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Kritiker*innenumfrage von Theater Heute 2015

Der Nachwuchs räumt ab

Berlin, 27. August 2015.  ist Theater des Jahres. Das ergab die jährliche Umfrage des Fachmagazins Theater heute unter 42 Kritiker*innen, deren Ergebnisse auf kultiversum.de veröffentlicht sind. 6 Kritiker*innen ließen sich vom Wiener Neustart nach dem Matthias-Hartmann-Desaster überzeugen, das im vergangenen Jahr noch zum größten ausgezeichneten Ärgernis Anlass gegeben hatte. Jeweils drei stimmten für die Berliner Schaubühne, das Berliner Maxim Gorki Theater und die Berliner Volksbühne sowie  nein, nicht noch einmal Berlin das Theater Dortmund. In der Jahresumfrage des Fachmagazins Die deutsche Bühne lag die Berliner Schaubühne unter den Sprechttheatern vorne (auch dort mit drei Stimmen).

Zur Schauspielerin des Jahres wurde Stefanie Reinsperger gewählt, mit 9 Stimmen für ihre beiden Theatertreffen-Auftritte in Die lächerliche Finsternis und in Die Unverheiratete, beide ursprünglich am Burgtheater Wien in Szene gesetzt und ebenso zum Berliner Theatertreffen wie zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. Für diese reife Leistung erntet die 27-Jährige gleich auch noch den Titel der Nachwuchschauspielerin des Jahres, für den sie 15 Kritiker*innen vorschlugen.

Samuel Finzi reichen 6 Stimmen für seinen Wladimir in Warten auf Godot am Deutschen Theater Berlin zum Schauspieler des Jahres.

8 Stimmen benötigte Dušan David Pařízek, der für seine Wolfram Lotz-Uraufführung Die lächerliche Finsternis den Titel Regisseur des Jahres und das Championship Bühnenbildner des Jahres einheimste (mit 4 Stimmen, ebenso viele wie Katrin Nottrodt für ihr Bühnenbild zu Karin Henkels Ibsen-Inszenierung "John Gabriel Borkman" und Aleksandar Denićs Bühnenbild zu Frank Castorfs Brecht-Adpation "Baal"). Und weil es so schön war, bekam das Stück "Die lächerliche Finsternis" von Wolfram Lotz selbst gleich noch den Titel Stück des Jahres oben drauf. Und zwar mit 27 Stimmen, mehr "als jemals zuvor" ein Stück einheimsen konnte, wie es auf kultiversum.de heißt. Na, also!

Mit deutlichem Vorsprung siegt Victoria Behr in der Kategorie Kostümbild des Jahres für ihre "Mad-Men-Anzüge" in Herbert Fritschs Berliner Volksbühnen-Inszenierung von "der die mann" (insgesamt 12 Stimmen, plus 1 Stimme für die Kostüme zu Fritschs Zürcher Umsetzung von "Der schwarze Hecht"). Behr gewinnt den Titel zum dritten Mal in Folge.

Weitere Gewinner:

Zum Ausländischen Stück des Jahres wählten die Kritiker*innen Noah Haidles "Alles muss glänzen – The Homemaker", herausgebracht in Hannover von Anna Bergmann (5 Stimmen).

Stefanie Carp ist Dramaturgin des Jahres für ihre Mitarbeit an Nicolas Stemanns Jelinek-Flüchtlingsdiskursstück "Die Schutzbefohlenen" (4 Stimmen).

Im Nachwuchsbereich entfielen  neben der unangefochtenen Stefanie Reinsperger Nennungen auf Kerr-Preis-Siegerin Gala Winter für ihren Auftritt in Karin Henkels Ibsen-Drama John Gabriel Borkman (3 Stimmen) und Regisseur Christopher Rüping für seine zum Berliner Theatertreffen eingeladene Inszenierung von "Das Fest" (ebenfalls 3 Stimmen).

Und das Ärgernis des Jahres? Es wird niemanden wirklich überraschen, dass Tim Renners saucool inszenierte Absetzung des Intendanten Frank Castorf und seine Ersetzung durch Chris Dercon für Sommer 2017 den begehrten Titel eingefahren haben. "Die avisierte Übergabe der Volksbühne hat viele Gemüter in Wallung versetzt, sie wallen mal dafür, mal dagegen", heißt es auf Kultiversum. Mehrfachnennungen entfielen auch auf die Rostocker Kulturpolitik (4 Ärgernis-Stimmen).

(Kultiversum / jnm / chr)

 

Hier gibt es Kritiker-Kommentare zur Kritiker*innen-Umfrage von Theater-heute-Redakteur Franz Wille (im Gespräch auf Deutschlandradio Kultur) und Tobias Becker (auf Spiegel Online).

Mehr Saison-Rückblick gefällig? Auf nachtkritik.de haben Dirk Pilz (kolumnistisch) und Christian Rakow (per Scribblekurzfilm-Serie) auf die Highlights 2014/15 geschaut.

