Auf der Tagesordnung

von Dirk Pilz

Berlin, 25. August 2015. Fast täglich derzeit Meldungen von Brandanschlägen und rassistischen Übergriffen. Wer auf der Flucht ist und um Asyl in diesem Land bittet, ist in ihm nicht mehr sicher. Flüchtlinge als Feinde: Das ist Deutschland 2015.

Der Vizekanzler ist jetzt nach Heidenau gereist, weil in Heidenau zwei Nächte hintereinander auf Flüchtlinge losgegangen wurde. Er sagt über die Flüchtlingshasser: "Das ist Pack, das sich hier herumtreibt."

SalzburgKanzlerin 560 SF AnneZeuner uMit Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf (2. von links), Festivalpräsidentin Helga Rabl-Stadler (3. von links) und Dirigent Franz Welser-Möst (4. von links): Bundeskanzlerin Merkel.
© Salzburger Festspiele / Anne Zeuner

Die Kanzlerin ist dagegen nach Salzburg gefahren, um bei jenen Festspielen in die Oper zu gehen, die sich einen Schauspielchef gönnen, der tapfer dafür kämpft, dass Rechtsradikale nicht durch "Meinungskundgebungen" missliebiger Künstler behelligt werden. Den Opernbesuch habe die Kanzlerin "trotz des Terminstresses", so die stolzen Festspiele, "genossen"; sie "erlebte" eine konzertante Aufführung von Jules Massenets Werther und jene Inszenierung des Rosenkavalier von Harry Kupfer, die sie bereits im letzten Jahr gesehen hatte, ihr aber so gut gefiel, dass sie wiederkam. In den beiden Pausen, teilen die Festspiele mit, kamen die Sänger zu Besuch, "auch Dirigent Franz Welser-Möst ließ es sich nicht nehmen, die Bundeskanzlerin zu begrüßen". Sie werden nett geplaudert haben, während die Kanzlerin durch ihren Sprecher nach Heidenau übermitteln ließ, man habe es bei den dortigen Rechtsextremen mit "alkoholisierten Schreihälsen" zu tun. "Es ist beschämend, wie Bürger, sogar Familien mit Kindern, durch ihr Mitlaufen diesen Spuk unterstützen." Im übrigen, so die Kanzlerin in der vergangenen Woche, sei "das Flüchtlingsproblem" nicht "im Normalmodus" zu lösen.

Rassisten als Gespenster

Lange musste man warten, bis die Kanzlerin und ihr Vize überhaupt etwas sagen in diesem Sommer. Jetzt weiß man, es wäre besser gewesen, sie hätten nichts gesagt. Denn von "Schreihälsen" und "Pack" zu reden, von einem "Spuk" angesichts rassistischer Verbrechen, ist genauso irre wie von einem "Flüchtlingsproblem".

kolumne dirkWer Menschen Pack nennt, tut so, als wären Rassisten keine Menschen, wer von Spuk spricht, behauptet, Rassismus sei eine Gespensterschichte, die spuk-, nämlich geisterhaft auftaucht und so auch wieder verschwindet. Es ist beides falsch.

Rassisten sind Menschen, keine Gespenster; Rassismus ist Realität in weiten Bereichen dieser Gesellschaft, "sogar" bei "Familien mit Kindern", kein Randphänomen. Und Menschen als "Probleme" zu deklarieren und diese wahlweise im Normal- oder Ausnahmemodus lösen zu wollen, heißt annehmen, das Auftauchen dieser Menschen sei nichts als eine Störung, offenbar in einem Produktionsprozess zur Herstellung konsumfreudiger und kapitalismuskompatibler Produkte. "Wir müssen uns darum kümmern, dass das Land beieinander bleibt", sagt der Vizekanzler. Es ist schon lange nicht mehr "beieinander".

Das ist politisch gewollt

Nach diesem Sommer beginnen die Stadttheater ihre neue Saison. Es ist, wie es immer ist: Die Premieren sind geplant, die Programmbücher gedruckt. Aber kann man jetzt einfach zur Tagesordnung übergehen? Wo fängt politische Verantwortung an und hört falscher Alarmismus, hektischer Aktualitätszwang auf?

