Presseschau vom 3. Januar 2017 - Dramaturg Bernd Stegemann übt scharfe Kritik an der performativen Wende

Theater wie Trump

Theater wie Trump

3. Januar 2017. Bernd Stegemann kritisiert in der Süddeutschen Zeitung (3.1.2017) das Performance-Theater. Die "Schauspieler werden für ihre Leistungen im Film bewundert, auf der Bühne gehören sie ebenso wie das Drama zum alten Eisen. An ihre Stelle ist der Performer getreten, der seine eigene Existenz zum Thema macht und die mimetische Kunst des Schauspielens durch Performativität ersetzt."

Dabei sei das Performative nichts Neues, sondern immer Teil des Schauspielens gewesen. "Jede Tätigkeit, die die Realität verändert, indem sie eine besondere Präsenz erzeugt und dabei die Aufmerksamkeit auf sich lenken will, ist ein performativer Akt." Das Schauspielen nutze die Mittel der Aufmerksamkeitssteigerung, mache sie aber nicht zum Selbstzweck.

Kein Fortschritt

"Die Behauptung, das performative Theater sei ein notwendiger Fortschritt in der Kunst, ist also keineswegs selbstverständlich und ihr Erfolg resultiert aus einem Missverständnis, das im paradoxen Begriff des Authentischen liegt." Im Authentischen liege die paradoxe Aufforderung "Sei ganz du selbst" und zugleich der Zwang, dass man auf jeden Fall so wirken solle, als wäre man gerade ganz man selbst, so Stegemann. Der Wahrheitsanspruch des Aufretens des Performers gründe sich ferner in der falschen Behauptung, "dass er als Mensch über seine eigene Geschichte ebenso souverän verfügen könnte wie über seine Präsenz auf der Bühne".

Die alltägliche Erfahrung zeige hingegen, dass etwa zwischen der Art, glaubwürdig zu wirken, und der Zuverlässigkeit des Charakters große Unterschiede bestehen könnten. "Zugleich ist sich wohl kein Mensch über seine Wirkung vollständig bewusst." So entstehe in der Behauptung einer performativen Authentizität eine "Lüge hoch zwei. Weder die Selbstentfremdung des Ich, das in einer Bühnensituation öffentlich spricht, noch der Abgrund zwischen Schein und Wirklichkeit werden hier offengelegt."

Damit stehe das performative in Konflikt zu einem Theater, das sich seit der Antike nicht damit begnüge, die Präsenz der gemeinsamen Gegenwart zu feiern, sondern Geschichten aufführe, "die zeigen, wie kompliziert die Konflikte des Lebens sind".

Tradition der Theaterverbote

"Unter dem Label der Repräsentationskritik vereinigen sich die Angriffe gegen die Irrealisierung der Realität. Sie begeben sich damit – ohne es zu wollen – in die lange Tradition der Theaterverbote, mit denen die Kirche oder totalitäre Regime die Schauspieler zensieren wollten. Der Kern aller Theaterverbote besteht in der zutreffenden Beobachtung, dass die Verwandlungskraft des Schauspielers Teufelszeug ist. Wer als jemand anderes erscheinen kann, stellt die Ordnung grundsätzlich in Frage." Neu sei, dass der Angriff auf die Verwandlungskraft der Bühne von den Theaterleuten selbst komme. "Die Bühne soll von der vermittelnden Instanz des Theaters befreit werden, damit sie der Raum für die ganze Welt werden kann."

Die falsche Naivität dieses Wunsches sei kein Zufall, sondern stehe in einer Reihe mit anderen gesellschaftlichen Kräften, "die die Abschaffung der Vermittlung fordern". Der enorme Erfolg der populistischen Politiker beruhe in einem wesentlichen Punkt auf ihrer Behauptung, dass der authentische Retter mit seinem Volk in unmittelbaren Kontakt trete. "Der Wille des Volkes soll ohne störende Vermittlung durch gewählte Repräsentanten Gehör finden." Stegemann weiter: "Die Theaterleute, die die Vermittlung des Schauspiels und des Dramas durch die Unmittelbarkeit der authentischen Performativität ersetzen wollen, fordern einen ästhetischen Populismus, dessen Botschaft lautet: Der Umweg über den Schauspieler und das Drama ist Gedöns für die Eliten."

