Stockhausens Schrei

von Joachim Lux

7. Mai 2008. Theater ohne Autoren: Ist die Zukunft dramatisch? – Die Frage klingt schon wieder nach Krise, Untergang und Waldsterben. Keine Angst und auch keine Hoffnung: ich mache hier nicht die Kassandra für den angeblich oder wirklich vom Untergang bedrohten Autor. Im Gegenteil: ich möchte aufräumen und die Fenster aufreißen. Denn die Debatte um das Theater und seine angeblich immerwährenden Krisen ist weitaus verblödeter als das Theater in seinen Hervorbringungen. Sie klebt immer noch an Vorgestern. Die Klischees, mit denen Theaterleute und ihre sich antilobbyistisch gerierende kritische Lobby gern hantieren, ermüden seit langem.

Mit seiner Begabung, längst geschlagene Schlachten wieder aufzuwärmen, selbst wenn sich die Konfliktlinien seit langem verschoben haben, ist das Theater übrigens in guter schlechter Gesellschaft, in der der Politik nämlich. Alte Schemata werden hier wie dort mit Lust gedankenlos weitergetragen, als ideologische Nebelkerzen gegen den wahren Stand der Dinge. Besonders beliebt ist es, im Rahmen solcher Debatten für die Unterdrückten und Entrechteten Partei zu ergreifen: das sind im Theater in der Regel der arme Schauspieler und der vergewaltigte Autor, während der Folterknecht fast immer der Regisseur ist.


I. Rückblick auf Vorgestern (1968 bis Mauerfall)

Ein klischiertes Credo z. B. ist immer noch, mit dem Theater wäre es erheblich besser bestellt, wenn es aus Achtung vor dem Autor hermeneutische Textexegese im Sinne von Emil Staigers berühmter Formel "begreifen, was uns ergreift" (1955) betreiben würde, anstatt die Autoren durch die Regisseure und deren "Projekte" zu enteignen. Diese Argumentation nimmt den Autor mit dem Holzhammer eines unzulässigen "entweder – oder" nur mäßig verdeckt als Kronzeugen für Historizität und Klassizität in Anspruch, um das Theater vor den Zumutungen der Gegenwart respektive des Regietheaters zu retten.

Das Theater soll demütiger Diener der Autonomie der Kunst sein. Übermalung und Improvisation, Free Jazz als Variante des Jazz, auch Gesamtkunstwerk als Variante der puren Textverlebendigung – all diese künstlerischen Verfahren werden abgelehnt. Marthalers Wurzelfaust z.B. war in diesem Sinne Anfang der Neunziger Jahre manchem Symbol für den Untergang des Theaterabendlandes.

Das war zwar schon damals ein ziemlicher Unsinn, aber es entsprach in seiner Hitzigkeit doch wenigstens einer damals aktuellen Debatte. Heute sollte man diese bitte nicht mehr führen, denn das sogenannte Regietheater hat nicht nur Autoren vernichtet, es hat auch solche, die alle für mausetot hielten, reanimiert. Bis in den letzten Winkel ist die Erkenntnis vorgedrungen, dass es natürlich gar nichts anderes gibt als Regietheater und dass Autoren und Regisseure so etwas wie Sparring-Partner sind. Es sind aufs Ganze gesehen nicht die Regisseure, die die Autoren vernichten oder vernichtet haben.

Inflation der Gegenwartsdramatik

Eine andere unsinnige Litanei nimmt den Autor umgekehrt in Anspruch: Dem Theater ginge es besser, wenn es nicht so vergangenheitsverhaftet wäre. Es müsse sich mehr um die Gegenwart kümmern und der dafür zuständige, wenngleich vernachlässigte Seismograph und Kronzeuge sei der Autor. Von Vernachlässigung kann aber schon lange keine Rede mehr sein, auch das ist Unsinn – zumindest gibt es einen ziemlichen Betrieb um Autoren: Seit zehn Jahren etwa fördern zahllose deutschsprachige Theater, angelsächsische Fördermodelle (und auch deren Unarten) übernehmend, die Gegenwartsdramatik wie nie zuvor. Sie ergänzen damit ältere und verdienstvolle Institutionen wie den Stückemarkt des Berliner Theatertreffens oder die Mülheimer Theatertage.

Die deutschsprachige Theaterlandschaft ist mittlerweile überschwemmt von Autorenförderprogrammen, Wiener Werkstatttagen, Author-in-residence-Projekten unterschiedlichster Art und das Flaggschiff des neuen Booms sind die Autorentheatertage des Thalia-Theater, die derzeit noch in Hamburg residieren. Überall kann man einreichen, sich bewerben, mitmachen, lesen, entwickeln und lernen, in den Theatern, an den Hochschulen. Wie immer produzieren solche Förderprogramme auch Stilblüten, deren Symbolkraft eindeutig in Richtung "Gefahr im Verzug" weist: So, als sich vor einigen Jahren ein junger deutscher Autor bei den Wiener Werkstatttagen unter Hinweis auf einen Nachwuchspreis in Adelaide/Australien bewarb und sich anschließend bei den Münchener Autorentagen auf seine Teilnahme in Adelaide und Wien berufen konnte...

Der Autor als Zeitgeist-Surfer

Es ist meines Erachtens dringend an der Zeit, innezuhalten, Kassensturz zu machen, Bilanz zu ziehen: Welche und wie viele Autoren sind mit einiger Nachhaltigkeit tatsächlich aus all diesen Programmen hervorgegangen? Setzen sich gute Autoren und ihre Stücke kunstdarwinistisch sowieso durch, oder helfen diese Förderprogramme? Lernen die Autoren in all diesen Workshops sinnvolles Handwerk oder werden sie dort im Sinne der Marktgängigkeit rundgeschliffen? Inwieweit kann man schreiben überhaupt lernen?

Öffentliche Geständnisse sind nicht leicht und auch gefährlich, stellen muss man sich diesen Fragen trotzdem. Natürlich kann man auch hier reflexartig gegenargumentieren (Die Anzahl aufgeführter Gegenwartsstücke ist seit zwanzig Jahren in Wahrheit nicht gestiegen, sondern nur in die Breite gegangen. Die Theater machen Uraufführungen nur, um im Kampf um mediale Bedeutung vorzukommen, die Theater spielen zu wenig nach, die Theater führen die Stücke zu oft auf Nebenbühnen auf etc.). Ich komme später noch einmal auf diesen Punkt zurück.

Ein dritter Vorwurf gegen das Theater, ebenfalls am Autor festzumachen, ist der, er degradiere sich selbst zum Zeitgeistsurfer. Er sei, wie das Theater auch, dem Irrtum aufgesessen, man könne die mangelnde gesellschaftliche Relevanz des Mediums durch die Selbstauslieferung an die Gegenwart ausgleichen. Die ehemals berechtigte Attacke gegen das Heilige und Wirklichkeitsferne des Theaters habe auf direktem Wege das Profane und Banale hervorgebracht.

Das Stück zum Spiegeltitel der Woche

Hier sei eine Sackgasse, die die ästhetische Differenz, von der die Künste, und also auch das Theater und seine Autoren leben, missachtet. Reine Gegenwärtigkeit mache blind und sei in Zeiten, wo die Medien jedes Thema sofort geschickt aufbereiten, besonders altbacken.

Und in der Tat: Kaum bricht ein neuer Krieg aus, werden Kindesmissbrauch, Glauben oder Klonen Thema, gibt es aus den nationalen und internationalen PCs das Stück zum Spiegeltitel der nächsten Woche. Und falls man Klassiker macht, werden sie textlich aufs Hier und Heute wahlweise der Börse, einer Ökologiekatastrophe oder auf gated communities zurechtbearbeitet.

Man sieht, wie sich im Autor der schreckliche Zustand des Theaters kristallisiert. Man könnte das Gleiche an den Regisseuren durchexerzieren, z.B. an der alten Konfliktlinie ästhetischer Idealismus (etwa von Andrea Breth) versus ästhetischer Materialismus (etwa von Frank Castorf) – aber diese Gegenüberstellungen greifen längstens nicht mehr, es sind Antagonismen einer längst verflossenen Zeit. Nein – das sind alles Positionen der Defensive, überkommene Argumentationen, ideologischer Retro-Müll.

Selbstreferentielle Postmoderne versus Dada-Dekonstruktion

Der Debattenstil nährt sich geriatrisch immer noch aus den Zeiten der 68er und dem damit verbundenen Sündenfall gegen den ästhetischen Idealismus der Fünfziger Jahre sowie aus der Zeit des Mauerfalls, dem zweiten entscheidenden Paradigmenwechsel, den unsere Gesellschaft mitgemacht hat. Hier fand ästhetisch eine Ost-Invasion in die westliche Wohlstandsglocke statt.

Zwar hatte es mit Autoren wie Heiner Müller oder Thomas Brasch und Regisseuren wie Tragelehn, Karge, Langhoff, Schleef u.a. schon früher eine invasive Vorhut gegen Botho Strauß, Luc Bondy und die sich in der Schaubühne Peter Steins versammelnden Westberliner Zahnärzte gegeben, aber der entscheidende Schlag kam von der materialistischen Dada-Anarcho-Destruktionsmaschinerie eines Frank Castorf, der das Theater aus der selbstreferentiell–narzisstischen Postmoderne riss.

Aber das eine entscheidende Ereignis (1968), das muss nun schon erwähnt werden, ist vierzig Jahre, das andere (der Mauerfall) bald zwanzig Jahre her. Die soziale und ästhetische Wahrheit des Theaters und unserer Gesellschaft ist aber seit geraumer Zeit eine vollständig andere. Was ich kritisiere, ist nicht die Debatte, die sich hinter all dem verbirgt – es ist die Jahrhunderte alte zwischen Kunst und Wirklichkeit, zwischen Autonomie und Realismus –, sondern die klischierten Ideologeme, mit denen da hantiert wird.

 

II. Rückblick auf Gestern (Die Postmoderne und ihr Ende)

Wenden wir uns dem Gestern zu, das noch fataler als das Vorgestern die heutigen Auseinandersetzungen dominiert: der gerade schon gestreiften Postmoderne. Parallel – und die bundesrepublikanischen Ereignisse überwölbend – fanden gesellschaftlich andere Entwicklungen statt, die der mächtige konservative und trotzdem (oder deswegen?) materialistisch argumentierende Verleger Hubert Burda für weitaus bedeutender und folgenreicher hält: die einst vom Silicon Valley ausgehende technologische Revolution und die globalisierten Wirtschaftsströme, in deren Folge es immer größere Schwierigkeiten gibt, das nationale Ich wirtschaftlich und psychologisch zu definieren.

Der Boom der postmodernen Philosophie entstand – ein Paradebeispiel für die Parallelität von Philosophie und Gesellschaft – in etwa gleichzeitig zu diesen Entwicklungen und hat unmittelbar mit der Frage zu tun, inwieweit Drama bzw. Autorenschaft möglich ist. Von Jean-Francois Lyotard stammt die Diagnose, das "Ende der großen Erzählungen" sei gekommen. Er war der Meinung, dass die Moderne, die immer noch vom bürgerlichen Subjekt und seiner Fähigkeit, sich umfassend welterklärend auszudrücken, zu Ende sei. Die einheitliche Weltschau aus dem Geiste Gottes, der Moral, eines Subjektes sei weder in der Philosophie noch in der Literatur länger möglich. Stattdessen müsse man sich postmodern dem Divergenten, Dissoziierten, dem Heterogenen und Zersplitterten stellen. Der Konsens einer einheitlichen Weltbehauptung sei weg.

Autorschaft und postdramatisches Theater

Das ist natürlich purer Anti-Hegelianismus, der das Ende der Geschichte und das Ende von dialektischen Bewegungen ausruft. Aber: Lyotards Diagnose der Unübersichtlichkeit stammt aus dem Jahr 1979. Und Hans-Thies Lehmanns bahnbrechendes Buch über die Folgen für das Theater stammt von 1999, ist also zwanzig Jahre nach Lyotard geschrieben. Seitdem firmiert in heilloser Begriffsverwirrung alles Mögliche als "Postdramatisches Theater", und es gibt zwei vorherrschende Tendenzen: Der Autor traditionellen Typus' ist erledigt, und wer trotzdem so weitermacht wie bisher, gerät unter den Generalverdacht nicht heilbarer ästhetischer Naivität.

Der Autor ist fortan jemand, der wie eine Schaumkrone auf der Welle tanzend, in postmoderner Meisterschaft mit dem Vagen und Virtuellen spielt und spielen kann und – ironischerweise – auf dem Umweg des Spiels mit allen möglichen Valenzen seine göttliche Deutungshoheit bewahrt bzw. neu erobert. Denn: die bloße Anhäufung des Aleatorischen und Unbestimmten verhindert ja Autorenschaft, sie braucht schon einen Komponisten.

Die zweite Folge der skizzierten Ereignisse ist eine Explosion "performativer" Theaterformen, die den Autor nicht mehr brauchen, solche Formen aber sind, Hans-Thies Lehmann bemühend, "postdramatisch" und ergo postmodern. Ich bezweifle, dass das heute noch gilt. Das Schicksal solcher Begrifflichkeiten ist nicht nur in diesem Fall, dass sie in dem Augenblick, wo sie auftauchen, schon nicht mehr stimmen.

Die Krise des Theaters und die Rückkehr der Geschichte

So laufen die wie immer verspäteten und falschen Argumentationsketten, die das Theater in die nächste Krise stürzen. Derlei mündet bei Theaterleuten wie Kritikern gebetsmühlenartig und selbstredend in den schönsten zwei Sätzen: Der eine "Das Theater ist in der Krise", der andere: "Das Theater ist, seitdem es existiert, in der Krise".

Aber was sind das anderes als allgemeine Sätze gedankenloser Selbstverteidigungsbemitleidung, um wieder einmal, angeblich mit dem Rücken zur Wand stehend, schwindende Legitimation, mangelnden Rückhalt in der Politik, mangelnden Publikumszuspruch oder einfach schlechte Aufführungen (auch so etwas soll es geben) irgendwie dann doch zu rechtfertigen und gleichzeitig wie ein todkranker Patient zitternd auf dem Bett die eigene Gesundung zu versprechen, die der Gesunde dem Hohläugigen allerdings nicht zu glauben geneigt ist?

Seit dem Höhepunkt der Postmoderne, den man vermutlich in den Achtziger Jahren verorten könnte, haben sich zwei historisch wesentliche Dinge ereignet: der schon erwähnte Mauerfall und der 11. September 2001, als symbolische und reale Aktion im Kontext des "clash of cultures".

Was hat das mit dem Theater und seinen Autoren zu tun? Mit diesen beiden Ereignissen, die unser aller Leben beeinflusst und verändert haben, hat sich die Geschichte mit unverstellbarer Macht zurückgemeldet. (Andere Ereignisse wie die Bluttaten an den Rändern von Schengen, die wir mit unseren Steuergeldern alle begehen, oder wie den Völkermord in Ruanda ignorieren wir der Einfachheit halber.) Es war zwar sowieso nie wahr, dass alles, was wir sagen, nichts bedeutet und sich jeder versuchte Sprechakt folgenlos im postmodernen Diskursnebel verläuft, aber es ist seit geraumer Zeit weniger denn je wahr.

