Sanierung zur Disposition gestellt

20. Oktober 2016. Die Probleme um die Sanierung des Düsseldorfer Schauspielhauses gehen in eine neue Runde. Nachdem jüngst bekannt wurde, dass der Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) einen Abriss des Hauses, dessen Sanierungskosten im Moment explodieren, nicht mehr ausschließt, zeigt sich Intendant Wilfried Schulz entsetzt. Einen Abriss des Schauspielhauses Düsseldorf könne er sich "in seinen schlimmsten Albträumen" nicht vorstellen, zitiert ihn die Rheinische Post online

Ursprünglich war Wilfried Schulz eine Wiedereröffnung des Hauses mit der Spielzeit 2017/18 zugesagt worden. Im Sommer wurde bekannt, dass der Termin nicht zu halten ist und auch ein zweites Jahr in der Ersatzspielstätte gearbeitet werden muss. Als kompliziert stellt sich nun die Sanierung der Fassade und des Dachs heraus, die weitere zehn bis dreißig Millionen Euro kosten soll. Zusätzlich zu den bisherigen Mehrkosten von 20 Millionen Euro. 

Der Ton wird rauer

Die steigenden Kosten hat Oberbürgermeister Thomas Geisel nun zum Vorwand genommen, die Grundsatzfrage zu stellen: "Wenn wir das Schauspielhaus anfangen zu sanieren, müssen wir wissen, dass wir die Büchse der Pandora öffnen. Ich frage mich, ob es besser ist, das Haus neu aufzubauen, natürlich nach den historischen Plänen von Bernhard Pfau", so zitiert ihn heute die Frankfurter Allgemeine Zeitung in einem Bericht darüber, dass Geisel das Schauspielhaus zur Disposition stellt. 

In einer ersten Reaktion sagte Theaterintendant Schulz, dass "sich in diesem Fall auch für ihn viele Fragen neu stellen würden". 

Update: Am 27.10. meldet der WDR, dass Düsseldorfs Kulturdezernent Hans-Georg Lohe sich hinter Wilfried Schulz und gegen Oberbürgermeister Geisel gestellt habe – der Rheinischen Post gegenüber habe Geisel das Schauspielhaus eine "Ikone der deutschen Theaterlandschaft" genannt, die in die Hand der Stadt gehöre. Auch die Düsseldorfer Mäzenatin Gabriele Henkel sei auf Schulzens Seite, für sie sei das Theatergebäude "ein Herzstück der Kultur in Düsseldorf".

Update: Am 28.10. positioniert sich der Deutsche Bühnenverein mit einer Pressemitteilung. Der Direktor des Bühnenvereins wird mit den Worten zitiert: "Es ist unvorstellbar, dieses städtebauliche Denkmal nicht als Theater zu erhalten. An seinem Standort im Zentrum boomt der Kommerz, da muss es auch einen Ort der Reflexion und des Innehaltens geben."

(rp-online.de / FAZ / Deutschlandfunk / sik)

 

Presseschau 

In einem Kommentar im Deutschlandfunk (22.10.2016) widerspricht Andreas Wilink Oberbürgermeister Geisel. Dessen Zwischenruf lasse sich "schnell zerpflücken": "Die Stadt ist nur halb zuständig für das Haus (das Schauspielhaus wird finanziell je zur Hälfte von Stadt und Land getragen, d. Red.); sein Vorschlag bedeutet die Zerstörung des Stadtbildes, zumindest der Gesamtkomposition des architektonischen Kleinods; darüber hinaus ist er ein verheerendes Eingeständnis kultureller Ignoranz." Geisel schaffe mit seinem "blühenden Unfug" ein ungedeihliches Klima, in dem populistische Vorurteile gegenüber der Kultur und deren Subventionierung wachsen.

Am 26.10. äußert Wilfried Schulz sich in einem Gastbeitrag für die Rheinische Post zu der Causa – unsere Zusammenfassung.

In der Zeit (27.10.2016) konstatiert Peter Kümmel, während Köln, Stuttgart, Frankfurt (in Partnerschaft mit den Bundesländern) willens seien, die Sanierung ihrer Theatergebäude als eigene Aufgabe zu erkennen, zeichneten sich in Düsseldorf neue Wege ab. "Versuchsweise wird dort die Büchse der Pandora einen zierlichen Spalt weit geöffnet."

