nachtkritik-Theatertreffen 2016: Das Ergebnis

28. Januar 2016. Sie haben gewählt und wir gehen auf Reisen! 47 herausragende Inszenierungen des vergangenen Jahres, nominiert mit je einer Stimme von den nachtkritik-Autor*innen, standen zur Wahl. Eine Woche lang waren die Wahlurnen für die nachtkritik-Leser*innen zu Abstimmung geöffnet. Bis zu zehn Stimmen konnte jeder Teilnehmende abgeben. Die Inszenierung mit den meisten Votes soll das nachtkritik-Theatertreffen-Kritikergespräch 2016 erhalten, in dem Theatermacher und Nachtkritiker gemeinsam mit dem Publikum über die Arbeit diskutieren. Nachdem das Gespräch im letzten Jahr vor der Haustür in Berlin stattfand, führt die Reise dieses Mal ans Theater Osnabrück, denn the winner is: "The Trip" von Anis Hamdoun. Wir gratulieren, bedanken uns bei allen, die mitgemacht haben, und setzen uns mit dem Haus im westlichen Niedersachsen in Verbindung, um die Realisierbarkeit des Gesprächs zu prüfen.

Insgesamt wurden in diesem Jahr 7170 Stimmen abgegeben bei 3931 Wählern, das entspricht durchschnittlich 1,8 Stimmen pro Wähler. Die zehn meistgewählten Inszenierungen sind:

1. The Trip von Anis Hamdoun
Regie: Anis Hamdoun, Osnabrück (470 Stimmen)
Theater Osnabrück, Nachtkritik vom 11. September 2015

2. Kongo Tribunal von Milo Rau (381 Stimmen)
Regie: Milo Rau
Sophiensaele Berlin, Bukavu/Kongo, Nachtkritik vom 26. Juni 2015

3. Fear von Falk Richter (376 Stimmen)
Regie: Falk Richter
Schaubühne Berlin, Nachtkritik vom 25. Oktober 2015

4. Balkan macht frei von Oliver Frljić (311 Stimmen)
Regie: Oliver Frljić
Residenztheater München, Nachtkritik vom 22. Mai 2015

5. Fliegeralarm von Jens-Erwin Siemssen / Das letzte Kleinod (265 Stimmen)
Regie: Jens-Erwin Siemssen
Landesbühne Nord Wilhelmshaven, Premiere am 29. Oktober 2015

6. Biedermann und die Brandstifter von Max Frisch (259 Stimmen)
Regie: Lucia Bihler
Deutsches Theater Göttingen, Nachtkritik vom 18. April 2015

7. Von einem, der auszog, weil er sich die Miete nicht mehr leisten konnte von René Pollesch und Dirk von Lowtzow (256 Stimmen)
Regie: René Pollesch
Volksbühne Berlin, Nachtkritik vom 12. März 2015

8. Die Show von Kay Voges, Anne-Kathrin Schulz, Alexander Kerlin (232 Stimmen)
Regie: Kay Voges
Theater Dortmund, Nachtkritik vom 23. August 2015

9. Die Brüder Karamasow nach Fjodor M. Dostojewski (212 Stimmen)
Regie: Frank Castorf
Volksbühne Berlin (Koproduzent: Wiener Festwochen), Nachtkritik vom 29. Mai 2015

10. Philoktet von Heiner Müller (207 Stimmen)
Regie: Ivan Panteleev
Residenztheater München, Nachtkritik vom 12. Dezember 2015

 


Was zeigt das Tableau?

Mit "The Trip" hat ein kleiner Theaterabend von rund 40 Minuten Dauer gewonnen, der eines der großen und die Theaterszene stark bewegenden Themen der Saison anpackt: die Fluchtbewegung und das Schicksal der syrischen Kriegsverfolgten. Regisseur und Autor Anis Hamdoun, den Dorothea Marcus unlängst für die nachtkritik.de-Serie "die neuen deutschen" porträtierte, brachte das Kurzdrama auf dem traditionsreichen Osnabrücker Festival für Gegenwartsdramatik "Spieltriebe" heraus. Es ist ein Abend, der "eine Bildsprache" zeigt, "die nie Einfühlung in die Figuren verspricht und gleichwohl alles andere als emotionslos ist", lobte Nachtkritiker Kai Bremer die Premiere.

Auch abseits von "The Trip" zeigt das Tableau einen politischen Schwerpunkt. Milo Raus globale Recherche "Kongo Tribunal" ist knapp am Siegertreppchen vorbei geschrammt. Mit dem umstrittenen, die AfD und Pegida satirisch aufspießenden Abend "FEAR" von Falk Richter und "Balkan macht frei" – Oliver Frljićs Verweigerung einer Performance zum Thema Migration – sind weitere politisch auftretende Theaterabende vorn gelandet.

In einer Szene von "Balkan macht frei" werden übrigens Abbilder deutscher Dichter und Denker und schließlich Konterfeis der Regisseure Frank Castorf und René Pollesch "niedergemäht", wie Nachtkritikerin Petra Hallmayer berichtet. Von den Wählerinnen wurden die beiden Volksbühnen-Helden keineswegs abgeschossen. Zwei von ihren drei Nominierungen hat die Berliner Volksbühne durchgebracht. Und damit taucht sie doppelt auf, wie sonst nur das Münchner Residenztheater, das mit seiner traditionell hochengagierten Social Media-Arbeit erneut seine Fans mobilisierte.

(chr)

 

Hier die Nominierungen, aus denen in diesem Jahr gewählt werden konnte, inklusive Nominierungsbegründungen.

Mehr zu den Gewinnern der letzten Jahre: Ergebnis 2015, Ergebnis 2014, Ergebnis 2013, Ergebnis 2012, Ergebnis 2011, Ergebnis 2010 und Ergebnis 2009.