Die Stadttheater bekommen Steuergeld, das ist politisch gewollt. Politisch ist aber auch, wie dieses Geld von den Bühnen verwendet wird.

Ich schlage zweierlei vor. Erstens, so viele Flüchtlinge wie möglich auf und hinter der Bühne zu beschäftigen, einerseits, um diesen konkret zu helfen, andererseits, um von ihnen zu lernen, in politischer, sozialer und ästhetischer Hinsicht gleichermaßen. Zweitens wenigstens zehn Prozent der öffentlichen Theatergelder eines jeden Theaterhauses zur Einrichtung anständiger Unterkünfte für Menschen auf der Flucht zu verwenden, vielleicht in den Theatern selbst, vielleicht in angemieteten Räumen; dafür entsprechend weniger Premieren ansetzen.

Das löst kein "Flüchtlingsproblem" und schafft nicht den Rassismus aus der Welt. Aber es wäre ein Zeichen in der jeweiligen Stadttheaterstadt. Und es wäre mehr als das: eine klare politische Haltung wider eine Politik, die Menschen zum schieren Problemmaterial macht.

 

dirk pilz5 kleinDirk Pilz ist Redakteur und Mitgründer von nachtkritik.de. In seiner Kolumne Experte des Monats schreibt er über alles, wofür es Experten braucht.


 

Als Experten des Monats Juli machte Dirk Pilz die Saisonrückschau aus.

