Presseschau vom 26. Oktober 2016 – In der Rheinischen Post plädiert Intendant Wilfried Schulz für ein Schauspielhaus im Herzen der Stadt

Wie wollen wir leben?

Wie wollen wir leben?

26. Oktober 2016. In einem Gastbeitrag für die Rheinische Post formuliert Wilfried Schulz, Intendant des Düsseldorfer Schauspielhauses, sein Unvertändnis über und seinen Protest gegen Überlegungen, das marode Schauspielhaus nicht bzw. nicht als Theater zu sanieren. Schulz erklärt die Hintergründe der Haus-Schließung – wegen der Großbaustelle Kö-Bogen II kann nicht gespielt werden; diese Zwangspause wurde dafür genutzt, die Substanz des Gebäudes zu untersuchen, um es für die Zukunft zu sichern.

Seine Ausführungen münden in ein feuriges Plädoyer für ein Theater im Herzen der Stadt: "Lassen Sie mich ein Bekenntnis ablegen: Ich glaube, dass die heftig zerrissene und sich überfordert fühlende Gesellschaft in den nächsten Jahren nichts mehr braucht als gemeinsame Orte der Reflexion, des Diskurses, des Aushaltens und Erprobens von Differenz und der Infragestellung und Vergewisserung von Identität. Auch ganz banal: der nicht-aggressiven, verbindlichen Kommunikation auf Augenhöhe. Orte an denen man spielerisch, tiefgründig oder bis ins Absurde verdreht fragt: Wie wollen wir leben?"

Diese Frage müsse man "als Individuum, als Citoyen, als Handelnder und Verantwortlicher" stellen: "Die gemeinsamen Orte der Kunst und Kultur bieten sich hierfür an, öffnen sich zunehmend und stellen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung. Es ist eine gute Herausforderung, dass auch das Theater formulieren muss, wozu es gebraucht wird. Der nicht dem Konsum und dem Renditeversprechen gewidmete öffentliche Raum, der Raum der direkten Begegnung wird immer kleiner; es gilt ihn zu verteidigen. Von den verantwortlichen Politikern, der Stadtgesellschaft, dem Publikum, den Künstlern und den Mitarbeitern. Gemeinsam."

(geka)

Kommentare  
Schulz' Düsseldorfer Plädoyer: altbackenes Theater
Was da von Schulz zitiert wird, mag man als Fan des Theaters und/oder Theatermacher doch sofort unterschreiben.
Aber dabei muss sich ein Theater doch bitte auch fragen, was für ein Theater das sein soll, das da ein Ort der Gemeinschaft sein möchte, das eine öffentliche Begegnung ermöglicht, einen Diskurs auf Augenhöhe.
Ein Blick in den Spielplan des Düsseldorfer Hauses langweilt genauso, wie die der meisten großen Häuser.
Welches Theater traut sich denn mal, auf den großen Bühnen nicht nur die olle Literatur wieder und wieder durchzukauen? Die Theaterwelt ist schon lange furchtbar altbacken und ist prätentiös, elitär und egozentrisch geworden - es müssen neue Strategien gefunden werden, wie die Bühne wirklich ein offener Ort, das Theater ein diskursiver Raum, das Verhandelte wirklich relevant ist.
Schulz' Düsseldorfer Plädoyer: spannende Veränderungen
Ich muss dem Beitrag von einszwo vehemennt widersprechen. Ich reise fast ununterbrochen durch die Theaterwelt,zu kleinen und grossen Häusern,altbacken,elitär und egozentrisch ist KEIN Theater mehr. Es ist im Gegenteil ungeheuer spannend zu beobachten,wie sich die Theaterwelt verändert,wie selbst "olle Literatur"( was für ein Ausdruck dafür)spannend und heutig gesehen werden kann.Die Theater sind seit langem offen für heutige Themen,der Austausch mit fremden Kulturen und damit "ein Kennenlernen" der heutigen Welt,der Versuch einander zu verstehen ist ein ganz grosses Thema vieler Theater. Vielleicht sollte einzwo bei "drei" mal ins Theater gehen....!
Schulz' Düsseldorfer Plädoyer: Verantwortungsfrage
@einszwo Im Stechschritt
Welche Strategien? Das sind doch nur Worte, Worte? Jedem sei seine individuelle Langeweile gegönnt. Vor Ihren selbstherrlichen Beurteilungen habe ich Angst, wie vor den populistischen Debattenvorschlägen des Geschäftsführers der Schauspielhaus Düsseldorf GmbH.

Habe gerade "Gilgamesch" im Zelt gesehen. Bis auf wenige Karten fast ausverkauft. Jubel am Ende. Es mag auch gelangweilte Zuschauer gegeben haben. Bis auf zwei sind alle bis zum Ende geblieben. Gar inhaltliche Impulse konnte ich wahrnehmen.

Da soll nun also nach nur 46 Jahren ein Haus abgerissen werden, weil es in den vergangenen Jahren offensichtlich nicht gebührend unterhalten wurde. Hatte die GmbH dafür keine Mittel eingesetzt? Werden in den Budgets der involvierten Gremien derartige Kosten nicht berücksichtigt? Warum spitzen sich ähnliche Situationen z.B. auch bei der Städtische Bühnen Frankfurt am Main GmbH oder Wuppertaler Bühnen und Sinfonieorchester GmbH zu? Besitzer, die ihre Häuser verkommen lassen, können belangt werden. Wer kontrolliert diese Vorgänge? Müsste der Geschäftsführer der GmbH derartige Überlegungen nicht vorgängig mit den Gesellschaftern besprechen, bevor er sich ins Licht der Öffentlichkeit stellt?

