"Sasha weg, Malakhov back!"

Berlin, 10. Oktober 2016. Bei jüngsten Premiere des Berliner Staatsballetts kam es am Wochenende zu tumultartigen Zuschauerprotesten im Saal. Das berichten diverse Berliner Tageszeitungen, darunter die Berliner Zeitung. Vor der Premiere der Neueinstudierung des Tschaikowski-Balletts "Der Nußknacker" sei Intendant Nacho Duato unerwartet vor den Vorhang getreten und habe das Publikum sowie den Regierenden Bürgermeister und Kultursenator Michael Müller begrüßt. Daraufhin habe sich im Saal "eine Welle wilder Buh-Rufe" erhoben.

Gezielte Provokation?

Die Berliner Zeitung mutmaßt, der Intendant (der sonst nie vor den Vorhang trete) habe mit dieser Begrüßung gezielt die Proteste gegen Müller provozieren wollen. Michael Müller ist als oberster Kulturpolitiker der Stadt verantwortlich für die Entscheidung, dass 2019 die Choreografin Sasha Waltz und Johannes Öhman die Intendanz des Staatsballetts übernehmen sollen. Die kurz vor der Abgeordnetenhauswahl im September 2016 von Müller und seinem Staatssekretär Tim Renner bekanntgegebene Entscheidung war im Ensemble auf großen Widerstand gestoßen. Die Entscheidung für eine Protagonistin des Tanztheaters an der Spitze eines klassischen Balletts wurde als Angriff auf dessen Ausrichtung und Existenz gewertet. Eine Petition auf Change.org gegen diese Berufung fand bereits über 18.000 Unterstützer*innen.

Nussknacker 560 FernandoMarco StaatsballettZähne zeigen: Der Nußknacker im Berliner Staatsballett  © Fernando Marco | Staatsballett Berlin

Premiere ohne Sasha Waltz und Tim Renner

Auch vor dem Gebäude der Deutschen Oper, wo am 8. Oktober 2016 die Premiere stattfand, habe es eine Gruppe Protestierender gegeben, ist unter anderem auf welt.de zu lesen. "Als eine Art Berliner Madres di danza del Plaza Mayo" hätten Mütter von Schülerinnen der Staatlichen Ballettschule samt ihren Kindern Plakate hochgehalten und Protestslogans skandiert. "Sasha weg, Malakhov back", sei da zu lesen gewesen. "Renner, du Penner", habe ausdauernd ein Mädchen skandiert, und: "Ähnliches wurde dann auch im Auditorium herumgeschrien."

Die Neuinszenierung Duatos erhielt von der Berliner Kritik durchweg schlechte Noten. Auf Unverständnis stieß auch die Spielplanentscheidung für den "Nussknacker": Bereits vor drei Jahren habe Duatos Vorgänger, der russische Startänzer und -choreograf Vladimir Malakhov, einen millionenteuren und sehr erfolgreichen "Nussknacker" inszeniert.

Die Berliner Presse berichtet auch, dass der noch amtierende Staatssekretär Tim Renner seine angekündigte Teilnahme an der Premiere abgesagt hat. Ebenso habe Sasha Waltz ihre Premierenkarten nicht in Anspruch genommen.

(Berliner Zeitung / welt.de / Berliner Morgenpost / sle)

 

In einem nachtkritik.de-Podcast erklärt Nacht- und Tanzkritikerin Elena Philipp im Gespräch mit Wolfgang Behrens den Konflikt und den fundamentalen Unterschied zwischen Tanz und klassischem Ballett.

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