Theater heißt Warten?

von Sabine Leucht

München, 18. Juni 2016. "Ja glauben Sie denn, dass das die Menschen in Deutschland interessiert? Irgendwas mit einer syrischen Königin und alten Steinen?" Spätestens der betont herablassende Ton dieser Frage und die rüde Art, wie Moderator Peter Arun Pfaff danach den Gesprächsfaden zerreißt, legen den Schalter auf Theater um: Bislang sah es so aus, als würde man an den Münchner Kammerspielen einer Diskussion über die antike Stadt Palmyra und die Zerstörungskultur des IS beiwohnen, zu dem das transkulturell engagierte Netzwerk "Göthe Protokoll" den (Post-)Migrations-Soziologen und Autor Erol Yildiz, die Archäologin und Syrienspezialistin Adelheid Otto und eine deutsch-syrische Regisseurin geladen hat, die hier am Haus eine Arbeit über Zenobia, die antike Herrscherin Palmyras, vorbereitet.

Wer allerdings die Schauspielerin Berivan Kaya kennt, kam bei der Vorstellung dieser Regisseurin als "Samira al Baharat" bereits ins Stutzen – und noch mehr bei den betont nervösen Blicken, mit denen diese die Bühnen- und Saalumgebung wie Feindesland absuchte. Nach ihrem Dramaturgen, der noch nicht da sei, sagt sie schließlich. Und nach dem Schauspieler, den sie für die Rolle der Zenobia casten will. Und das müsse schon irgendwie Platz inmitten dieser Diskussion finden, denn man sei für ein Rechercheprojekt engagiert worden, und da wisse man bislang nur, dass das etwas mit ganz wenig Geld und Ressourcen sei, daher müsse man enorm effektiv sein.

Fokus auf Münchner Arbeitsbedingungen statt auf Syrien

Was jetzt wohl jemand denkt, zu dem nicht vorab bereits durchgedrungen ist, dass heute Abend auch Frust abgelassen werden soll über die Art, wie die Kammerspiele unter Matthias Lilienthal mit den Menschen und Produktionen der freien Szene umgehen, die sie in ihrer ersten Spielzeit zuhauf in Kooperationen einbinden und in unzähligen Nebenprogrammschienen, Gastspiel-, Gesprächs- oder Sonstwas-Reihen präsentieren oder irgendwie mitmischen lassen?

Palmyra2 560 x uIntervention mit Elefantenkopf © (von der Bühne aus geschossen) Berivan Kaya

Diese Reihe hier heißt "The Rest and the West", wird von Mitgliedern des "Göthe Protokolls" veranstaltet und ist im April mit einem Gastspiel von Transit@Stuttgart gestartet: Emre Akals Stück "Ostwind" entwarf ein Panoptikum europäischer Zuwandererbiografien, von Gedemütigten und Überangepassten, Klofrauen und Wutbürgern in spe, die Berivan Kaya und Ismail Deniz nicht als Opfer, sondern als Anpassungskünstler, Selbstbildpfleger und Glücksjäger zeigten, die sich zwar selbst belügen (und darum wissen), aber dennoch an die Zukunft glauben.

Ein Dramaturg basht seine eigene Einladung

"Das ist pralles Theater: Lustig, aber niemals lächerlich; derb, poetisch und wahr", schrieb ich damals in der SZ. Und diese Meinung muss man nicht teilen, um zu wissen, dass es kein guter Stil ist, als einladendes Haus seine Gäste zu beschimpfen. Das hat der reale, mit der Gastspielbetreuung beauftragte Dramaturg der Kammerspiele damals laut Auskunft des "Göthe-Protokolls" getan. Und sein endlich auf der Bühne erschienenes Double tut es ihm nun nach: "Das war das schlechteste, was ich jemals erlebt habe", eifert und geifert er in die "Palmyra"-Diskussion hinein und verlässt türenknallend die Kammer 3.