Wer ist verantwortlich, wenn Autobahnbrücken, Stadien, Kirchen usw. marode werden?

„Bürger in das Schauspielhaus – schmeißt die fetten Bonzen raus“
Die Demonstrationen im Januar 1970 machten auf Kostensteigerungen beim Neubau des Schauspielhauses von ursprünglich geplanten 25 auf 41 Millionen DM aufmerksam und darauf, dass zur Eröffnung nur geladene Gäste „Dantons Tod“ sehen konnten, dem Stück, das u.a. individuelle und gesellschaftliche Interessen gegenüberstellt. Resultat: Verletzte und ca. 20 Festnahmen. Wer kennt die Festgenommenen noch?

Der ganze Artikel lohnt sich vielleicht doch, weil ruhig, intelligent und sachlich argumentiert wird:
http://www.rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/gastbeitrag-von-wilfried-schulz-duesseldorf-muss-sein-theater-schuetzen-aid-1.6350598
Schulz' Düsseldorfer Plädoyer: Neubau ernsthaft diskutieren
Das Schauspielhaus in D´dorf zu betreten war immer mit unangenehmen Gefühlen verbunden. Dieser repräsentative Protzbau, Gründgens gewidmet, oh je! Canaris war ganz in Ordnung! Aber warum nicht abreißen ! So eine eigentümliche und auch hässliche Architektur! Ich liebe neue Bauvorhaben! Sich zu fragen: was braucht ein Theaterneubau heute?! Einfach aufregend!

Natürlich sollte man das ernsthaft diskutieren Herr Schulz! Was sonst?!
Schulz' Düsseldorfer Plädoyer: autoritäre Forderungen
@4 Auch Architektur-Sachverständiger?
Darf es auch andere Haltungen zur Architektur des Düsseldorfer Schauspielhauses geben oder ist Ihre sakrosankt und darum zwingend für Herrn Schulz? Und für mich? Derartige autoritären Forderungen machen mir Angst.
Schulz' Düsseldorfer Plädoyer: Korrektur
Korrektur @3
Meine natürlich den Aufsichtsratsvorsitzenden, der sich mit den anderen Gesellschaftern der Neue Schauspiel GmbH ins Vernehmen setzen müsste, bevor er sich ins Rampenlicht stellt. Das wären demokratische und nicht feudale Vorgänge.
Schulz' Düsseldorfer Plädoyer: zu ängstlich
Angst davor einen Neubau zu diskutieren,Herr Albert, ist nun wirklich kein Argument . Und was ist autoritär daran sich eine Diskussion über einen Neubau zu wünschen? So ein Unfug. So ein Wunsch ist alles andere als autoritär. Wenn die Kosten für eine Sanierung nun mal explodieren und jetzt schon bei geschätzten vierzig Millionen liegen, wäre es wirklich ungesund nicht darüber nachzudenken . Und bitte nicht nach den alten Plänen neubauen. Eine Stadt bekommt ein komplett neues Theater! Warum nicht?! Dies Gebäude ist ja nun wirklich nicht für die Ewigkeit gebaut. Das ist eben viel zu ängstlich für ein Theater bei dem Gedanken an einen Neubau gleich Albträume zu bekommen. Eben so könnte man sich entsetzt die Haare raufen bei dem Gedanken an eine endlose Sanierung.
Schulz' Düsseldorfer Plädoyer: besonnene Diskussion
Es steht Ihnen natürlich zu, Herr Baucks, sich die Haare zu raufen, Herrn Schulz anzuweisen, die Diskussion über den Abriss und Neubau führen zu müssen und mir Unfug zu bescheinigen.

Warum Bernhard Pfaus Architektur schlechte Gefühle macht, muss nicht nachvollzogen werden. Das ist eine individuelle Wahrnehmung.

Dass Debatten verordnet werden, weil sich ein Aufsichtsratsvorsitzender profilieren will, macht mir tatsächlich Angst, anderen vielleicht nicht.

Ich wünschte mir, dass die Arbeit geleistet wird. In diesem Fall wäre eine Aufsichtsratssitzung einzuberufen, einziger TOP "Sanierung" mit Beschlussanträgen. Wenn sich dann rausstellen würde, dass die vier Gesellschafter die entwickelte Lösung noch in ihren eigenen Gremien besprechen müssten, wären wir hier sicher mit vielen Anregungen zur Problemlösung zur Stelle.

Und natürlich darf alles abgerissen werden. Ganze Wohnviertel werden gentrifiziert.

Die von Herrn Schulz vorgeschlagene, besonnene Diskussion, wie die bestehenden Probleme gelöst werden könnten, ist allerdings ein anderer Weg. Den Argumenten kann zugestimmt oder widersprochen werden. Das wäre eine demokratische, transparente Debatte.

Der Zustand des Gebäudes wurde vom Aufsichtsrat der Neuen Schauspiel GmbH offensichtlich jahrelang ignoriert. Wie offensichtlich auch in Wuppertal oder Frankfurt am Main. Augsburg schafft jetzt die Sanierung.

Vielleicht war der Auftrag an die diversen Geschäftsführer ungenau, falls darin nicht der Erhalt des Bauwerks festgehalten wurde. Diese Herausforderung nimmt Herr Schulz an. Er hat eben nicht mit Rücktritt gedroht, sondern sich erlaubt andere Fragen zu stellen. Selten habe ich eine so transparente Darlegung von Problemen wie im Gastbeitrag für die Rheinische Post gelesen. Da wird der Wert des Bestehenden geschätzt. Es ist konservativ, etwas zu erhalten, das stimmt. Es lohnt sich übrigens in diesem Zusammenhang, sich an den Düsseldorfer Architektenstreit zu erinnern.
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