Presseschau vom 15. September 2016 – Die Zeitungen über die Kritik von BE-Intendant Claus Peymann an der Berliner Kulturpolitik und seinem Nachfolger

Bizarre Unterstellungen

Bizarre Unterstellungen

15. September 2016. Die Zeitungen setzen sich heute mit der Kritik Claus Peymanns, zum Spielzeitende scheidender Intendant am Berliner Ensemble, an der Berliner Kulturpolitik und seinem Nachfolger auseinander. "Die Forderung des Betriebsrates, das Land Berlin solle für die Entlassenen einen Sozialplan finanzieren, ist nachvollziehbar, Peymanns Attacken sind es nicht", meint zum Beispiel Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung. Reese wiederlege zudem dessen Zahlen. "Zwei BE-Schauspielern hat Reese nach eigener Auskunft Festengagements angeboten."

Andere Mitarbeiter schieden zu Reeses Bedauern freiwillig aus, "etwa zwei Souffleusen, die den Beruf nicht länger ausüben wollen". Reese werde fast die gesamte Technik-Mannschaft übernehmen. "Ihm eine feindliche Übernahme zu unterstellen ist bizarr." Ähnliches gilt für das BE-Archiv, das Reese laut Peymann entsorgen wolle. "Dieses Archiv ist mir sehr wichtig, wie mir die Geschichte dieses Hauses wichtig ist", zitiert die SZ Reese, der überlegt, es dem Brecht-Archiv zur professionellen Verwaltung zu übergeben.

"Dass Reese wegen der bisherigen, von Peymann verantworteten Vertragsform niemandem kündigen muss, sondern die Verträge auslaufen lassen kann, findet Peymann empörend, ja zynisch", berichtet Patrick Wildermann im Tagesspiegel. "Reese habe vielleicht das Recht auf seiner Seite, nicht aber die Moral. Auf die Frage, ob er die Folgen des GmbH-Modells denn nicht hätte absehen können, entgegnet der Intendant: 'Ich war naiv'". Er selbst habe bei seinen Wechseln nach Stuttgart, Bochum oder Wien nie vergleichbar gehandelt, behauptet er, berichtet Wildermann. "Ob das der Einzelfallüberprüfung standhielte?"

Dass Peymanns Behauptung einer Überprüfgung nicht standhält, beweist ein Zitat, dass User "Krokodilstränen" im Kommentarthread unter der Peymann-Meldung gepostet hat. Demnach berichtete die Zeit 1979:  "Claus Peymann, vom nächsten Herbst an Intendant in Bochum, hat nach eigener Zählung 30, nach Zählung der Gewerkschaft 44 Mitgliedern des Hauses gekündigt – ein Kampf um Zahlen, der nach allen Regeln der Rabulistik ausgefochten wird."

Entsprechend besteht Dirk Pilz in der Frankfurter Rundschau / Berliner Zeitung darauf, dass Peymann seine Schauspieler und künstlerischen Mitarbeiter selbst erst die prekäre Lage gebracht hat, die er nun an- und beklagt. "Das BE war, auf Peymanns ausdrücklichen Wunsch, nie im Bühnenverein und verzichtete damit auf jeden tarifrechtlichen Schutz für die künstlerischen Mitarbeiter." So habe das BE Gewinne erwirtschaften können, die in große Produktionen flossen. Möglicherweise sei seine Naivität ein Fehler, sagte Peymann. "Das war es. Es bleibt ihm nichts mehr, als den Senat um finanzielle Aushilfe für einen Sozialplan und die Presse um Hilfe zu bitten."

Matthias Heine in der Welt (15.9.2016) interessiert sich hingegen mehr für die Pointen und Spitzen Peymanns. Außer Klaus Lederer von der Linkspartei interessiere sich kein Politiker in Berlin für Kultur, zitiert er den Noch-Intendanten: "In Wien undenkbar." Und zitiert Peymanns Giften Richtung Deutsches Theater: "Khuon fängt im Deutschen Theater jedes Jahr drei Wochen später an. Wenn der endlich loslegt, haben wir schon 100.000 Euro verdient." Eine treffende Bemerkung schließt den launigen Bericht: "Wenn Peymann und Castorf 2017 weg sind, wird das zwanzigste Jahrhundert im Theater zu Ende sein."

(geka)

 

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