: Hass auf Deutschland
@ martin baucks: Da habe ich Sie oder Sie haben mich wohl missverstanden. Denn ich sehe in dieser Aktion den Bezug zur Kunstgeschichte gar nicht. Wie schon gesagt, das will ja auch keine Kunst sein oder eher erweiterte Kunst. Ob das andererseits aber Schlingensiefs bewusste Verwischung der Grenze zwischen Kunst und Nicht-Kunst trifft, kann man sich auch fragen, ohne gleich den saufenden statt ersaufenden Anarchisten in die Hände zu spielen, sorry, das ist jetzt nicht lustig, es sei denn, die genießen das Leben.

Der Unterschied zwischen Schlingensief und Ruch liegt wohl darin, dass Schlingensief nicht dem Widerspruch von Ruch unterlag, Aufklärung betreiben zu wollen, das dann aber mit offenbar sehr ernst gemeinten BILD-Parolen. Schlingensief benutzte diese Parolen eher, um sie über den Einbau in seine Kunst AUCH kritisch zu befragen, zum Beispiel "Tötet Helmut Kohl". Dass das Ernst genommen wurde, würde ich nicht sagen, es ist eher groteske Überzeichnung des "autoritären Charakters" der BILD-Schreiber und -Leser, zum Beispiel, ein Spiel, obwohl die Medien da genauso reflexartig wie bei Ruch reagierten.

Bei Ruch kommt diese Irritation und Selbstbefragung möglicherweise gar nicht zustande. Ich habe gerade die schöne Rede von Navid Kermani "Vergesst Deutschland!" gelesen. Ihm geht es sowohl um den NSU (plus Verfassungsschutz und Polizei) als auch um islamistische Selbstmordattentäter, ebenso um die deutsche Literatur, welche sich kritisch gegen das eigene Land wendet und es zugleich als Heimat liebt, nicht aber als homogenes Staatsgebilde bzw. als Nation, sondern im Bewusstsein, ein Weltbürger zu sein.

Bei Ruch steht quasi erstmal der Hass auf Deutschland und damit alles Deutsche, inklusive des Selbsthasses(?). Über das Ressentiment kommt man aber nicht weiter, weil man damit eigentlich nur lukrativ bzw. teuer finanziert predigt, ohne etwas zu verändern. Was geschieht über die mediale Aufmerksamkeitsspanne seiner Aktionen hinaus? Oder ist das nicht vielmehr Aufgabe der Politik und der Weltbürger? Kunst hat noch nie eine direkte Wirkung gehabt, und vielleicht ist sie deswegen auch besser im Theaterraum bzw. in der Literatur oder im Film aufgehoben?

Ich würde Sie gern noch nach dem Begriff "Nahtoderfahrung" fragen. Wie kommen Sie darauf? Sich neben Gräber zu legen ist doch keine Nahtoderfahrung. Das ist jetzt nicht lustig.
Die Toten kommen 2: Reliquie, Relikt, Relegation
Inga, Sie standen hier nie in dem Verdfacht, lustig zu sein oder Lustiges zu sagen - Sie müssen deshalb wohl, sorry, niemanden darauf hineisen, dass Sie etwas gerade nicht so lustig meinen - Und vereehrter Martin Baucks: vereinzelte, von Körpern getrennte, Teile von Körpern SIND in aller Regel tot nach relativ kurzer Zeit der Abtrennung von denselben. Als Reliqiuen werden sie in Religionen auch nur deshalb verehrt mitunter, weil sie als Symbol der erleichterten Erinnerung an den - zumeist - einzigartigen Körper herhalten müssen, zu dem dem das eher weniger als mehr gut erhaltene Relikt gehörte, als dieser durch dessen Relegation zur Heiligung bestimmte ganze Körper noch lebte und einen an seiner Körpererfahrung geschulten Geist beherbergte, dem eine Priesterkaste Laien empfiehlt, nachzueifern...
Die Toten kommen 2, Berlin: Kunst verwendet keine toten Körper
@43