9/11 oder die Erlösung aus dem postmodernen Nichts

Die Postmoderne war nie etwas anderes als die narzisstische Pose einer satten Gesellschaft, die Fußnote eines gesellschaftlichen Augenblicks. Es spricht vieles dafür, dass der Einsturz der Twin Tower für den Westen trotz mehrerer tausend Toter die Erlösung von dem unhistorisch postmodernen Nichts war. Ich zitiere zur Erinnerung Karlheinz Stockhausens berühmte, damals nur unzulänglich begriffene Formulierung: "Was da geschehen ist, ist (...) das größte Kunstwerk, das es je gegeben hat." Und ich glaube, es war Boris Groys, der sagte, der Einsturz des ersten Twin Tower, den man noch für einen Unfall hätte halten können, sei "der Einbruch des Realen" gewesen, der Einsturz des zweiten – weltweit von den Medien übertragen und für jeden ersichtlich ein kalkuliertes Ereignis – "der Ausbruch der Kunst".

Dass Künstler und Philosophen hierfür ein besonderes Bewusstsein haben, verwundert nicht, ihre spontanen seinerzeitigen Äußerungen sind aus dem Abstand nicht zynisch, sondern Ausdruck realistischer Seismographie über den Zustand des Westens, auch in Bezug auf die Künste: Dies war – das ist meine Überzeugung – die Initialzündung für die Abkehr vom Postmodernen, der Abschied von der Verweigerung von Realität und Geschichte, der Moment der Rückkehr der Geschichte, der Sehnsucht nach Realität und Wirkung, die die Künste seitdem in Bewegung hält.

 

III. Die Gegenwart (Wiederentdeckung des Realen und des Subjektes)

Wo also stehen wir heute? Im Grunde stellt sich hier die Frage von Nachhall oder Vorschein, von "Nicht-mehr" oder "Noch-nicht". Ich entscheide mich – zugegebenerweise mit einem Anflug von Mutwillen – für Letzteres. Beliebten Unkenrufen zum Trotz behaupte ich, dass wir nicht die Stunde des Pessimismus, sondern die des Optimismus zu markieren haben.

Mit drei (tendenziell katastrophalen) Stichworten möchte ich kurz umreißen, weshalb ich so ungebremst optimistisch bin: das eine Stichwort ist Normalität, das zweite Klarheit, das dritte Diffusion. Katastrophal sind die Stichworte deshalb, weil Theater, das Drama sein will, eigentlich vom Gegenteil lebt: von der Zuspitzung des Außerordentlichen, von Abweichung, von Devianz, von Irritation.

Zunächst zur Normalität. Ich meine damit die Normalität unserer Gesellschaft. Wir haben viele tektonische Erschütterungen, Verwerfungen und Überlagerungen hinter uns und stecken teilweise noch mitten drin: von der größten technologischen Revolution aller Zeiten über die Auflösung unserer Nationalgesellschaften zugunsten multiethnischer Körper, in denen sich Spezialcommunities bilden bis zur radikalen Veränderung überkommener Lebensverhältnisse wie Familie, Arbeit oder Sesshaftigkeit.

Renaissance des Citoyen

Die Folge aber ist nicht die restaurative Sehnsucht, sich in altvordere Modelle zurückzuflüchten, sondern das Bemühen, neue Lebensformen zu entwickeln, und so mit den Irritationen umzugehen, die viele erfasst haben. Etwas pathetisch würde ich sagen: von der Rückkehr zum Bourgeois, von der manche Journalisten vor einiger Zeit berichten wollten, kann gar keine Rede sein, wohl aber vom neu erwachten Citoyen. Er will wissen, wie er leben soll, wie er die tradierten Modelle übertragen, anpassen und ändern soll etc.

Unsere Gesellschaften versuchen sich neu zu orientieren. Und dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit der Welt außerhalb von Schengen, die ohnehin schon mitten in unseren Gesellschaften ist. Ein Satz wie: "Es existieren mehr Lösungen als Probleme", von Dirk Baecker in seinem Buch "Postheroisches Management" (1994) formuliert, spiegelt als Mittelschichtssoziologie vielleicht korrekt diese gated community, ist aber aufs Ganze gesehen so falsch wie nur irgendetwas. In der Bezweiflung dieses Satzes könnte sich "Drama" neu generieren und mit ihm vielleicht auch ein "heroisches Management".

Zur Klarheit. Das bezieht sich auf die Stoßrichtung dessen, was das Theater heute inhaltlich will. Parallel zu den skizzierten Entwicklungen ist das Theater ziemlich reaktionsstark und mit deutlichen Zielen in einen Zustand der Entideologisierung eingetreten, es will Debatte und Auseinandersetzung, Recherche und Untersuchung statt Thesen und Belehrungen, es will Gespräch statt Schock, Erlebnis statt Kunsttempel, Verbindlichkeit statt Pseudoavantgardismus. Die Zeit der Dekonstruktion als westlich-spielerische (und latent narzisstische) Pose zur Kontingenz ist ebenso vorbei wie der östlich-aggressive Nihilismus.

Das Theater als Sozialarbeiter am Gesellschaftskörper

Aber den Wirklichkeits- und Subjekt-Zertrümmerungsposen ist nicht – obwohl es mal ganz kurz danach aussah – die restaurative Rekonstruktion gefolgt. Der Biedersinn von "ich will einfach nur Geschichten von Menschen erzählen" ist zwar der Kern von Theater, ist aber so billig im Moment nicht zu haben. Wer so redet, greift ähnlich kurz, wie der Bundestagspräsident Norbert Lammert, wenn er, sich gegen Lyotard wendend, die "große Erzählung" als synonym für eine fehlende "Leitkultur" forderte (2004).

Nein, das Theater heute sucht den Zuschauer und die Wirklichkeit, von der es umgeben ist. Das Theater heute ist eines, das sich seiner sozialen Verantwortung bewusst ist, ja diese sogar will. Dadurch ist es so lebendig und in seinen Erscheinungs- und Äußerungsformen so vielfältig und mutig wie schon lange nicht mehr. Es ist – mit durchaus doppeldeutigem Zungenschlag – oft auch Sozialarbeiter am Gesellschaftskörper: "Sinnproduktion und -reproduktion.com", eine Agora der Bürgergesellschaft. Und da, wo es das (noch) nicht ist, ist dies zumindest seine Sehnsucht.

Es hat sich – nochmals doppelter Zungenschlag – auf die Gesellschaft eingestellt, flüchtet weder (wie nach den Erschütterungen des zweiten Weltkriegs) in einen idealistischen Literatur- und Klassikhimmel, noch rennt es (wie in der Achtundsechzigerzeit) gegen eine (heute ohnehin nicht bestehende) formierte Gesellschaft an, es bleibt auch nicht im postmodernen Vagheitshimmel, sondern geht mit dem Verlust an Mehrwert, den es erlitten hat, produktiv, man könnte auch sagen "erwachsen", um und erarbeitet sich so möglicherweise einen neuen. Es arbeitet daran, den gegenwärtigen Zustand zu bilanzieren, an Wertefindung und Grundlagenforschung im gesellschaftlichen Raum.

In diesem Bemühen sind interessanterweise plötzlich wieder die Wissenschaften, sei es Ethnologie, Naturwissenschaft oder Soziologie zu Partnern des Theaters geworden. Man sucht sich Themen wie "Die Barbaren sind wir" oder "Glauben" oder "Natur" und trägt wie ein Kurator theatrale Aktivitäten zu diesen Komplexen bei. Oder man geht in die Stadt hinein, um die verloren gegangene Reibung zur sozialen Realität wieder herzustellen.

Mehr Inhalt, weniger Kunst

Die Aufmerksamkeit, die man da erringen kann, ist unspektakulär und Ergebnis von ernsthafter Arbeit. Auch für die Autoren ist bei diesen Tendenzen ein neuer und ganz und gar anti-postmoderner Raum entstanden. Er symbolisiert sich in dem – wie ich finde etwas zweifelhaften und Shakespeares "Hamlet" entlehnten – Schlachtruf der diesjährigen Hamburger Autorentheatertage: "Mehr Inhalt, weniger Kunst".

Zur Diffusion. Hiermit meine ich die Diffusion der ästhetischen Formen. Wenn Theater (mit etwas Glück) Kunst ist und Kunst, verkürzt ausgedrückt, das Bemühen um die ästhetische Bewältigung und Verdichtung der Wirklichkeit ist, dann können wir meines Erachtens in den Bemühungen um das Reale derzeit eine kongenial zersplitterte Vielfalt ästhetischer Formen konstatieren. Sie speist sich aus dem Bewusstsein, dass für den Realitätsgehalt von Theater seine Kommunikationsformen entscheidend sind.

Man will real kommunizieren statt ritualisiert, man will Interaktion statt Frontalunterricht, Transparenz und Echtheit des kommunikativen Aktes auf der Bühne statt der "Lüge" der Verabredung, Sprechakt statt Diskurs und hat Sehnsucht nach dem Realen, dem Echten, dem Wirklichen statt dem Virtuellen und dem Simulierten. Die Spielarten dessen sind so vielfältig wie die Akte möglicher Kommunikation selbst. Das gilt für die Off-Theater, für die freie Szene, für die Koproduktionsnetzwerke genauso wie für das Stadttheater.

Arbeit an der Rückgewinnung der Autorschaft

Überall findet Arbeit am Wirklichen und Arbeit an der Rückgewinnung des Dramatischen, auch der Autorenschaft statt, wenn auch unter veränderten Bedingungen. Der Autor kommt hier wieder ins Spiel, auch wenn sich seine Begrifflichkeit und Funktion zum Teil gewaltig verändert haben. Aber auch die vielfältigen Theaterformen jenseits des traditionellen Dramas haben sich stark verändert und sich gewissermaßen einmal um sich selbst gedreht: sie sind heute kaum postmodern, sondern meistenteils Arbeit an der Rückgewinnung des Realitätsbezugs.

Zwar kann man die Erfahrungen der Postmoderne mit ihrer Problematisierung von Subjekt und Geschichte nicht einfach ignorieren, aber es geht doch immer weniger um das Nicht-Mehr-Dramatische als vielmehr um das Beinahe-Schon-Wieder-Dramatische. Die Sehnsucht nach dem Einbruch des Realen in die Kunst hat zu einer Explosion von Performance, Happening und Event-Formen geführt, zu theatralischen Kongressen, zu GPS-gestützten Stadtwanderungen, zu einer Renaissance von Augusto Boals jahrzehntealtem "unvisible theatre" etc.

Man sieht, dass das Theater in Bewegung ist, auch wenn es sich dabei sprachlich die Syphilis zugezogen hat und sich in seinen Verlautbarungen einen ebenso modischen wie anmaßenden Ton angeeignet hat, den es der bildenden Kunst entlehnt hat. Kaum ein Theater ohne urbane Interventionen, Themenparks und interaktive Performances. (Man fürchtet sich schon beim Lesen und will die Realisierung dieser Projekte lieber nicht sehen – vielleicht ist es doch nur ein Straßenfest, das marketingmäßig aufgerüstet wird.)

Gelebtes, unverabredetes Bühnenleben

Trotz dieser Verirrungen muss man festhalten, dass es all diesen Akten des sogenannten "Performativen" nicht um die Auflösung, sondern um die Rückgewinnung des Theatralischen geht, sei es als Interaktion mit dem Publikum, sei es in der Beteiligung des Publikums an Echtzeiterlebnissen. Das kann durchaus dramatisch sein. Das sind die Folgen von Stockhausens Schrei.

Das alles gilt aber nicht nur für frei produzierte Performances, sondern auch für das Stadttheater. Drei Beispiele mögen genügen, um das Bemühen um die Rückgewinnung des Theatralischen und Dramatischen aus dem Geist des Realen zu belegen: Ein Regisseur wie Jan Bosse z.B. hat eine spezielle Publikumsdramaturgie entwickelt. Er nutzt das Theater, in dem oft genug verlogene Kunstkunst behauptet wird, um Kunstkunst zu vermeiden und Schauspieler und Publikum "real" aufeinanderzuhetzen.

Das funktioniert, denn er hat als treuen Feind-Freund die vierte Wand, die er nur permanent niederreißen kann, solange es sie gibt. Er hat einen Trick des inszenierenden Nichtinszenierens entwickelt, der die traditionelle "Figur" in Richtung gelebtes unverabredetes Bühnenleben auflöst. Bei kaum einem Regisseur ist das Subjekt des Schauspielers (allen Problematisierungen des Subjekts zum Trotz) so kräftig und ungeschützt erlebbar wie bei ihm.

Das Subjekt jenseits der Postmoderne

Der Schauspieler wird zur Energiemaschine für den Text eines Autors wie z.B. Shakespeare. Auf den Autor ist er genauso angewiesen wie z.B. Nicolas Stemann, bei dem die Sache anders und doch ähnlich liegt. Auch er braucht einen Autor wie die Luft zum Atmen, auch er bezweifelt das traditionelle Figurenspiel. Aber bei ihm entsteht das Drama aus der Problematik der Kontingenz: Handeln geht nicht, weder als Regisseur noch als Spieler, traditionelle Figuren spielen geht auch nicht, Geschichten erzählen mit konsistenten Figuren ist nicht möglich.

Damit ist er auf der Höhe der Zeit, lässt den Abend zwischen Ästhetik und Nicht-Ästhetik, zwischen Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit, zwischen einer unzweifelhaften Realität und dem Bewusstsein, dass sie nicht zu fassen und auf der Bühne auch gar nicht darstellbar ist, schwingen und treibt den Zuschauer in einen wachen kommunikativen Akt.

Beide erfinden auf völlig verschiedene Weise aus dem Bewusstsein, dass die tradierten Theaterstile nicht mehr gehen, Neues und sind große Theatraliker. Sie arbeiten sich an der Problematik der verflossenen Postmoderne ab und behaupten – ähnlich wie René Pollesch in seinen hysterischen Diskursen – das Subjekt so kräftig wie sonst kaum jemand.

Der Autor als Sammler und Sampler

Was heißt das für den Autor? Der Autor als ästhetisch sublimierendes Gefäß, der die Dinge sammelt und so ausdrückt, wie man es selbst nie und nimmer könnte, hat es angesichts dieser Gemengelage schwer. Im Stadttheater gibt es ihn, außerhalb dessen nicht oder wenigstens ganz anders. Das Stadttheater ist aller Dynamik zum Trotz Zentrum der Arbeit mit Autoren geblieben. Und es gibt auch eine Reihe von Autoren, die die Zeit nach der Postmoderne ästhetisch auf der Höhe verarbeiten.

Beispielhaft sind dies Elfriede Jelinek, die mit sprachlichen ready mades arbeitet, diese übermalt und damit eine raffinierte Mischung von ungefilterter Wirklichkeitspräsentation und auktorialer Oberhoheit gelungen ist, oder Zaimoglus "Schwarze Jungfrauen", die als Text aus der Übermalung dokumentarischen Materials entstanden sind. Sie recyclen, samplen und mixen Vorhandenes und durchschießen es mit dem Autoren-Ich. Roland Schimmelpfennig dagegen bemüht sich darum, durch und durch postmodern geprägt, Geschichten durch komponierte Aleatorik doch wieder zu einer einzigen zusammenzuführen.

Außerhalb des Stadttheaters aber ist für den Autor wenig Platz. Denn alles Performative ist der Versuch der Rückgewinnung des Dramatischen ohne den Autor im klassischen Sinne. Hier wird, wie im Tanztheater, oft der Künstler zum Autor oder, wie in früheren Zeiten der oral history, das Kollektiv, wenn z.B. weblogs zum Material eines Theaterabends werden. Alle schreiben mit. Theater ohne Autoren ist möglich, und zwar sehr gut sogar.

Die Wirklichkeit als Text

Die Tendenz, den Autor im oben skizzierten Sinne infrage zu stellen, gibt es auch im traditionellen Stadttheater, etwa wenn Alvis Hermanis, der ästhetische Hyperrealist, den Spieler als virtuosen Anti-Virtuosen braucht, um so glaubwürdig und antitheatralisch wie möglich eine Putzfrau oder einen Taxifahrer auf die Bühne zu bringen. Die perfekte Imitation einer Putzfrau braucht aber bei Hermanis keinen Text, sondern die Wirklichkeit ist ihr Text, das Dokumentarische. Deswegen gehen die Schauspieler selbst auf die Suche nach Menschen und Geschichten, nehmen sie auf und spielen sie.