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Kommentare  
Merkel in Salzburg: danke
Danke für diese mutigen Worte, die so klar gegen den Strom schwimmen.
Merkel in Salzburg: Aufatmen
Schließe mich Klara an. Endlich, nach Tagen ein Text bei dem man Aufatmen konnte.
Merkel in Salzburg: bitte keine billige Anstatt-Politik
Man muss jetzt zu Flüchtlingen – besser doch bis zu uns Geflüchteten – etwas sagen, sonst ist man unschick und nicht aktuell. Es gebietet die Verantwortung, Vorschläge zu unterbreiten, sogar für Theaterkritiker und Kulturjournalisten wie Dirk Pilz: Ich finde auch, dass man so viel bürokratisch bestätigte Asylanten im Theater beschäftigen sollte wie es irgend geht. Vorausgesetzt zu den genau gleichen finanziellen Bedingungen, die ein neuer, zwischen allen Beteiligten arbeitgeber- und arbeitnehmerseitig ausgehandelter Einheitstarifvertrag festlegt, wie sie für die angestammten Bürger, die im Theater- und Orchesterbetrieb tätig sind, gelten.
Ich fände es sehr vernünftig, wenn alle politisch in die Verantwortung gewählten Bürger, also die professionellen, für ihre Tätigkeit bezahlten Politiker, solange 10 % ihrer Einnahmen für die Schaffung von Unterkünften, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für hier anlandende Flüchtlinge abgeben, bis sie eine gesetzliche und gleichzeitig aus dem Staatsetat finanzierbare Regelung für den integrativen Umgang mit ihnen erarbeitet haben. Danach sollten auch die professionellen Politiker sich auf eine freiwillige Abgabe im Sinne von Spenden zurückziehen dürfe.
Ich bin vollkommen dagegen, dass von Theater in dieser Abgabeform Solidarität geleistet werden sollte. Sinnvoll fände ich hingegen, wenn das ZfpS z.B. statt des Aushebens von Gräbern für Tote, die da kommen, den illegalen Aufbau von festen Wohnbauten vor dem Reichstag beginnen würde. Es könnte mit seiner Übung im Aufmerksamkeit generieren bestimmt genügend freiwillige und gleichzeitig fachkompetente Helfer dafür finden…Ich glaube auch, wie Dirk Pilz, dass wir wie von jedem Neuzugang im Theater, selbstverständlich auch von Flüchtlingen ästhetisch lernen können! Halte aber die Möglichkeiten des politischen und sozialen Lernens von ihnen für eher begrenzt. Politisch können wir von ihnen vor allem lernen, dass einem weltoffenen Menschen aus ziemlich umfangreichen Teilen der Welt im Moment keine andere Möglichkeit politischen Agierens als die Flucht bleibt.
Das ist ja eine Erkenntnis, die man auch ohne konkrete ehemalsFlüchtling-Kollegen gewinnen kann.
Und sozial bleibt die eine magere Erkenntnis, dass es Einflüsse gibt auf die soziale Unaushaltbarkeit in den Ländern, aus denen immer mehr Menschen die Flucht ergreifen, die von u.a. hier und somit auch u.a. uns gemacht wurden. Und werden. Das ist auch eine Erkenntnis, die man ebenfalls ohne diese konkrete Neu-Kollegenschaft gewinnen kann.
Am Theater ist jedoch für die Kunstausübung notwendig, dauerhaft ein Vielfaches an Erkenntnis, die dann in hochverdichtete Darstellung einfließen kann, zu generieren… Gerade wegen der Steuerzahlerbeteiligung an der Theater-Finanzierung halte ich für notwendig, dass von ihm diese seine Arbeitsverantwortung nicht für einen billigen, vermeintlich politischen Effekt, also an Theater-Politik, Anstatt-Politik, abgegeben wird.
Das Theater ist das Theater und kein Politik-Ersatzbetrieb. Es darf selbstverständlich auch politische Vorschläge unterbreiten in seinen Arbeitspausen und tut dies besser und bestenfalls unmerklich durch seine Arbeit hindurch. Das ändert aber nichts daran, dass seine Regierungsverantwortung lediglich die eines Betriebes ist, in welchem ihre Vertretung wählende Staatsbürger zusammenarbeiten wie in anderen Betrieben auch.
Merkel in Salzburg: Probleme
Ich habe – wie Sie leicht feststellen können, Dirk Pilz – ein echtes Flüchtlingsproblem, vielleicht können Sie mir raten, wie es gelöst werden kann: ich betreibe einen kleinen Betrieb und hätte die Möglichkeit, einem Flüchtling mit handwerklichen und buchhalterischen Vorkenntnissen für Nasse über ein Jahr aus/weiterzubilden. Desweiteren ihn - wegen der langen Arbeitstage - mit zu versorgen und in den Kleinbetrieb zwischenmenschlich zu integrieren. Und ich könnte eventuell sogar finanzielle Bei-Hilfen aus irgendwelchen eingerichteten Fonds dafür kassieren! Für einen begrenzten Zeitraum. Nach Ablauf des Zeitraumes könnte ich ja einen neuen bekommen. Flüchtling. Und unbezahlte Betriebshilfe, mein ich. Nun gibt es eine Schwierigkeit: ich weiß schon vorher, dass für diese Arbeit, für den ich diesen Menschen in deutscher Sprache und diesen Lebensraum hier, fitgemacht habe, es gar nicht genug Nachfrage und Erwerbsmöglichkeiten gibt! Auch wenn man sie, diese Arbeit, sehr schnell überaus liebgewinnen und im Privatleben viel mit den erlernten Fähigkeiten und Fertigkeiten anfangen kann.
Man kann aber garantiert nicht seinen Lebensunterhalt damit bestreiten.