Da haben sie vollkommen Recht. Ich wollte auch lediglich darauf hinweisen, in welchem Bereich tote Körper verwendet werden, um Inhalte aufzuladen, aufzuwerten. In der Kunst geschieht dies gemeinhin nicht. Damien Hirst verwendete für seinen Diamond Skull keinen echten Schädel, sondern einen aus Platin. In der Totengräber Szene von Hamlet werden keine echten Knochen verwendet. Künstler wie Flatz oder Tim Ullrichs benutzten ihre eigenen lebenden Körper. Ruch überschreitet hier eindeutig eine Grenze und verlässt damit den Bereich der Kunst. Ob er sich selber als „Priester“ sieht, man weiß es nicht. Aber der Umgang mit Leichen erfordert eher ein Priesteramt als Künstlertum. Hier werden nicht nur die Grenzen zwischen Kunst und Realität verwischt, hier wird eine Grenze empfindlich überschritten. Offensichtlich stört dies kaum jemanden. Eventuell ist die Aktion auch einfach nicht wichtig genug, um diese Grenzüberschreitung zu debattieren. Mir viel sie sofort auf und hat mich einigermaßen entsetzt. Nun zu behaupten, Ruch setze seine Aktionen bewusst ins Ungenaue, in die Unschärfe, um nicht greifbar zu sein, und darin liege das Besondere seiner Arbeit, erscheint mir wie die Erweiterung des künstlerischen Unvermögens um eine weitere Scharlatanerie.
Die Toten kommen 2, Berlin: gezähmte Masse
@ Wortklaubereien: Bandwurmsätze sind schlecht zu lesen und zu verstehen und sollten deswegen höchstens in wissenschaftlichen Arbeiten vorkommen.

Wie, ach so? Sie beziehen sich hier also auf Thomas Hobbes Leviathan, der Staatsform des aufgeklärten Absolutismus, welcher möglicherweise auch heute, nur mit dem Wort Demokratie als Fassade, gilt? Weil's eh viele kennen werden, hier wieder nur Wikipedia kopiert: "Sein (des Leviathans Körper, I.) besteht aus den Menschen, die in den Gesellschaftsvertrag eingewilligt haben (wenn sie das denn auch wirklich wollen!, sic!, I.). In seinen Händen hält er Schwert und Krummstab, die Zeichen für weltliche und geistliche Macht."

Ja, also wenn ICH noch nicht mal meinen eigenen Körper kontrollieren kann, dann kann das der Souverän auch nicht mit seinen Gliedern, den Menschen. Und die kultivieren dann eben auch nicht den hochherrschaftlichen Landschaftsgarten bzw. die Wiese davor, sondern sie bauen Maulwurfshügel, weil die die verfassungsmäßige Ordnung erstmal kreativ unterhöhlen, um darauf dann Neues aufzubauen(?). Ich hab da so ein youtube-Video von dieser Aktion gesehen, wo die Masse zunächst wild ist, fast ein wenig erschreckend, und sich dann gegenseitig zähmt. Über eine Blume zum Beispiel. Oder einen händchenhaltenden Kreis, Leere im Zentrum, alles Rand. Sich nackt vertrauen, aber bitte nicht wörtlich nehmen oder höchstens am FKK-OST-Strand, das Ganze, ansonsten ist's für Menschen ohne Herz und mit reiner Konsumentenhaltung, sorry. Kannibalen wär nochmal was anderes, aber das ist ja auch nur ein Mythos.

Ob Ruch sich nun selbst hasst, tut mir auch Leid, diese Unterstellung, keine Ahnung. Kann schonmal vorkommen, wenn ich nicht anerkenne, dass ich/jeder von uns auch unkontrollierbare und verführbare Anteile in sich trägt. Sollte uns DAS demonstriert werden? Und die Polizisten ziehen dazu selbst die schwedischen Gardinen vor?