(SZ / miwo)

Kommentare  
Presseschau Stegemann: stringent
Bravo! Aber wird es Folgen haben? Wo Interessen verteidigt werden, hat es die Einsicht schwer. Ähnliches wurde ja schon mehrfach gesagt, wenngleich nicht mit solch stringenter Argumentation. Warum sollte der konstatierte Populismus unter den Theaterleuten weniger erfolgreich sein als unter den Wählern von Trump oder Hofer?
Presseschau Stegemann: Vereinfachung
Stegemann hätte vielleicht recht mit seiner Argumentation, wenn er nicht einen derartig vereinfachten Begriff von performativer Kunst hätte. Die Annahme, die Verfechter der Performance-Kunst, die er argumentativ auszuhebeln versucht, seien alle Apologeten des sog. 'Authentischen', ist schlichtweg falsch. Mir ist zumindest kein Performer bekannt, dessen Arbeit davon ausgeht, dass sich der (von Stegemann unterstellte) Imperativ 'Sei du selbst' in einer Bühnensituation in einem unreflektierten, authentischen Bühnen-Selbst niederschlägt. Es gibt mindestens ebenfalls so viele Ausformulierungen und Spielarten performativer Techniken wie es Schauspieltechniken gibt.
Stegemanns Argumentation selbst ist populistisch, weil er sein (durchaus legitimes) Anliegen gegen einen von ihm schablonisierten, ja dämonisierten Gegner verteidigen glaubt zu müssen, anstatt sich mit beiden Seiten des (von ihm mutkonstruierten) Gegensatzpaares abzuarbeiten und daraus (vielleicht überraschende) Erkenntnisse zu ziehen.
Presseschau Stegemann: direkteste Weg in die Aufklärung
Warum möchte ich eigentlich immer, wenn der Stegemann was zu Theater und Realität äußert, so viel auf den wirklich guten, weil sehr gut fassbaren Kern zusammenstreichen?? - Ich glaube, mich ärgert oft, dass er in der Regel viel überflüssiges, diskurskonformes Gedöns um diesen Kern herumacht. So, als müsste er Angst haben, dass er gar nicht gehört wird, wenn er sich nicht irgendwie auf die begrifflichen Moden des Diskurses einlassen würde... WARUM!? Eigentlich interessierte mich das am meisten im Moment an Stegemanns Einlassungen, von ganz genau IHM selbst darauf Antwort zu bekommen! WARUM denkt er, dass er veranlasst ist, seine klaren Gedanken so unklar zu ummänteln? - Darauf zu antworten, hätte allerdings zur Voraussetzung, dass er das selbst bemerken könnte. (...)
Ich teile Stegemanns Ansicht, dass das Performative bereits immer zum Schauspiel gehört hat, vollkommen. Und ich teile seine bisher nur als Vermutung/Behauptung ausgesprochene Argumentation, dass das Performative durchaus sich angreifend gegenüber dem Schauspiel, dem Theater und seinem Raum verhält und zwar aus dem Grund, Realität als politische Kategorie der Wahrnehmung von Bürgern (allen Bürgern, nicht dem Bürgertum, das ständischer Begriff ist) zu entziehen.
Dennoch denke ich, ist diese Entwicklung ökonomisch folgerichtig, denn der Raum des Theaters soll Ersatzraum für die Welt werden, weil der global vernetzte virtuelle Raum von der ihn etabliert habenden Kapitalstruktur so vereinnahmt ist, dass er als Raum vom Einzelnen nicht mehr wahrgenommen und erfahren werden kann. Und weil eben dies zu einer Schmerzerfahrung führt, die den Einzelnen zwingend auf die ökonomischen Strukturen dieses Raumes zurückverweist. Daran ist den Erfindern, Konstrukteuren und Kommunikationsverwaltern dieses Raumes keineswegs gelegen. Das Problematische am sogenannten Performativen, sich aus der Komplexität Theater herauslösen wollenden Theater ist also, dass es Theater entpolitisiert. Auch dann entpolitisiert, wenn es Politik oder Tagespolitik oder Kapitalismus bis in seine militaristischen Ausprägungen hinein thematisiert. Es weiß, dass das Drama und das Schauspiel durchaus KEIN Umweg ist, sondern im Gegenteil, der direkteste Weg in die Aufklärung. Das macht ihm Angst. Und das macht es durchaus agrressiv in den Verteilungskämpfen innerhalb der Kulturbudgets. Sehr geehrter Thomas Rothschild, der konstatierte Populismus unter Theaterleuten wird deshalb weniger erfolgreich sein als unter Trump-Wählern, weil insgesamt der Anteil an Intellektuellen unter theaterleuten größer ist als unter Trump-Wählern und dies auf immer stringentere Argumentationen und Formen, diese Argumentationen auch so anzubringen, dass sie nicht ignoriert werden können, hoffen lässt. MfG.