Ich habe dann also nicht diesem konkreten Menschen geholfen, sondern nur mir selbst durch Hinzuverdienst und unbezahlte Arbeitserleichterung für mich. Und ich habe mich selbst politisch einlullen lassen in eine Sklavenhalter-Haltung, wenn ich, wegen der so praktisch eingerichteten Hilfsfonds, einen Nachfolger aufnehme. Für wieder ein Jahr. Nachdem auch dieser dann in das bodenlose Nichts der Zeit nach der Digitalen Revolution, gleich wo, fällt.
Das müssen Sie sich dann für diese Menschen so vorstellen, wie für die langzeitarbeitslosen oder schwererziehbaren Jugendlichen, die in irgendwelchen, irre toll gedachten, neues Publikum gewinnen wollenden Theaterproduktionen für ein halbes Jahr die Süße der produktionsbegleitenden Vorteile kennenlernen: schnelles Vertrauenswachstum, schnellen körperlichen Distanzabbau zu einem fremden Du, selbständiges Denken und willkommenes Aussprechen des Gedachten in der Konzentration auf eine gemeinsame Sache usw. Das machen – gefördert - gleichzeitig 20 oder 50 junge Menschen und es wird ihnen in dem halben oder ganzen Jahr zu einer Lebensqualität, die sie bis dahin vermissten. Und danach schafft es in unserer gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit wie sie jetzt, im Moment, ist, von all den jungen Menschen einer, ein einziger, Bühnenhilfsarbeiter bei einem Festival zu werden… Der Rest ist so enttäuscht von der persönlichen Unerreichbarkeit, das Kommunikationsmodell Theater dauerhaft zu leben, dass er nicht nur kein Theater mehr spielt, sondern nie wieder eines betritt…Und DAS ist etwas, was Theaterleute selbst nicht sehen. Weil sie nicht wahrhaben wollen, dass das Theater hierzulande, wie es im Moment ist, bereits ein einziger Asylort ist. Und dass sie selbst Asylanten in ihrem eigenen Land sind. – Glück gehabt. Von diesem konkreten Glück möchte zumindest ich von den Bühnen herunter bitte mehr sehen. Dann kann ich dem Theater auch wieder glauben. Gleich welchem. Gleich, ob das Zeigen/Darstellen von der Bühne herunter oder aus dem Container heraus oder auch beim Gräberbuddeln vermeintlich stattfindet…
Merkel in Salzburg: fehlender politischer Willen
Dirk Pilz ist ganz offensichtlich kein Experte für Flüchtlingspolitik. Es fehlt nicht an Arbeitsplätzen, nicht an Unterkünften, nicht an Geld, nicht an Ausbildungsplätzen. Es fehlt an politischem Willen und an bürokratischer Fähigkeit. (Über den Verlust an gesellschaftlicher Moral und deren Folgen spekulieren wir lieber nicht, um Endlosthteads zu vermeiden).
Merkel in Salzburg: mehr Auseinandersetzung
Es ist wichtig, sich zu bewegen, sich neu zu orientieren. Wir können nur ahnen, wie sehr Europa sich verändern wird.
Wie kann Unterstützung Aussehen, der eine Aspekt ist ganz sicher das Geld, wobei ich hier die Kommunen, Länder und Bund viel eher in der Verantwortung sehe, als die Theater. Das andere sind Inhalte.
Die Theater müssen sich inhaltlich viel stärker damit auseinandersetzen, und zwar nicht nur mit distanziertem Projekttheater, sondern Beschäftigung mit den Ländern, aus denen die Flüchtlinge herkommen. Einladung von iranischen, sudanesischen, syrischen u.a. Theatermachern, Regisseuren und Dramatikern.
Welches Theater hat ein Stück aus einem dieser Länder auf dem Spielplan, welcher Dramaturg beschäftigt sich intensiv mit der dramatischen Miteratur dieser Länder?
Damit, ihre Stücke mit unseren Mitteln in unseren Theater zu zeigen, und ihre Regisseure u.a. Theatermacher bei uns zu beschäftigen und mit uns arbeiten zu lassen, könnten wir einen ehrlichen Versuch unternehmen, den Menschen, die wir mit offenen Armen begrüßen sollten, weil diese Welt uns allen gehört, auf Augenhöhe begegnen.
Und die Politik muss das unterstützen, in dem sie den Menschen auf der Flucht nicht verbietet, im Theater zu arbeiten. Jeder, der mit Menschen auf der Flucht gearbeitet hat, weiß wie schwerfällig die deutsche Administration damit umgeht.
Merkel in Salzburg: Einige Ursachen der Flucht
Am Beispiel Afrika: "Nahezu alle afrikanischen Staaten sind Mitglied der Welthandelsorganisation WTO und haben darüber hinaus Sonderabkommen mit den „Big Playern“ am internationalen Markt – der EU, den USA und China. Die EU zwingt afrikanische Staaten, keine Schutzzölle auf EU-Importe zu erheben. Wer sich diesem Diktat nicht beugt, verliert seinerseits den Zugang zum europäischen Markt. So statuierte die EU beispielsweise vor nicht einmal einem Jahr ein Exempel an Kenia. Kenia weigerte sich aus gutem Grund seine Schutzzölle auf EU-Importe wegfallen zu lassen. Im Gegenzug führte die EU darauf Schutzzölle auf kenianische Importe (z.B. Tee, Kaffee, Kakao, Schnittblumen) ein. Solche Kraftproben gewinnt am Ende immer derjenige, der den stärkeren wirtschaftlichen Arm hat und gegen den Wirtschaftsgiganten EU kann kein afrikanischer Staat bestehen. Kurze Zeit später knickte Kenia ein und musste mit ansehen, wie preiswerte EU-Importe lokale Produkte vom Markt verdrängen.