Hier das Video:
https://www.youtube.com/watch?v=36X9aakSbwQ
Die Toten kommen 2, Berlin: im Mäntelchen der Kunst
Nun haben sie uns also dieses Video vorgelegt Frau Inga. Und ich finde man kann dort sehr deutlich sehen, wie das Bauschild wie eine Monstranz vor einem Leichnamszug hergetragen wird. Man kennt diese Bilder von der katholischen Kirche. Meines Erachtens wurde in der Debatte nunmehr klar, dass es sich hier nicht um Kunst handelt. Wenn dem so ist und ich hoffe sie stimmen mir zu, dann bliebe nur die Form einer politischen Demonstration. Und hier kommen wir zu einem entscheidenden Punkt. Eine politische Demonstration benötigt klar umrissene Ziele. Und das ist es was ich Herrn Ruch vorhalte. Er entzieht sich klarer Formulierungen politischer Ziele, in dem er sich und seine Aktion in künstlerische Ambitionen verpackt, Ambitionen, die sich als nichtig erweisen. Er benutzt das Mäntelchen der Kunst, um sich vor klaren politischen Zielsetzungen drücken zu können. Das nenne ich verwerflich.
Die Toten kommen 2: sehr naiv
@ martin baucks: Ich sehe darin nichts Katholisches, das ist opulenter. Und warum sollte es in diesem Kontext denn auch um die katholische Kirche gehen? Das ist hier doch gar nicht Thema. Sondern die Geflüchteten. Oder? Und es sieht auch nicht aus wie in Rom:

http://abendland-film.at/

Es ist weder Kunst noch ist es eine politische Demonstration. Ich finde, dass es eher etwas naiv ist, sowas als Kunst zu planen und dann wie "ungezogene Kinder" auf die "bösen Staatsmachtsvertreter der Polizei" regelrecht zu warten, womit die Aktionen ihre politische Relevanz bekommen sollen. Ist es denn etwas Neues oder Unvorhersehbares, dass an der bulgarischen Grenze der vorherigen Aktion oder auf der Reichstagswiese dieser Aktion die Polizei dem Ganzen ein Ende bereitet oder zumindest so tut als ob (auf der Reichstagswiese sieht es für mich fast wie ein Katz-und-Maus-Spiel aus)? Mir fehlt da auch etwas, jenseits der puren Aufmerksamkeitsgenerierung im Hinblich auf das Thema Asylpolitik.
Die Toten kommen 2: Glockenspiel?
@ martin baucks: Dieses Bauschild im Filmchen-Bild sieht von hinten eher aus wie das Emblem der Deutschen Bank, und wer hat eigentlich die Töne da reinmontiert? Das klingt für meine Ohren wie das Glockenspiel der Bremer Böttcherstraße (Böttcher = Handwerker), ich komm daher, deswegen kenn ich das.
Die Toten kommen 2: platt
Tja liebe Inga, oder eben kirchenglockenspiel. Wie auch immer, einfach platt und ziemlich verfehlt .
Die Toten kommen 2: politischer Kindergarten?
@ martin baucks: Ich kann mir nicht helfen, aber in folgendem "Langfilm" sieht mir das alles eher nach einer Art Teufelssekte von (Internet-)Trollen aus, welche aus dem Netz raus und auf die Straße gegangen sind, um die Angst vor "dem Bösen" in jedem von uns (mir und dir) auszutreiben, quasi wie in einem Exorzismus. Am Ende dieses Dings steht quasi automatisch der Wunsch nach Frieden, Ruhe und Stille. Das macht Meese nicht unähnlich, bloß im Theaterraum. Die Diktatur der Kunst. Ist besser als jede andere.

Wahrscheinlich ist die "Ausladung" mancher Gruppen auch nur (für die Medien) inszeniert? Und am Ende dieses beinahe kindliche "warum wird der verhaftet und ich nicht?" mancher Demonstrantinnen usw., das naive Fragen mancher Menschen der Piratenpartei, warum sie da jetzt festgehalten würden? usw. Hä?! Politischer Kindergarten?! Und dann noch der Ort, wohin sich die Demonstranten am Ende auflösen sollen: Scheidemannstraße. War das nicht der Philipp von der SPD gegen Liebknecht und Luxemburg? Und schon damals scheiterte der Widerstand gegen Hitler an der Lagerbildung. Punkt Punkt Punkt.
Die Toten kommen 2, Berlin: wer fehlt
Zusatz: Und die wirklich Bösen sind wohl oftmals die ungezählten "Nummern" der Polizei. Das Erschreckende daran ist: Wer kontrolliert die eigentlich, wenn sie sich nicht selbst kontrollieren können? Ausser der Piratenpartei standen keine Politiker auf der Straße. Wenn Polizisten als Menschen austicken, wenn es Polizisten entgleitet, dann bekomm ich richtig Angst. Denn wir wissen ja alle, welche Art Menschen in den Reihen der Polizei leider oftmals arbeiten, siehe z.B. der "Fall" Oury Jalloh. Der Mut der friedlich Demonstrierenden beeindruckt mich. Hier der "Langfilm"-Link:

