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Rechtskonservative Proteste gegen Jelinek-Stück in Polen

Pornografie-Vorwurf

24. November 2015. Wenige Tage nach ihrem Amtsantritt hat Polens konservative Regierung die Aufführung von Elfriede Jelineks Dramenzyklus Der Tod und das Mädchen im staatlichen Polnischen Theater in Breslau (Wrocław) zu verhindern versucht, das berichten unter anderem die Süddeutsche Zeitung und der Deutschlandfunk (22.11.2015).

Grund waren angebliche sexuelle Handlungen auf der Bühne und der Auftritt tschechischer Pornodarsteller. Aus Sicht von Vizeregierungschef Piotr Gliński, der auch neuer Kulturminister ist, verstoße die Inszenierung gegen "Prinzipien des gesellschaftlichen Zusammenlebens", er verkündete, dass er keine Pornografie im öffentlichen Raum dulden werde und wies den Regierungschef der Region Niederschlesien an, die Jelinek-Premiere in Wrocław abzusagen. "Dieser, ein Liberalkonservativer von der Bürgerplattform" berichtet der Deutschlandfunk, "lehnte Glińskis Anordnung ab - mit Hinweis auf bestehende Gesetze.

Daraufhin versuchten katholische und nationalistische Demonstranten am folgenden Tag, am Samstag, den Zugang zum Theater zu blockieren, einige von ihnen wurden vorübergehend festgenommen. Die Zuschauer hatten Mühe ins Theater zu gelangen, die Premiere fand jedoch statt.

Der Chef des Breslauer Theaters, Krzysztof Mieszkowski, der zugleich Abgeordneter des polnischen Parlaments ist, warf Vizepremier Glinski Zensur vor und forderte seinen Rücktritt. Der staatliche Fernsehsender TVP suspendierte unterdessen eine Nachrichtenmoderatorin, die dem Minister am Sonntag in einem Interview kritische Fragen gestellt hatte. Beobachter fürchten nach dem Sieg der konservativen PiS einen Rechtsruck mit drastischen Folgen auch für die Kultur des Landes.

(SZ / www.deutschlandfunk.de / sik)

 

 

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Kommentare  
Theatereklat Breslau: ergänzende Info
Was dieser Artikel nicht erwaehnt, dass der Minister auch versucht hat die Landesregierung Niederschlesiens zu zwingen diese Auffuehrung abzusagen. Selbstverstaendlich ohne irgendetwas gesehen zu haben. Vizepremier Glinski hat in einem direkten Brief an den Landeschef einen unmißverstaendlichen Befehl dazu gegeben die Auffuehrung abzusagen. Dieser wurde, gluecklicherweise nicht befolgt.

Offenbar lernt die neue polnische Regierung von der ungarischen.
Theatereklat Breslau: wehret den Anfängen
Ich bin beunruhigt, wie schnell die neue Regierung in unserem Nachbarland scheinbar versucht, Pflöcke einzuschlagen. "Zensur findet statt", oder wie?
In der FAZ von gestern gab es darüber hinaus einen aufschlussreichen Artikel über den Versuch, Teile der Verfassung auszuhebeln.
Unabhängige Justiz, unabhängige Presse, unabhängige Kultur sind unabdingbar, wehret also den Anfängen.
Theatereklat Breslau: Brusthaar-Zensur Plauen
Auch in Deutschland schleicht sich Zensur ein. Ausgerechnet im Theater:

http://www.freiepresse.de/LOKALES/VOGTLAND/PLAUEN/Zensur-oder-Haarspalterei-artikel9337556.php

Ich habe auch erst geschmunzelt. Aber Zensur passiert nicht über Nacht. Das schleicht sich unbemerkt, nach und nach, durch die Hintertür ein. Das lehrt uns die Geschichte. Deshalb: wehret den Anfängen. Auch in Deutschland. Auch in Plauen. Und auch, wenn es vermeintlich "nur" um Brusthaare geht.
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