Presseschau vom 30. Juni 2015 – In der Süddeutschen Zeitung wettert Peter Laudenbach gegen Dokumentartheater

Brachialnaturalismus

Brachialnaturalismus

30. Juni 2015. Die Grenzen zwischen Kunst und Realität, zwischen Theater und Wirklichkeit würden derzeit verwischt, schreibt Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung (30.6.2015). Nicht nur durch Milo Raus Kongo Tribunal, auch durch die Aktion Die Toten kommen vom Zentrum für politsche Schönheit oder von Nicolas Stemann in Die Schutzbefohlenen.

"Im Kontrast dazu bewies Michael Thalheimer in seiner formbewussten, konzentrierten Wiener Inszenierung dieses Textes, dass die Kraft des Theaters zu Verdichtung und Überhöhung dem Stoff wie dem Stück auch ohne leibhaftige Asylsuchende genauso gerecht werden kann", so Laudenbach. Bei Projekten wie z.B. Right of Passage von Machina Ex hingegen werde klar, "dass sie zur Wirklichkeit eher ein parasitäres als ein an Aufklärung interessiertes Verhältnis haben". "Eine Flüchtlingsunterkunft als Kulisse für ein Mitmachspiel zu benutzen, zeugt auch von bemerkenswertem Zynismus."

Das Spiel, das die Wirklichkeit umformt

Ein anderes Beispiel für "den parasitären Umgang mit echter Not" biete laut Laudenbach die Gruppe Markus & Markus mit ihrer Performance Gespenster. Dort wird ein Video gezeigt, in dem die Performer eine 80-Jährige bei ihrem Freitod in der Schweiz begleiten. "Unter dem Label radikaler Authentizität wird ein Voyeurismus bedient, der kaum von Snuff-Videos entfernt ist und sich für die Würde des gefilmten Subjekts offenbar nicht weiter interessiert". "Der Brachialnaturalismus dieser und ähnlicher Performance-Projekte zerstört in der naiven Fixierung aufs vermeintlich Authentische den Kern des Reflexionsmediums Theater: das Spiel, das die Wirklichkeit umformt, verdichtet, überhöht und reflektierend als Material nutzt."

(mw)

Kommentare  
Presseschau Dokumentartheater: entscheidener Satz
der entscheidende Satz fehlt, nämlich dass es ein neues Bilderverbot im deutschen Theater gebe.
Presseschau SZ über Dokumentartheater: Schnuff
(...)"Unter dem Label radikaler Authentizität wird ein Voyeurismus bedient,
der kaum von Snuff-Videos entfernt ist und sich für die Würde des gefilmten
Subjekt offenbar nicht weiter interessiert". (...)
Zur Würde des Subjekts:
Der Begriff W ü r d e (lateinisch d i g n i t a s) bezeichnet die Eigenschaft, eine einzigartige Seinsbestimmung zu besitzen.
Jedoch scheint, nach meinem Dafürhalten, der moderne Mensch diese einzigartige Seinsbestimmung, schlechterdings nur sehr selten zu besitzen. - oder bin ich da im Irrtum? -
Als Snuff-Film, kurz Snuff (englisch umgangssprachlich to snuff someone out = jemanden auslöschen), wird die filmische Aufzeichnung eines Mordes bezeichnet, der zur Unterhaltung des Zuschauers begangen wurde.
Es gibt keinen Nachweis, dass ein solcher Film je real veröffentlicht wurde.
Der reale Snuff-Film gehört daher zu den MODERNEN SAGEN.

Da bleibt einem nur ein Seufzen, mit realen Lauten wie:
Schnuff!-Schnuff!
Presseschau SZ über Dokumentartheater: Bestimmung besitzen?
Kann man eine - welche auch immer - Bestimmung besitzen? Erst das klären, dann sich der nächsten Frage, der nach menschlicher Einzigartigkeit - in welcher Beziehung immer - widmen.?
Presseschau SZ über Dokumentartheater: Dieter Bohlen
Man könnte Herrn Laudenbach fast als den Dieter Bohlen des tip bezeichnen, wenn er nicht nur Sachen von Peymann, Stein etc. wiederholen würde...
Presseschau SZ über Dokumentartheater: selbst eingeladen und belobigt
Komisch nur, dass Laudenbach dieses Dokumentartheater als Juror selbst zum Theatertreffen eingeladen hat (Stemanns "Schutzbefohlene). Und selbige Inszenierung im Magazin des Festivals auch lobpreist ohne Ende. Hat Laudenbach einen Doppelgänger? Muss wohl, sonst könnte man ihm (...) die Wendigkeit eines Chamäleons... (attestieren)
Presseschau SZ über Dokumentartheater: Fremdscham
Die Thalheimer Inszenierung der "Schutzbefohlenen" hat durch die von Laudenbach beschriebene künstlerische Überhöhung die Würde der Refugees in einem Maße auf- und ernstgenommen, wie ich es in KEINEM der vielen "authentischen" Projekte gesehen habe, in denen Refugees sich dem Voyeurismus der Zuschauer aussetzen müssen. Meine Güte, wie habe ich mich schon fremdgeschämt in solchen "dokumentarischen" Inszenierungen!
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