Palmyra1 560 x uSyrische Regierungstruppen, die Anfang des Jahres in Palmyra einmarschieren, nachdem sie den
Daesch vertrieben haben © Bernd Wiedemann für Göthe Protokoll

Diesmal allerdings muss man ihm leider beipflichten, denn was den launigen Auslassungen von Yildiz über die abzuschaffenden Begriffe "Identität" ("Eine westliche Erfindung. In anderen Ländern hat man andere Probleme"), "Authentizität" und "Integration" und Adelheid Ottos wirklich kundigen Einsichten unter anderem in die Doppelrolle Palmyras als griechisch-römische Kulturruine (für den IS) und vermeintliches Symbol syrischer Identität (für den Westen) immer wieder pausenclownhaft in die Kandare fährt, ist schlimmstes Schmierentheater und dem Thema wie der Qualität der geladenen Gesprächspartner gänzlich unangemessen: Da kommt ein Schauspieler als lebendes Orient-Klischee auf die Bühne und greint mit dem Rücken zum Publikum Sätze wie "Ich bin nicht Trümmerfrau, aber ihr seid ruiniert". Später – nämlicher Schauspieler sitzt inzwischen mit einem Blick mit in der Runde, als müsse er dringend aufs Klo, oder drängt sich mit einer Elefantenmaske profilneurotisch in den Mittelpunkt – taucht zwischen lauter Totenschädeln ein "kulturbringender" Römer mit Hitlerstimme auf, von dem die "Regisseurin" vermeintlich nichts weiß.

Vernachlässigte Sorgfaltspflicht?

Offenbar soll die Peinlichkeit dieser Darbietungen darauf hinweisen, dass an einem Haus, an dem die Eingeladenen neben dem für Freie naturgemäß selbstverständlichen Übermaß an Neugier und Zeit auch noch eigenes Geld mitbringen müssen und nicht einmal ein Probenraum zur Verfügung steht, eben nichts Besseres zu machen ist. Statt dessen schießt sich das Theater hier selbst ins Bein und desavouiert sich als unablässig um die eigene Befindlichkeit kreisende Kunstform, die in dieser Form wirklich keiner braucht.

Was umso ärgerlicher ist, wenn es denn stimmt, dass Lilienthals Kammerspiele eine derart wahllose Einladungspolitik verfolgen, die Eingeladenen nicht ausreichend betreuen ("Ist denn jemand von der Bühne da? Nein? Kann vielleicht jemand aus dem Publikum helfen?") und mit Floskeln wie "Wer am Theater arbeitet, muss lernen zu warten!" abspeisen. Denn darüber wäre wirklich ernsthaft zu diskutieren. Es müsste dann um die Sorgfaltspflicht gehen, die bei einem derart unübersichtlichen Spielplan vor argen Herausforderungen stehen dürfte. Um die schon rund um die "Shabbyshabby Apartments" ruchbar gewordene, als Gönnerhaftigkeit getarnte Arroganz – aber auch um strukturelle Unterschiede zwischen freier und Stadttheater-Szene, die sich auf Dauer nicht ignorieren lassen.

The Rest and the West: Palmyra, eine Recherche
von Göthe Protokoll/Pico Be, Tuncay Acar, Berivan Kaya, Peter Arun Pfaff, Peter Schultze
Mit: Erol Yildiz (Autor, Sozialwissenschaftler), Prof. Dr. Adelheid Otto (Archäologin, Syrienspezialistin), Samira al Baharat (syrischstämmige Regisseurin), Christian Kaya.

www.muenchner-kammerspiele.de

 

Mehr über Matthias Lilienthals erste Spielzeit an den Münchner Kammerspielen in unserem Podcast vom 27. April 2016.

Hier unser Bericht über die – wegen der Arbeitsbedingungen für die Künstler*innen – umstrittene Eröffnungsinszenierung "ShabbyShabby Apartments" mit ausführlicher Presseschau und großer Kommentardiskussion

Alle Nachtkritiken zu Premieren an den Münchner Kammerspielen gibt's hier.