Ist so etwas Autorenschaft? Ich würde sagen: jein. Ist so etwas Drama? Ich würde sagen: möglicherweise. Haben Rimini Protokoll zurecht den Mülheimer Dramatiker Preis bekommen? Ich würde sagen: jein. Oder haben doch die berufsständischen Protestadressen eindeutig recht? Hätten Heinar Kipphardt für "Bruder Eichmann" oder Peter Weiss für "Die Ermittlung" den Mülheimer Dramatiker-Preis bekommen sollen, wenn es ihn in den 60er Jahren schon gegeben hätte? Ich würde sagen: ja.

Ist Walter Kempowski möglicherweise wegen seines "Echolots", wo kein einziges Wort von ihm selber stammt, ein größerer Autor als wegen "Tadellöser & Wolff" – denkbar. Die kunstvolle Montage von Wirklichkeitsmaterial kann Autorenschaft generieren, auch wenn der Autor wie im Fall von Rimini Protokoll oder Hermanis ein Theaterregisseur ist.

Ob das alles noch Theater ist?

Nun ist aber nicht die Wirklichkeitsnähe eines Textes, sondern seine Welthaltigkeit und die ästhetische Bewältigung des Stoffes ein Kriterium für seine Qualität. Und die ergibt sich bei Hermanis oder Rimini Protokoll möglicherweise nicht aus dem Text selbst, sondern nur im Kontext mit der jeweiligen Aufführung. Es stellt sich schon die Frage, ob bei aller Sehnsucht nach dem Echten das Echte an sich schon künstlerisch ist, oder ob es nicht doch einen Akt ästhetischer Selbstpräsentation braucht, auch auf der Textebene.

Schwierigkeiten.- Damit ist man dann allerdings mitten in einem hochkomplexen Kunstdiskurs, der dazu führen könnte, dass Duchamps berühmte Kloschüssel wirklich ein Readymade und also Kunst war, während die Beuys'sche Fettecke – offenbar unzulänglich ausgestellt – von den Putzfrauen möglicherweise zurecht mit Unrat verwechselt wurde. Warum soll das Theater von diesen Fragestellungen ausgeschlossen sein? Warum soll der Autor, nur eine von mehreren variablen Größen in dem Spiel, davon ausgeschlossen sein? Warum der Schauspieler?

Auch er wird zur Disposition gestellt: sei es bei Rimini, wo "echte" Diplomaten "echt" Theater spielen und ihre Geschichten erzählen, sei es bei Schlingensief, der mit dem nichtkalkulierbaren Verhalten seiner Laien kalkuliert. Sei es in Hanna Hurtzigs "Schwarzmärkten", wo sich der Zuschauer im Dialog mit Spezialisten sozusagen selbst aufführt und "ausstellt", während er mit dem Spezialisten spricht. Ob das alles noch Theater ist.

Formen in Bewegung

Das Ergebnis ist also die Diffusion ästhetischer Formen – eine produktive allerdings, die ihren Sinn und ihren gesellschaftlichen Platz hat. Das traditionelle Stadttheater hat hiermit aus verschiedenen Gründen seine Schwierigkeiten. Denn es definiert sich aus Autor, Text, Geschichte, Figur und Schauspieler.

Genau diese Säulen werden aber infrage gestellt. Die frühere Arbeitsteilung zwischen Off-Bühnen und Stadttheater, zwischen traditionellem Literaturtheater und Avantgarde verwischt mehr denn je, und ich wüsste nicht, warum man für eine der beiden Seiten Partei ergreifen sollte. Immer öfter werden kreuz und quer Bündnisse eingegangen, auch beim Berliner Theatertreffen, das seit einiger Zeit auch Produktionen, die nicht aus dem normalen Sprechtheaterbetrieb stammen, einlädt.

Die freie Gruppe SIGNA nimmt, provokativ formuliert, einer Produktion z.B. von Luc Bondy den Platz weg, und sie kostet den Veranstalter Schauspiel Köln und seine Besucher mindestens eine große Shakespeareproduktion. Auch hat das Theatertreffen den Sieger des Festivals der freien Theater, den Sieger von "Impulse", eingeladen anstatt z.B. eine Produktion aus Heidelberg oder Bremen. Das sind qualitative Entscheidungen der jeweils Verantwortlichen, die vor dem Hintergrund des oben Skizzierten begreifbar werden

Man sieht: der Paradigmenwechsel im Ästhetischen folgt einer Gesellschaft, die neugierig auf der Suche nach sich selbst ist und manchmal bei einem "Schwarzmarkt" mehr erlebt als bei "Tasso". Dies hat Folgen für die Theaterbetriebe, für Festivals, auch für den europäischen Theaterpreis, den in diesem Jahr in Saloniki u.a. die Gruppe Rimini Protokoll bekam.

Das Theater ist in Bewegung und das ist das Beste, was ihm passieren kann. Wenn die, die es tragen – Autoren, Schauspieler, Regisseure – produktiv verwirrt werden, kann das nichts Schlechtes sein. Aber das ist kein Schicksalsschlag, sondern Folge einer Gesellschaft auf der Suche nach sich selbst und nach zeitgemäßen Erlebnisformen, nach Erfahrungen außerhalb von einem selbst: nach Wirklichkeit. Ich glaube vor dem Hintergrund der berichteten Entwicklungen, dass "Drama" und "Autoren" wieder möglich sind.

 

IV. Die Zukunft (Kunst?)

Also ist alles gut? Nein. Zwei Anmerkungen zum Mangel, verbunden mit der Zuversicht auf baldige Besserung:

Die erste: Es hat, von wenigen Ausnahmen wie Elfriede Jelinek abgesehen, schon lange kein neues Stück gegeben, das in der Öffentlichkeit einen bedeutsamen Rang gehabt hätte. Die wesentlichen ästhetischen Impulse kommen schon seit geraumer Zeit nicht vom Text. Das aber müsste für einen Autor der Maßstab sein. Denn es waren ja immer wieder Autoren, die gesellschaftlich Wirkung hatten, wenn man z.B. an die europaweit gleichzeitige Uraufführung von Peter Weiss' "Ermittlung" denkt. Man muss nicht immer auf die Überpräsenz der Medien hinweisen, um zu beweisen, dass das heute nicht mehr möglich ist.

Und es waren immer wieder Autoren, denen das Theater eine ästhetische Provokation verdankte, die es erst einmal bewältigen musste und an denen es oft genug scheiterte, an und mit denen es sich aber veränderte. Dies waren z. B. Georg Büchner, die Revolte der Naturalisten, Brecht, Artaud, Heiner Müller, Botho Strauß oder eben Elfriede Jelinek. Und ich gestehe, dass meine Hoffnung, dass dies von Schreibwerkstätten und Dramatikerwettbewerben ausgehen könnte, gering ist. Diese Institutionen sind für den Eigensinn, den das bräuchte, nicht geeignet. Wenn dies derzeit fehlt, müssen wir nicht reflexartig die Zeit oder Förderprogramme verantwortlich machen, die das verhindern – es gibt genug Geschichte, genug Politik, genug Geschichten und Stoff fürs Drama.

Drama kommt übrigens gemäß dem erfrischend einfachen Wikipedia-Eintrag von griechisch "Handlung" und "ist Theater mit Textgrundlage, im Unterschied zum improvisierten Stegreiftheater. Das Hauptkennzeichen des Dramas nach Aristoteles ist die Darstellung der Handlung durch Dialoge. Dadurch unterscheidet es sich in der Antike vom erzählenden Epos – seit der Neuzeit unterscheidet es sich dadurch hauptsächlich vom Roman. Nach modernem Verständnis sind Dramen dafür geschrieben, durch Schauspieler im Theater aufgeführt zu werden."

Sehnsucht nach Entwürfen

Die zweite Anmerkung bezieht sich auf den schier unbändigen Realitätshunger, der – das wage ich zu prognostizieren – auch wieder abflachen wird. Denn nirgends steht geschrieben, dass der Autor hauptsächlich Agent des Wirklichen ist, das Theater mit seinen Regisseuren übrigens auch nicht. Es ist langfristig eine Sackgasse, jeden Klassiker von der "Orestie" bis zu "Don Carlos" auf die Wohnküche herunterzurechnen. Christopher Schmidt verortete den Theaterautor vor einem Jahr "zwischen Götterfunken und Live-Chat". Und er schloss mit der Pointe: "kein Gott gab ihm zu sagen, was wer leidet, sondern das Telefonbuch von Hamburg."

Ich glaube, dass gegen all die Beschäftigung mit dem Realen auf vertrackte Weise bald die Sehnsucht nach mehr Kunst, nach Vision, nach Radikalität, nach Entwürfen, die sich nicht im Hier und Jetzt erschöpfen, nach Archaik, nach Geschichte und Geschichten erzählen, zurückkommt. Vielleicht ist hier das wahrhaft Experimentelle zu finden. Vielleicht erfüllt sich dann Peter Handkes Wunsch: "Wenn nur beides, das Poetische und das Politische, eins sein könnten."

Das Visionäre im Realen

Vielleicht ist das die Stunde großer Theatervisionäre wie Jürgen Gosch, Dimiter Gotscheff oder Luk Perceval, die nicht klein-, sondern hoch rechnen. Sie sind Schmuggler des Visionären im Realen, suchen die autonome Kraft der Kunst und wehren sich als Realisten, die sie trotzdem sind, dagegen die Kunst zum Sklaven der Wirklichkeit zu machen. Die Kunst enthält bei ihnen (und vielleicht auch bei Talenten, von deren Existenz wir noch gar nichts wissen) das wahrere Leben. Und sie verzichten deswegen – übrigens genauso wie z.B. Nicolas Stemann oder Jan Bosse – nicht auf den auf der Bühne "gelebten Augenblick", den Peter Kümmel unlängst noch auf deutschen Bühnen vermisste.

Die Sehnsucht nach Poesie und großen realitätsgesättigten Entwürfen ist da. Und wir hungern nicht nur nach solchen Regisseuren, sondern auch nach Autoren, die das mutig wagen. Denn, ich schließe mit einem meiner Lieblingssätze: "Kunst ist Magie, befreit von der Lüge Wahrheit zu sein" (Adorno). Es war mir ein Bedürfnis, die Debatte um das autoren- und dramenlose Theater ein bisschen aus dem modischen Mantel zu lösen und sie in einen Kontext zu stellen. Ich hoffe, dass dies wenigstens stichwortartig gelungen ist, und bin zuversichtlich, dass das wahrhaft Experimentelle in diese Richtung gehen könnte.


Joachim Lux ist Chefdramaturg am Burgtheater Wien und designierter Intendant des Thalia Theaters Hamburg. Den Text hielt er in gekürzter Form als Eröffnungsrede des Stückemarkts beim Berliner Theatertreffen 2008.

 

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Kommentare  
zu Joachim Lux: unscharf
Ein oberflächlicher, unscharfer Text, der auf die Pointe hinausläuft, dass Autoren bessere Texte schreiben sollten. Warum im Ländervergleich mit England zum Beispiel sehr verschiedene Texte geschrieben werden, wie die Regiebefugnisse hier auf die Texproduktion zurückwirken, ob die Anschubförderung durch langfristigere Bindungen zwischen Autor und Theater ersetzt werden sollte, was einen guten Theatertext auszeichnet neben seiner Fähigkeit zum gesellschaftlichen Skandal, diese Fragen bleiben ungestellt zugunsten eines harmlosen Überblicks auf die Phrasen und Debatten der letzten Jahre. Herr Lux scheint weichgespült von dem Schleichweg durch die Institutionen und sollte daran erinnert werden, dass nicht nur Autoren, sondern auch Dramaturgen gelegentlich bahnbrechende Texte geschrieben haben.
zu Joachim Lux: Ein einziger Satz hätte gereicht
Da hat das repräsentative Theatertreffen also auch seinen repräsentativen Vortrag! Eine Feier der Intelligenz und des ästhetischen Überblicks. Allerdings hätte ein einziger Satz gereicht: "Das Theater ist in Bewegung und das ist das Beste, was ihm passieren kann." Lux ist WIE ein Dramaturg der etwas schreibt, das WIE ein dramaturgischer Vortrag wirkt. Jede Platitüde hat Platz und jede Form ihre Berechtigung und Optimismus ist ganz wichtig. (...)
zu Joachim Lux: Scharf, nicht unscharf. Und ein Gewinn.
Ich finde, die Basher machen es sich wieder sehr einfach. Was Lux hier sehr scharf und nicht unscharf vorführt ist, wie bestimmte Vorwürfe an das zeitgenössische Theater, die es immer noch gibt, sich historischen Konstellationen verdanken, die es nicht mehr gibt. Die überholt sind. Sicherlich gibt es viele Überlappungen, viel geschichtliche Gleichzeitigkeit, und ganz weg sind manche Diskurse nie. Aber es ist doch wichtig, wie Lux es macht, darauf hinzuweisen, dass bestimmte Blicke auf das gegenwärtige Theater angemessener sind als andere. Ich empfinde diesen Text als großen Gewinn!
Was nicht heißt, dass man über die Themen von Jürgen Köbl aus Kommentar 1 nicht auch diskutieren könnte.
zu Joachim Lux: Toller Titel, interessante Gedanken
Toller Titel, der das Ganze exakt zusammenzurrt. Auch sonst hat Lux interessante Gedanken, allerdings hätte man sich mitunter eine Zuspitzung gewünscht, statt Breitwandargumentation.
zu Joachim Lux: üblicher Dramaturgensprech
Lux pflegt den üblichen Dramaturgensprech: allem ästhetisch voraus, aber nur ein bißchen. Auch gegen etwas sein, gegen "die längst geschlagenen Schlachten", gegen das Krisengerede, gegen die, die sich für Autoren oder Schauspieler engagieren. Die realen Probleme werden mit wohlklingenden Phrasen umschifft. Vielleicht ist es mehr als alles andere die Konzeptlastigkeit, unter der das deutsche Theater leidet, der Würgegriff der Theaterwissenschaft. (Ist das jetzt politisch korrekt ausgedrückt, liebe Nachtkritiker?)