https://www.youtube.com/watch?v=VnI6x69PksY

Eine Art Woodstock wäre mir aber noch lieber als sich anschreiende Menschen. Auch fehlen mir hier die, um die es ursprünglich mal gehen sollte: Die Geflüchteten. Das ist ein bisschen das Absurde an der Situation, finde ich. Tahrir-Platz usw. funktionierte anders.
Die Toten kommen 2, Berlin: Nachtrag
Nein, es ging so "Warum werde ich verhaftet und der nicht?" Und diese Frau musste mal auf die Toilette. Ach so.
Die Toten kommen 2, Berlin: Entmythologisierung des Glockenspiels
Das Glockenspiel, das im Hintergrund zu hören ist, kommt vom Carillon im Tiergarten ...

https://de.wikipedia.org/wiki/Carillon_%28Berlin%29

https://www.youtube.com/watch?v=_SXkC8wek1Q
Die Toten kommen 2: Dank
Danke, Kolja.
Die Toten kommen 2, Berlin: Lesarten, Beobachtungen
Und es spukt weiter. Kann mir jemand helfen bei der "Lesart" dieser Aktion, ich habe nämlich noch viele Versionen im Angebot. Und dass ich damit manchen hier "nerve", ist auch theaterwissenschaftlicher Standard. "Sinne, Nerven, Fleisch", so hieß eines meiner Seminare.

Nun gut, heute kommt mir Heiner Müllers "Hamletmaschine" in den Sinn. Der "Intellektuelle zwischen den Fronten" der Schlacht. Auf der grünen Wiese lief ja auch ein Vereinzelter herum, welcher aus einem Reclamheft zitierte, Text eher unverständlich.

Und dieses Szenario am Ende, war das nicht irgendwie eine Lesart von Jeanne d'Arc? Die Kahlgeschorene, ich kenne ihren Namen, dieses Gesicht voller Trauer? Und Ponader macht dasselbe, nur als Mann? Scherz?

Ich dachte auch, Phil Collins lief da irgendwo rum, aber das war wohl eine Fata Morgana.

Philipp Löhle meine ich, auch gesehen zu haben. War Dirk Laucke auch dabei? Vermeintliche "Namen" unter den "Namenlosen".

Am Tollsten und meinem Gefühl nach am Schönsten war die singende Frau am Boden an der Gitarre nebst Trompeter. UND unbedingt der kleine junge Mann, Entschuldigung, welcher wie ein friedliebender "Dummer" (liebevoll-ironisch gemeint) einfach nur da saß, sich "taubstumm" stellte(?) und dann einfach den Platz verließ, nachdem er kurz angeschubst wurde.

Gab es da nicht auch einen Poliisten, welcher Angst hatte? Der kleine Dickbäuchige, zum Beispiel? Deeskalation ist sicher auch nicht einfach. Dass man sich nicht anstecken lässt, auf beiden Seiten der Fronten, zwischen den Fronten, darüber.

Auch frage ich mich plötzlich, was das friedliebende Heben der Hände mit militantem Geschrei zu tun hat? Warum dieser Slogan "Blut an euren Händen"? Göttliche Gewalt nach Walter Benjamin?

Und diese eingezäunte Wiese? Hat es da nicht Mitte Juni ein Fest, das Umweltfestival der Grünen, gegeben, welches wegen unzureichender Sicherheitsvorkehrungen abgesagt werden sollte? Wirkte zumindest ähnlich.

Man kann in Aktionen ja vieles reinlesen, aber was war jetzt wirklich wahr? Alles oder nichts.
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