Presseschau vom 5. Dezember 2016 – Die FAZ kritisiert die Strukturreform in Mecklenburg-Vorpommern scharf

"Kulturelle Grundversorgung"

"Kulturelle Grundversorgung"

5. Dezember 2016. Jan Brachmann kritisiert in der FAZ (5.12.2016) die große Strukturreform in Mecklenburg-Vorpommern. Diese sieht u.a. die Fusion des Theater Vorpommern mit seinen Standorten in Stralsund, Greifswald, Putbus auf Rügen mit der Theater und Orchester GmbH Neubrandenburg / Neustrelitz zum "Staatstheater Nordost" vor.

Jan Brachmann bezeichnet die Fusion als "Notstromaggregat für kulturelle Grundversorgung" und kritisiert die Pläne scharf: "Indem sich die Politiker aus der Verantwortung stehlen, zerstören sie den letzten Rest an gutem Willen bei einsichtigen Bürgern, die das Theater wie den Staat als 'res publica', mithin als ihre Sache ansehen. Jedenfalls bis jetzt." Verantwortlich macht er den früheren Kultusminister und jetzigen Finanzminister des Landes Mathias Brodkorb (SPD).

Der wolle, eigentlich eine gute Absicht, die Kommunen von dem "Zwang" entlasten, "ständig für Tarifaufwüchse in den Theatern Sorge zu tragen", auch sollte der Haustarifvertrag endlich enden und die Mitarbeiter wieder dem Flächentarifvertrag gemäß bezahlt werden. "Der Haustarifvertrag am Theater Vorpommern, 1994 beschlossen, 2008 erneuert, liegt derzeit durchschnittlich siebzehn Prozent unter dem Flächentarif, bei den Schauspielern sogar fünfundzwanzig Prozent. Dieser Vertrag läuft aus zum 31. Dezember 2016", berichtet Brachmann.

Die Kommunen hätten indes alternative Konzepte vorgelegt, um ein eigenständiges Theater Vorpommern zu erhalten: "Die Bezahlung wäre bis zum Jahr 2025 um acht Prozent unter Tarif geblieben, die Angleichung an den Flächentarif wäre auf zwanzig Jahre gestreckt worden. Die Gewerkschaften wollten das mittragen, vorausgesetzt, dass keine Stelle abgebaut werde." Nur der Minister habe nicht über Alternativen verhandeln wollen: "entweder Fusion oder weitere Absenkung der Landesmittel".

TINA-Politik – There Is No Alternative

"Sein Konzept war wie in Beton gegossen", zitiert Brachmann die Ärztin Inkeri Beland, die für den Förderverein 'Hebebühne' arbeite. "In Zeiten von AfD-Wahlerfolgen und wachsendem Populismus wäre etwas mehr Bürgernähe wünschenswert gewesen." Die Kommunikation zwischen den Kommunen und der Landesregierung hätte eher den Charakter einer Erpressung als den von Verhandlungen gehabt, so Beland.

Die Alternative zur Zusammenlegung des Theaters Vorpommern mit Theater und Orchester Neustrelitz / Neubrandenburg wäre bei der mangelnden Wirtschaftskraft der Region, erst recht nach dem Wegfall des Solidaritätszuschlags nach 2019, nicht tragfähig, verteidigt Dirk Löschner, Intendant des Theaters Vorpommern die Fusionspläne gegenüber Brachmann. Die Reform sei sinnvoll, "um die Qualität zu sichern".

Allerdings habe Brodkorb, das hat sich Brachmann von der früheren Grünen-Landtagsabgeordneten Ulrike Berger aus Greifswald erzählen lassen, 14 Monate lang ein "Gutachten unterdrückt", das ihm vorrechne, "seine Einsparkonzepte bei der Theaterstrukturreform würden im gesamten Bundesland nicht aufgehen". Allein beim Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin, das inzwischen die Bühnen Schwerin und Parchim umfasst, werde "2018 wieder ein Defizit von rund achthunderttausend Euro auflaufen". Ulrike Berger moniere außerdem, dass "in Fragen der Theaterreform mit zweierlei Maß gemessen" werde. Denn während Brodkorb beim Theater Vorpommern "die Rückkehr zum Flächentarif für ein Muss" erkläre, habe er in Schwerin für die Staatskapelle am Mecklenburgischen Staatstheater "wieder einen Haustarifvertrag aushandeln" lassen, zitiert Brachmann die ehemalige Abgeordnete.

Brachmann fragt sich: "Soll es in Deutsch-Nordost eine Theaterfusion zum bloßen Selbstzweck geben? Damit sich ein Minister – oder ein Ministerpräsident – eine Kerbe in den Flintenkolben ritzen kann?"

