BRECHT 2027. COPY: RIGHT

von friendly fire

22. Dezember 2015.

(Blackbox.)

Im Jahr 2027 ist die Gegenwart Vergangenheit.
Im Jahr 2027 ist die Zukunft Gegenwart.
Im Jahr 2027 beginnt die große Produktion.
Im Jahr 2027 wird Brechts Werk ein Produktionsmittel: Dann nehmen wir Kontakt mit Brecht auf.

(Schließen Sie die Augen.)

Die Beantwortung der Frage wie Brechts Theater 2027 aussehen wird, setzt die Beantwortung der Frage voraus was für ein Theater in was für einer Gesellschaft Brecht spielen wird.

(Wir betreten die Bühne.)

Für uns meint die Frage nach einem Brechttheater ohne Einschränkung durch Copyrights die Frage nach einem copyrightfreien Theater. Die Frage nach einem copyrightfreien Theater meint die Frage nach einer copyrightfreien Gesellschaft.

(This is the end...)

Ab 2027 haben wir die Chance mit Brechts Theater unsere Gegenwart in eine radikale Versuchsanordnung, ein Theater der Zukunft zu verwandeln: seine Form wäre das fortdauernde (P)Re-Enactment, der Test und der Versuch, die Erprobung des Unbekannten, das Aus-der-Zukunft-angeschaut-werden. Mit und für und gegen und neben Brecht.
Wir denken, dass Brechts Werk in 10 Jahren endlich ein/ein endliches Produktionsmittel werden kann: eine Toolbox, ein Werkzeugkasten, ein Laboratorium der Gesellschaft, in dem das Jenseits des Copyrights erprobt werden kann.

(All tomorrow's parties.)

Brecht jenseits des Copyrights und diesseits des Rechts stellt die Frage nach dem richtigen Kopieren, bedeutet die Frage nach einer anderen Institution Theater und einer anderen Gesellschaft, in welcher Theater seinen Unort findet.
Wir kopieren nicht nur die Gegenwart und Vergangenheit: wir kopieren auch die Zukunft, die wir noch nicht sehen. Für uns bedeutet das die Frage nach der Zukunft des Brechttheaters mit der Frage nach einem Theater der Zukunft zu verbinden.

(Öffnen Sie die Augen. Folgen Sie uns.)

Brechts Theater des Jahres 2027 ist ein Theater der Zukunft. Seine Praxis ist die des richtigen Kopierens: How to copy right? Brechts Stücke bilden für uns ab 2027 den Grundstock eines Theaters, in dem das Kopieren im Zentrum steht.
Das Kopieren von Worten und Gesten, Handlungen und Choreographien, das Kopieren von Alltagsbewegungen und politischen Modellen, von Menschen und Tieren und Dingen und Welten. Und ein Kopieren ohne Gesetz und Recht hält hierbei immer auch jenen Moment offen durch den das Neue in die Welt kommt.

(This is not America.)

Wie Kafkas Naturtheater von Oklahoma versetzt Brechts Theater der Zukunft die Welt auf eine andere Bühne, auf der nicht die Kopierrechte, sondern die Rechte des Kopierens im Fokus stehen. Dabei geht es nicht um die richtige Nachahmung, sondern – Stichwort Kopie – um die richtige Vervielfältigung der Welt.
Damit ist das Theater ein Ort der Vervielfältigung – der Menschen, Dinge, Zeiten, Orte, Praktiken, Bilder, Gesten und Diskurse.
Fatzer, Mackie Messer, der Wagen der Mutter Courage, Galy Gay und all die anderen Figuren der Brechtschen Stücke: sie sind viele.

(Die Bühne ist leer.)

Ein Fatzer ist viele Fatzer. Ein Mackie Messer ist viele Mackie Messer, ein Wagen ist viele Wagen, ein Galy Gay ist viele Galy Gays. Ein 2027 ist viele 2027. Sie bevölkern die leere Bühne. Eine, zwei, drei Sekunden lang.

(Fortgesetzte Gesten aus der Zukunft.)

Als Institut des Vervielfältigens ist Brechts Theater ab 2027 für uns ein Theater des individuellen und kollektiven Umschreibens. Eine Institution, die die Fehler der Kopisten zu Produktionszentren macht.

(To be continued until 2027 and after.)

 

friendly fire ist eine freie Theater-und Performancegruppe aus Leipzig. Die Kernmitglieder Melanie Albrecht, Michael Wehren und Helena Wölfl realisieren ihre Projekte mit wechselnden Teams an den Schnittstellen von theatralem Text, Performance und Installation. 
2015 waren friendly fire Stipendiaten im Rahmen der künstlerischen Forschungsresidenz flausen+ und erhielten den Preis "Beste Idee" des Leipziger Hörspielsommers für ihre Hörstückproduktion Preface: Demonstration. Seit Anfang 2015 sind sie Teil des Artist Development Programs des LOFFT.

www. friendlyfire-friendlyfire.blogspot.de

 

Hier die anderen Beiträge zur Ausschreibung: von Ligna, copy & waste, Kevin Rittberger, Alexander Karschnia und Ivo Eichhorn.