Fechtkampf mit Unbekannten

von Leopold Lippert

Wien, 27. Februar 2016. Kurz vor der Pause kommt ein Sommersturm auf, es bläst Staub auf die Bühne, Papierfetzen wirbeln herum, buntes Laub fällt vom Schnürboden. Christopher Nell, der als schizophrene Hauptfigur "Ich, Erzähler" und "Ich, der Dramatische" einen abgelegenen Streifen Landstraße bewohnt, sammelt verdreckte Zettel vom Boden auf, achtlos weggeworfen von den "Unschuldigen", die in immer neuen Konstellationen die Straße entlangkommen. Es sind alte Fahrscheine, Rechnungen, Kinokartenabrisse, Gutscheincodes - zerknitterte Erinnerungsminiaturen. "Hop on – Hop off" steht auf einem dieser Tickets, und die simple Touristenbus-Formel ist vielleicht die passendste Beschreibung für einen Abend, der permanent mit großer Welterklärung liebäugelt, sich aber dann doch nur zum bunten Stationenspiel durchringt.

"Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße" ist beileibe nicht die erste Peter Handke-Uraufführung am Wiener Burgtheater, und schon gar nicht die erste, die Claus Peymann inszeniert. "Handke Burg Peymann" könnte man da im Burgsprech klotzen, und markante Setzungen sind irgendwie auch Teil des Erwartungshorizonts bei dieser fast schon historischen Zusammenkunft alter Haudegen.

Fremde Wanderer auf der Landstraße

Doch Handkes "Schauspiel in vier Jahreszeiten" ist im Grunde das Gegenteil eines großen Statements. Verglichen etwa mit dem inhaltlich stark fokussierten Erinnerungsreigen "Immer noch Sturm" ist "Die Unschuldigen..." weit weniger kohärent und stellt eher eine zerfaserte Aneinanderreihung von Figurenbegegnungen und Erzählrahmungen dar — mal will das Stück Kapitalismuskritik, mal Modernekritik, mal Realismuskritik sein, mal wird kollektive Erinnerungsarbeit thematisiert, und dann wieder Muttersöhnchen-Konflikte und sexuelle Gewalt. Gespickt ist das ganze mit Shakespeare-, Vergil-, und Katholizismus-Anspielungen, und Mehrsprachigkeit als Bildungsbürger-Selbstvergewisserung: "Nofretete!" ruft das Ich der Häuptlingsfrau (Maria Happel) freudig entgegen, "heißt das nicht: Die Schönheit ist erschienen!? La beauté est apparue. La belleza e aparecida." Schon gut, wir haben's verstanden!

die unschuldigen4 560 MonikaRittershaus uErinnerungsreigen? Allerlei Figuren begegnen sich zumindest in Claus Peymanns Inszenierung
von Handkes neuem Stück "Die Unschuldigen..." am Burgtheater Wien © Monika Rittershaus

Trotz all der Kanon-Intertextualität ist der Grundton ein bedrohlicher: Das "Ich" wird jedes Mal aufs Neue mit dem "Anderen", dem von außen Kommenden konfrontiert, das die Landstraße heraufzieht und passieren will. Die Angst vor dem Unbekannten, dem hemmungslos Rülpsenden (Martin Schwab) und dem unkontrolliert Glucksenden (Maria Happel) ist für Handke zentral. Die Sprache ermöglicht dabei nicht immer Austausch, sondern nährt bloß Verdächtigungen: "Ihr Unschuldigen seid nicht harmlos!" ereifert sich das Ich, das zwischen Grüßen und Abwehren immer weniger unterscheiden will.

Komischer Kontrollzwang

Da ist es doch überraschend, dass in Peymanns Inszenierung die düsteren Aspekte des Texts zunehmend ins Hintertreffen geraten. Das faschistoide Begehren des Ichs, alles kontrollieren zu wollen, was sich auf der Landstraße ereignet, wird im wahrsten Sinne des Wortes "überspielt". Und so darf der virtuose Christopher Nell auf der verwitterten Bushaltestelle am Straßenrand clownesk herumquirlen, während der Rest der Truppe beschwingt "Wir wollen niemals auseinandergehn!" trällert, wie auf einem Wanderausflug.