#2:Es ist und war kein guter Weg, das Performative und das Schauspiel als Gegensatzpaar zu konstruieren, zu begreifen, zu argumentieren. Und es wird ein besser Weg sein, die performativen Anteile im Schauspiel und die konkreten Schauspieltechniken im Performativen zu beschreiben.
Der aktuelle Diskurs ist da intellektuell weit hinter Kleist zurückgefallen. Das ist sehr schade. Meiner Ansicht nach liegt das daran, dass heute der Unterschied zwischen Puppen-Theater und Marionetten-Theater nicht mehr gewissenhaft bedacht und argumentativ beachtet wird. (Wir unterscheiden ja auch nicht die Arten der Avatare. Was ebenso bedauerlich ist und zu den eigentlichen Realitätsverlusten führt, die wir heute haben.)
Presseschau Stegemann: redundant
schliesse mich #2 an und denke: Stegemann fällt seit einiger zeit nur noch durch scheinprovokante hasstiraden gegen einen größtenteils herbeiphantasierten gegner auf, ohne den er anscheinend für sich selber gar keine legitimation seiner eigenen theaterexistenz mehr konstruieren kann. im endeffekt geht es wohl nur darum, auf diese weise möglichst viel aufmerksamkeit zu generieren. allerdings sind seine abhandlungen mittlerweile derart redundant, dass man als zuschauer nicht einmal mehr die motivation findet, sich darüber aufzuregen..
Presseschau Stegemann: Sich verwandeln!
Gut, dass die Kritik aus den Reihen derer kommt, die diese glanzlose Theatermode begründet, gelabelt und zur einzig möglichen Ausdrucksform in der Postmoderne überhöht haben. Die Theaterwissenschaftler sollen eigentlich das künstlerische Schaffen der Aktiven beobachten, beurteilen und wissenschaftlich kategorisieren.
Ist wirklich langsam mal gut mit dieser privatistischen Selbstbeweihräucherung. Lasst die Schauspieler endlich wieder das tun, wozu sie ausgebildet wurden: Spielen, sich verwandeln, Figuren erfinden! Es wäre schade, wenn das weiterhin nur noch im Film geschieht oder in anderen Ländern.
Presseschau Stegemann: mit Erdklumpen bewerfen
Lange wurde der sogenannten Freien Szene ihre dogmatische Borniertheit gegenüber dem Ensembletheater vorgeworfen, teilweise zu Recht. Nun, da Vertreter des Ensemble-Prinzips die frei Produzierenden mit Erdklumpen bewerfen, hat sich die Wurfrichtung um 180 Grad gedreht, was auch auf eine Veränderung der Machtverhältnisse hindeutet. Das wäre zunächst einmal erfreulich. Unerfreulich ist, dass diese Veränderung nicht im Sinn einer beidseitigen Erneuerung genutzt wird, sondern dass sich in Stegemanns Argumentation die gleichen alten Feindbilder mit umgekehrten Vorzeichen perpetuieren. Wie langweilig.
Presseschau Stegemann: unsachlich
Stegemann disqualifiziert sich endgültig damit, performatives Theater auf den Begriff 'Authentizität' zu reduzieren. Auf einer Theaterbühne ist nichts authentisch und die Illusion von Authentizität zu erzeugen ist Gegenstand der Schauspielkunst seit Stanislavski, Strassberg, et al. Die Polarisierung von Schauspielkunst und performativen Theater ist in dem Süddeutsche Text nichts als Öl in Dössels ideologisches Kammerspiele-Feuer. Leider ebenso unsachlich.
Presseschau Stegemann: mein gutes Recht
Als mein Großvater behauptete, "Kunst kommt von Können" entgegnete ich "nein, es kommt von künstlich!" Seitdem mache ich Kunst, extra.
Authentisch sein kann jeder und jeder kann was. Als Künstler ist es meine Aufgabe, der Wahrheit eine Form zu geben. Das Verlesen von Dokumenten oder Statements anstelle lebhafter und anspielungsreicher Inszenierungen, weil man nach Ausschwitz keine Gedichte mehr schreiben kann und das womöglich als vorauseilende Selbstverleugnung ist eine schwer zu ertragende Form künstlerischer Sprachlosigkeit. Ich bin Performancekünstler. Wenn ich ins Theater gehe, will ich Theater sehen. Das ist mein gutes Recht.