(FAZ / miwo)

Kommentare  
Presseschau MV: armer Nordosten
Und wer stoppt diesen ganzen undemokratische, kultufeindlichen Irrsinn? Keiner? Ist Mecklenburg-Vorpommern Deutschland, oder nicht mehr? Frau Kulturstaatsministerin Grütters handeln Sie, greifen Sie endlich ein, reden Sie nicht nur!
Einer wie Latchinian hat das in Rostock seit zwei Jahren unermüdlich kritisiert, genauso beschrieben, wie jetzt die FAZ. (Un)Kulturminister Brodkorb, gedeckt durch Ministerpräsident Sellering, verhandelt nicht, sondern erpresst die Kommunen, nützt nicht, schadet,hat Visionen wie Beton, zerstört die Theaterlandschaft MVs, statt diese zukunfssicher zu machen.
Und was ist jetzt mit Latchinian? Ein zweites Mal entlassen, und steht vor Gericht, hoffentlich liest der Richter die FAZ.
Und was ist mit Brodkorb? Aufgestiegen zum Finanzminister. Armer Latchinian, armer Nordosten.
Presseschau MV: Ungeist
Alles richtig, was im Artikel steht. Aber als engagierter Theaterfreund habe ich leider auch erfahren, dass man gegen diesen Ungeist keine Chance hat. Da erhält Brodkorb den Musik-Gordi, den Kultur-Unpreis des Jahres 2016. Da wird seine Politik überregional immer wieder kritisiert, da gibt es wiederholt Protestveranstaltungen gegen die Kürzungen im Kulturbereich. Da engagieren sich Bürger für ihre Kulturstätten. Und was hat`s gebracht? Nichts. Wir werden als Bürger nicht gehört, nicht ernst genommen. Nicht in der Stadt, nicht im Land.
Aber für Sewan Latchinian Toi, Toi, Toi für einen erfolgreichen Ausgang seines Arbeitsrechtsstreits. Wir vermissen ihn hier in Rostock.
Presseschau MV: immer Latchinian
Gibt es irgendeinen Post über MV wo nicht gleich Latchinian ins Spiel gebracht wird.Peinlich.
Presseschau MV: was wirklich peinlich ist
zu 3.
Peinlich? Was und für wen?
Peinlich sind mir Leute, die sich wundern, dass Latchinian und sein vehementer Einsatz für mehr als nur das Rostocker Theater, unvergessen sind. Die sich vergeblich daran abarbeiten ihn schlechtzumachen. Peinlich ist, wie in unserem MV mit Latchinian umgegangen wurde - und wird. Peinlich ist, Brodkorbs Kulturzerstörerei. Peinlich finde ich, wie Kommunen, Parteien, Politiker, Medien in MV aber auch darüber hinaus, das nicht nur mit sich machen lassen, sondern auch mitmachen.
Peinlich ist, dass wir hier ständig neue Horrormeldungen über das schier endlose und scheinbar unbeendbare Desaster gepostet lesen müssen, statt dass das Bundesland, dass übrigens gar nicht so arm ist, sondern immer reicher wird, den Theatern auskömmliche Rahmenbedingungen garantiert.
Presseschau MV: gute Gründe
zu 3)
Tja, das wird wohl seine guten Gründe haben, wenn ein Intendant immer wieder Erwähnung findet.
Presseschau MV: gerade entdeckt
Theater Nordost entdeckt gerade Brecht und Heiner Müller.
Presseschau MV: Teufelskreis
Bei solchen willigen Gehilfen (=Intendanten) braucht man sich ja wirklich nicht wundern, dass jede Publikumsinitiative im Sand verläuft. Wo ist denn bitteschön der Berufethos von Herrn Löschner hin, warum stellt er sich nicht schützend vor sein Haus? Stattdessen stimmt er ein in den Kanon der Finanzprüfer und Kleingeister. Vergleichbar ja in Neustrelitz und nunmehr auch in Rostock mit everlasting Kümmritz (der ja ach so seriös mit den Geldern umgehen kann – und was ist mit Kunst?). So ein visionsloses Theater brauchste wirklich nicht. Die Leute gehen aber hin, um die Struktur, also IHR Theater zu supporten und darum stimmen die Zahlen ja sogar. Teufelskreis.
Presseschau MV: Entleerungs-Philosophie
Ja, es stimmt, Mecklenburg-Vorpommern ist ein reiches Land, reich an Natur, reich an engagierten Menschen, reich an Initiativen für Kultur, Bildung, Flüchtlingshilfen etc. und hat jährlich einen Haushaltüberschuss von ca einer halben Milliarde Euro. Den setzt es allerdings nicht für Kultur und Initiativen ein, sondern für Beton und Massentierhaltung. Und da liegt das Problem. CDU und SPD - nicht DIE POLITIKER - setzen halt die falschen Prioritäten. Sie wollen das Land entleeren , um es den Großargrarieren zu überlassen. Der "Philosoph" auf dem Ministersessel hat sich enttarnt, unwissentlich, was für ihn dann wiederum bezeichnend ist.
Presseschau MV: gerade bestätigt
Mündige Bürger haben die Kulturpolitik des Landes MV gerade für weitere fünf Jahre bestätigt.
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