Und so wird der eigentlich existentielle Fechtkampf zwischen dem Ich und dem Unbekannten-Häuptling (Martin Schwab) zu einem skurrilen Herumgestochere, das damit endet, dass ein "Degen" unter lautem Gelächter im Publikum landet (letzteres vielleicht nicht ganz absichtlich). Und so geht ein durchaus starkes Bild – das Ich und der Häuptling werden an ihren Mänteln zusammengeknöpft und damit die Untrennbarkeit von "Selbst" und "Anderem" ausgestellt – in einer (famosen) Lachnummer unter, in der Maria Happel daneben den sterbenden, zappelnden Schwan mimt.

Peymann'sches Losdonnern

Und auch die nach hinten leicht ansteigende Bühne von Karl-Ernst Herrmann, auf der eine weit geschwungene Landstraße nur durch Lichteffekte markiert wird, hat etwas surreal Komisches. Mit plumpem Seilzug, unterkomplexen Off-Geräuschen (Rauschen! Vogelgezwitscher!), und Taschenspielertricks (Explosiönchen!) kokettiert die immer sichtbare Illusionsmaschinerie mit dem hochgerüsteten Burgtheater-Bühnenapparat, der hier eben ganz und gar nicht zum Einsatz kommen darf.

die unschuldigen3 560 MonikaRittershaus uMartin Schwab (Der Wortführer) und Christopher Nell (Ich) auf der Landstraße
© Monika Rittershaus

In Peymanns Inszenierung wird der von Handkes doppelter Ich-Figur eröffnete Konflikt zwischen dem Epischen und dem Dramatischen scheinbar in einer dritten Kategorie aufgelöst, der des Verspielt-Theatralen. Für Peymann bedeutet "dramatisch" ganz simpel "aufregend", und die Erwähnung des Wortes im Text ist zuallererst Gelegenheit, mal ordentlich Stroboskop-Blitze zu zünden und Theaterdonner loszulassen. Für Peymann ist Handkes Landstraße weder Erzählfläche noch Dialogparcours, sondern primär ein Ort für fast schon naive Freude am Herumhoppsen (Nell), am Lachanfall (Happel), oder am Kollektiv-Ins-Handy-Näseln (Ensemble). Und weil es in "Die Unschuldigen..." nur bedingt episch oder dramatisch zugeht, gibt es auch kein wirkliches Ende, bloß ein verschmitztes Andeuten, und das Publikum klatscht mehrfach (und zunehmend genervt) verfrüht ins Leere.

Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße
Ein Schauspiel in vier Jahreszeiten von Peter Handke
Uraufführung
Regie: Claus Peymann, Bühne: Karl-Ernst Herrmann, Kostüme: Margit Koppendorfer, Dramaturgie: Jutta Ferbers und Anke Geidel, Licht: Karl-Ernst Herrmann und Friedrich Rom, Musikalische Mitarbeit: Moritz Eggert, Geräusche / Töne: David Müllner.
Mit: Krista Birkner, Franz J. Csencsits, Regina Fritsch, Maria Happel, Anatol Käbisch, Christopher Nell, Benedikt Paulun, Hermann Scheidleder, Martin Schwab, Felix Strobel, Fabian Stromberger.
Dauer: 3 Stunden, eine Pause

www.burgtheater.at

 

 

Kritikenrundschau

Norbert Mayer von Die Presse (28.2.2016) ist voll des Lobes für das Ensemble. Er sieht "großartige Szenen" von Martin Schwab und Christopher Nell, Maria Happel liefere "ein Meisterstück an Lust und Spiel, das zur Todesfuge wird" und Regina Fritsch stoße "das Ich buchstäblich vor den Kopf, fesselt es, weist es auf das Vergangene und das Vergängliche hin". Am Ende füge sich der Abend "traumhaft zu großen Illusionen". Mayer resümiert: "Lang anhaltender Applaus nach gut drei Stunden. Handke und Peymann haben ihn sich so wie alle Beteiligten redlich verdient."