Zu den Überlegungen Oberbürgermeister Geisels, ein Investor könnte  das Schauspielhaus in ein Kongresszentrum oder Musicaltheater umwandeln, bemerkt Kümmel: "Man könnte nun sagen: Geisel denkt laut und mutig über die Zukunft des ruhmreichen Düsseldorfer Schauspielhauses nach. Man könnte aber auch sagen: Der Schutzpatron des Theaters lanciert sein Haus versuchsweise als Luxusimmobilie auf dem freien Markt." Er stelle es spielerisch zur Disposition. "Warum? Um zu testen, ob man mit einer solchen Politik eventuell durchkäme."

 

Mehr zu dem Thema:

Sanierung des Düsseldorfer Schauspielhauses verzögert sich - Meldung vom 11. Mai 2016

Wilfried Schulz muss in Düsseldorf eine Spielzeit ohne Haus auskommen - Meldung vom 19. Dezember 2015

 

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Kommentare  
Schulz droht mit Rücktritt: Theatersterben
Es ist schlimm. Die jahrzehntelang vernachlässigten Häuser erreichen nach und nach ihre Halbwertszeit, die Sanierungskosten sind gewaltig und übersteigen die Baukosten um ein Vielfaches, die Grundstücke sind, wie in Frankfurt/Main, begehrter Baugrund und locken Renditejunkies und andere „Investoren“ - und das alles in einem Augenblick, in dem einerseits die finanzielle Austrocknung der Länder und Kommunen dieser wohlhabenden Republik mittels Steuersenkungen, Schwarzer Null und Schuldenbremse auf dem Höhepunkt angekommen ist, andererseits dieselben Zwänge und ökonomischen Prioritäten die Theater von innen her aushöhlen - von der sogenannten „Kulturpolitik“ und ihren zunehmend fatalen Ambitionen ganz zu schweigen. Gleichzeitig wird von Seiten der 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten EU verlangt, mindestens 2 Prozent des BSP für Waffen auszugeben. Das Theatersterben nimmt, in jeder Hinsicht, eine neue Dimension an.
Schulz droht mit Rücktritt: Neubau, warum nicht
Abriss und Neubau nach den historischen Plänen, mit besserer Anbindung an die Stadt, aktuellem Brandschutz, modernem Energiemanagement und verkleinertem Zuschauerraum - warum denn nicht? Düsseldorf sollte weiter denken, als die Ära eines Intendanten, der bald das Rentenalter erreichen wird.
Schulz droht mit Rücktritt: wichtig im Zentrum
Und ein Bürgermeister, der sich nicht vor seine Stadt stellt, sondern auf seiten der Investoren ist... Das Gebäude wird geliebt, geschätzt, bewundert. Und zwar als Theater und nicht als Kongresszentrum oder sonstiges. Die Menschen der Stadt brauchen ein Theater im Zentrum der Stadt. In Zeiten wie dieser mehr denn je. Wenn Geld da ist für eine "Tour de France" dann muss auch Geld da sein für die Sanierung des Schauspielhauses.
Schulz droht mit Rücktritt: Neubau wäre grandios
Eine wirklich schöne Idee. Ein Neubau wäre grandios !
Schulz droht mit Rücktritt: künstlerische Fragen
Ja, nach den mittelmäßigen Eröffnungsinszenierungen stellen sich auch mir viele Fragen neu.
Schulz droht mit Rücktritt: ungemein beleben
Auja, Dudu, reißen wir doch alle Theater ab, deren Premieren Ihnen nicht hundertprozentig zusagen.
Und prima, die Theater, die dem Geschmack von Herrn Baucks nicht entsprechen, reißen wir gleich mit ab.
Das wird die Theaterszene bestimmt ungemein beleben und bereichern.
Danke auch.
Schulz droht mit Rücktritt: bestens angebunden
Lieber Herr Ruhronkel...
bessere Anbindung an die Stadt?
Waren Sie schonmal im Dorfer Schauspielhaus?
Könnten Sie einen zentraleren Platz als den jetzigen nennen, der für einen Neubau zur Verfügung stünde?
Und wo finden Sie den, der diesen Bau nach historischen Plänen aber mit modernster Ausstattung dann dort tatsächlich für weniger Geld realisieren könnte,
als es die nachhaltige Sanierung des Baudenkmals Schauspielhaus an Ort und Stelle kosten würde?!
Da fehlt m.E. nicht nur Weitblick, sondern schlicht Realitätssinn.
Billiger wird ein Abriss definitiv nur, wenn man nicht neu baut.
Schulz mit Rücktritt: Linkhinweis
Ich war schon ein paar Mal im Düsseldorfer Schauspielhaus und kenne die Situation recht genau.
Deshalb möchte ich den interessierten Leser an dieser Stelle auf diesen Link aufmerksam machen:
http://www.sueddeutsche.de/kultur/sz-serie-europaeische-plaetze-mephistos-tiefgarage-1.3191706?reduced=true
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