 

Kritikenrundschau

"Wenn kleine Gruppen in einem großen Haus so lässig missachtet nebenher mitlaufen dürfen, ist niemandem damit geholfen", findet Petra Hallmayer in der Süddeutschen Zeitung (22.6.2016). Dass Berivan Kaya, Tuncay Acar und Peter Arun Pfaff dies nicht stillschweigend hinnehmen wollten, sei mutig und richtig. Doch "der Versuch, in eine spannende Debatte über die Zerstörung von Kulturstätten durch den IS satirische Intermezzi über theaterinterne Probleme einzubauen, misslang kläglich", wirkte störend und deplatziert. "Da verpufft jede Kritik. Dabei wäre eine Diskussion über den künstlerischen und menschlichen Umgang der Kammerspiele mit freien Gruppen durchaus geboten."

mehr debatten

Kommentare  
Göthe Protokoll gg. Münchner Kammerspiele: Wunsch nach gründlicherer Berichterstattung
Hier offenbart sich m.E. eine Schwäche von Nachtkritik.de, einem der wichtigsten Medienorgane zum Thema Theater im deutschsprachigen Raum, das sich aber allzusehr darauf beschränkt, mit Kritiken vereinzelte Schlaglichter auf das künstlerische Wirken an einzelnen Häusern zu werfen und die größeren, umfassenderen Diskurse lediglich zu referieren, indem man Presseschauen zusammenkopiert. Ich würde mir von Nachtkritik - z.B. in der Frage des Umgangs der Münchener Kammerspiele mit der freien Szene - mehr recherchierten, kritischen, fundierten Journalismus wünschen. Das wäre m.E. der logische, nächste Schritt, angesichts der Bedeutung, die Nachtkritik.de in den letzten Jahren erlangt hat. Im Ausgleich würde ich gerne auf die ein oder andere Nachtkritik-Kolumne verzichten, die aus meiner Sicht doch mehr der Selbstdarstellung der Autoren als der Wissensvermehrung der Leser dient - zumal Meinungen in den Kolumnen (auch naturgemäß) wesentlich mehr im Vordergrund stehen als harte Fakten. Ich verstehe schon, dass es mehr Spaß macht, Stücke anzuschauen und zu beschreiben und Meinungsstücke zu schreiben (oder Podcasts aufzunehmen), als Reportagen zu schreiben und v.a. erst einmal zu recherchieren - trotzdem sollte letzteres das Rückgrat von Journalismus sein!

(Liebe*r Christoph, danke für Ihre Kritik – allerdings ist doch gerade der Beitrag, unter dem Sie kommentieren, ein Beispiel dafür, dass wir nicht nur "Presseschauen zusammenkopieren", sondern selber hingucken – oder?? Herzliche Grüße aus der Redaktion, Sophie Diesselhorst)
Göthe Protokoll gg. Münchner Kammerspiele: nicht gründlich genug
Liebe Frau Diesselhorst, gerade eben nicht, denn auch hier wird wieder eine Inszenierung beschrieben und da diese offenbar die Praktiken der Kammerspiele thematisiert, geht der Kritiker darauf ein, ohne dass eine klare Trennlinie erkennbar wäre, wo er sich nun auf Fiktionalisierung und wo auf reale Tatbestände bezieht, wie die entsprechenden Praktiken der Kammerspiele im einzelnen aussehen, Zahlen, Fakten, was die Theaterverntwortlichen und Vertreter freier Gruppen dazu sagen - ein umfassendes, ausgewogenes Bild entsteht so nicht. Herzliche Grüße!
The Rest and the West, München: an die Grenzen gestoßen
Werter Christoph,
mokieren Sie sich doch bitte nicht. Nachtkritik arbeitet hier journalistisch einwandfrei. Es ist nicht die Aufgabe einer Kritik, nur um ein Ganzes bewerten zu dürfen, daraus einen Essay machen zu müssen, in dem vom Torwarteinwurf, über das Spiel im Mittelraum bis zur Flanke und Premiere alles, alles ausgeleuchtet wird.
Und keiner hat gesagt, dass Kritik gerecht sein muss. Sie ist es nie.
Sie kann es nicht sein. Nie. Und vor allem darf sie es nie sein.
Wir Theaterleute sollten uns mal Gedanken darüber machen, warum wir immer so (...) beleidigt reagieren, wenn eine Kritik eine Kritik ist. Ich verfolge das hier seit Monaten, dass die Aufpasser der Theater sofort in die nachtkritiken reingrätschen, die nicht gut waren. Aber das ist doch irrational. Nachtkritik ist inzwischen das deutsche Leitmedium der Theaterkritik geworden (ja, tut mir leid Leute von der FAZ, SZ, TheaterHeute, etc. pp), und die Leute, die das ehrenamtlich machen, machen das phantastisch. Und die Kolumnen sind auch klasse. und wenn mal was daneben geht, dann ist das o.k., dann haben wir alle genug Raum uns auszubreiten.