Falls Sie sich, lieber Herr Buchta, für die Regeln interessieren, die bei uns fürs Kommentieren gelten, erfahren Sie Näheres im Impressum. Gruss, Esther Slevogt
zu Joachim Lux: eingeforderter Kassensturz dringend nötig
theaterautorinnen und -autoren und ihrer hier geschmähten lobby geht es heute doch längst nicht mehr um so wahnwitzige ideen wie die abschaffung oder zurückdrängung des regietheaters, die wiederbelebung mausetoter werktreuedebatten oder eine neubeflammung ideologischer nebelkerzen. auch nimmt man "postdramatische projekte" nicht als ungeliebte konkurrenz, sondern als gleichberechtigte theaterformen wahr.

heutige autoren kennen sich aus im betrieb, sie sind nicht selten selbst als regisseure, schauspieler, übersetzer oder dramaturgen tätig, sie reisen herum, mischen sich ein und wissen zu schätzen, wenn ihre stücke im sozialen kunstprozess theater eine spielerische auffaltung (oft auch überraschender möglichkeiten) erfahren. so sie es denn überhaupt erst einmal hineinschaffen ins system, vorbei an den mit manuskripten zugeschmissenen schwellenwärtern in den verlagen, dramaturgien und preisjurys.

es geht in der aktuellen autorendebatte, auf die sich joachim lux hier vielleicht auch bezieht, doch zuerst um ganz konkrete materielle forderungen von autoren. diese sollte man zur kenntnis nehmen und sie nicht reflexhaft als "litanei" abtun, auch wenn die konkreten ansprüche manchmal ungeschickt mit etwas nebulösen inhaltlichen forderungen verbunden werden. geschönte zahlen, wie sie der bühnenverband alljährlich verbreitet, helfen niemandem weiter.

der deutschsprachige stückemarkt ist ein subventionsregulierter markt, er setzt auf vielfalt (und das ist gut so! bloß: wie soll die aussehen?), fördert so aber auch immer mittelmaß und entwickelt mitunter auch alibierscheinungen bei der beschäftigung mit neuen stücken. hier ist der von lux eingeforderte kassensturz tatsächlich dringend nötig. hier fehlt längst eine neujustierung, hier müsste eine evaluierung der förderinstrumente stattfinden, das ist überfällig.

man frage beispielsweise einmal aktuell studierende des faches "szenisches schreiben" an der udk in berlin nach ihren oft erstaunlichen fördererfahrungen. das materielle hauptproblem besteht für viele autorinnen und autoren doch weiterhin darin, dass, ausgelöst auch von der verbreiteten förderalitis, jährlich eine unübersehbare zahl neuer (stärkerer und schwächerer) stücke entsteht, die theaterspielpläne sich aber - entgegen der marktschreierei der theater - auch in den letzten zwei jahrzehnten nicht ausreichend für neue stücke geöffnet haben.

das gilt für die neue wirkungsstätte von herrn lux weniger, für die allermeisten stadttheater aber im durchschnitt um so mehr. abgesehen vom prestigeträchtigen eiertanz um die ur- und erstaufführungen (in den theaterstudios, -fluren und -foyers dieses landes), siehts für das zweite stück eines autors oft schon mau aus. und das liegt sicher nicht an fehlenden qualitäten neuer stücke. auch die wenigen herausragenden werke, die ab und an tatsächlich geschrieben werden, haben es schwer, sich in der fülle der neuerscheinungen zu behaupten. zur alten klage über fehlende dramatische großwerke vielleicht noch dies: natürlich gibts neben den wunderbaren textflächen von frau jelinek, mit denen man sich nicht die sicht auf anderes vernageln sollte, eine ganze reihe relevanter und herausfordernder theaterstücke, die formal und inhaltlich auf der höhe der zeit sind.

vielleicht sind diese stücke aber auch einer sich gerade ausbreitenden bühnenmode, die nach "mehr realität" auf der bühne verlangt (was immer das heißen und welche erfahrungsarmut auch immer dahinter stecken mag), ästhetisch bereits um mehrere hundert seemeilen voraus. achtung, hier noch schleichwerbung für www.dramablog.de, wo die hier als "unsinnig" abgewehrte (und auch deshalb anscheinend dringliche) debatte um neue dramatik seit einer weile schon bunteste blüten treibt.
Joachim Lux antwortet
Alles, was recht ist, Her Köbl, aber mir vorzuwerfen, daß ich mir nicht die Fragen stelle, die Sie sich stellen, ist schon etwas geistesschwach. Und Herr Buchta wollte offenbar nur ein bißchen regelverletzend und inhaltsleer herumpolarisieren und hat sonst gar nichts beizutragen. Von Konzeptlastigkeit zu sprechen wo eine Bestandsaufnahme versucht wurde, ist sowieso unsinnig. Da ist mir FK viel näher - wer sind Sie? -, auch wenn ich im Einzelnen widersprechen muß.

Denn natürlich sehen sich Autoren oft von der Regie geschmäht und vernichtet und insistieren - wie Theresia Walser, mit der ich in Berlin diskutiert habe - mehr oder weniger unverblümt darauf, daß die Inszenierung werktreu zu sein hat, d.h. dem inneren Bild, das der Autor von ihr hat, entspricht. Ich stimme Ihnen völlig zu, daß man den von Ihnen so genannten "subventionsregulierten Markt" überprüfen müßte. Im Kern fehlt es nicht an organisierter Stücke- und Autorenverwaltung, sondern - so blöd das klingt - an Liebe. Wie können Dramaturgen und Intendanten Regisseure verführen, am Ball zu bleiben und Kontinuität mit Autoren zu suchen?

Denn Partnerschaften wie Peymann/Bernhard, Luc Bondy/Strauß, Gosch/Schimmelpfennig, Kriegenburg/Loher, Sebastian Nübling/Händl Klaus oder Stemann/Jelinek sind es doch, die sowohl dem Theater wie den Autoren nutzen und in manchen Fällen zum Durchbruch führen. Am Burgtheater, wo ich seit 9 Jahren arbeite, ist dies z.B. abgesehen von der Verbindung Stemann/Jelinek auch mit Christiane Pohle/Jonke und Friederike Heller/Handke gelungen. Die Stiftung und Weiterführung solcher Verbindungen ist Sache der Theater, die Autoren selbst können dazu wenig beitragen.

Natürlich gibt es hierzu, wie immer, auch Gegenbeispiele: Stücke von Anja Hilling, Lukas Bärfuß oder in jüngster Zeit auch Palmetshofer setzen sich auch so durch. Trotzdem fehlen seit Jahren die großen Stücke, die ästhetische und inhaltliche Kraft haben. Warum eigentlich? Sie behaupten, daß es sie gibt. Wo sind sie? Von welchen unentdeckten Texten glauben Sie, daß sich dafür 700 oder 800 Leute interessieren könnten? Welche Stücke meinen Sie konkret?

Ich glaube, die Theater würden sie auführen, wenn es sie gäbe. Es ist keineswegs so, daß die Theater von Texten überschwemmt werden, die sie gern aufführen würden und die leider im boomenden Neuerscheinungsmarkt untergehen. Warum ist ein 33jähriger Autor wie Daniel Kehlmann zum Auflagenmillionär geworden, dessen Buch auf der ganzen Welt gelesen wird, warum geht das im Theater nicht? Warum kann er ein Thema greifen, daß über uns selbst hinausgeht, warum kann das Theater das nicht, oder nicht mehr. Liegt das am Medium Theater, an den Autoren? In die Richtung wollte ich eigentlich anstoßen, und das war auch der Grund für Stockhausens Schrei.
fk an Joachim Lux: Durchsetzen, was heißt das genau?
namen nennen? na, aber gern. aber zuerst: durchsetzen, was heisst denn das genau? ist ein stück durchgesetzt, wenn es mit einer lesung oder werkstattinszenierung bedacht wird, wenn ihm ein preis verliehen wird? oder wenn es bei der uraufführung des werkes bleibt? - natürlich nicht. entdeckungen finden ja allerorten statt, aber was kommt danach? welchen sinn macht es (und wem nützt es?), laufend stücke zu entdecken, wenn weiterhin wenig bis gar nichts mit ihnen passiert?

hier ein paar exemplarische fälle aus verlagssicht: sämtlich stücke, die mir am herzen liegen, nicht nur aus beruflichen gründen. sie kennen sie alle:
1) "transdanubia-dreaming" von bernhard studlar: autorenpreis in heidelberg 2001, uraufgeführt 2003 im akademietheater, große bude. von ihnen, herr lux, damals wesentlich mitbefördert. - und dann? die zweite inszenierung fünf jahre später, am 17.5.08 in bregenz. dann wird noch das gymnasium dingolfing folgen, wo immer dingolfing sein mag, schöne grüße jedenfalls, man traut sich was in dingolfing. dabei ist das ein großes stück, in dem ein junger dulder zu einem veritablen modernen helden mutiert.

2) "hermes in der stadt" von lothar trolle: ein jahrhundertstück, ein zerschlagener diamant, wie alle stücke von trolle die reinste regiespielwiese. na und? nach der castorf-uraufführung am dt berlin anfang der 90er gabs gerade mal eine handvoll inszenierungen.

3) man nehme die stücke von fritz kater, der sich sicherlich nicht über fehlende preiswürdigungen oder mangelnde feuilletonaufmerksamkeit beklagen kann. aber sind seine stücke "durchgesetzt"? schaut man etwas genauer hin, stellt man fest: es ist bei einer handvoll (räumlich) kleineren inszenierungen von "zeit zu lieben zeit zu sterben" geblieben, trotz mülheimer dramatikerpreis 2003. an "heaven" haben sich bislang genau zwei theater herangetraut, eines wird von einem engen freund von herrn kater geleitet. in wien galt kater (auch bei ihnen, lieber herr lux) über lange jahre als nicht durchsetzbar, bis sich das volkstheater mit einer kleinen inszenierung "traute", der man leider schnell die rückendeckung entzog.

4) "wildfremde" von sergi belbel, grosses stück über mitteleuropäische entfremdungen und den aufeinanderprall verschiedener kulturen. riesenthemen, riesenbesetzung, am schauspiel leipzig anfang 2006 im großen haus erstaufgeführt, vom großfeuilleton fast komplett ignoriert. bei minus 15 grad außentemperatur hat sich nur herr wengierek von der welt nach leipzig bemüht und dort "großes theater" entdeckt. seitdem ist das stück nicht gespielt worden.

ich bin mir sicher, die liste ließe sich mit etlichen großen werken (auch anderer verlage) fortsetzen. man möge aus der deckung kommen.

es geht ja nicht um werbung für wenig gespielte stücke, sondern um strukturelle prombleme. hier wäre jedenfalls platz für eine schöne leseliste. erfreulichstes beispiel für eine gelungene zusammenarbeit, um nicht immer nur zu quengeln, ist für mich aktuell die freiburger produktion von felicia zellers "kaspar häuser meer". volle ränge im "kleinen haus" mit über 300 plätzen. und das bei einer autorin, über die mir seit jahren gesagt wird, ihre stücke seien irgendwie zu speziell, schwierig und "zu poetisch".

ich bleibe dabei, wichtige stücke werden nicht angemessen wahrgenommen. man lese sich mal die "top twenty" der bühnenvereins-hitliste durch, dann wird schnell klar, welche kriterien spielplanentscheidungen heute noch immer zuerst beeinflussen.

solange zeitgenössische stücke ihre bedeutsamkeit in den spielplänen nicht erweisen können, weil man sie nicht angemessen ansetzt, hat es etwas von einer selbsterfüllenden prophezeiung, ihnen mangelnde relevanz zu bescheinigen, finde ich, lyotard hin oder her.
zu Joachim Lux: Was ist denn die Kraft des Theaters?
Herr Lux schreibt zwei Sätze nacheinander, die mir zu denken geben. - Stücke von Hilling, Bärfuß und Palmetshofer setzen sich auch so durch. (Und gleich einen Satz später) Trotzdem fehlen seit Jahren die großen Stücke, die ästhetische und inhaltliche Kraft haben.-

Ich lese daraus, daß auch die Stücke von diesen drei Dramatikern keine `großen` sind. Warum also werden sie `trotzdem`gespielt? Weil diese Stücke dieser drei ästhetisch und inhaltlich etwas `größer`sind als Stücke anderer Dramatiker?

Was ist z.B. mit Lothar Trolles `Weltuntergang Berlin`? Was ist z.B. mit Tankred Dorst `Korbes`? fk hat weitere genannt. Es ließen sich noch mehr Texte auffinden, die mir für eine Auseinandersetzung mit dem Theater wert scheinen. Wo werden diese Stücke gespielt?

Ich verstehe auch nicht, warum Sie fk fragen, von welchen unentdeckten Texten er glaubt, daß sich dafür an die 800 Leute interessieren. Was ist denn mit den vor 3 oder 4 oder sogar vor 15 Jahren entdeckten Texten? Warum stürzt sich das Theater auf das Neue und immer wieder das Neue? Was will das Theater bei der soundsovielten Ur-oder Erstaufführung entdecken? Warum sucht man große Visionen oft nur bei `jungen` Autoren? Natürlich lohnt auch da die Suche, aber ist die Suche nach dem großen Wurf da nicht etwas beschränkt?

Überall kann man einreichen, sich bewerben, mitmachen, lesen, entwickeln und lernen, in den Theatern, an den Hochschulen.` Was ist mit Autoren die sämtliche Fördermodelle kennengelernt haben und nun genug vom lernen haben? Und warum sollten die Autoren von den Theatern lernen? Warum nicht auch einmal umgekehrt? Autoren geben einen Workshop für Dramaturgen. Warum nicht?

Was ist die Notwendigkeit von Theater? Was ist die Kraft vom Theater? Die Dichtung, denke ich als Autor. Die Verdichtung der Gegenwart mit dem Wissen um die Vergangenheit und den Blick nach der möglichen Zukunft. Was ist Sprechtheater ohne Sprache? Performance und Konzeptkunst haben ihre Berechtigung, keine Frage, aber wo bleibt das Sprechtheater? Woher nimmt man als Autor die Kraft, zwei oder drei Jahre an einem Stück zu arbeiten?

Die Dringlichkeit, die Notwendigkeit einen Text zu schreiben, muß jeder Autor für sich entscheiden, natürlich. Aber welches Theater vergibt z.B. Stückaufträge, die sich über einen Zeitraum von sagen wir mal drei Jahren erstrecken? Welches Theater nimmt die Phrase Stücke zu wollen, die über das FastFood hinaus gehen ernst?

Den Autoren Zeit zur Stückentwicklung geben, wird dem Theater Stücke zur Zeit zurückgeben, so denke ich.

Das Ergebnis der Tagung der dramaturgischen Gesellschaft `Geteilte Zeit...`im Februar dieses Jahres, gibt wenig Hoffnung auf Besserung des Arbeitsalltags. Theater ist zur Fabrik geworden, die laufen muß. Ein Scheitern wird sich nicht mehr geleistet. Theater bringt Leistung hervor. Ist das die Berechtigung von Theater? Ich als Autor möchte im Theater nichts leisten müssen, ich möchte suchen dürfen. Eine Suche hat immer das Risiko, daß man auch manchmal nichts findet. Machen es sich manche Dramaturgen oder Regisseure nicht zu leicht, nach der Welt in Autorentexten zu fragen? Die Suche in Workshopwelten oder szenischen Lesungswelten kann nicht die ernstgemeinte Suche sein.

In dem auf der nachtkritik-stuecke08 seite veröffentlichten Artkel `Und was machst du so`von Claudius Lünstedt schreibt er ganz ähnlich über das Problem der Förderungen und deren Sinn für die Autorenarbeit, die über einen `entdeckten Anfang` hinausgeht.

Vielleicht ist es an der Zeit, sich zusammenzusetzen und andere, weiterführende Modelle auszuarbeiten, die sowohl dem Theater als auch den Autoren auf gleicher Augenhöhe begegnen.
Zu Joachim Lux: Professionell deformierte Sicht
Ich polemisierte, weil für mich klar ist: wirklich mit einem wie Lux zu argumentieren, scheint unmöglich. Seine Kriterien spiegeln die Kriterien eines selbstzufriedenen Betriebs. Da läuft alles richtig. Der lächelt doch über fk und schlender und Trolle und Co.