 

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Kommentare  
Umfrage Theater Heute: heftig underrated
Christopher, mein Freund! Wie immer heftig underrated, aber das kann uns ja egal sein. Glückwunsch.
Umfrage Theater Heute: Jahr für Jahr
Letztes Jahr hatte Christopher auch schon drei Stimmen für "das Fest". Super, dass dieses Jahr noch drei dazu gekommen sind. Freut mich sehr für ihn!!!
Umfrage Theater Heute: Hartmann hat gewonnen
Das Burgtheater wird prämiert für einen Spielplan und für Künstler, den und die Matthias Hartmann noch verantwortete. Insofern wurde er, ich glaube, zum ersten Mal in seiner Karriere als Intendant zum Theater des Jahres gewählt.
Umfrage Theater Heute: Provinz interessiert nicht
Was an der Theater heute-Umfrage so ärgerlich ist, daß in ihr im Grunde nur Inszenierungen eine Chance haben, die beim Theatertreffen waren. Man hätte diese Umfrage unmittelbar nach dem Theatertreffen als einen Teil desselben veranstalten können: Die Ergebnisse wären identisch. Die Umfrage der deutschen Bühne ist da mittlerweile aussagekräftiger, weil in ihr mehr in die BReite geschaut wird. Wie Metropolen-zentriert es bei der Theater heute-Umfrage zugeht, zeigt allein die Tatsache, daß Renner/Castorf/Dercon das Ärgernis der Saison sein soll. Was wirklich Ärgerliches in der Provinz passiert (Rostock!), das interessiert hier keinen.

(Sehr geehrter Herr Proxy, tatsächlich wird auf Kultiversum die Kritik an der Rostocker Kulturpolitik beim "Ärgernis des Jahres" mit aufgeführt. Ich habe das in der Meldung ergänzt, weil es hier offenbar Mehrfachnennungen gibt. Auf Kultiversum sind auch weitere Ärgernisse ohne Stimmenzahl genannt. Mit freundlichen Grüßen aus der Redaktion, Christian Rakow)
Umfrage Theater Heute: hält von eigenem Urteil ab
Herr Proxy hat Recht. Außer "Alles muss glänzen – The Homemaker" wurden sämtliche Inszenierungen beim Theatertreffen oder - Fritsch - im Repertoire einer Berliner Bühne gezeigt. "Theater heute" gibt seine Kompetenz an die Auswahlkommission des Theatertreffens ab und macht seine Umfrage somit überflüssig. Sie ist es, ebenso wie das Pendant bei der "Deutschen Bühne", ohnedies, weil Theaterkritiker unter dem Druck der Sparmaßnahmen kaum noch reisen. Da genügen zwei, drei unrepräsentative Stimmen für einen Ehrenplatz. Man höre doch mit dem Unfug endlich auf, der nur eine Auswirkung hat: die Menschen davon abzuhalten, sich ein eigenes Urteil zu machen. Hier, wie dort, wie überall - und nicht nur bei jenen, die den Berliner Filter passiert haben.
Umfrage Theater Heute: Markierungen statt Darling-Theater
Ich als Wienerin freue mich natürlich wieder nach langer Zeit in das Theater des Jahres zu gehen bzw. gegangen zu sein. Allerdings meine ich, dass die Wahl (zumindest diesmal) nicht rein künstlerische Aspekte honoriert hat (so wirklich sensationell oder gut waren eigentlich die wenigsten Produktionen) sondern den Weg weg von dem Versuch als Theater "everybodies darling" zu sein sondern stattdessen Markierungen zu setzen.
Umfrage Theater Heute: fehlende Kategorie
Theatermusik des Jahres??????
Umfrage Theater Heute: Seriensieger
@7. Die Kategorie ist abgeschafft, seit Bert Wrede sie zehn Mal in Folge gewonnen hat. Victoria Behr und dem Kostümbild steht das dann auch bald bevor.
Umfrage Theater Heute: Frage der Kenntnis
Ich nehme an, die Kritikerinnen kennen keine weitere Kostümbildnerin mit Namen.
Umfrage Theater Heute: Puhdys und Klaus Lage
Lieber Malte, vielleicht besser: "Theatermusiker*in" des Jahres. Bei "Theatermusik des Jahres" kriegen es sonst immer die Puhdys, Klaus Lage oder sogar die Stohns. Viele Grüße, Dein Moby
Umfrage Theater Heute: Kategorie Bestes Provinztheater einführen
Eine ganz traurige Veranstaltung, wenn für die versammelte Presse die Diskussion um eine Intendanz in Deutschland als wichtiger und ärgerlicher eingeschätzt wird, als der systematische Abbau von Stellen und Sparten von Theatern in der Provinz. Selbst für jene Journalisten die sich nur noch auf Premieren der Metropolentheater begeben, ist doch auch klar, dass sich der Schauspieler-, Regie- und Autorennachwuchs in den regionalen Theatern entwickelt. Wenn es diese nicht mehr gibt, dann geht die Substanz verloren.
Aber wie könnte es gelingen, die Journalisten doch zu bewegen, auch diese Premieren zu besuchen. Es ist verständlich, dass die schmalen Reisebudgets durch Reisen nach Berlin, Wien, Salzburg oder Avignon aufgebraucht werden, aber sollte man dann nicht ehrlicherweise eine Kategorie bestes Provinztheater einführen?
Umfrage Theater Heute: Wiesbaden ist ein Tipp
Genau, es gibt einige sogenannter " Provinztheater"an denen tolle Entdeckungen zu machen sind. Im Staatstheater Wiesbaden z. Bsp., gibt es, seit Herr Arnarsson dort unter der neuen Intendanz von Herrn Laufenberg das Schauspiels leitet, wunderbare, phantasievolle, und im Gegensatz zu Stuttgart S P A N N E N D E, ebenfalls hervorragend gespielte Aufführungen zu sehen. Da lohnt sich die Flucht vor den langweiligen Aufführungen , der - warum auch immer - hochgehandelten Regisseure bei Herrn Petras in Stuttgart.
Umfrage Theater Heute: Segment und Wahl
Also wirklich! Franz Wille sorgt durch seine Lobbyarbeit beim Theatertreffen dafür, dass die weitestgehend immobilen deutschen Theaterkritiker nur ein bestimmtes Segment zu sehen kriegen, und gibt dann die Wahl in seinem Blatt als repräsentativen Querschnitt aus.
Umfrage Theater Heute: Freiwillige vor!
Dann bitte ich mal um Handzeichen: Welches Theater und welche zugehörige Stadt möchte freiwillig als "Provinz" diffamiert werden?
Umfrage Theater Heute: Provinz ist nicht abfällig
Verehrter Beckmesser,