Nun aber zu den Kammerspielen. Wer A sagt muss auch B sagen. Das Amalgam aus Stadttheaterstrukturen und Freier Attitude das an den KS gepflegt wird, muss zum knirschen führen. Und dank sei Göthe Protokoll, dass das jetzt mal ans Tageslicht kommt. Dass ML hier an seine Grenzen gestoßen ist, mehrfach, liegt daran, dass er die Strukturen nicht reformiert hat, und - mehrfach inzwischen - dabei erwischt worden ist, über die Trägheit des Betriebes zu maulen, anstatt ihn etwas flotter zu machen.
Ich mag die KS, ich mag ML, weiter gehts. Es ging mir eigentlich nur darum, nk in Schutz zu nehmen. Schönen Sonntag, liebe Kolleg*innen.
The Rest and the West, München: Information und Inspiration mitgenommen
Die Kritik von S. Leucht betrachte ich als unangemessen und oberflächlich, und zwar gerade unter dem Aspekt der, von ihr herausgegriffenen, Kritk an den Produktionsbedingungen, die offenbar bestanden! Vielleicht ist es viel gewesen, gleichzeitig ein sehr tiefgehendes Thema, die Verbindung der europäischen Kultur, ihre Wurzeln, wie Frau Prof. A. Otto deutlich gemacht hat, und ihr Umgang hiermit, mit Kritk an den Produktionsbedingungen zu verknüpfen. Das Format, eine, ja, szenisch-atmosphärische Aufarbeitung dieser schwierigen und, wie doch deutlich dargestellt wurde, hoch emotionalen Thematik braucht es sehr wohl! Die Verknüpfung von Wissenschaft, gesellschaftlich-sozialer Fragestellungen und künstlerischer Aufarbeitung, plus, auch noch einem Disskussionsangebot, halte ich für neu! Und in dieser Form unbedingt wichtig!! Den "Auslassungen" von Frau Leucht folgend, würde ich denken, sie hat, auch Herrn Prof. Yildiz, nicht die Zeit und den Raum gegeben, anzukommen, nach zu wirken und das "dazwischen" überhört! Bei der Schwierigkeit der Thematik, verbunden mit den wohl bestehenden Produktionsbedingungen, habe ich sehr viel Information und Inspiration mitgenommen. An ihrer Bemerkung über die (Doppel)Rolle Palmyras als "vermeintliches Symbol syrischer Identität (für den Westen)" erkennt man, dass sie die Grundthematik/Problematik leider gar nicht verstanden hat!
Göthe Protokoll gg. Münchner Kammerspiele: Tuncay Acar von Göthe Protokoll
Hello allerseits
Ich melde mich als einer der Initiatoren von Göthe Protokoll. Ich finde, man sollte sich hier mal über Inhalte unterhalten und sich nicht künstlich über die Arbeit von Nachtkritik echauffieren.
Die Kammerspiele drohen mit ihrer Arbeit in eine gewissen Oberflächlichkeit zu verfallen. Zumindest schien es uns so. Wir wollten kooperieren und kommunizieren.

Die Kammer wollte uns billig einkaufen und verwursten. Damit geht mein Vorwurf nicht an all die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dort jeden Tag zuverlässig und mit Hingabe ihrer Arbeit nachgehen, sondern mein Einwand ist direkt an die Intendanz gerichtet.

Es fehlt an aufrichtigem Interesse, an der Bereitschaft gemeinsam Inhalte zu schaffen. Wir hatten zu keiner Zeit das Gefühl, dass wir in diesem Kontext wirklich von Interesse sind. All die Zitate des von Peter Schultze auf der Bühne als Dramaturg dargestellten Charakters sind "echte Zitate". Die Absage, die er am Ende verlesen hat ist aus einer reellen Email von Matthias Lilienthal entnommen.