Die Salzburger Nachrichten drucken die Kritik der österreichischen Nachrichtenagentur Apa (28.2.2016). Sie findet Peymann habe den Abend "in Verehrung für Handkes welthaltige Poetik als Hochamt zelebriert und in gleichzeitiger Brechung augenzwinkernd als kunstvolles Bühnenmärchen umgesetzt". "Der raue Wind der Wirklichkeit verirrt sich in Gestalt einer seltsamen, rasch gesprengten Demonstration, die u.a. 'Freiheit, Gleichheit, Informiertheit' fordert, nur kurz hierher." Mehr Vergnügen bereite Peymann die übersteigerte Selbstkritik des dramatischen Ichs mit einer Reihe "falscher" Schlüsse, auf die das immer wieder erneut zum vermeintlichen Schlussapplaus einsetzende Publikum stets aufs Neue hereinfällt. Peymanns Position als erster Handke-Exeget sei auch nach diesem Abend unangefochten.

Ronald Pohl vom Standard (28.2.2016) hadert mit Handkes Stückvorlage. Zwar würde er ihm inhaltlich gern in allem zustimmen: "Prosaisch und seinsvergessen ist die Welt der Autobahnauffahrten, der planierten Zugangswege. Unser Dasein hat zweifellos an Würzigkeit eingebüßt, an Geschmack und Gehalt." Aber leider entdecke man an diesem Abend "weit und breit kein Stück, keinen geschürzten Handlungsknoten. Da ist nichts außer dem diffusen Willen, Handkes wortgewaltige Referate in all ihrer mutwilligen Pracht aufzuhübschen und zu exekutieren." Nichts sei notwendig in dieser "Kunstgewerbeübung auf technisch hohem Niveau". Früher habe man in Handkes Namen "Einbäume zu Wasser gelassen und selige Stunden verbracht, da man nichts voneinander wusste. Jetzt wurde man an der Landstraße sitzengelassen. Kein schönes Erlebnis."

Handkes neues Stück sei über weite Strecken eine Art räsonierender Lebenssinn-Monolog, findet Hartmut Krug im Deutschlandfunk (28.2.2016). "Bei der Lektüre dieses 180 Seiten umfassenden Textes, der mit viel Redundanz und manchmal angestrengt poetischer Befindlichkeitsprosa dahinfließt, fällt es schwer, darin ein Theaterstück zu entdecken. Doch Regisseur Claus Peymann gelingt es sofort wunderbar, der Schwere und Bedeutsamkeit des Textes mit einer unaufgeregten Lockerheit zu schwungvollem Theaterleben zu verhelfen."

"Es bleibt ein merkwürdig naives und recht eindimensionales Bild, das Nell und Peymann vom Dichter entwerfen", befindet Anke Dürr auf Spiegel online (28.2.2016). Von der "Melancholie, die in Handkes selbstkritischem wie eitlem Stück zu spüren ist, von der Zerrissenheit eines autistischen Künstlers, der sich nach der Welt sehnt und sie doch nicht aushält", sehe man auf der Bühne "zu wenig".

Der Abend dauere lang genug, dass man sich an dem "wunderschönen Himmelszelt" des Bühnenbilds von Karl-Ernst Herrmann gründlich sattsehen könne, schreibt Barbara Villiger Heilig in der Neuen Zürcher Zeitung (29.2.2016). Handkes "eigenbrötlerischer Wut- und Weltbürger" wirke "vor allem weltfremd". Am Ende habe es "jubelnden Applaus" für die Aufführung gegeben. "Das muss nicht bedeuten, sie sei gelungen."