Presseschau Stegemann: ohne Differenzierung
Es mag sein, dass der Performance-Begriff differenzierter und komplexer ist als von Stegemann zugrunde gelegt. In fast allen performativen Geschichten, die ich gesehen habe, zielt der Einbau des Performativen aber immer nur recht billig auf den Authentizitätseffekt beim Publikum - ohne Reflexion und Differenzierung. Und darauf trifft die Populismuskritik gut.
Presseschau Stegemann: unlauter
#9 Lieber Brollo, zunächst würde mich interessieren, auf welche "performativen Geschichten" Sie rekurrieren. Und mir dann noch folgende Bemerkung erlauben: Dass ein künstlerischer Vorgang einen "Authentizitäteffekt" hat, etwas also auf Sie authentisch wirkt, oder vielmehr noch, ein künstlerischer Vorgang auf diese Wirkung abzielt, heißt doch nicht, dass der Vorgang an sich authentisch ist ("Sei du selbst!"). Und ist den das Ziel vieler Schauspieltechniken nicht auch eine Form der Echtheit, Wahrheit und Authentizität (zumal im Film), auch wenn dieser Effekt der Authentizität 'nur' handwerklich hergestellt ist?
Wie immer bei solchen Debatten: Jeder hat etwas anderes gesehen, beschreibt etwas anderes, meint etwas anderes. 'Performance' ist, wie 'Schauspiel', ein Schirmbegriff, unter dem sich alle möglichen künstlerischen Phänomene, Begriffe und Erfahrungen subsumieren lassen. Die Reduktion auf eben nur eine dieser Bedeutungen und eine daran anschließende Bewertung des Performativen als 'populistisch' (geht's noch?) sind unlauter und wirken, Entschuldigung, etwas verzweifelt. Gibt's nicht andere, wirklich populistische Phänomene, mit denen es wichtiger ist umzugehen?
Presseschau Stegemann: Demaskierung
@Wicki Pedia: Nein, die Aufgabe der Schauspielkunst ist - zumindest in den Augen von Stegemann, aber beispielsweise auch Bertolt Brechts - eben nicht die Herstellung der Illusion von Authentizität, sondern die Demaskierung des scheinbar "authentischen" als gesellschaftliches Konstrukt. Da haben sie wirklich etwas noch nicht ganz verstanden. Bestechend an Stegemanns Analyse ist, dass es die systemkonformen Theaterschaffenden selber sind, die das "Theater" mit ihrem Authentizitäts-Theater zu zensurieren versuchen, weil es ihnen Angst macht. Das ist neu gedacht. Das ist scharf gedacht. Klar könnte man auch Veit Sprenger evtl auch recht geben, dass hier Stegemann vielleicht aus dem Elfenbein-Turm der Schaubühne heraus die freie Szene mit Dreck bewirft. So habe ich den Text aber nicht verstanden. Und gerade das Theater Veit Sprengers ist ja geprägt von sehr hoher Kunstfertigkeit und sehe ich nicht in dem Fokus der Kritik von Stegemann.
Presseschau Stegemann: wo bleibt die Großzügigkeit?
Ich finde diese Diskussion überflüssig, wie ein Kropf. In der Literatur wird auch nicht gegeneinander ausgespielt. Roman versus Gedicht, Drama versus Novelle, Dada versus Surrealismus etc.pp.
Ich empfinde es eher zwanghaft und eng, wenn Herr Stegemann krampfhaft versucht, s e i n e Vorstellung von Theater zu verteidigen g e g e n eine andere Form. Wie klein. Wo bleibt die Großzügigkeit unterschiedliche Theaterperspektiven nebeneinander stehen zu lassen. Und die Freiheit. Denn schließlich ist es einem jedem selbst überlassen, für welche Kunstform er oder sie sich entscheidet, welches theatrale Erzählen für jeden persönlich der richtige ist!! (...)
Presseschau Stegemann: Zensur-Beschwerde
Schon interessant, dass die Redaktion meinen Schlußsatz über die Angst herausgenommen hat. Ist denn nicht gerade das Thema Angst ein sehr wichtiges und aktuell ein gesellschaftsbestimmendes!? Was treibt denn die Menschen zu den Populisten? Welche tiefen Ursachen stecken denn hinter der Sorge und Befürchtungen?! Auch die Angst vor Veränderungen und Verschiebungen, sicher geglaubter Positionen.
(...)