Provinz ist keine abfällige Bezeichnung. Man könnte es auch Theater jenseits der Metropolen nennen. Ein bisschen Selbstironie darf erlaubt sein, denn von den 140 noch existierenden befinden sich 120 also mehr als 80% nicht in Metropolen. Wenn also immer wieder dieselben 20 Theater auf dem Radar sind, dann sollten die Journalisten ehrlicher sich und uns gegenüber sein.
Umfrage Theater Heute: 20 Chancen
Wenn die Theaterkritiker in den Medien, die sie mit ihren Beiträgen beliefern, durchsetzen, dass ordentliche Kritik nicht bedeutet, zwanghaft die Premiere einer Inszenierung kritisieren und diese Kritik veröffentlichen zu müssen, gäbe es eventuell inhaltlich und formal bessere und damit hilfreichere Kritiken! Und die Theater könnten, wenn sie in den ersten 10 Vorstellungen einer neuen Inszenierung jeweils zwei Medienkarten zur Verfügung stellen, insgesamt 20 Chancen einer genaueren Beobchtung und besseren, hilfreichen öffentlichen Beschreibung ihrer jeweiligen neuen Arbeit bekommen! Das ist doch realistisch, oder? Auch nk als mittlerweile bewährtes Spontan-Kritik-Medium würde so an Bedeutung noch gewinnen. Oder ist das völlig falsch gedacht?
Umfrage Theater heute: wo Castorf bleibt
Regt euch nicht auf, der Castorf bleibt euch als Hausregisseur am BE erhalten!
Umfrage Theater heute: Rostock!
das volkstheater rostock hat es geschafft, das treppchen des 3. platzes zu ersteigen - in der kategorie: bestes theater des jahres. bronze für das volkstheater rostock. durchaus eine mittlere sensation trotz all der querelen. gratulation. nach den 2. plätzen fürs gorki, der schaubühne, dortmund mit jeweils 3 stimmen, hat das volkstheater rostock mit seinen stimmen den alleinigen 3. Platz erkämpft.nicht nur das ärgernis wie mit latchinian umgegangen wurde, ist also erwähnenswert, sondern seine künstlerische Arbeit als rostocker intendant mit all seinen mitstreitern.
hoch, hoch, hoch ...
Umfrage Theater Heute: Glückwünsche
GLÜCKWUNSCH ALLEN PLATZIERTEN.SCHÖN, DASS DAS BURGTHEATER SICH SO SCHNELL SO GUT BERAPPElN KONNTE; BEEINDRUCKEND WAS DORTMUND SEIT VOGES FÜR EIN SPEZIELLES KONZEPT SINNLICHEN DIGITALTHEATERS ENTWICKELT, ERSTAUNLICH, DASS AUS ROSTOCK TROTZ NEGATIVER KULTURPOLITISCHER SCHLAGZEILEN, SO POSITIVE KÜNSTLERISCHE SCHLAGZEILEN KOMMEN.
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