Heute dominieren EU-Agrarprodukte die afrikanischen Märkte. Gegen industriell produziertes und subventioniertes Milchpulver aus Deutschland, Hühnerfleisch aus den Niederlanden oder Tomatenmark aus Italien können lokale Produzenten preislich nicht bestehen. Die Folge ist, dass sie vom Markt verschwinden. 1990 stammten beispielsweise noch 80 Prozent des in Ghana verkauften Geflügelfleischs aus heimischer Produktion. Heute sind es nur noch 10 Prozent.

Vor allem in den westafrikanischen Küstenstaaten betreibt die EU zudem eine äußerst aggressive Fischereipolitik. Afrikanische Staaten, wie der Senegal, werden über Handelsabkommen dazu genötigt, Fischereikontingente an EU-Unternehmen abzutreten. In der Folge fischen dann europäische Fabrikschiffe den Ostatlantik leer und die senegalesischen Fischer kommen mit leeren Netzen zurück. Und nun dürfen sie dreimal raten, welche Perspektive diese Fischer haben und wohin es sie zieht. NGOs schätzen, dass rund ein Fünftel der afrikanischen Flüchtlinge „Fischerei-Migranten“ sind. Viele ehemalige Fischer nutzen dabei ihre Boote, um ihre Landsleute gegen Gebühr in die gelobten Länder des Nordens zu transportieren.

Die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström beschrieb die Freihandelsabkommen zwischen der EU und afrikanischen Staaten jüngst als „Partnerschaft unter Gleichberechtigten“ – selbst mit einer gehörigen Portion Zynismus ist diese Erklärung nicht zu ertragen."

(Jens Berger, Nachdenkseiten, 21.8.2015
Merkel in Salzburg: ... in eigener Gestalt!!!
Bhää! Stritter, das ist genau das, was ich nicht mehr hören kann. Das Fremde ist nur das Eigene in anderer Gestalt. Und hin und wieder wird man sich selber fremd und erlebt in sich das Andere, das einen erschreckt und für fremd gehalten wird, weil man sich in sich selbst noch nicht auskennt.

Wer sagt ihnen, dass da nicht ebenso Qualifizierte auf uns zu kommen als Flüchtige und Fremde?!
Merkel in Salzburg: Armutsgrenzen in Afrika und Europa
Ich finde, die Situation ist noch schrecklicher als Steckel sie beschreibt. Flüchtende fliehen in Länder Europas, in denen viele Bürger selber zu Flüchtlingen wurden. Auch Griechenland importiert mittlerweile Tomaten und Olivenöl, muss importieren, weil der Binnenmarkt zerrüttet ist.

Die Fraport ist sowohl in Dakar im Senegal aktiv, wie auch in Griechenland. Vierzehn Flughäfen wird sie demnächst aufkaufen, bzw. für 50zig Jahre pachten. Nur die Filetstücke, die funktionierenden Flughäfen. Und die Fraport ist mehrheitlich ein Staatsunternehmen. Das heißt die Gewinne fließen direkt wieder über Hessen und die Stadt Frankfurt in die verschiedenen Haushalte.

Man erkauft sich über Kredite und andere Finanzierungen eine Politik in Afrika und Europa und die Menschen fliehen aus diesen Regionen. Diese durch und durch heterogene Gruppe von afrikanischen, europäischen und Kriegsflüchtlingen aus Syrien und anderswo im Theater aufzunehmen ist absolut plausibel, denn wir brauchen das Wissen dieser Flüchtenden, um unsere eigene Lage in Europa zu begreifen. Die Europäer selber sind schon längst von dieser hegemonialen Wirtschaft betroffen, die Demokratien auf den Status von Konzernen degradiert, die entweder effizient sind oder aber zum Scheitern verurteilt werden.