Den Namen des reellen Dramaturgen will ich jetzt hier nicht breit treten, auch weil wir dem Mann mit dem selben Desinteresse mitlerweile gegenüberstehen, das er uns gegenüber demonstrativ zu erkennen gegeben hat.

Wir haben uns nur gefragt: Warum befinden wir uns eigentlich in dieser Kooperation, wenn kein wahres Interesse an unserer Arbeit besteht. Nie war jemand vom Haus aus eigenen Stücken mal bei unseren Aufführungen. Nur am zweiten Abend war die Intendanz und die Dramaturgie fast vollzählig anwesend, nachdem ich mit einer recht deutlichen Mail meinen Unmut geäussert hatte.

Wenn diese Menschen nur kommen, um missmütig im Zuschauerraum zu sitzen und keinerlei konstruktive Kommentare zu äussern, dann heisst das, dass sie eigentlich nur gekommen sind, aus einem gewissen Pflichtgefühl heraus und weil man ihnen auf die Füsse gestiegen ist.
Und das ist doch erbärmlich, oder?

Man wollte eben nur das Label. Die Inhalte interessieren weder Matthias Lilienthal noch seinen Herrn Drmaturgen. Ausserdem sind alle hochbezahlt und ständig überfordert in dem Laden. Aber in der Kantine wird dann EM geschaut!

Also ich frag mich schon, wie weit das noch geht mit der ganzen Shabby Shabby Attitüde?

Ich kann nur sagen: Willkommenscafe ist schon eine feine Sache, aber man sollte sich auch mal über die Zeit nach dem Willkommen Gedanken machen, sonst habt ihr nach 5 Jahren dieselbe Situation mit den jetzigen Geflüchteten, wie jetzt mit uns in der Post-Bunny-Hill-Ära!

An dieser Stelle möchten wir uns noch recht herzlich bei der Maria-Wimmer-Stiftung bedanken, in deren Vorstand sich auch Dieter Dohrn und Jürgen Ŕose befinden. Insbesondere geht unser Dank an die Vorstandsvorsitzende Ursula Utecht-Brunner. Ohne die Unterstützung der Stiftung wäre überhaupt nichts möglich gewesen. Sie hat den Großteil der Kosten übernommen, denn das Budget der Kammerspiele war mehr als bescheiden.
Göthe Protokoll gg. Münchner Kammerspiele: Reaktionen von Kammerspiele-Leitung?
Spannend.
Gibt es Reaktionen seitens der Leitung der Kammerspiele? Oder wird das alles weggeachselzuckt?
Christoph, ##1und2, ist zuzustimmen, dass eine umfassendere Aufarbeitung der Thematik durch Nachtkritik erfreulich wäre (was aber natürlich nicht in eine Kritik eines Theaterabends passt).
Göthe Protokoll gg. Münchner Kammerspiele: zur Klärung/die Autorin
Nur zur Klärung: Dies ist KEINE Kritik eines Theaterabends, sondern lediglich eine Reaktion darauf, wie hier im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung zu einem tatsächlich wichtigen Thema Kritik an bestehenden Produktionsverhältnissen geübt wird. Dazu muss ich die Art und Weise beschreiben, in der diese Kritik vorgebracht wurde und auch die Kritikpunkte nennen. Dem Thema Palmyra werde ich dabei zugegebenermaßen überhaupt nicht gerecht (und mache damit denselben Fehler wie die theatrale Intervention, die ich beschreibe). Und ebenso wenig kann ein solcher als spontane Reaktion auf ein Ereignis geschriebener Debattentext die dort gemachten Angaben überprüfen, sondern nur Fragen stellen, die sich für den Autor aus dem Gesehenen ergeben. Jedenfalls habe ich meinen Auftrag so aufgefasst. Gleichwohl heißt das nicht, dass man hier stehenbleiben müsste.
Göthe Protokoll gg. Münchner Kammerspiele: Wegachselzucken
@Bluebard: Wegachselzucken ist der richtige Begriff.
Göthe Protokoll gg. Münchner Kammerspiele: aufgebauscht
Für mich wirkt das Ganze enorm aufgebauscht von Seiten Tuncay Acars, nach gekränkter Eitelkeit - und doch irgendwie: bashing... - da bekommt man mal Kritik von der Theaterleitung und "nur am zweiten Abend war die Intendanz und die Dramaturgie fast vollzählig anwesend" - ist doch super! open up!
The Rest and the West, München: angemessene Voraussetzungen schaffen
Lieber/liebe d.e.

