Lasst Euch nicht von der Kleingeistigkeit verunsichern!

23. September 2015. Am Montagabend haben Anhänger der ausländerfeindlichen Bewegung Pegida in Dresden Schülerinnen und Schüler des bundesdeutschen Schultheatertreffens der Länder attackiert. Das berichten verschiedene sächsiche Medien u.a. die Sächsische Zeitung (online 22.9.2015). Der Vorfall ereignete sich am Staatsschauspiel Dresden, wo das Schultheatertreffen in diesem Jahr vom 20. bis 26. September 2015 stattfindet. Zu dem Festival eingeladen sind Teilnehmerinnen der Klassenstufen 5 bis 12.

Hassparolen gegen Schülerinnen und Schüler

Das Staatsschauspiel Dresden, dessen Festivalorganisator*innen und Theaterpädagog*innen den Vorfall beobachtet haben, schildert den Vorfall gegenüber nachtkritik.de. Gegen 20 Uhr seien Pegida-Anhänger*innen aus ihrem angestammten Montagsdemonstrationszug vor dem Großen Haus des Staatsschauspiels ausgeschert und hätten rund hundert Schülerinnen und Schüler, die gerade aus einer Vorstellung kamen, mit Parolen wie "Faules Pack" und "Macht euch in die Schule" bedrängt. Einzelne wurden mit Zigaretten bedroht und mit Flüssigkeiten bespritzt. Laut Bericht der Sächsischen Zeitung (SZ) wurde der Slogan "Wer Deutschland nicht liebt, muss Deutschland verlassen" skandiert, der auch auf einem Video zu hören ist, das die Onlineseite der Morgenpost MOPO24 verlinkt.

Pegida Dresden ScreenshotDie Pegida-Demonstration vor dem Staatsschauspiel Dresden am 21. September 2015
© Screenshot YouTube

Ältere Schülerinnen und Schüler hätten auf die Parolen mit dem Ruf "Nazis raus!" reagiert, so das Staatsschauspiel. Der Polizeibericht verzeichnet den Vorfall nicht. Pegida leugnet den Vorgang. "Wenn darüber nichts im Polizeibericht stehe, könne es auch nicht passiert sein", wird Pegida-Gründer Lutz Bachmann in der Sächsischen Zeitung zitiert. Zu den Augenzeugenberichten sagt Bachmann gegenüber der SZ: "Das ist mir scheißegal." Radio Dresden gibt die Sichtweise weiterer Pegida-Anhänger wieder: "Ich war vor dem Schauspielhaus als die Kinder rauskammen, kein Pegida-Anhänger hat sie angegangen im Gegenteil die Provokation kam von der anderen Seite", wird eine der Mails an die Redaktion zitiert.

Entschuldigung aus dem Sächischen Kultusministerium

In einem Schreiben aus dem Sächsischen Kultusministerium, das im Anhang dieser Meldung komplett wiedergegeben wird, entschuldigt sich Pressesprecher Dirk Reelfs bei den Teilnehmerinnen des Schultheaterfestivals: "Aus vielen Bundesländern seid Ihr zu uns gekommen und wolltet mit viel Freude in Dresden Theater spielen. Doch unsere Gastfreundschaft wurde von Pegida-Demonstranten mit Füßen getreten. Wir sind entsetzt und betroffen, dass Ihr am gestrigen Montagabend vor dem Schauspielhaus Dresden von Pegida-Demonstranten angegriffen, beleidigt und bedroht worden seid. Wir verurteilen die Angriffe auf Euch zu tiefst. Es ist beschämend und spricht Bände für emotionale Armut und Kleingeistigkeit dieser Menschen, die Euch bedroht haben."

(Sächsische Zeitung / Radio Dresden / chr)


Mehr zur Pegida-Bewegung in Dresden: In einem Interview mit nachtkritik.de diskutieren die Dresdner Theaterleiter Dieter Jaenicke (Europäisches Zentrum der Künste Hellerau) und Wilfried Schulz (Staatsschauspiel Dresden) die Lage in Dresden und das künstlerische und bürgerliche Engagement gegen die Pegida.

In der Auftaktinszenierung der Spielzeit 2015/2016 inszeniert Tilmann Köhler Shakespeares "Maß für Maß" als Kommentar auf die Pegida in Sachsen.

Die Presserklärung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus im Wortlaut (Quelle: Staatsministerium für Kultus sachsen.de):

 

Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Gäste des Festivals der Schultheater der Länder,

wir haben Euch nach Dresden eingeladen und willkommen geheißen, um mit Euch gemeinsam das Festival der Schultheater der Länder zu feiern. Aus vielen Bundesländern seid Ihr zu uns gekommen und wolltet mit viel Freude in Dresden Theater spielen. Doch unsere Gastfreundschaft wurde von Pegida-Demonstranten mit Füßen getreten. Wir sind entsetzt und betroffen, dass Ihr am gestrigen Montagabend vor dem Schauspielhaus Dresden von Pegida-Demonstranten angegriffen, beleidigt und bedroht worden seid. Wir verurteilen die Angriffe auf Euch zu tiefst. Es ist beschämend und spricht Bände für emotionale Armut und Kleingeistigkeit dieser Menschen, die Euch bedroht haben.