Die Sicht solcher Herren ist professionell so deformiert, daß es Zeitverschwendung wäre, sich mit Ihnen an einen Tisch zu setzen. Sie halten Vorträge und dialogisieren, weil das die Aufgabe eines Dramaturgen ist, weil sie sich profilieren wollen, nicht um der Realität näher zu kommen oder gar mit der Perspektive auf Veränderungen.
Zu Joachim Lux: gelungene Skizze der Situation
...ich finde Herr Lux, stichwortartig ist ihne eine Skizze der heutigen Situation von Autoren gelungen. Warten wir also auf die großen Eigensinnigen, hoffen, dass wir nicht allzu lange warten müssen, und dass Sie "wach" genug sind solche "Arbeiten" auch tatsächlich wahrzunehmen...
Zu Joachim Lux: bringt das Problem auf den Punkt
Joachim Lux bringt das Problem auf den Punkt und widerspricht genau dem Theatersystem. Der bürgerliche Betrieb mit seinen Wettbewerben fördert nur Angepasste und Auftragskünstler wie Schimmelpfennig, Heckmanns, Rinke usw, usw. Ohne Auftrag schreiben die doch gar nicht mehr. Werden dann aber mit Handke, Bernhard, Ionesco verglichen,wenn nicht sogar als Rettung des deutschsprachigen Theaters gefeiert.
Zu Joachim Lux: Impuls heißt Product Placement
Der tiefere Sinn dieses Impulsreferates wird sich uns erst erschließen, wenn Joachim Lux seinen Thalia Theater-Spielplan vorstellt: der Impuls heißt Product Placement.
Zu Joachim Lux: Zuschauer stimmen mit den Füßen ab
...ich weiß nicht, Herr Masarié, dass hat einen unangenehmen Zug, wenn Sie dieses "Impulsreferat", wie Sie es nennen, an dem kommenden Spielplan von Herrn Lux überprüfen wollen. Da spielt so eine Vorstellung mit, als ob am Ende die Intendanten haftbar gemacht werden könnten für ausbleibende künstlerische Innovationen, weil sie, "allmächtig", letztendlich entscheiden. Dabei kaufen sie nur ein, was sich gerade auf dem Markt befindet. Dies wird auch Herrn Lux nicht anders gehen. Selbst wenn ein, zwei wagemutige Einkäufe dabei wären, letztendlich stimmen die Zuschauer mit ihren Füßen ab, da kann niemand etwas machen. Wir alle unterliegen den Zwängen des Kulturmarktes, auch die Intendanten. Und wie sollte ein "Nationaldichter" von Rang entstehen, wenn ihm schon der Bezugsrahmen Nation anscheinend abhanden gekommen ist ? Wie erst ein "großer Eigensinniger", der sich gegen all dies stemmte, wenn "all dies" nur eine Anhäufung" von kleinen heterogenen Gemeinden ist ? - Ich weigere mich überhaupt das von mir geliebte Theater noch so ernst zunehmen. All die Namen die hier fallen, kennt doch kaum noch jemand. Fragen sie mal Menschen aus ihrer nächsten Umgebung, die nicht unmittelbar etwas mit dem Theater zu tun haben nach den hier erwähnten Regisseuren und Autoren, das lässt einen manchmal staunen, wie unbedeutend doch diese Debatte ist. Das Theater und seine Akteure sind doch ein ganz kleiner Club geworden, wo staatlich subventioniert eine fast schon private Geschmacksrichtung einer Minderheit gepflegt wird, damit sich einige wenige noch irgendwie "besonders" fühlen können (in dem allgemeinen Konsens über Mittelmäßigkeiten), ohne dass hierbei gesellschaftlich wirklich relevante Positionen produziert werden würden. - Das ist traurig, aber wahr. Theater ist eine gesellschaftliche Marginalie für Wahrnehmungsspezialisten, und ohne sehr spezifische Eigenschaften voraussetzlungslos für Außenstehende kaum noch komensurabel. Und Herr Lux ist ein Teil dieser Sozietät, ein Mann mit guten Absichten, mehr nicht...vielleicht hat er das Glück auf besondere Künstler zu stoßen, die wir noch nicht kennen und kann sie plötzlich und überraschend präsentieren. Ob das Theater so wieder den Sprung aus der Randexistenz schafft, darüber zu spekulieren wäre unseriös..., wie dem auch immer sei, Herr Lux kann uns auch nur "Vorgefundenes" präsentieren, denn er ist ja nicht jemand der selber "Kunst" herstellt. Man könnte ihm lediglich für die Zukunft vorwerfen nicht genügend nach innovativen und "massentauglichen" Künstlern gesucht zu haben, oder sie wahlweise schlecht behandelt zu haben oder oder oder, aber wenn in seinem ersten Spielplan nicht gleich die Wende für den gesamten Theaterbetrieb sich ankündigt, bedeutet dies noch gar nichts, und hieße auch, die Schwierigkeit Theater zu machen nicht hinreichend zu würdigen...trotzdem hoffe ich, wie viele andere auch, natürlich darauf das Impulse zu neuen Bewegungen im Theater werden, die sich eine breite Zuschauerschicht zurückerobern. Aber hierzu müsste man ein allgemein verbindliches Credo formulieren, und an diesem Punkt finde ich Hernn Lux wenig stimulierend, leider. - Dem Theater ist irgendwie der Grundton, der Kammerton A, wenn man es so nennen will, abhanden gekommen. Ihn zurückzugewinnen wäre schön...
Zu Joachim Lux: Dialogbereitschaft vorgetäuscht
Man täusche sich nicht. Lux täuscht Dialogbereitschaft vor, sogar mit einem Kommentar. Zeitgenössische Dramatik ist für einen wie ihn interessant, wenn damit Karriere gemacht werden kann, siehe Khuon. Der künftige Autoren-Messias, der ihm fehlt, davon redet jeder zweite Dramaturg. Schreib doch mal einer einen Hamlet für den Lux! Daß auch seine Regie-Titanen wie Perceval (halbvolle Schaubühne) und Gottscheff (der selbst gern auf die Bühne geht) schrecklich nerven können, darüber bräuchten wir mal ein Impulsreferat. Ich hätte gern mal einen Intendanten mit ECHTER "Sehnsucht nach Poesie und großen realitätsgesättigten Entwürfen"und weniger nach Phrasenddrescherei.
Michael Börgerdings Einwände gegen Lux-Vortrag I
Der Knall

Ich bin erst jetzt dazu gekommen, den Vortrag von Joachim Lux zur Eröffnung des Stückemarkts sowie die ersten Kommentare zu lesen - deswegen verspätet, aber vielleicht um so deutlicher nachfolgend ein Einwand gegen den Text, der auch ein Einwand gegen die sofort reflexartig einsetzende theaterinterne Diskussion über den Stellenwert der Gegenwartsdramatik ist.

Erste Verwunderung beim Lesen: die Überschrift „Stockhausens Schrei“. Dazu gehört schon einiges: Mutwilligkeit, Unbedachtheit, Chuzpe, Effekthascherei oder Provokationslust. Aber sie ist so gemeint, ganz offenbar: „Es spricht vieles dafür, dass der Einsturz der Twin Tower für den Westen trotz mehrerer tausend Toter die Erlösung von dem unhistorisch postmodernen Nichts war.“ Das verschlägt einem als Leser, das verschlägt zumindest mir dann doch den Atem. Soll, muss ich den Satz in die Kenntlichkeit übersetzen? Lieber nicht.

Stockhausens, wie Lux meint „damals nur unzulänglich begriffene“ Formulierung „Was da geschehen ist, ist - jetzt müssen Sie alle ihr Gehirn umstellen (den Einschub hatte Lux mit Pünktchen ausgeklammert) - das größte Kunstwerk, das es je gegeben hat" wird von ihm als „besonderes Bewusstsein“ von Künstler und Philosophen und „Ausdruck realistischer Seismographie über den Zustand des Westens, auch in Bezug auf die Künste “ bezeichnet: es fällt schwer, es fällt mir persönlich schwer zu glauben, dass Joachim Lux es so meint, wie er es schreibt.
Stockhausen hatte „damals“ ja noch ein paar Sätze mehr gesagt, Lux müsste sie kennen: „… da sind Leute, die sind so konzentriert auf eine Aufführung, und dann werden 5000 Leute in die Auferstehung gejagt, in einem Moment. Das könnte ich nicht.“ In die Auferstehung gejagt - das könnte ich nicht: da verwechselt ein schwer esoterisch angehauchter Großkünstler die jeweiligen Realitäten - es ging bei dem Anschlag vom 11. September 2011 eben nicht um kosmische Musik, sondern um ein terroristisches Großattentat - und ein kluger Mensch wie Lux nimmt das als Beleg für seine These für das Ende der Postmoderne.

Aber Lux ist es tatsächlich ernst mit seiner Sehnsucht nach dem großen Einzelnen, dem Künstler und Philosophen (wahlweise Regisseur oder Dramatiker) - in aller Regel sind es bei ihm Männer, zur Not wird dann auch noch eine dezidiert antihierarchisch schreibende und denkende Frau wie Elfriede Jelinek in das Lager der Großkünstler eingemeindet - , unbekümmert reiht er seine Könige auf, die die Deutungshoheit in Anspruch nehmen können, Antworten besitzen, Lösungen parat haben, wie nur wenige in der Lage sind, große Texte und große Dramen zu inszenieren (schreiben kann sie ja kaum noch eine/r), kurz: potent genug sind, uns alle zu „erlösen“. Und ein wenig gehört man dann ja auch dazu - sonst müsste man das ja alles gar nicht sagen oder schreiben und könnte sich bescheiden mit ein paar klugen Beobachtungen und Anmerkungen zu den Dingen, mit denen man sich als Chefdramaturg auskennt.
Genau gegen diese Sehnsucht nach dem „Wort des Vaters“ schreibt und denkt die Postmoderne, arbeitet die Philosophie der Dekonstruktion, argumentieren die gender studies, behauptet sich das close reading, betreibt die Systemtheorie ihre Kunst der Ausdifferenzierung - um mit Joachim Lux zu sprechen: „Es spricht vieles dafür“, dass sie das noch immer tun und ganz offenbar gibt es noch immer viel zu tun.

Dass Lux jemanden wie Dirk Baecker als Mittelschichtssoziologe bezeichnet, er einen Gedanken wie „es existieren mehr Lösungen als Probleme“ kontextlos und vollkommen unbegriffen als „so falsch wie irgendetwas“ bezeichnet und dann noch als Schlussfolgerung ein „heroisches Management“ fordert: wofür ist das ein Beleg? Für die Kränkung...
Börgerding antwortet Lux II
Fortsetzung (sorry für die Länge!)

Dass Lux jemanden wie Dirk Baecker als Mittelschichtssoziologe bezeichnet, er einen Gedanken wie „es existieren mehr Lösungen als Probleme“ kontextlos und vollkommen unbegriffen als „so falsch wie irgendetwas“ bezeichnet und dann noch als Schlussfolgerung ein „heroisches Management“ fordert: wofür ist das ein Beleg? Für die Kränkung, nehme ich an, dass die produktiven Vielheiten (man könnte auch einfach sagen: die Menschen) doch nicht auf den einen Heroen hören wollen, sondern mehr Realitäten besitzen, als das Schlagwort „der Rückkehr der Geschichte, der Sehnsucht nach Realität und Wirkung“ weiß, und dass uns das endlos Uneindeutige, das postmoderne oder schillersche Spiel, mehr Antworten zur Verfügung stellen kann, als Joachim Lux sich mit seiner einen Geschichte, seiner einen Realität und seiner einen Wirkung vorzustellen vermag.

Es gibt Geschichten, Realitäten und Wirkungen im Plural: was einmal gedacht und erlebt worden ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden.

Der Komponist Wolfgang Rihm hat zur Erkenntnis der „Realitätsform Stockhausen als eines womöglich terroristischen Komponisten“ (Klaus Theweleit in seinem Buch „Der Knall. 11. September und das Verschwinden der Realität“) einen sehr schönen Satz gesagt: „Seit Jahren von Außerirdischen und Weltraum phantasierend, ist Stockhausen offenbar der Bezug zur Menschen-Wirklichkeit abhanden gekommen.“ Und hinzugefügt, Menschen interessierten Stockhausen „nur als Rezipienten seiner Kunst.“
Joachim Lux antwortet Michael Börgerding I
Börgerding fährt schweres Gerät auf: Börgerding hat verstanden, so verstehe ich ihn jedenfalls, ich wolle mit dem Stockhausen-Zitat den Tod von Tausenden (im Dienste egal welcher Sache) rechtfertigen oder ihm nachträglich Sinn unterlegen. Das Gegenteil ist der Fall. Deshalb habe ich geschrieben, dass Stockhausen damals von den meisten anderen "nur unzulänglich begriffen" worden ist. Denn man hat sich überwiegend mit dem moralisch abwegigen Gehalt der Äußerung beschäftigt anstatt mit ihrer Symptomatik und Signifikanz für den Zustand des Westens.

Dann fährt Börgerding fort und unterstellt die Sehnsucht nach der "Rückkehr des Vaters", nach starken „Männern“ (statt Frauen) oder gar nach "Heroen". Unterstellt wird ferner, daß die Rückkehr der Geschichte und die Sehnsucht nach Realität identisch ist mit der Ablehnung von Polyvalenzen.

Dabei braucht man wirklich keinerlei postmoderne Philosophie, sondern nur gesunden Menschenverstand, um zu konstatieren, daß man es immer mit mehreren Realitäten, Geschichten und Identitäten zu tun hat. Davon erzählt Elfriede Jelinek, mit der ich mich seit Jahrzehnten beschäftige, aber auch z.B. Zaimoglu in den Hybridfiguren in seinen "Schwarzen Jungfrauen". Auf beide – scheinbar postmoderne Autoren - habe ich mich in meinem Impulsreferat bezogen, warum wohl?

Und die sogenannten „Großkünstler“ (Börgerding), die keine Großkünstler sind, sondern schlicht große Künstler, haben ohnehin nie Antworten und Lösungen bereit, sondern höchstens intelligente und verzweifelte Fragen. Und schließlich bin ich auch nicht "erlösungssehnsüchtig" oder warte auf Stockhausens "kosmische Musik". Aber warum so schweres Gerät?

Weil so das postmoderne Bild von den Feinden der Postmoderne aussieht, und Börgerding mit großer Eindeutigkeit auf dem postmodernen "endlos Uneindeutigen" bestehen will, das mich aber (zumindest im modischen Theatergebrauch) zunehmend ermüdet. Der Begriff führt einfach viel zuviel Beliebigkeiten mit sich herum, auch in seiner Anwendung auf Regisseure.

Ist Bosse postmodern? Ist Stemann postmodern? Taugt der Begriff überhaupt? Von wem stammt der folgende Satz: „Ich will aufhörn damit, mir die Ähnlichkeiten zu erzählen, die ja nicht da sind. Es gibt sie nicht. Wir sind zu 100 % nicht ähnlich. Und dieser dramatische Gedanke muss doch hier mit irgendeiner konkreten Tinte in die Welt zu setzen sein!“ Von Andrea Breth oder von René Pollesch?
Joachim Lux antwortet Michael Börgerding II
Fortsetzung vom Vorherigen:

Lassen wir versuchsweise die ganzen postmodernen und antipostmodernen Ideologeme beiseite: Vielleicht könnten wir uns dann darauf einigen, dass die Infragestellung des Westens, seiner Wirtschaft, seiner kulturellen Hegemonie etc. durch den 11.9.2001 heftig und unbewältigt ist. Daß dies und die Dynamisierung unserer Lebensverhältnisse durch die neuen Technologien (sei es in der Gestaltung von Familie, von Arbeit, von Kultur) fast alles verändert hat.

Was beschäftigt uns zur Zeit also wirklich zentral? Vielleicht sind das zwei Hauptpunkte: a) das Bedürfnis sich mit der Identität der eigenen Kultur, auch der Stadt als sozialem Lebensraum, zu beschäftigen und b) das Bedürfnis, sich mit Kulturen außerhalb unserer eigenen zu beschäftigen. (Von dieser Welt außerhalb und innerhalb von Schengen habe ich auch gesprochen und also auch darüber, lieber Michael Börgerding, daß unser mittelständisches eurozentriertes Ich zwar wahrlich nicht das Maß aller Dinge ist, aber permanent unser Verhalten - auch in Bezug auf das Theater - bestimmt. Auch unter einem solchen Aspekt gibt es immer zahlreiche Perspektiven, Valenzen, Bedeutungen.)