"Theater ist ja schon lange zum 3D-Dolby-Stereo-Multiplex-Gesamtsuperevent verkommen, viel Krach, viel Sex, viel Action, und selbst Shakespeare muss den letzten James-Bond-Film noch an sinnlicher Gesamtladung übertreffen", holt Joachim Lottmann in der Welt (29.2.2016) weit aus zu diesem Haken: "Peymann war der erste, der das vor vielen Jahren begriffen hat." Weiter über Peymann (zu seinen Zeiten als Burgtheater-Intendant 1986-99): "Er war das, was heute die Flüchtlingskrise ist, ein Spalter der Nation." Von ihm gelte als gesichert, "dass noch niemals ein Zuschauer seine Karte wegen Langeweile zurückgegeben hat". Peter Handke hingegen sei der "größtmögliche Langeweiler", so Lottmann. Handke wolle beschreiben, "und Peymann will sozusagen erzählen." Was passiert? Es sei im Endeffekt Hauptdarsteller Christopher Nell, "dieser zum Weinen zarte Mensch", der "allein auf seinen schmalen Schultern" das ganze Unternehmen trage. "Den ganzen monströsen Handkescheiß." Aber Lottmann ist doch am meisten beeindruckt von Peymann, der zum Schlussapplaus auf die Bühne kam, und "wie er jetzt agiert, Schauspieler küsst und herzt, seine Lieblinge hin- und herschiebt, mit einer völlig aberwitzigen Applaus-Choreografie überrascht, Gefühlsausbrüche provoziert, bei seiner Truppe und im Zuschauersaal, bis endlich alle aufstehen und durchdrehen: sagenhaft."

"Robust angepackt und um entscheidende Feinheiten gekürzt", diene Handkes Stück Peymann als Grundlage für ein "ziemlich aufgeblasenes, ziemlich obsoletes Theaterdonnerwetter", schreibt Christine Dössel in der Süddeutschen Zeitung (29.2.2016). Statt ihn "in seiner seltsamen Querständigkeit oszillieren und flirren zu lassen", gehe Peymann den Text, "der zugegebenermaßen als Drama kaum bestehen kann", mit dem Schutzhelm und dem Werkzeugkasten des vierschrötigen Theaterhaudegens an, so Dössel. Auch Peymanns "abgestandener Theaterzauber- und Märchenonkelhumor" schade der Unternehmung und sorge dafür, "dass der Text auf der Bühne plötzlich sehr viel verquaster erscheint als bei der Lektüre".

Barbara Villiger Heilig gibt in der Neuen Zürcher Zeitung (29.2.2016) zunächst einmal einen Stimmungsbericht aus Wien mit Flüchtlingen und Oberkellner, und reminisziert den Burgtheater-Skandal. "Alles beim Alten? Nein, aber unter Kontrolle." Karl-Ernst Herrmann habe für "seine zigste Zusammenarbeit" mit Peymann "ein wunderschönes Himmelszelt aufgezogen", darunter "sich das Poem entfaltet, in bedächtigem Rhythmus". Die Monologe, die Christopher Nell als Dichter-Alter-Ego hält, seien "Dialoge des Ichs mit dem Ich". "Spezialisten" erkennten darin "Handkes Poetologie". Alle anderen "warten auf die Handlung". Doch die gebe es nicht. Die Unschuldigen tauchen zwar auf, wie üblich bei Peymann-Herrmann "aus der Versenkung hinten", aber viel mehr, als dem "Geschimpfe des Protagonisten" standzuhalten und "ihre Ohren" ihren Handys zu leihen, hätten sie nicht zu tun. Trotz "schauspielerischer Glanzlichter" lange "Handkes eigenbrötlerischer Wut- und Weltbürger" nicht für einen ganzen Theaterabend.

"Nicht verabredet und doch vorhersehbar wurde am Premierenabend gefeiert: ein Fest für Peymann in frenetischem Jubel", schreibt Uwe Mattheis in der taz (1.3.2016). Die drei Stunden Handke davor müsse man sich "als verschlüsselte Offenbarung eines (poetischen) Pantheismus" vorstellen. "Nach der ersten Feierlaune" verblasse der Abend. "Die Theatermaschine ist trefflich in Schwung, aber ihr Welterfindungszauber, der einst das Sehen neu lehrte, ist eitel blass geworden", so Mattheis: "Und wieder einmal werden die alten Heroen kulturkritisch klagen, das Theater haben an 'Stellenwert verloren'. Aber vielleicht hat ihr Theater, das über mehr als eine Generation das Theater war, mittlerweile erstaunlich wenig zu sagen."