Ihr steht für eine andere Gesellschaft. Das diesjährige Festival der Schultheater der Länder steht unter dem Motto »Forschendes Theater«. Diese Theaterarbeit setzt sich mit der Wirklichkeit fragend und suchend, neugierig und offen auseinander. Haltet daran fest. Lasst Euch nicht von der Kleingeistigkeit der Pegida-Demonstranten verunsichern.

Um die Geschehnisse mit Euch aufzuarbeiten, haben wir Vertreter des Netzwerkes »Dresden für Alle« heute Abend eingeladen. In zwei Gesprächsrunden soll das Erlebte mit Euch aufgearbeitet werden. Lasst uns gemeinsam für eine freie und offene Gesellschaft eintreten.

Dirk Reelfs
Pressesprecher des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus

 

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Kommentare  
Pegida attackiert Schüler: kleingeistige Politik
Leider reiht sich dieses Ereignis nahtlos ein in wöchentliche rassistische körperliche Übergriffe, in Sprengstoffanschläge auf Parteibüros der Linken oder das Auto eines Abgeordneten in Freital, unzählige Brandanschläge auf Asyl-Unterkünfte in Sachsen, in Krawallnächte in Heidenau und Bischofswerda. Dresden und sein Umland sieht nahezu tatenlos dabei zu, wie rechter Terror die Stadtgesellschaft angreift und ein Klima der Angst schafft. Und leider spricht es Bände nicht nur über die „Kleingeistigkeit" der 7500 Menschen, die da brüllen, sondern auch über 25 Jahre kleingeistige Politik der sächsischen CDU im Übersehen und im bewusstem Akzeptieren von rassistischem Gedankengut.
Pegida attackiert Schüler: wie einst an der Mauer
pegida ist die nachgeburt des schießbefehls an der mauer. flüchtlinge, ganz gleich welche richtung sie nehmen, sind für die kriminelle.
so, wie an der berliner mauer spielende kinder "versehentlich" erschossen wurden, werden heute von spießern spielende kinder beschimpft und bedroht. hier wird sichtbar, dass sich bei manchen dresdnern in 25 jahren nichts verändert hat in bezug auf moralische verkommenheit und asozialität.
Pegida attackiert Schüler: lächerlich
Ich stand exakt 5 m daneben und habe gefilmt. Es gab keinerlei Gewalt. Verbale Attacken kamen von den "Schülern" diese wurden von den Demonstranten verbal erwidert, mehr nicht.
Das dies jetzt als Attacke thematisiert wird ist regelrecht lächerlich!
Pegida attackiert Schüler: sächsische Spezialität
Jetzt geht das hier auch schon los. Liebe Nachtkritik, bitte paßt auf, wem ihr hier ein Forum bieten wollt. Leider ist daran überhaupt nichts lächerlich. Jens, dann nenn doch deinen Klarnamen und den Link, wo man dein Video sehen kann. Die seit einem Jahr stattfindenden Demonstrationen sind ständige Attacken auf eine Stadtgesellschaft, inklusive der Menschen, die sich montags in Dresden nicht mehr auf die Straße trauen. Und ja, in anderen Städten ist es nicht normal, daß 7500 Leute Schülern „Volksverräter" und „Macht Euch in die Schule zurück“ zubrüllen. Es ist eine typische Schutzbehauptung, daß die Demonstranten „nur“ verbal etwas erwidert haben. Die zahllosen Brandanschläge und fremdenfeindlichen Übergriffe in Sachsen sind aus dieser Sicht wahrscheinlich auch nur eine „Erwiderung“? Bewusstes Verharmlosen und Wegschauen sind sächsische Spezialität.
Pegida Attacke: keine Schulfahrten mehr
Ich weiß schon, warum ich grundsätzlich nicht mit Schulklassen in den Osten fahre. Als Lehrer hat man Verantwortung für seine Schüler_innen und solange solche Vorfälle regelmäßig insbesondere in Sachsen passieren, ist es unverantwortlich dort mit Schulklassen hinzufahren.
Pegida attackiert Schüler: der gesamte Osten?
Sehr geehrter Herr Reuber,
nun ist es natürlich schwierig, den gesamten Osten wegen Pegida grundsätzlich zu meiden und ich hoffe, diese Haltung geben Sie zum 25 jährigen Jubiläum der Deutschen Einheit nicht an Ihre SuS weiter. Ich bin Leipziger (auch eine Stadt in Sachsen) und war selbst dabei, als Jahr für Jahr am ersten Mai mehrere zehntausend Bürgerinnen und Bürger auf dem Augustusplatz und in der gesamten Stadt einigen hundert Nazis aus der gesamten Bundesrepublik den Weg nach Connewitz durch Sitzbockaden versperrten. Auch gegen die Polizei, auch gegen Wasserwerfer. Ich bin beruflich in der gesamten Bundesrepublik unterwegs und ich kann Ihnen versichern, Leipzig ist genau so gefährlich und braun wie München, Düsseldorf oder Hamburg.
Pegida attackiert Schüler: wunderschön
Sitzbockaden ist wunderschön! - Darf ich das bitte für mein Zettelkasten klauen? Das BESTE an alle diesen Kommentaren hat nämlich bisher noch keiner so richtig gewürdigt: weil sie meisten schnell so kurz nach oder schon während des Denkens reingehackt sind, passieren Fehler - also ich meine nicht die theatralisch gemachten, sondern die echten - und die sind eigentlich der Goldstaub von nk et al!
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