Von Eitelkeit kann genausowenig die Rede sein, wie von negativer Kritik von der Theaterleitung. Das bei der zweiten Vorstellung alle erschienen sind, hatte wohl eher mit einer berechtigten Kritik unsererseits zu tun, die wir zuvor deutlich gegenüber der Intendanz geäussert hatten.

Daraufhin saßen sie dann griesgrämig in der zweiten Vorstellung. Spätestens da hätte es zum Dialog kommen können. Aber unsere Vermutung, das es einfach an aufrichtigem Interesse fehlt, hat sich auch da bestätigt: Keine Nachfrage, kein Dialogansatz, keine konstruktive Kritik. Sie waren einfach nur beleidigt. "Das" ist gekränkte Eitelkeit!

Wir haben ein fertiges Stück von Emre Akal lediglich auf die Bühne der Kammer geholt und es war durchaus erfolgreich. Es ist das 2. Stück eines jungen Autoren und Regisseurs aus unserem Umfeld und es gab gute Presseresonanzen.

Über ausführliche inhaltliche Kritik von Seiten des Hauses würde Emre Akal, der Autor des Stückes, sich hingegen immer noch aufrichtig freuen.

Es geht hier eher um die Kommunikationsunfähigkeit und Interessenlosigkeit der Intendanz und von Teilen der Dramaturgie an einer Kooperation mit Götheprotokoll. Wir haben uns nicht aufgedrängt. Wir wurden von Lilienthal eingeladen, etwas an der Kammer zu machen.

Es klang tatsächlich nach: Kammerspiele Opens Up! Aber irgendwie ist es bei der Oberfläche geblieben.

Wir hingegen haben das finanziell miserable Angebot vom Intendanten angenommen, weil wir wirklich aufrichtig kooperieren wollten und nicht lange um Geld diskutieren. Deswegen haben wir uns eigenständig um eine zusätzliche Förderung bei der Maria-Wimmer-Stiftung bemüht.

In der Folge hat man dann nicht mehr richtig mit uns kommuniziert. Es ging nur noch um funktionale Abläufe und überhaupt nicht mehr um Inhalte. Das ungehobelte Verhalten eines bestimmten Dramaturgen, dessen Namen ich hier nicht nennen will, hat dann endgültig den Vogel abgeschossen und wir haben gemerkt, man will uns anscheinend nur als Programmfüller benutzen. Das Label Göthe Protokoll klingt ja auch nicht uninteressant! Und wir dachten uns: Wenn schon Programmfüller, dann richtig!

Wir haben uns das alles nicht einfach so gefallen lassen, sondern frech den Mund auf gemacht, obwohl wir im Grunde eigentlich überhaupt gar keine Lust darauf hatten. Aber es gibt so Momente, da musst du dich entscheiden: entweder du hälst den Mund und lässt es passieren, oder du äusserst dich, auch auf die Gefahr, dass du dann im Off landest.

Aber das nehmen wir gerne in kauf. Denn die Diskurse und Problemdiskussionen hängen uns allmählich zum Halse raus. Wir wollen einfach nur unter angemessenen Voraussetzungen Kunst machen und nicht die Probleme der deutschen Kulturlandschaft widerkäuen. Deswegen verweigern wir uns jeglicher Bringschuld gegenüber, solange diese Grundvoraussetzungen nicht gegeben sind.

Ausserdem sind wir ja nicht die einzigen, die eine Meinung haben. Ich würde mich über mehr Meldungen hier freuen!

Also das Argument mit der Eitelkeit ist zu billig lieber/liebe d.e.!