Für diese und andere Dinge künstlerisch angemessene und weit greifende Ausdrucksformen zu suchen scheint mir wesentlich – jedenfalls für mich. Und das Theater, das sich immer wieder in der Defensive mit Hang zur Selbstmarginalisierung findet (siehe Martin Baucks), hat hier hoffentlich eine echte Chance, zu Wesentlichem und Zentralem vorzudringen - das ist jedenfalls meine Hoffnung und auch der Auftrag. Daß das dann auch immer wieder scheitert und auch in Zukunft (auch meiner eigenen) scheitern kann, ist ohnehin wahrscheinlich.
Zur Autoren-Diskussion: undramatische (Burgtheater)-Gegenwart
Als kleine, launige Bemerkung zu dieser gelehrten Diskussion um ein gelehrtes Referat. So undramatisch, theoretisch wie diese Texte sich lesen, ist leider auch unsere (Burgtheater)-Gegenwart. Ein bisschen weniger Wissen und bisschen mehr impulsive, mitreissende Genialität wäre für ein Theater besser. Sorry!
Theresia Walser zu Joachim Lux
"Denn natürlich sehen Autoren sich oft von der Regie geschmäht und vernichtet und insistieren - wie Theresia Walser, mit der ich in Berlin diskutiert habe - mehr oder weniger unverblümt darauf, daß die Inszenierung werktreu zu sein hat, d.h. dem inneren Bild, das der Autor von ihr hat, entspricht."


Lieber Herr Lux,

mit einigem Erstaunen lese ich gerade hier im Forum, dass Sie mir etwas in den Mund legen, das mir vollkommen fremd ist und noch nie meine Meinung war. Obwohl ich im Berliner Podiumsgespräch mit Ihnen immer wieder betont habe, dass es bei Inszenierungen nicht im geringsten um den Autor bzw. irgendeine Autor- Intention, sondern ausschließlich um die innere Struktur von Texten geht, behaupten Sie jetzt, ich hätte gesagt, Inszenierungen müssten in meinen Augen "dem inneren Bild" des Autors entsprechen.

So einen verquasten romantisch-esoterischen Unsinn habe ich noch nie in meinem Leben dahergeredet. Entweder haben Sie mir nicht zugehört oder Sie haben mich nicht verstehen wollen, oder Sie benutzen mich schlichtweg für Thesen, die zu bekämpfen keine große Kunst ist.

Dass Sie in Ihrer Rede meinten, ausgerechnet auf Emil Staiger verweisen zu müssen, zeigt ja bereits, in welche Ecke Sie Ihre angeblichen Gegner stellen wollen. Ich sehe darin nur das Bedürfnis, sich einen Gegner zu modellieren, der blöder nicht sein könnte, jedoch eine reine Projektionsfigur, um nicht zu sagen ein reiner Popanz ist. Insofern besitzt Ihre Behauptung, ich habe etwas vom "inneren Bild" des Autors dahergeschwafelt, bei aller Lüge vermutlich sogar Methode.

Sie reihen sich damit ein in eine Phalanx, die den entscheidenden Unterschied zwischen Autor und Text nicht wahrhaben will. Nichts einfacher, als gegen die sogenannte Autor-Intention anzurennen, zumal heutzutage eh kein Mensch mehr so etwas ins Zentrum interpretatorischer Deutungsarbeit rücken würde. Die Arbeit am Text dagegen ist etwas ganz anderes: Sie erfordert zuerst einmal handwerkliche Fähigkeiten, die denjenigen eines Musikers vergleichbar sind, der eine Partitur lesen können muß, bevor er sich das Werk zueigen macht.

Auf dem Berliner Podium habe ich ebenso dazulegen versucht, dass es ganz unterschiedliche Textarten gibt, die auch entsprechend unterschiedliche Anforderungen stellen. Manche Texte sind sprachmusikalisch so genau komponiert, dass Veränderungen sie sofort entstellen und ihre Musikalität zerstören. Andere Texte dagegen vertragen und provozieren sogar einen äußerst freien Umgang mit ihnen. Mit Autor-Intentionen hat das alles nichts zu tun, sondern ausschließlich mit Handwerk.

In der Hoffnung, dass Sie mir nie wieder einen solchen Blödsinn in den Mund legen und zwischen Autor und Werk zukünftig zu unterscheiden Wissen, verbleibe ich mit den besten Grüßen

Ihre
Theresia Walser
Martin Baucks zu Theresia Walser
Liebe Theresia Walser,

ich empfinde oft noch Schlimmeres. Die Theatermacher sind durchaus in der Lage eine Partitur zu lesen, sie erkennen die innere Struktur eines Textes, wenn sie sich Mühe gäben, und könnten durchaus das Werk vom Autor/inn getrennt wahrnehmen, sie wollen es häufig einfach nicht, so dass ich oft beim Schreiben zügig erschöpfe, weil ich weiß, falls mein Handwerk, meine Musikalität kenntlich wird, erwecke ich im negativen Sinne die Aufmerksamkeit der Inzenatoren/innen und sie stemmen sich bewußt dagegen. Ich erwische mich oft dabei vorsätzlich nachlässig zu schreiben, damit ich in diesem Kokon der Nachlässigkeit wenigsten einige Noten an der Wahrnehmung der Regie vorbeischmuggeln kann. Unauffällig, sozusagen subversiv im eigenen Text einige Stellen an der Liebe der Macher vorbeiführen...

Gruß

M.B.
Joachim Lux an Theresia Walser
Liebe Frau Walser,

sorry, Sie haben Recht, Sie haben von der inneren Struktur des Textes gesprochen, nicht vom inneren Bild des Autors. Trotzdem kann ich jetzt nicht auch noch die Debatte um Regie und Regiewillkür, um Handwerk, die Verweigerung von Handwerk oder schlicht um Minderbegabung führen.

Nur eines: das Verhältnis Dirigent - Partitur - Musiker bzw. Instrument ist dann doch meist ein anderes als das von Regisseur - Text - Schauspieler. Und da, wo der Text die größtmögliche Annäherung an eine Partitur darstellt, bei Beckett nämlich, hat sich in letzter Zeit öfters bestätigt, daß die Einmischung von Regie und Spielern den Text aus der Erstarrung in einer musealen Avantgarde befreien kann.

Und natürlich gibt es auch genügend Gegenbeispiele, wo Texte vergewaltigt und zerstört werden. Ich verstehe die Verletzung von Autoren, die darunter zu leiden hatten. Die Grenzen des Verfahrens, wo ein Regisseur sich zum Co-Autor macht, wären allerdings am Einzelfall zu diskutieren, da führen Generalisierungen nicht weiter.

Im Grundsatz aber ist das Theater ebensowenig Dienstleister am Text wie Spielwiese für das Regie-Ego, sondern im besten Fall Kommunikationsort der verschiedensten Ebenen, zu denen neben Text und Regie auch Raum, Musik, Schauspieler etc. hinzukommen. Und 2. wage ich zu bezweifeln, daß von den Theatern mehrheitlich Textverstümmelungsarbeit betrieben wird. Dieser Eindruck wird in solchen Debatten nämlich nicht ungern verbreitet.

Und gegen diese Art von Ideologieproduktion wehren sich die Theater mit Recht. Die Wahrheit ist aber oft ganz schlicht und sehr praktisch: Es gibt mittelmäßige Texte, in denen das Theater dennoch eine Chance sieht und denen es auf die Beine zu verhelfen versucht, und es gibt schlechte Aufführungen, die - ohne jeden bösen Willen - einfach mißlingen.

Zum Schluß: Nachtkritik ist ein tolles Medium und ich habe mich gern als Punchingball zur Verfügung gestellt. Trotzdem muß ich mich für meine Person jetzt ausklinken (zuviel Arbeit allerorten), ohne damit die Debatte selbst beenden zu wollen oder zu können. Ich wünsche dieser und anderen Diskussionen sowie Nachtkritik insgesamt gutes Gelingen und Gedeihen!

Joachim Lux
Baucks an Lux: starker Auftritt, schwacher Abgang
...simulierter starker Auftritt, schwacher Abgang Herr Lux. Es gibt andere vor denen ich gerne bestehen würde. Und, sorry, die, vor der ich gerade bestehen möchte, ist eine Frau und Dramturgien am Gorki...ansonsten, viel Glück in Hamburg...
Zur Lux-Debatte: Wer ist Baucks?
Wer ist eigentlich Martin Baucks? ich arbeite zwar schon 14 Jahre am Theater, aber diesen Namen habe ich noch nie gehört - und welche Regisseure sind es denn, die seine Texte so sehr verstümmeln, dass er sozusagen heimlich an ihnen vorbeischreiben muss? Kann mir das jemand hier beantworten?
Zur Lux-Debatte: Halbe Antwort & Recherchetipp
recherchetipp, ganz unpolemisch: im zweifel einfach mal bei theatertexte.de in der suchmaske einen autorennamen eingeben. dort gibts qualifizierte informationen über so ziemlich alle hierzulande vertretenen theaterautorInnen, über ihre werke, verlage, bestellmöglichkeiten etc. - aber das ist natürlich erst die halbe antwort...
Zur Lux-Debatte: polemisch
seit google ist "diesen namen hab ich noch nie gehört" eigentlich immer polemisch.
Zur Lux-Debatte: Welche 5 Stücke zu Unrecht nicht gespielt?
Lob für Nachtkritik? Widerspruch, Herr Lux. Wieso eigentlich? Sie halten einen Vortrag, der gar nicht mal so schlecht, anmaßend und kompetent die letzten dreißig Jahre in einen Zusammenhang stellt. Und dann? Dann rülpsen, furzen und loben ein paar Kritiker in schlimmster Lobbyistenmanier ein bißchen hinterher. Das ist ja schlimmer als im Bundestag und auch nicht anders als auf der Autobahn, wo sich Drängler amorph nach vorne hupen, ohne irgendwas zu sagen zu haben, außer das der da vorne weg soll.

Kurz: ich vermisse eine Redaktion, die nicht nur Menschenrechtsverletzungen (wie offenbar vom bösen Buchta) mit Disqualifikation bestraft, sondern auch Inhaltsleere. Denn es hat wirklich keinen Sinn, eine kompakte Wortäußerung zerquatschen zu lassen. Außer den Beiträgen von fk, Bögerding und Walser war alles andere verzichtbar.

Im Verhältnis zu Nachtkritik ist der Lesesaal der FAZ, vormals "reading room", substanzieller. Entweder weil die Leser schlauer sind oder weil es dort in Form einer Redaktion den auktorialen Erzähler oder Zensor gibt, dem nicht alles recht ist, was es gibt, nur weil es es gibt, auch wenn er weiß, daß er keinerlei Recht hat, sich anmaßend und normativ zu gerieren und es trotzdem tut, weil es anders gar nicht geht.

Das wäre dann, lieber Herr Bögerding, auch wieder ein Beitrag zur Frage der Polyvalenz und zur Postmoderne versus Vaterhierarchien, allerdings ein so weites Feld, daß Fontane davon nicht einmal zu träumen wagte. Aber wir brauchen ja im Moment auch eher ein paar Zäune als Felder bis in die Unendlichkeit.

Kurz: Es geht um Qualität, und um die Frage, ob die sich durchsetzt. Bei Baucks war das bisher anscheinend nicht der Fall. Deshalb ist der Hinweis, daß man den googlen kann, der denkbar blödeste, denn ich kann auch meine Mitschülerin aus dem Jahr 1980 googlen. Ob Baucks sich durchsetzt, soll der Markt entscheiden, würde der von uns allen verachtete Guido Westerwelle sagen. Und das ist zwar total falsch, aber eben nicht nur.(Man könnte übrigens dem Wittgensteinschen System von 1.2.3.1.7.1 folgend noch eine Debatte über den Zusammenhang von Wirtschaftsliberalismus und Postmodene anschließen).

Ergo? Entweder beendet man die Debatte hier endgültig oder Nachtkritik oder sonstwer eröffnet parallel zur Fußballeuropameisterschaft eine wettbewerbsartige Umfrage:

Welche 5 Stücke der letzten zehn Jahre sind Ihrer Meinung nach zu Unrecht nicht häufig genug aufgeführt worden? Die Kriterien: ästhetische Bewältigung des jeweiligen Stoffes, Welthaltigkeit und ein potentielles Publikumsinteresse von 500 Zuschauern (ergo: keine Werkstattinszenierungen).

Das wäre ein konkreter und praktische Ansatz, um die Thesen von Lux zu überprüfen bzw. in eine Richtung zu lenken...
Zur Lux-Debatte: Gar nicht total doof
Der Guido M. Arkt ist auch gar nicht total doof (ist das nicht seine Wertung von Lux?) nur leicht arrogant.
Daß hier auf Nachtkritik auch mal bezweifelt werden darf, ob ein Diskurs inhaltlich von Interesse ist oder nur aufgeblasen, das sollte so bleiben, lieber Möchtegernzensor

Auch Lux preist ja Autoren und das zeigt, wo er steht: Zaimoglus "Schwarze Jungfrauen": Vaginamonologe für türkische Frauen, spekulierend auf einen Tabubruch, und wen das nicht erregt, der findet's langweilig, eher Hörspiel als Theater. Und Schimmelpfennig, okay, ich hab "Das Reich der Tiere" am DT gesehen, das ist also Postmoderne, von "kombinierter Aleatorik", die Lux beobachtet, hab' ich nichts bemerkt. Aber das muß man gut finden, als Lux, weil das hat Marktwert.

Den Vorschlag fünf zu unrecht nicht weiter gespielte Stücke finde ich gar nicht total doof (und warum nur der letzten zehn Jahre?). Allerdings haben schlender und fk schon angefangen damit, Herr Markt.
Zu Joachim Lux: Liste unrecht selten gespielter Stücke
Nein, der Text von Lux ist überhaupt nicht doof, sondern der überaus anregende und sinnvolle Versuch, mal zu beschreiben, warum was wie in den letzten Jahren auf dem Theater so passiert ist. Das ist doch genau das, was fehlt! Das ist doch toll! Das macht doch überhaupt keiner mehr!

Und ist doch auch schön, daß der noch an einen Weltgeist glaubt,in dem Entwicklungen kausal passieren anstatt als Abfolge von Moden und Zufällen! Und das der Stemann, Pollesch und Jelinek etc., die Ikonen der Postmoderne und der Postdramatik als Beispiele für die Rückkehr des Dramatischen abfeiert, ist entweder frech oder bedenkenswert, weiß nicht genau, hat mich jedenfalls beeindruckt.

Aber zurück zur Liste der Stücke. Wollen wir da nicht mal weitermachen?
Ich fasse mal das Bisherige zusammen:
1. Trolle: Weltuntergang Berlin
(disqualifiziert, Post-Heiner-Müller und keine Chance für größeres Publikum)
2. Trolle: Hermes in der Stadt
(dito)
3.Dorst: Korbes
(o.k., aber Merlin erst recht)
4.Studlar: Transdanubia Dreaming
(wen interessiert das in Berlin?)
5.Fritz Kater: Zeit zu lieben, Zeit zu sterben
6. Belbel: Wildfremde
7. Felicitas Zeller: Kaspar Häuser Meer

ich füge hinzu:
8. Peter Handke: Die Stunde...
9. Dea Loher: Adam Geist
10. Jelinek: Babel
11. Brasch: Rotter
(wird wahrscheinlich disqualifiziert, weil zu alt)
12. Schimmelpfennig: Greifswalder Straße
13. Reza: Gott des Gemetzels

Zu Joachim Lux: Man muß vor dem Text bestehen
...mh...wenn man sich selbst bei einem Beckett "einmischen" muss, wie Lux sagt, was glauben Sie Herr "Hamburg", wie es dann erst anderen ergeht...Namen will ich hier nicht mehr nennen, ich tat es andernorts; aber, ich sah einmal eine "Warten auf Godot" Inszenierung im Werkraum der Kammerspiele in München mit Jürgen Holtzmann und Peter Lühr, einige werden sich erinnern.