(Liebe*r Aufhören, natürlich dürfen Sie hier gerne über Angst sprechen, aber im Schluss Ihres vorigen Kommentars sind Sie Herrn Stegemann für mein Empfinden zu nah getreten. Ad-personam-Kommentare werden bei uns nicht veröffentlicht. Mit freundlichem Gruß, sd/Redaktion)
Presseschau Stegemann: besserer Beitrag
Der Text von Stegemann in der SZ ist einfach schlecht argumentiert und uninformiert. Eva Behrendts Kolumne im Merkur hingegen ist kenntnisreich und super-schlau: http://www.merkur-zeitschrift.de/2017/01/02/echte-traenen-theaterkolumne/

Bin gespannt auf das folgende Gespräch mit Ihr: https://www.facebook.com/events/1720214711626949/
Presseschau Stegemann: kunstspartenübergreifende Mechanismen
Schöner Kommentar. Nur: In der Literatur wird auch gegeneinander ausgespielt. Nicht nur z.B. Roman gegen Langgedicht, Drama gegen Textfläche, Novelle gegen Kitsch, Surrealismus gegen SF, Kurze Prosa gegen Short Story usw. - vor allem aber: Nicht-Literatur gegen Literatur. Und die Verlage sind da gegen Nicht-Literatur wahnsinnig großzügig mitunter!
Presseschau Stegemann: Teil des Betriebs
So persönlich meinte ich das gar nicht. Trotzdem könnten Sie doch darauf hinweisen, dass Stegemannn ein Teil des aktiven praktischen Theaterbetriebs ist und nicht nur von außen, theoretisch beobachtend auf die Theatersituation schaut und sie beschreibt. Ist das schon Persönlichkeitverletzend? MfG
Presseschau Stegemann: Flugblatt 1929
Zusamenfassung der wesentlichen Thesen von Bernd Stegemanns aus dem Jahr 1929:
Gegen Performance! Für echte Schauspieler!
An das Publikum!
Achtung! Gefahren der Performance!
Viele Theater müssen wegen der Einführung von Performance und Mangel an vielseitigen Programmen schließen!
Performance ist Kitsch!
Wer Kunst und Künstler liebt, lehnt die Performance ab!
Performance ist Einseitigkeit!
100% Performance = 100% Verflachung!
Performance ist wirtschaftlicher und geistiger Mord!
Ihre neoliberale Exzentrik ist zeitgeistig, quietscht, verdirbt das politische Organ und ruiniert die Existenzen echter Schauspieler!
Performance ist schlecht konserviertes Theater bei erhöhten Preisen!
Darum:
Fordert gute Dramen!
Fordert Sprach- und Einfühlungskunst!
Fordert bühnenschau mit Schauspielern!
Lehnt die Performance ab!
Wo kein Theater mit Schauspielern und Bühnenschau:
Besucht die Varietés!