Claus Peymann werde in Wien mit allen paramilitärischen Ehren empfangen: "Jubel, glückliche Präsentation alter Wunden, schön war's damals!", schreibt Peter Kümmel in der Zeit (3.3.2016). Aber "die allgemeine Banalisierung, Verflachung, die die Inszenierung beklagt, vollzieht sie selbst: an diesem Stück, das sie so halb uraufführt". Nichts wirke inspiriert oder von spielerischem Überschuss getrieben. Karl-Ernst Herrmann, der große Bühnenerfinder, werfe uns nun bloß eine kahle, leere Kurve auf schiefer Ebene als Spielort hin. "Der Regisseur lässt darüber einen Trupp von Spitzweg-Buben und Kabarettkomparsen biedermeier-haft sich hinwegkräuseln – ein von Geburt an zusammengestauchtes, mut- und sprachloses Komfortgesindel." "Größtes Problem der Inszenierung: Es ist beim großzügigen Streichen von Text die Struktur des ganzen Stücks verloren gegangen."

 

Kommentare  
Die Unschuldigen, Wien: begeistert
Bekannte von mir waren drin und erschienen ganz und gar nicht genervt, sondern ziemlich begeistert.
Die Unschuldigen, Wien: Nachfrage
Liebe Redaktion, gab es keine Musik in der Produktion, oder wird das jetzt auf nachtkritik prinzipiell unterschlagen?

(Lieber / Lieber neugierig,
ähm nicht prinzipiell, eher aus Versehen.
Wir haben die "musikalische Mitarbeit" und die "Geräusche" schlicht vergessen. Und inzwischen nachgetragen. Wir erbitten Ihre Verzeihung und freuen uns über das aufmerksame Lesen.
Gruß
jnm)
Die Unschuldigen, Wien: nicht begeistert
#1: Ich kann hier jedwede Begeisterung ganz und gar nicht nachvollziehen und bin mit dieser Kritik sehr einverstanden. Noch mehr mit der von Herrn Pohl vom Standard...Ich hoffe, Herrn Handke, dessen Werk ich sehr verehre, ist es noch oft genug beschieden, in Wien aufgeführt zu werden, allerdings ohne Peymann am Steuer. Bitte!
Die Unschuldigen, Wien: in der Pause gegangen
Von mir waren auch Bekannte drin, die sind aber in der Pause gegangen.
Die Unschuldigen, Wien: Beifall nicht nachvollziehbar
Es gab tatsächlich keine Musik und es war ziemlich langatmig. Den großen Beifall v.a. für Peymann konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen, ich war tatsächlich auch ziemlich genervt und der erste Teil nach der Pause war noch das Beste.
Die Unschuldigen, Wien: Gesang und Kurzweil
# 4 Seltsam, daß Frau KARIN die Musik der Aufführung nicht gehört hat, nicht den Gesang der UNSCHULDIGEN, nicht den Gesang des ICH. Und was für sie langatmig war, empfand ich als kurzweilig, weil ich mich eingeladen fühlte, mitzugehen, mitzudenken. Die Begeisterung des Publikums ist mir sehr verständlich!
Die Unschuldigen, Wien: Eggert-Komposition
Moritz Eggert ist doch sogar ein Star der Neuen-Musik-Szene. Kann da nicht mal jemand mehr zu der Musik sagen?
Die Unschuldigen, Wien: Peymann polarisiert
Ich bin eine die findet, dass in einem Sprechstück der Musik keine vorrangige Rolle zukommen sollte, sondern das Wort alle Horizonte des Geschehens, der Stimmung, der Emotion zu öffnen hat.

Dies hat Peymanns Inszenierung in wunderschöner Weise getan. Was mir nach der Lektüre des Stückes unvorstellbar erschien, ist mit dem unglaublich facettenreichen, intelligent sprechenden und spielenden Christopher Nell und sicher Peymanns genauer Textregie so perfekt gelungen, dass ich aufsteigend gespannt ohne Ermattung auf die nächste „Seite des Ichs“ gewartet habe. Auch musste ich mich nicht – wie sonst manchmal im Theater fragen – ob ich schwerhörig geworden bin. Ich habe alles glasklar verstanden.