;)

Auf Wiedersehen...
The Rest and the West, München: nicht Amen sagen
Super Aktion! Hat mir viel Spaß gemacht de Abend. Ich sehe hier viel weniger gekränkte Eitelkeit, als mutige Künstler die nicht ja und amen sagen und nicht zusammenknocken vor dem Verhalten des vorhandenen Systems. Super Sache!!
The Rest and the West, München: Stellvertreter-Opferrolle
Ich muss mich Frau oder Herrn "d.e." anschließen - auch wenn ich damit nicht den Protest-Konsens treffe. Mein Eindruck: Ich fand die Aufführung wirklich schlecht. Es gab da diesen Moment als das Happening interessant wurde: hier wird mal endlich (- da stimme ich Herrn Acar zu -) die Diskurs und Problemdiskussionsvöllerei mit der sich so viele Theater schmücken ausgehebelt. Aber was kam dann??? Es ging noch schlimmer: Ich habe schlussendlich eine Performance-Gruppe gesehen, die sich (aus Mangel an hausinterner Aufmerksamkeit ?) in einer vermeintlichen Stellvertreter-Opferrolle zelebriert hat. Das kann ich überhaupt nicht ernst nehmen - schade. Das hätte gut werden können, wenn man den Bogen zu einer ernsthaften Palmyra-Recherche (zurück...)gefunden hätte.
The Rest and the West, München: zur Sache
Das ist wirklich eine Schlacht mit den Pseudonymen hier!

Eigentlich diskutiere ich in solchem Rahmen nur mit Leuten, die auch den Mumm haben unter ihrem regulären Namen zu kommentieren, aber anscheinend traut sich das hier keiner! Bisher bin ich der einzige wohl?

Ich bin offen und ehrlich. Das mir das als Eitelkeit ausgelegt wird, bin ich gewöhnt. Stört mich nicht im geringsten.

Aber jetzt mal zur Sache, und zwar gaaaaanz nüchtern: eine anständige Recherche für ein Theaterstück duchzuführen, kostet richtig Geld liebe Damen und Herren. Dazu reicht auch die Extrafinanzierung von der Maria-Wimmer-Stitung nicht, die wir selber aquiriert haben. Insofern war die ganze Angelegenheit von Anfang an eine Shabby Shabby Farce. Dafür können Sie sich bei der Intendanz bedanken. Oder aber: wenn Sie - herr phil - so sehr Interesse daran haben, können Sie es ja finanzieren?

Ausserdem: Wenn man das ernsthaft macht, dann natürlich nur, wenn es eine halbwegs realistische Aussicht darauf gibt, dass das Stück auch auf die Bühne kommt. Wozu soll ich sonst recherchieren? Nur um zu zeigen, dass ich das kann?

Also rechnen wir das ganze mal zusammen:
Schlechte Bezahlung + keine Probemöglichkeiten + miese Behandlung und fehlender Kommunikationswille + eh keine Aussicht auf weitere Kooperation und Aufführung des Stückes, für das recherchiert wird = SCHLECHTER WITZ.

Wir haben uns zumindest Mühe gegeben aus dem schlechten einen guten zu machen. Mehr braucht man von uns nicht zu erwarten. Sehen wir gar nicht ein! Das Bedürfnis,die Missstände an diesem Haus offenzulegen hat deswegen schlussendlich überwogen. Es blieb uns also gar nichts anderes übrig, als unsere eigene Veranstaltung zu kapern.

Wir haben auf der Bühne Zitate vom Intendanten und einem seiner Mitarbeiter präsentiert. So wurden diese auch uns gegenüber geäußert. Das sind teilweise richtige Unverschämtheiten. Wenn Sie jetzt sagen, wir sind Opfer geworden, dann ist das ihre Einschätzung und mit der werden Sie wohl recht haben. Inszeniert ist das ganze "leider" nicht - es ist bittere Realität.

Wir haben auf unsere Art reagiert. Kann sein, dass ihnen das nicht gefallen hat. Uns hat auch einiges nicht gefallen und wir finden es gut, das offenzulegen. Dafür ist Theater unserer Meinung nach unter anderem auch da! Wenn man hier darüber diskutiert, dann ist das schon einmal ein Erfolg.

Es ist auch gut für das Haus, glauben Sie es mir.

Zumindest ist es besser, als zu schweigen, alles zu ertragen und mit zuspielen. Das machen eh schon alle. Wir machen das eben nicht. Man sollte lernen damit klar zu kommen, dass es auch in München solche Menschen gibt.
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