Internationale Schauspieler-Ausbildungs-Loge
Deutscher Dramaturgen-Verband
Presseschau Stegemann: Varieté mit Zukunft
Ja, das gäbe auch ein völlig neues Betätigungsfeld für Dramaturgen: "Varieté-Dramaturg - Ein Beruf mit Zukunft"
Presseschau Stegemann: fruchtbar
Stegemann stößt eine notwendige und argumentierte Debatte aus, die für alle Parteien, die weitestgehend die gleichen Interessen haben, fruchtbar sein kann. Destruktiv sind andere Haltungen:

*einerseits die der hauptsächlich selbstbezogenen Pseudo-Avantgarde mit dem immer gleichen (zerstörerischen) Hang zum Mainstream/zur Anpassung/zur Homogenisierung, der im Nachhinein meistens pseudo-existentiell begründetet wird

*und andererseits die der Strukturkonservativen (Hauptsächlich Männer!) mit großem Interesse daran, sämtliche Gefügen und Hierarchien unbedingt aufrechtzuerhalten und sich anderen Sparten/Gruppen nicht zu öffnen.

Als Performerin und Regiestudentin interessieren mich selbstverständlich Schauspieler_innen und Texte/Dramen in erster Stelle, und andere Theaterelemente! Und in derselben Weise (gute) Performance-Stücke, wovon es immer wieder welche gibt.
Das binäre Denken nervig-destruktiv.
Presseschau Stegemann: alte Avantagrdesuppe
Vor allem dem Kommentator Nummer 17 geschuldet: bitte in der Kunstgeschichte nachgucken: die Entwicklung der Performance im letzten (!) Jahrhundert, die Bemühungen und Gründe und Errungenschaften der damaligen Künstler und das dann bitte bitte vergleichen mit der Beliebigkeit der heutigen Zeit. Das Theater musste sich schon mehrmals reflektieren, ich glaube es ist an der Zeit, dass die "Performance" (im letzten Jahrhundert noch Performance art" genannt es tut und sich nicht nur in der alten Suppe der Avantgarde zu sonnen versucht.
Auch Neu ist irgendwann alt und braucht Reflektion.
Presseschau Stegemann: Charakter und Verwandlung
@5:Gerade im Film gab und gibt es Regisseure wie Fellini, Bresson oder Tarkowski, die mit Laien arbeiteten oder Leute wie Catherine Deneuve, Jürgen Vogel, Jean Paul Belmondo, Uwe Bohm, Sandrine Bonnaire, Jennifer Lawrence etc ohne Schauspielausbildung, die keine Verwandlungskünstler, aber "authentische" Charakterspieler sind. Viele große Verwandlungsschauspieler des Theater waren eher mediokre Filmschauspieler, wie zB Gert Voss. So einfach und eindimensional wie Stegemann und Sie argumentieren, ist es nicht.
Presseschau Stegemann: Bescheidenheit
Vielleicht ist Perfomance ja eher ein Versuch eine neue Bescheidenheit ins spiel zu bringen, beim Annähern an extreme Zustände. Der oft peinlichen selbstverständlichkeit mit der sich besonders in der Schaubühne Kriegsverbrechern, Perversen oder obdachlosen seitens der schauspieler und der regie sich genähert wird setzt der Perfomer mehr die Begrenztheit seiner eigenen Erfahrung entgegen. Dass ist ja erstmal respektvoller und realistischer bei diesen Themen.
Presseschau Stegemann: kleine Geschichte
Ich verstehe das hier nicht. Oder ein Regisseur hat mal eben meine Wirklichkeit inszeniert. Woher weiss ich eigentlich, ob die inszeniert ist oder nicht? Jedenfalls, ich mache es mal konkret. Und erzähle es in Form einer kleinen Geschichte:

Neulich saß ich beim HNO-Arzt im Wartezimmer. Seltsam war schonmal, dass ich bereits bei der Anmeldung gebeten wurde zu formulieren, wie ich mich heilen würde. Irgendwie komisch, dachte ich mir, und dazu fiel mir dann auch noch ein (schlechter) Witz ein: "Heil Hitler!" - "Oder heil dich (besser) selbst!". Na ja, da saß ich dann also und wartete, ich wartete bestimmt zwei Stunden. Währenddessen gaben die Menschen, die den Raum betraten, eine Art Wartezimmertheater. Liegt das Theater nicht vor allem in der Wahrnehmung des Betrachters?

