Kritiker*innenumfrage der Deutschen Bühne 2015
Die Besten kommen aus Berlin
29. Juli 2015. Die Kritiker*innenumfrage des Fachmagazins Die deutsche Bühne ist erschienen. An der innerhalb des August-Heftes präsentierten Besten-Auswahl haben sich 58 Autor*innen des Blattes beteiligt und mehrheitlich ihre Voten auch mit einer Begründung versehen. Anders als etwa die Umfrage von Theater heute will die Deutsche Bühne dezidiert auch den Opern- und Tanzbereich mit abdecken.
Zum Haus mit der überzeugendsten Gesamtleistung wurde von den Kritiker*innen die Komische Oper Berlin unter Barrie Kosky erkoren (mit vier Nennungen in "Gesamtleistung" und vier Nennungen in der Kategorie "Regie Oper"). Die Kolleg*innen der Deutschen Bühne haben hier allerdings anders entschieden und setzen die Oper Frankfurt (vier Nennungen und eine Nennung "Regie Oper") an die Spitze.* Im Schauspielbereich hat Thomas Ostermeiers Berliner Schaubühne die Nase vor. Sie wurde drei mal für "Gesamtleistung", zwei mal für "Regie Schauspiel" und zwei Mal für "Ausstattung" als beste Bühne eingeschätzt. Jeweils zwei Stimmen vereinten die Staatstheater Nürnberg und Darmstadt auf sich, die natürlich auch in jener Kategorie relevant sind, die Leistungen jenseits der Theater-Metropolen würdigt.
Mit bemerkenswerter Theaterarbeit abseits der Theaterzentren haben zuvorderst das Staatstheater Mainz (drei Nennung und drei Nennungen für "Ausstattung") und das Theater Freiburg (drei Nennungen und eine Nennung für "Ausstattung") auf sich aufmerksam gemacht. Augsburg und Heidelberg wurden hier von jeweils zwei Kritiker*innen genannt. Bei den Off-Theatern liegt das Münchner Metropoltheater mit drei Stimmen (und einer Nennung in "Regie Schauspiel") vorn, knapp gefolgt vom Theater Rampe in Stuttgart. Zwei Erwähnungen findet das in Freiburg ansässige Theater der Immoralisten.
Im Schauspiel-Regie-Bereich tendiert das Umfrageergebnis zu etwas mehr Eindeutigkeit, mutmaßlich nicht zuletzt, weil die Siegerinszenierung beim Berliner Theatertreffen zu sehen war: Nicolas Stemanns Die Schutzbefohlenen hat die meisten Kolleg*innen, fünf an der Zahl, überzeugt. Sebastian Hartmann gewann als Regisseur zwar nur einen Kritiker für sich, setzte sich aber mit zwei Bühnenbild-Stimmen in der Kategorie Ausstattung knapp vor Olaf Altmann, Peter Baur, Jan Pappelbaum und dem Team Lydia Steier / Flurin Borg / Gianluca Falaschi durch. Im Opern-Bereich entscheidet Barrie Kosky mit vier Nennungen das Rennen für sich. Als herausragende Choreographen werden zahlreiche verschiedene Namen genannt, Davide Bombana (Staatstheater Karlsruhe) und Martin Schläpfer (Deutsche Oper am Rhein) jeweils zwei Mal.
Die höchste Stimmenanzahl überhaupt, nämlich zwölf, zog sich als Ärgernis der Saison die Sparpolitik in Rostock und das Hickhack um Ex- und Wieder-Intendant Sewan Latchinian zu – laute Buh-Rufe für Kultusminister Brodkorb und Oberbürgermeister Methling. Geärgert haben sich dir Kritiker*innen außerdem über die Brecht-Erben und deren Verbot von Frank Castorfs Baal-Inszenierung, manchmal aber auch über die diesbezügliche "Fahrlässigkeit" des Residenztheaters. Ein Kollege ärgerte sich wiederum über Castorfs "Verallerheiligung", die ihm im Streit um seine Nachfolge als Volksbühnen-Intendant widerfahren sei. Die Benennung Chris Dercons durch Tim Renner ist denn auch das dritte Ärgernis der Saison, wobei die Kolleg*innen hier wahlweise auf Renners Entscheidung für Dercon oder auch auf dessen Vor-Verurteilung durch das Feuilleton schimpfen.
(Die deutsche Bühne / ape)
* Auf Nachfrage teilte die Deutsche Bühne nachtkritik.de mit, dass es sich hierbei um eine bewusste redaktionelle Entscheidung handelte: "Wir werten grundsätzlich so aus, dass wir erst die Spitzenreiter einer Kategorie bestimmen und alle anderen Stimmen als zusätzliche erwähnen. Und eindeutig vorn war Kosky eben nur unter 'Oper'. Deshalb wird er dort als Spitzenreiter benannt und werden die vier 'Gesamtleistungs'-Stimmen sowie die mögliche weitere Platzierung ausdrücklich erwähnt. Hinzu kam als inhaltlicher Grund, dass in den Begründungen der Autoren auch unter 'Gesamtleistung' teils stark auf Koskys Inszenierungen Bezug genommen wurde. Deshalb haben wir uns entschlossen, den Siegerkranz unter 'Oper' an Kosky und unter 'Gesamtleistung' an Frankfurt zu geben. Andernfalls hätte Kosky mit teils identisch benannten Leistungen zwei Kategorien dominiert."
Mehr Saison-Rückblick? Auf nachtkritik.de haben Dirk Pilz (kolumnistisch) und Christian Rakow (per Scribblekurzfilm-Serie) auf die Highlights 2014/15 geschaut.
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