Dass die anderen Protagonisten ein wenig kürzer getreten haben, liegt schon in Handkes Text begründet.

Den Donner, die Lichtwechsel, das Summen und Zwitschern, die Farben, die Verspieltheit. Ich fand das wunderschön und nicht nervend. Sondern Sehnsucht erregend . Aber Geschmäcker sind verschieden und Peymann polarisiert Gott sei Dank noch immer.
Die Unschuldigen, Wien: ungläubige Lottmann-Nachfrage
ad Joachim Lottmann: "...den ganzen monströsen Handkescheiß." - Habe ich das wirklich gelesen?
Die Unschuldigen, Wien: peinliche Lottmann-Kritik
Vollkommen peinlich der Lottmann in der Welt. Aber wie sehr muss man in der Redaktion der Welt das Theater eigentlich hassen, wenn man Lottmann zu einer Handke Uraufführung schickt?
Die Unschuldigen, Wien: Teil des Gesamten
"Ich bin eine die findet, dass in einem Sprechstück der Musik keine vorrangige Rolle zukommen sollte, sondern das Wort alle Horizonte des Geschehens, der Stimmung, der Emotion zu öffnen hat."

Es ging ja auch nicht um "vorrangig", sondern darum sie wahrzunehmen und als Teil des Gesamten wahrzunehmen.
Die Unschuldigen,Wien: wer hören will
#11 Wer hören will, der konnte durchaus Musik in Handkes "Die Unschuldigen..." konkret hören!
Die Unschuldigen, Wien: Einwurf
#12
Ich denke doch Sie sahen, dass ich Frau Peschina zitierte und ihr dann widersprach?
Die Unschuldigen, Wien: ja
#13 JA! Verzeihung!
Die Unschuldigen..., Wien: Geschrei
Dieses ständige Geschrei. Hatte das dringende Bedürfnis, mich selbst zu verletzen (da ich nicht raus konnte). Bin in der Pause gegangen.
Die Unschuldigen …, Wien: zum Stück
Leider nicht bei der Auffuehrung dieses en gros grossartigen Stueckes, schreibe etwas laengeres darueber @ http://handke-drama.blogspot.com/2016/02/iv-of-innocent-comments-directors-take.html
Die Unschuldigen …, Wien: miserabel
Die Kritik von Herrn Lottmann in der "Welt" ist fast schon wohlwollend - das Stück + Inszenierung tatsächlich miserabel. Und das mit so tollen Schauspielern. Wirklich traurig.
Die Unschuldigen ..., Wien: Wie geht das?
#17 Werter Herr Theodor, bitte erklären Sie mir, wie das angehen kann: Stück und Inszenierung seien miserabel, aber die Schauspieler toll! Ich habe die Aufführung 3 x gesehen, weil es ein wunderbares Stück ist und die Inszenierung die Schauspieler "toll" spielen läßt!
Die Unschuldigen ..., Wien / Berlin: Christopher Nell
Christopher Nell ist immer dann besonders toll, wenn er in ein Ensemble eingebettet ist: Als prominentester Kopf des Trios „Muttis Kinder“ lädt er zu wunderschönen, das Publikum begeisternden Liederabenden an. Auch als „Hamlet“ hat er in Leander Haußmanns Inszenierung am Berliner Ensemble furiose Auftritte.

Bei der Berliner Premiere von Peter Handkes „Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte von der Landstraße“ steht er jedoch die erste halbe Stunde allein auf der düsteren Bühne: einsam und traumverloren.

(...)

Langatmig schleppen sich die Szenen dahin, die keinem kohärenten Spannungsbogen folgen, sondern assoziativ um die Hauptfigur kreisen.

Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2016/05/02/premieren-kritik-die-unschuldigen-ich-und-die-unbekannte-an-der-landstrasse/
Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte ..., Berlin: Godot kommt nicht mehr
Peymann nimmt in seiner Inszenierung das Grundmotiv der Ambivalenz auf und missversteht es als Unentschiedenheit, als Haltungslosigkeit, als die Beliebigkkeit des Anything Goes. Das fängt beim “Ich” an: Die Unterscheidung der beiden Ich-Versionen gibt er schnell auf. Christoph Nell gibt beide als eine Figur, versucht gar psychologische Nachvollziehbarkeit, was angesichts der Vorlage nicht zu schaffen ist. Die abstrakte Ich-Trennung hebt er auf, was seine Leistung nicht schmälern soll: Sein irisierendes, flackerndes Spiel der Möglichkeiten, sein zitterndes Wandern zwischen Hoffnung und Angst, seine Gleichzeitigkeit von Sehnen nach Zwischenmenschlichkeit und schroffem Einsamkeitverlangen sind beeindruckend und tragen den Abend über so manche Längen. Den Text erhellen kann er nicht. Dass etwa unter den “Unschuldigen” ein Doppelgänger des Ich ist, er sich also in der Gesellschaft wiederfindet, geht komplett unter.

Peymann verpasst dem Text einen clownesken Grundton, der ihn ironisiert und wenig übrig lässt. Zumal er nichts auswählt, sich auf keines der vielen Themen fokussiert. So bleibt alles halbverschwommen, wie von weitem betrachtet durch ein nicht scharf gestelltes Fernglas. Statt auf Prosperos Insel – der Bezug ist im Text vorgegeben – verortet Peymann “Ich” in einem beckettschen Nirgendwo und stellt gegen ende seinem Vladimir-Wiedergänger einen Estragon in Form von Martin Schwab Anführer der “Unschuldigen an die Seite, was Schwabs Rolle zum Einsturz bringt und die Zitathaftigkeit des Textes de-instrumentalisiert. Hier wird zitiert, aber es gibt keinen Bedeutungsrahmen mehr, innerhalb dessen das geschehen könnte. Peymann mag das Plakative, insbesondere, wenn es um die Unschuldigen geht. Als weißgekleidete Zeitlupennachtwanderer sind sie die Ge3scheiterten, die Toten und Opfer vergangener Illusionen. Als buntgekleidete Handytelefonierern stehen sie für die sinnentleerte Gegenwart, als schlotternde Prozession in Schwarz kommen sie als Flüchtlingszug daher. Welch ein Material für eine Meditation über die Ambivalenz unserer Welt, doch hier bleibt es zweidimensionales Puppenhandwerk.

Karl-Ernst Herrmanns Bühne bebildert das Ungefähre perfekt. Zwei geschwungene Linien deuten die Landstraße an, Lichteffekte schälen sie eindrücklich heraus und lassen sie am Ende wieder verschwinden. Ansonsten ist die weiße Schräge offen für alles und akzentuiert doch nur ihre Leere, weil Peymann sie nicht füllt. Wo der Zuschauer vor der Pause zumindest noch versuchen kann, den Text nach seinen Brüchen, seinen offenen Enden, seinen Richtungsvorschlägen zu befragen, zerfällt der Abend anschließend komplett. Das Spiel wird weitgehend abstrakt, die Textfetzen bleiben rätselhaft und machen doch nicht mehr neugierig auf ihren Gehalt. Prospero ist gegangen, Caliban ist tot und Godot kommt nicht mehr. Nur wir, die Zuschauer, sind noch da? Warum? Vielleicht um dem exzellenten Ensemble zu applaudieren. Neben Nell und Schwab sind hier vor allem die unwirkliche Feenhaftigkeit der Unbekannten Meret Beckers (die die Rolle von Regina Fritsch, die sie in Wien gespielt hat, übernimmt) und die karikatureske Schärfe der personifizierten repressiven Gesellschaft zu nennen, die Maria Happel ihrer “Unschuldigen”-Anführerin verleiht. Für drei Stunden ist das dann aber doch etwas wenig.

Komplette Rezension: https://stagescreen.wordpress.com/2016/05/03/die-leere-der-landstrase/
Die Unschuldigen..., Berlin: zähes Zeug
Ein hartes Stück Arbeit für das erstklassige Ensemble wie für die Zuschauer. Kein roter Faden, keine Geschichte, der ein oder andere Aha und Knalleffekt, ein bißchen "Die Stunde ...". Handkeeintopf. Definitiv zu wenig. Zähes Zeug.
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