Irgendwann kam mir ein Gedanke: Nee, das kann ja jetzt nicht sein, aber das sieht hier jetzt fast so aus wie eine Art Polleschtheater. Der die Schaubühneninszenierung von "Professor Bernhardi" radikal-feministisch umgeschrieben bzw. uminszeniert hat. Denn irgendwann war auch ich an der Reihe und wurde ins Sprechzimmer gerufen. Ich begrüßte die Ärztin mit genau der Art festem Händedruck (sollte man den nicht gerade im HNO-Bereich meiden? Egal!), den ich im Trailer der Schaubühne gesehen hatte. Super! Wurde mir aber erst bewusst, als ich bereits auf dem Behandlungsstuhl saß. Huch, ging das schnell, diese ungeplante Mimesis! Keine megarationalen (Arzt) und/oder supersoften (Pfarrer) Männer, die die Geschichte und Geschicke der (immer nur als schwach dargestellten) Frauen leiten. Mannomann! Warum mussten die Dramaturgen der Schaubühne sich eigentlich gerade für diesen (in meinen Augen inhaltlich doch sehr antiquierten) Text entscheiden? Eine Frau stirbt an einer unsachgemäßen Abtreibung? Ist das noch zeitgemäß? Und könnte man dieses Stück wenn, dann nicht auch dazu nutzen, um aufzuzeigen, dass die Krankenhaushierarchien wohl leider in vielen bzw. gar nicht wenigen Fällen offenbar kaum dem Patienten (ganzeitlich betrachtet) zugute kommen, sondern allein dem eigenen Konkurrenz- bzw. Machtstreben dienen? Und vielleicht sogar mit der Politik im Bunde stehen? Herr Steckel kennt als Oberlinker ja sicher auch gute Rechtsanwälte (in Bremen). Punkt Punkt Punkt.

Ausserdem empfinde ich es als blöd, wenn meine Mutter meine Schwiegermutter spielt. Wenn man jemanden kennt, dann findet man bei dem Dinge lustig, die man bei einem anderen aber ernst nimmt. Ob das nun aber schon die Frage der "Zuverlässigkeit des Charakters" ist, von der Stegemann spricht, würde ich trotzdem bezweifeln wollen. Es gibt ebenso wenig einen für immer feststehenden bzw. genauso darzustellenden Charakter wie es für immer feststehende Verhältnisse gibt.