Diese Schauspieler hatten es nicht nötig sich großartig einzumischen, und ihr Regisseur auch nicht. Sie nahmen sich vollkommen zurück und sogar die Ausstattung wurde auf ein absolutes Minimum reduziert. Im Gegenzug lasen die Darsteller auch die Regieanweisungen als einen Teil der "Partitur", oft ohne sie auch nur andeutungsweise umzusetzen, und gerade deshalb war es eine der bedeutesten Beckett Aufführungen die ich je gesehen habe. - Es geht doch nicht darum, ob Beckett vor uns besteht, museal hin oder her, es geht darum, ob wir heute noch vor ihm bestehen. In der ganzen Debatte vermisse ich und fehlt mir ein Begriff: Liebe. Liebe zu einem Autor oder einer Autorin und seinem/ihrem Text...

Gruß

Baucks
Zur Liste selten gespielter Stücke ...
Wieso hat der Weltuntergang keine Chance vor größerem Publikum, Babel aber schon?

Und wieso wird Gott des Gemetzels in die Auflistung der zu Unrecht selten gespielter Stücke gesetzt? Das geht doch die Spielpläne rauf und runter, ist das noch nicht genug?

Und ein gutes Stück interessiert doch immer. Wieso sollte ein Stück nur gut sein, wenn es Berlin interessiert? (siehe Transdanubia) Gibt Berlin jetzt die Spielpläne der deutschen Theater vor?
Zur Lux-Debatte: Liebe ist genau der Punkt
Oh je, jetzt übernehmen die Kenntnislosen das Regiment.

Also, lieber Einsilber, "Transdanubia Dreaming" spielt, wie der auf die entsprechende römische Provinz Transdanubien anspielende Name schon sagt, natürlich in Wien, nicht in Berlin. Die Frage ist also, ob es dem Autor gelingt, jenseits des Lokalen das Allgemeine (und dann auch Berlinerische) zu thematisieren, wie das Horvath in seinen "Geschichten aus dem Wiener Wald" gelang.

Dann, lieber Baucks: Sie muß man nicht bashen, sie bashen sich ja ständig selbst: jüngstes Beispiel, Jürgen Holtzmann hat natürlich Beckett nicht gespielt, denn diesen Man gibt es gar nicht, das war nämlich Thomas Holzmann und nicht Jürgen Holtz und auch keine geclonte Mischung aus beiden. Aber egal, macht nichts, wichtiger ist etwas anderes: sie fanden die Beckettaufführung wie fast der ganze Rest der Welt toll, ich übrigens auch.

Aber wie ist das möglich? Der musikalische Beckettext wurde doch durch den Vortrag der Regieanweisungen, die nicht für den Vortrag gedacht sind, völlig zerstört, oder wie sehen Sie das, Frau Walser,die Sie als Autorin nicht Agentin der Autoren, sondern nur des Textes sein wollen, den Sie als Autorin geschrieben haben?

Also: Ist die Zerstörung der Beckettschen Musikalität durch die Regiewillkür, seine Regieanweisungen zum Vortrag zu bringen, nicht schon ramponiert?

Herr Baucks, Sie sind doch ein bißchen ein Trottel, es geht Ihnen fortwährend ums "Bestehen". Vor Lux wollen Sie weniger gern "bestehen" als vor der Gorki-Dramaturgin, stellen sich die Frage, ob wir vor Beckett "bestehen" und nicht ob er vor uns "besteht" - sie sind eindeutig ein Fall für die Börgerdingsche Prä-Postmoderne, immer auf der Suche nach Papi.

Und "Liebe" ist genau der Punkt, aber die hat doch Lux wörtlich und genau eingefordert, ist Ihnen das Vermissen derselben ins Whiskey- oder Wein-Glas gefallen?

Bleiben wir doch mal bei der Liebe. Welche Gegenwartstheatertexte lieben Sie denn z. B. so sehr, daß Sie unbedingt auf die Bühne müssen? (Achtung, Achtung, Achtung - nur ab 500 Zuschauern)
Jetzt mal Butter bei die Fische, Baucks und fk ed aliie statt Gequatsche!!!
Zur Lux-Debatte: nächtlicher Fehler
Lieber Guido M. Arkt,

mein nächtlicher Fehler ist mir unangenehm, deshalb vielen Dank für Ihre Korrektur.

Gruß
Baucks
Zur Lux-Debatte: Ist Theater nur für Eingeweihte?
Da ich Transdanubia kenne und Babel kenne und Weltuntergang kenne, dürfen Sie mich trotzdem hier als `Kenntnislosen` einstufen, da Sie ja nicht wissen, daß ich sämtliche Texte die hier aufgelistet wurden kenne. Ich habe eine einfache Frage gestellt, mehr nicht. Daß Sie das nun gleich ein wenig als `Regime übernehmen` belächeln, will ich erst gar nicht zu verstehen versuchen. Ich möchte weiterhin Fragen stellen dürfen, ist das noch erlaubt?

Und nochwas. Sind es nicht die `Kenntnislosen` für die man Theater macht? Für die man die Stücke wählt? Oder ist Theater nur noch was für Eingeweihte?

Wieder so viel Fragen. Da ich nun mal das Einsilber bin, stelle ich Sie weiterhin direkt, ohne verschnörkelte Umwege. Vieldeuter dürfen sich andere nennen, das steht jedem frei.
Lux-Debatte: Eine Einladung
Das Gespräch beginnt interessant und konstruktiv zu werden: es beginnt ein Dialog über Stücke. Nur ist es problematisch, sich jetzt irgendwelche Titel an den Kopf zu hauen, dazu das Hintergrundgeräusch der gegenseitigen Beschimpfungen und des Besserwissens. Für so ein Gespräch braucht man Zeit und Respekt, denke ich.
Ich lade also ein zu einem Gespräch beim DramaTisch in Berlin. Anhand vier zeitgenössischer Theatertexte wird darüber geredet, welche Erwartungen Dramaturgen an Stücke haben und umgekehrt wo das Interesse von Autoren liegt. Wir treffen uns am 19.Juni um 18 Uhr mit Autoren, Dramaturgen, Regisseuren usw. Wen das interessiert, der schreibe an battle-autor@gmx.net, als Betreff "Teilnahme am DramaTisch 19.Juni genügt. Dann werden Anfang Juni die Stücke und nähere Informationen zugesandt.
Martin Baucks: Wo sehen Sie "Liebe", Herr Arkt?
"Bis in den letzten Winkel ist die Erkenntnis vorgedrungen, dass es natürlich gar nichts anderes gibt als Regietheater und dass Autoren und Regisseure so etwas wie Sparring-Partner sind." (Zitat/Lux)...und der Dramaturg, die "talentfreie Zone" ihr Trainer, möchte man böse hinzufügen. Wo sehen Sie da "Liebe" Herr Arkt ? Aber ich möchte Ihnen nicht noch eine Steilvorlage liefern. - Finden Sie erst einmal zu einem verträglich Ton zurück, und dann reden wir wieder miteinander, einverstanden ? - Vielleicht nur soviel: Man sollte auch für Texte eines Dramaturgen Lesarten entwickeln.

Gruß
Baucks
Zur Lux-Debatte: Postmodern oder Postdramatisch
ärgert mich, dass man 2008 noch immer postmodern und postdramatisch verwechselt, um mal ne neue jahreszahl ins spiel zu bringen.
wie wär´s mit gucken und beschreiben?
Arkt an Baucks: Lux will Liebe
Also, Baucks, das mit der Liebe hat Lux echt gesagt, wirklich, nämlich am 8.5. (siehe oben). Da stand: "Im Kern fehlt es nicht an organisierter Stücke- und Autorenverwaltung, sondern - so blöd das klingt - an Liebe. Wie können Dramaturgen und Intendanten Regisseure verführen, am Ball zu bleiben und Kontinuität mit Autoren zu suchen?"

Also, der will auch Liebe und glaubt auch, daß er sie hätte, was dem Sparingpartner eigentlich nur im Kriegsfall wiederspricht.
Aber tun Sie mir doch bitte einen Gefallen, dann rede ich auch wieder sachlicher: Was sind denn ein paar Stücke aus Ihrem Horizont, die meinen Kriterien entsprechen. Verweigern Sie das? Finden Sie das sinnlos? Oder fallen ihnen schlicht keine ein? "rk" hat die gleiche Sehnsucht!!
Zur Lux-Debatte: Keine Liste, nix? Na Prost!
Komisch, wenns konkret wird, rinnt der Hirnschmalz weg. Keine Stücke nirgends nicht. Keine Baucks-Liste, kein Einsilber oder Zweisilber, kein Pfifferling, nix und gar nichts. Na Prost!
Diskussion neue Stücke: kein einladender Ton
Habe neulich "Freitag" von Claus gelesen, tolles Stück, und könnte, ohne dass ich viel kennen würde, einige weitere Vorschläge machen, aber der Ton hier ist nicht gerade einladend und bringt für mich nichts. Schade eigentlich. Es ist ja ganz gut, dass sich hier nicht alle so politisch korrekt ausdrücken wie in Theater heute, aber diese gegenseitige Verachtung, aus der so viel Wut und Frustration heraus zu hören ist, kommt mir ganz unkünstlerisch vor. Na, wer von den Herren mag jetzt auf diesen Kommentar von mir draufhauen?
Lux-Debatte: über's Herbeischießen besserer Spielpläne
Liebe Viola,

...und ich möchte noch hinzufügen, Sie Herr Arkt sind wirklich zu bedauern. Sie können doch nicht, in dem Sie mir die Pistole auf die Brust setzen andere, "bessere" Spielpläne durch Listen herbeischießen...

freundliche Grüße

Baucks

P.s.: Listen sind liebslos...und Herr Lux hat die Debatte verlassen, als ihm eine Autorin die Stirn bot, da wiegen seine Taten mehr als seine Worte. Im Abgang Liebe zu "heucheln", das tut weh.
Lux-Debatte: der Ton frustriert
Viola hat recht. Der Ton hier frustriert. Fast alles hier so ohne Offenheit, so ohne Lust am wirklichen Austausch. fk, Schlender und M.Arkt haben Stücke in diese Runde eingebracht, die aber hier überhaupt nicht ernsthaft diskutiert werden. Dabei wird nun hier andauernd über Liebe geredet. rk versuchte die Kommentare hier in eine Richtung zu bewegen, die mir gefallen hätte. Konstruktive Gespräche und Diskussionen zu den vorgeschlagenen Texten.

Ich habe einmal versucht, eine Frage zu stellen. Sehr einfach gehalten um eine soweit wie möglich klare Antwort zu bekommen. Nun gut. Ein Dialog klappt nicht immer. Schade! Ich glaube, auch M.Arkt findet die Gesprächsrichtung hier frustrierend, was ich aus dem letzten Kommentar entnehme.

Liebe läßt sich nicht erzwingen Herr Baucks, auch nicht wenn man ständig darüber redet. Wenn man etwas oder wen liebt, sollte man es auch konkret sagen.

Ich einsilber liebe z.B.:

Werner Buhss für Die Deutsche Küche
Katharina Gericke für Maienschlager
Claudius Lünstedt für Musst boxen

Lux-Debatte: Baucks nennt ein Stück
...gut, einverstanden Herr Einsilber ...(sagen Sie uns doch höflicherweise ganz offen ihren vollen Namen und "rk" bitte auch)...hier also ein Titel ganz zugeschnitten auf Herrn Arkt: "Viehjud Levi" von Thomas Strittmatter. Sicherlich, der Stoff ist verfilmt worden, aber ich würde ihn gerne einmal wieder auf der Bühne sehen...da stehen tatsächlich noch mehr Titel auf meiner Liste, aber ich möchte lieber vorsichtig sein. Schauen wir einmal, wie es diesem Titel hier ergeht...

Baucks
Lux-Debatte: was macht ein Stück bedeutsam?
Lux' Diagnose (eine seiner Diagnosen) lautete: "Es hat schon lange kein neues Stück gegeben, das in der Öffentlichkeit einen bedeutsamen Rang gehabt hätte." Ich bin geneigt, ihm recht zu geben, auch wenn mir einige Stücke einfielen, die ich sehr mag (oder eben liebe). Der aggressive Tonfall im Forum (auf den einzugehen man dem Lux kaum verübeln kann) verhindert aber, dass wir hier darüber nachdenken, warum es nicht reicht, ein Stück zu lieben - und was ein Stück schließlich zu einem bedeutsamen, also zu einem Stück, das etwas bedeutet, machen könnte. "Musst boxen" beispielsweise ist ein wirklich schönes Stück: Aber vermag es "in der Öffentlichkeit einen bedeutsamen Rang" einzunehmen? Ich vermute nicht. Aber warum nicht? Das würde mich wirklich interessieren.
Lux-Debatte: Schauspieler machen ein Stück bedeutsam
...die Schauspieler machen es bedeutsam. Man muss die Schauspieler für eine "neue" Dramatik gewinnen. Nur mit ihnen kann man ein Autorentheater begründen...und, wenn es uns gelingen würde nur einen Titel so zu diskutieren, dass Herr Lux ihn in seinen Spielplan aufnimmt und andere Intendanten seinem Beispiel folgten, dann hätten wir etwas erreicht...
Ist Theater in der Öffentlichkeit derzeit wichtig?
Ich stelle eine Frage zurück. Nimmt das Theater derzeit in der Öffentlichkeit einen bedeutsamen Rang ein? Ich denke nicht. Und können Stücke, die ja vom Theater abhängig sind, unter der Voraussetzung, so eine öffentliche Bedeutung überhaupt erreichen?
Theater nicht so wichtig, wie es sein könnte
Theater ist natürlich längst nicht so wichtig, wie's sein könnte. Man vergleiche nur Mühlheimer Theatertage mit der Bundesfilmpreisverleihung. Und das hat nichts damit zu tun, dass die Theater weniger Geld haben - eher im Gegenteil. Öffentliche Bedeutung erreichen Stücke - ebenso wie Filme oder Bücher - ja erst ab einer gewissen Masse. Und dass ein Kino in Hamburg "Gegen die Wand" oder "Das Leben der anderen" nicht zeigt, weil es ja schon in München lief oder ein Berliner Buchhändler "Die Vermessung der Welt" nicht verkaufen möchte, weil es schon vom Kölner Feuilleton besprochen wurde - das ist einfach nicht vorstellbar. Theater leisten sich diesen Luxus, jeder presst ständig irgendwelche Uraufführungen heraus in der Hoffnung auf lobende Erwähnung in "Theater heute" - aber das hat eben auch nur die Auflage eines Lokalblattes. Und die meisten Leute, die etwas zu sagen haben, suchen sich von vornherein andere Medien. Das Mehr an Freiheit, das die Theater zweifellos haben, bedeutet ein Weniger an Relevanz.
Zur Lux-Debatte: Ungeklärtes Verhältnis Autor-Regisseur
...dies ist einer der Punkte, auf die ich die ganze Zeit hinaus wollte. Wer den Theaterbetrieb gut kennt und sich dann noch darauf einläßt für ihn zu schreiben, muss der nicht irgendwie verrückt sein, wenn es nicht einmal wirklich nachhaltige Auffassungen gibt, wie man heute mit einem Text zu verfahren hat ? Was ist die verläßliche Größe im Umgang mit einem Stück ? Der Regisseur ? - Kriegenburg sagte einmal zu mir: Du hast ja schon alles hinein geschrieben, was soll ich da noch inszenieren ? Gotscheff zum selben Stück: Er fände es gut. (hat es aber nie gemacht) Ostermeier zu einem anderen: Er könne nach "shoppen und ficken" nicht noch so einen Stoff machen. Und Hilje zu dem selben Stück: Du hast da aber nicht viel rein geschrieben. Da überläßt du viel dem Regisseur. Christine Paulhofer sagt erst zu für ein drittes Stück, dann ab, nachdem sie schon als Regisseurin angekündigt war. - Nicht das ich diesen Menschen böse wäre, aber das Verhältniss zwischen Regie und Autor ist heute nicht mehr wirklich geklärt. Vielleicht sogar ein Problem, für das es keine Lösung gibt. Man muss sein Arbeitsverhältniss mit jedem Regisseur wahrscheinlich neu defenieren. Aber eines ist mir klar: Es gibt fast keine ausgewiesenen Uraufführungsregisseure mehr. Warum inszeniert Gotscheff nicht ein Stück von seinem Freund Trolle ? Das wäre doch toll. Warum nimmt er sich nicht mal für eine Arbeit zurück und arbeitet mit seinem Freund an einem Abend, der allen Beteiligten "gefällt" ? - Ich glaube, da gibt es eine große Angst hin und wieder zu einer neuen Form von "Werktreue" kongenial mit dem Autor zurückzukehren. Lassen Sie mich es flappsig sagen: Das ist wahrscheinlich nicht "cool". In welches Bett lege ich mich, wenn ich ein Stück dem Theater überlasse ? Ist es ein "Liebesnest" ? - Ich denke, man muss sich gegenseitig ermutigen, sich Sicherheit geben. Gemeinsame Ziele formulieren. Sich bei seinem Talent und Stärken packen, und von sich behaupten, ich habe diesem Land gemeinsam mit meinem Regisseur und den Schauspielern etwas anderes zu erzählen, als es der allgemeine Konsens hergibt. Dazu gehören auch Stoffe zu Themen, die Lux gerne leichtfertig als untauglich außschließt. - Wenn in der Musik so etwas wie der Synthesizer erfunden wird, beschäftigen sich gleich alle damit. Wird aber das Hauptinstrument des Theaters, der Körper des Schauspielers in seiner Glaubwürdigkeit durch neue Menschenbilder und Techniken bedroht, meine viele, dies sei absolut zu vernachlässigen und belustigen sich an andersartigen Meinungen. Wie kurzsichtig.