Ich belasse es mal bei dieser leicht verkürzten Darstellung, denke aber, wir dürfen uns nicht immer selber aus dieser Not herausrechnen, heraus denken. Wir wissen doch, warum man die Flüchtenden durch ein Land wie Mazedonien oder Griechenland durch winkt und warum so viele nach Deutschland wollen.

Genauso wie in Europa gibt es auch im Senegal Gewinner und Verlierer einer aggressiven europäischen Wirtschaft, und es sind hauptsächlich die Verlierer, die in Afrika und Europa zu Flüchtenden werden. Wenn man in Dakar vom Radisson Blue direkt in die Einkaufspassagen wechselt, erlebt man die Gewinner im Senegal, die bleiben, weil auch sie profitieren. Der Riss verläuft nicht einfach quer durch das Mittelmeer, sondern setzt sich innerhalb Europas weiter fort. Man kann sagen, die Armutsgrenzen haben allmählich bereits den Kontinent gewechselt und ziehen auch in Europa ihre neuen Linien.
Merkel in Salzburg: bitte Quellen nennen
Sehr geehrte/r Martin Baucks,

nun weiß ich nicht, wo ich was vom Fremden in der eigenen Gestalt geschrieben hätte. Sind Sie sicher, sich da wirklich vor meinen Äußerungen geekelt zu haben? Und dann haben Sie, wenn, jedenfalls von mir etwas zu dem Thema gelesen und nicht zu hören bekommen. Das werden Sie gewiss unterscheiden können. Denn wenn nicht, können Sie vielleicht auch kompliziertere Wahrnehmungen nicht so gut unterscheiden mitunter. Was wenigstens zu etwas Zurückhaltung raten ließe beim Buhen und Bähen... In jedem Fall weiß ich nicht, wer Ihnen gesagt haben soll, dass die Flüchtlinge – vom Fremden und Eigenen schrieben Sie!, nicht ich - welche zu uns kommen, genauso für diese Arbeit, die ich meinte, gewiss Qualifizierte wären.?? Wenn ich diese spezielle Arbeit nicht einmal konkret benannt habe! Dass Buchhaltung prinzipiell jeder können kann, ist ja klar. Sie werden doch nach meinen anderen Auslassungen nicht ernsthaft glauben, ich unterstellte irgendwem, außer sprachlich und rechtlich für unsere geltenden Gesetze eventuell darin Weiterbildung zu benötigen, dass er für Buchhaltung! prinzipiell zu unqualizifiert sein könnte… Ansonsten danke ich Ihnen und ebenso dem Herrn Steckel für die konkreten Informationen bezüglich der verschiedensten Usos. Und ich wäre sehr erfreut, wenn Sie beide noch hilfreicher auf Ihre Recherchequellen zur weiteren Verbreitung dieser Informationen hinweisen könnten. Ich meine das jetzt nicht in dem Sinne, in dem man blogs und den E-Mail Account von Wissenschaftlern vollgepackt bekommt, die einem freundliche Grüße schicken und dann 300 Seiten verlinkte wissenschaftliche Arbeiten, weil sie wissen, dass man so gerne und schnell liest. Eher so, dass das auch für beliebige Theaterinteressierte, Dramaturgen und Regiearbeiten in der Vor- und Nachbereitung von Inszenierungen relativ umstandslos von Nutzen sein könnte.
@ Redaktion: Ich finde im Übrigen das sehr gut mit der persönlichen Vorstellung von den „neuen Deutschen“, die die Redaktion hier ermöglicht. Einfach praktisch ohne Kunst und Ethos-Tralala.
Merkel in Salzburg: Metapher, oder?
@ Stritter: Theater als Asylort und ich Asylant im eigenen Land? Das ist so komisch, dass ich lachen muss. Verstehe ich überhaupt gar nicht, diese Gleichsetzung. Wie meinen Sie das?

@ martin baucks: Schlingensief hat doch auch mal diese "Kirche der Angst vor dem Fremden in mir" inszeniert. Aber das ist ja doch wohl eine Metapher, oder? Wie kommt man von dieser sprachlichen Metapher auf Menschen bzw. Geflüchtete? Manche Menschen verstehen ja noch nicht mal den Unterschied zwischen Metapher und (Medien-)Bild. Die sind echt ziemlich doof, würde ich mal sagen.
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