Schließlich, dass Stegemann das Performancetheater auf den Begriff der "Authentizität" herunterbricht, empfinde auch ich als zu vereinfachend dargestellt. Warum muss er überhaupt zwei Formen des Darstellens so strikt voneinander trennen, nur um sie dann als besser oder schlechter zu werten? Denk ich an Performance, denk ich zuerst an den Begriff des Fluxus. Alles fließt. Omnia mutantur, nihil interit.
Presseschau Stegemann: Wunschdenken?
Ein interessanter Beitrag, Inga. Besonders genervt haben mich aufführungen wie zerbombt, Gier und Personenkreis, wo versucht wird durch authentisches Spiel sich den beschriebenen Charakteren zu nähern und leider nicht durch abstraktion. oder eine theatrale Verfremdung ...Im Gegenteil: Pseudorealismus und causale Psychoklischees sind der Duktus- auch sehr beliebt bei den Hausautoren des gleichen Hauses. Also diese selbstzufriedenheit von Stegemann ist doch erstaunlich. er scheint sich mit seinen Analysen von seinem eigenen Tätigkeitsfeld gelöst zu haben und sich in einem imaginierten Theaterraum zu befinden, in dem sich von ihm vorgestellte Inszenierungen an der Schaubühne widerlichen Selbstdarstellern in den ( Kammerspielen?) gegenüberstehen...eine romantische Überhöhung des eigenen Umfeldes mit zornig nach außen gerichtetem Blick. Wunschdenken? Traum? Oder einfach ein Philosoph?
Presseschau Stegemann: Gegensatz
Warum dieser künstliche Gegensatz? Um der Theaterwissenschaft eine künstliche Bedeutung zu verschaffen? Bitte, liebe Theaterwissenschaftler, analysiert doch mal lieber, was gutes und schlechtes"Performance-Theater" oder "Schauspieler-Theater" ist. Warum berührt Yael Ronens Arbeit so viele Zuschauer und warum lässt die Arbeit eines XY Performers über die gleiche israelische Befindlichkeit in Berlin einen gelangweilt zurück? Warum springt ein Funke in diesen Räubern über und in den anderen kribbelt es schon nach Minuten im Hintern?
Presseschau Stegemann: der Dramaturg von "Borgen"
Bitte klärt mich auf: war das nicht auch ein Bernd Stegemann, der als Dramaturg jenen Abend mit Stemann zu verantworten hatten, in dem so populitische Karikaturen von PolitikerInnen gezeichnet wurden? Ist das derselbe Bernd Stegemann, der jetzt PerformerInnen mit Trump vergleicht? Wie viele Stegemänner gibt's denn nun?
Presseschau Stegemann: Missionars-Werdung
Der Theoretiker Stegemann hatte noch nie was zu tun mit dem Praktiker. Der Theoretiker bearbeitet Phänomene im Nachhinein. Als Dramaturg konnte er ein theoretisch formuliertes Ansinnen noch nie in der Praxis konkretisieren. Wie denn auch? Stemann inszeniert wie Stemann und Thalheimer wie Thalheimer, egal, ob Stegemann daneben sitzt. Der Theoretiker kann in der Praxis beobachten, was er im Nachhinein theoretisch bearbeitet. Damit hätte ich auch kein Problem. Das beginnt für mich dort, wo der Theoretiker zum Missionar wird. Und eine bestimmte künstlerische Praxis mit dem Etikett populistisch belegt. Dazu gehört etwas mehr als die Definition über die angebliche Unmittelbarkeit. Insofern halte ich das, was er hier betreibt, für unzulässige Propaganda. Mit unlauteren Mitteln. Propaganda wofür? Für gute Schauspielkunst. Und da geht es mir wie #25: Mich würde mehr interessieren, wie schlechte/gute Schauspielkunst theoretisch beschrieben werden kann. Mit den performativen Anteilen kann es nicht allein zusammenhängen. Wer heute spielt wie zu Gründgens Zeiten, spielt in meinen Augen schlecht. Und das hat nichts mit Performance zu tun.
Presseschau Stegemann: einfache Antworten
Kinski hat gespielt wie zu Moissis Zeiten. Hat er schlecht gespielt? Ferruccio Soleri spielte wie zur Zeit der Commedia dell'arte. Hat er schlecht gespielt? Ach, diese einfachen Antworten.
Presseschau Stegemann: Wir warten
Also gut. Rothschild (Thomas) weiß wie das geht mit den Gutes Schauspiel - Schlechtes Schauspiel-Antworten. Auch in komplizierter.
Lieber Thomas Rothschild: Wir ("ich" bin schon mal wenigstens zwei!) warten auf Ihre theoretischen Beschreibungen! Das würde auch den Bernd Stegemann gewiss davon entlasten, nun Knofl-mäßig immer alles zu Theater können zu müssen, bloß weil er für Theater der Zeit-Verlag in den letzten Jahren mal das ein oder andere konnte.
Presseschau Stegemann: keine Antwort
Ich habe gerade keine Antwort, Komisch ohne Vornamen in oder außerhalb einer Klammer. Ich weiß nur, dass die einfache Antwort nicht ausreicht und habe versucht, das im gegebenen Fall zu belegen. Aber das zu verstehen ist offenbar zu einfach für jemanden, der anderen mit leutseliger Ironie die eigene Besserwisserei unterschiebt.
Presseschau Stegemann: hoffnungsvoll gemeint
#30: Ich meinte das überhaupt nicht ironisch! Sondern sehr hoffnungsvoll gerade in jemanden vertrauend, dem einfache Antworten so einfach belegt nicht ausreichen! - Schade, wenn es anders angekommen ist, in jedem Fall: ich bitte um Verzeihung - an Ihrem Vorwurf ist schon was dran, wenn ich genauer drüber nachdenke...
Presseschau Stegemann: Buch-Vorschlag
Wenn ich Sie missverstanden habe, bitte ich meinerseits um Verzeihung. Und zur Sache schlage ich die Bücher von Harald Kaufmann vor, obwohl es darin vordergründig um Musik geht.
Presseschau Stegemann: wertvolle Parallelen
Danke für den Lektüre-Hinweis. Es geht doch um Wege zur (ästhetischen) Wertung, so ich recht vorab sehe? Da wird es bestimmt wertvolle Parallelen zur Schauspielkunst geben.
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