viele Grüße

Martin Baucks
Zur Lux-Debatte: Zur eigentlichen Frage zurückkehren
Es ist ganz erstaunlich, wie sich ein Herr Baucks hier einbringt. Erst sind es die Schauspieler, die ein Stück bedeutsam machen. Kurze Zeit später sucht er Liebe und Stärke bei den Regisseuren. Doch ich werde den Eindruck leider nicht los, dass es ihm einzig nur um sich selber geht. Ich werde hier nicht fragen um welches Stück es gegangen ist, was Kriegenburg, Paulhofer und Gotscheff abgelehnt haben, auch wenn so eine Frage durch den Kommentar sicherlich angestrebt wurde. Kehren wir zur eigentlichen Frage zurück: Was macht einen Theatertext bedeutsam und wie steht es mit der Bedeutsamkeit vom Theater überhaupt?
Zur Lux-Debatte: Bedeutungsverlust des Theaters
Wenn das Theater seine Bedeutsamkeit insgesamt eingebüßt hat, wie einsilber es in 47. meint, woran liegt das?

Allein die Präsenz von Kino und Fernsehen kann es nicht sein, denn auch in den 70ern gab es Film und Fernsehen, und man hat der Schaubühne oder der Volksbühne unter Besson die Türen eingerannt.

Ich vermute, dass das Theater - und hier sind die Autoren so schuldig wie die Regisseure - sich zu wenig auf seine spezifischen Wirkungsmöglichkeiten besinnt und sich zu viel aus Film und Fernsehen leiht.

Damit meine ich gar nicht den Einsatz von Video und dergleichen, sondern bestimmte Strukturen. Wenn viele Stücke eher Fernsehspielmäßig rüberkommen, wenn die Schauspieler mit Headsets agieren, um die öffentliche Form des Sprechens zu umgehen, dann nähert sich das Theater eben dem Kino oder Fernsehen an, bloß dass es auf diesem Gebiet halt schlechter ist.

Eigentlich müsste eine Anforderung an einen Text oder eine Inszenierung sein, dass sie im Fernsehen nicht funktioniert. Aber derzeit ist eine umgekehrte Tendenz zu beobachten: fast jeder Text könnte sofort auch als Drehbuch verwendet werden.
Lux-Debatte: Reden über Bedeutsamkeit ist Ausweichmanöver
kurzer seiteneinwurf: vermutlich hat aber doch nichts von sich aus irgendeine bedeutung? vielleicht hat der hier so breit beklagte relevanzverlust des theaters, den ich persönlich gar nicht bestätigen könnte, weil ich von der bühne noch immer meine wesentlichen lebensbefragungsanstöße beziehe, viel eher damit etwas zu tun, dass wir dem theater insgesamt und stücken und autoren im speziellen zu wenig bedeutung GEBEN? ich kann in das jetzt neu anschwellende, eigentlich uralte mantra über die angebliche wirkungslosigkeit neuer stücke nicht einstimmen, solange ich spielpläne sehe, in denen zu 90% auf bewährtes und zu 10% auf erste und letzte schreie gesetzt wird. vor diesem hintergrund kommt mir diese ganze bedeutsamkeitsdebatte wie ein ausweichmanöver vor. viel sonne allerseits.
Zur Lux-Debatte: kommt ins Rollen
...jetzt kommt die Debatte ins Rollen. Ich wußte doch, dass Sie ein symphatischer Mensch sind Frank Kroll.

Gruß
Baucks
Joachim Lux meldet sich noch mal: Es ging nicht um Förderung
Eine Anmerkung nun doch noch einmal: Mein Vortrag war keiner über Sinn und Unsinn von Dramatikerförderung, sondern er wollte verschiedenste Aspekte in einem Gesamtzusammenhang einordnen. Das übergeordnete Thema war, ob (Gegenwarts)Dramatik überhaupt noch möglich ist. Und mein Fazit war gegen alle Skeptiker: ja!
Es ist also verkürzend, wenn jetzt in der redaktionellen Ankündigung bei Nachtkritik anklingt, ich würde jegliche Autorenförderung infrage stellen. Das ist natürlich ein Unsinn, der auch mit meiner eigenen Theaterbiographie nichts zu tun hat, in der ich unentwegt und mit viel Lust Gegenwartsdramatik unterschiedlichster Provinienz angestoßen, betreut und gefördert habe und dies auch gedenke weiter zu tun. Die Anmerkungen zur Problematik der Autorenförderung waren nur e i n Subpunkt, der dann allerdings Ausgangspunkt der Nachtkritikdebatte wurde.

Joachim Lux
Guckt euch "Verbrennungen" im Thalia an!
Haha, ich lache mich tot. Schauspieler zur Gegenwartsdramatik überreden - keine Ahnung, der Mann. Als ob pure Gegenwart ein Recht an sich sei. Und wie sich die Schauspieler mit den Dramaturgenentdeckungen quälen! Und fks Käsequantenquark: Solange 90% der Spielpläne alte Texte sind... usw. oh gottogott. Gemoser und Gemecker von Nagelbeißern. Nein, nein, da ist nur der Lobbyismus für irgendeinen Fetisch und für Betriebshanselei am Werk, nett wie fk der Frage nach Bedeutung und Bedeutsamkeit von Gegenwartsdramatik ausweicht. Guckt euch mal "Verbrennungen" bei den Autorentagen des Thalia an: 1000 Zuschauer jubeln und ein Autor hat etwas zu sagen, was die Leute interessiert!! Und es ging noch nicht mal um Ehe und Familie oder andere Nabelschauorgien...
So zum Beispiel geht das, liebste Autorinnen und Autoren, Verleger und Verlegerinnen, Dramaturgen und Dramaturginnen!!
Guckt euch "Verbrennungen" in Kiel an!
Ach was - guckt euch "Verbrennungen" in Kiel an, tausend Mal interessanter als "Verbrennungen" am Thalia - und die Leute jubeln genauso!!!
Vom "Verbrennungen"-Gastspiel im Thalia enttäuscht
Ich muss sagen, dass ich von "Verbrennungen" im Thalia Theater in der Inszenierung von Stefan Bachmann gestern extrem enttäuscht gewesen bin.
Unter dem Haufen von Karikaturen, Gags und bemüht einfallsreichen Spielideen, fiel es mir lange Zeit schwer, den Text von Wajdi Mouawad überhaupt zu hören. Bis ich schließlich in den Endminuten des Stücks und seiner krassen Pointe dachte, dass der Regisseur unbewusst oder bewusst etwas ausgewichen ist und sich dann in Ironisierung und Überzeichnung gerettet hat.
Im Musiktheater hat jedes Stück - durch die Musik absolut offensichtlich- gemacht, einen eigenen Ton, für den der Regisseur in seinem Stil eine Umsetzung finden muss. Das heißt natürlich nicht, dass es nur eine mögliche und "richtige" Umsetzung geben kann, aber er muss sich eben doch auf die Suche nach diesem Ton machen. Wenn der Regisseur diesen Ton verpasst oder ignoriert, fällt das Stück in sich zusammen und die Musik tönt leer ohne eine Verbindung zur Bühne.
Wahrscheinlich ist es ein Irrtum zu glauben, dass ein Sprechtext diesen Ton nicht hat. Stefan Bachmann hat sich meiner Meinung nach bei "Verbrennungen" nicht wirklich auf die Suche gemacht oder zu früh aufgegeben und hält das Stück mit einer aktionistischen, requisitenüberfluteten und dadurch bis aufs Blödste gegenständlichen Regie fast 2h künstlich am Leben.
Auf diese Weise mutet der Text von Anfang an wie ein billiges, flaches, überdramatisiertes Fernsehspiel an und wird dann pathetisch-rührselig, wo er in seinen vielen, fast trockenen Berichten verstören könnte.
Natürlich ist es einfach, wenn man bildhaft und somit für jeden verständlich, die halbe Bühne anzündet, mit Maschinenengewehren herumknallt und Musik bis zum Ohrendröhnen einspielt - doch dann wird der Text irgendwann so klein, dass er gegenüber der Regie unkenntlich wird.
Bachmanns Verbrennungen in HH: Kiel viel interessanter
Stimmt, auch ich war von Stefan Bachmanns "Verbrennungen" Gastspiel am Thalia enttäuscht. Wieso veralbert man so ein großartiges Stück ? Das war, wie üblich bei Bachmann, Kinderschokolade. Warum hat das Thalia nicht die viel interessantere Aufführung aus Kiel eingeladen, unbekanntes Ensemble, aber ihr Spiel berührt und geht unter die Haut!
Bachmanns Verbrennungen in HH: das Grauen wird erspielt
Ich fand Bachmanns "Verbrennungen" - gesehen im Wiener Akademietheater - großartig. Warum erwartet man bei einem Thema wie dem des Stücks gleich tief trauriges Rührtheater. Ja, Bachmann hat spielen lassen. Aber darum geht es im Theater: Das Grauen spielen. Durch die absurde Komik seiner Inszenierung wird doch das Brutale, Grauenhafte nicht verdeckt, sondern nur umso deutlicher!
Zur Lux-Debatte: Geräusche vorbeifahrender Busse
naja, das spielen lassen hat leider dazu geführt, dass man die ganze zeit nur schauspieler gesehen hat, die krampfhaft versucht haben sowas wie eine "realität" auf dem theater mit geräuschen vorbeifahrender busse und feuerfontänen, die granaten sein sollten, zu behaupten. für mich hatte das ganze - der text tat mir leid - sehr viel unfreiwillige komik.

wie kann man so naiv mit einem solchen text umgehen? warum werden hier so unverfremdet immer noch geschichten "über andere" erzählt? warum habe ich das gefühl, dass das gesamte team nicht mal einen gedanken daran verschwendet hat, wie und mit welchen zeichen ein europäischer blick auf den nahen osten funktioniert und wie man einen solchen zu befragen habe? warum holt man bei so einem monstrum (antike tragödie!) von text als regisseur wieder die vierte wand aus der staubigen untersten schublade? der text bietet so viel möglichkeit aufzurütteln, zum denken anzuregen, zu überraschen, zu erschrecken - und dann wählt der herr bachmann aber mittel zur umsetzung, die an antiquarischer beliebigkeit kaum zu überbieten sind. da lohnt sich auch kein publikumsgespräch mehr...
Zur Lux-Debatte: Gedanken zum Gegenwartstheater
Ich gebe Herrn Ultor in Kommentar 51 Recht, wenn er schreibt, dass sich das Theater und viele Texte "sich zu wenig auf seine spezifischen Wirkungsmöglichkeiten besinnt und sich zu viel aus Film und Fernsehen leiht." Kommt es vielleicht daher, weil das Theater brachial aktuell erscheinen möchte? Den sinnlosen Versuch unternimmt, mit Film und Fernsehen mitzuhalten? Seinen eigenen Mitteln nicht mehr vertraut? Es gibt zur Zeit auch viele Stücke, die sich eins zu eins in ein Hörspiel übertragen lassen; für mich ist z.B. "Genannt Gospodin" so eines. Da es in Mühlheim eingeladen war, ist es wohl zur Zeit bemerkenswert, was Inhalt und Form betrifft. Man wird sehen, wo dieser Text in fünf Jahren steht. In Kommentar 9 hatte Schlender es schon ausgesprochen "Was ist die Notwendigkeit von Theater? Was ist die Kraft vom Theater? Die Dichtung, denke ich als Autor. Die Verdichtung der Gegenwart mit dem Wissen um die Vergangenheit und den Blick nach der möglichen Zukunft. Was ist Sprechtheater ohne Sprache? Performance und Konzeptkunst haben ihre Berechtigung, keine Frage, aber wo bleibt das Sprechtheater?" Wenn die Bühne immer mehr zum kleinen Fernsehspiel wird, Hörspiele inszeniert werden, Performance-und Konzeptkünstler aktuelle Theaterspektakel veranstalten, kann man dann noch vom sogenannten Sprechtheater reden? Oder ist der Begriff längst hinfällig? Der Kommentar 55 von Arkt, wo er den Autoren Nabelschauorgien vorwirft, finde ich 1. lächerlich und 2. berechtigt. Soll sich zu 1. jetzt jeder Autor ein politisches oder gesellschaftlich relevantes Problem vornehmen, damit er Publikumsbeifall bekommt? Überlassen wir die Themensuche doch bitte den Autoren selbst. Nicht jedes Stück, was "nur" Zwischenmenschliches wie Familie oder Ehe bearbeitet, ist nichtssagend. Und zu 2. hat Arkt leider allzu oft Recht. Viele Texte sind sehr gut gebaut, aber nicht für lang bewohnbar, da sprachlich und inhaltlich nicht substantiell genug. Fast Food macht eben nur für kurze Zeit satt.
Zur Lux-Debatte: Das mäandert jetzt
Kinder, Kinder, Kinder - jetzt mäandert das in alle Richtungen. Es ging doch eigentlich um Autorenförderung. Lux findet, das die auf den Prüfstand gehört. Im Klartext soll das ja wohl heißen: so wie bisher gehts nicht weiter. Schade nur, daß er nicht sagt, wies weitergehen könnte. Soll er doch mal sagen! Und die anderen alle jammern entweder über zu wenig gute Stücke oder zu wenig Liebe durch die Theater. