Presseschau vom 14. Oktober 2015 – Der Dresdner Dramaturg Robert Koall zur Pegida-Bewegung und den Möglichkeiten des Theaters, darauf zu reagieren
"Diese Leute sind verloren"
"Diese Leute sind verloren"
14. Oktober 2015. Anlässlich der anhaltenden Pegida-Demonstrationen – und der dort am Montag aufgetauchten Galgen – hat Deutschlandradio Kultur (Fazit, 13.10.2015) mit dem Dresdner Chefdramaturgen Robert Koall gesprochen. Für ihn zeigt sich zurzeit "keine neue 'Qualität'", allerdings sei mittlerweile "ein Klima entstanden, in dem die Hemmschwelle soweit abgesunken ist, dass die konkrete Gewalt zunimmt".
Das Theater predige meistens "zu den Bekehrten", die Menschen, die bei Pegida mitmarschieren, könne es nicht erreichen. Diese wollten sich nicht vom Theater "verführen lassen im Kopf, die wollen ihren eigenen Betonkopf von anderen Betonköpfen bestätigt sehen." Jemanden von Pegida ins Theater zu locken und ihm dort "Nathan der Weise" zu zeigen, würde nicht dazu führen, dass der rausgeht und einsieht, dass er sich getäuscht hat – "so naiv sind wir nicht." "Wenn sie mit Pegidisten einmal gesprochen haben... – diese Leute sind verloren." Das lasse ihn nicht resignieren, auch wenn es ihn über die Maßen frustriere und auch entsetze. Die ansteigende Gewalt betreffe "Freunde und Kollegen". "Ich rede davon, dass Knochen gebrochen werden auf offener Straße. Das ist ein Klima, das man kaum noch aushält."
Trotzdem könne das Theater etwas tun, nämlich "Zeichen der Gemeinschaft, der Solidarisierung" setzen und "humanitäre Werte hochhalten." Die Theaterarbeit könne vor allem dann fruchten, "wenn sie sich konkret an die Leute wendet, abseits der Bühne", z.B. mit Begegnungsstätten für Flüchtlinge. Das Staatsschauspiel versuche auch, das Thema im Spielplan zu reflektieren und "sich mit denen zu befassen, die ausgegrenzt werden." Koall beklagt eine ratlos agierende Politik und ein "träges Dresdner Bürgertum, das sich immer noch nicht zu einer klaren Gegenwehr zusammengefunden hat". Was Dresden brauche, seien "unglaublich starke Signale von Solidarisierung, von Vergemeinschaftung (...). Weil man das Gefühl hat, man ist alleine mit seinem Standpunkt hier, bis einem auffällt, es sind nur 7500 Vollidioten und wir sind viel, viel mehr." Wichtig sei "ein ganz großes aktives Aufstehen in der Mitte der Gesellschaft".
(ape)
Mehr zur Pegida-Bewegung in Dresden: In einem Interview mit nachtkritik.de diskutieren die Dresdner Theaterleiter Dieter Jaenicke (Europäisches Zentrum der Künste Hellerau) und Wilfried Schulz (Staatsschauspiel Dresden) die Lage in Dresden und das künstlerische und bürgerliche Engagement gegen die Pegida.
Im September 2015 hatten Pegida-Anhänger in Dresden Schülerinnen und Schüler des bundesdeutschen Schultheatertreffens der Länder attackiert.
In der Auftaktinszenierung der Spielzeit 2015/2016 inszenierte Tilmann Köhler für das Dresdner Staatsschauspiel Shakespeares "Maß für Maß" als Kommentar auf die Pegida in Sachsen.
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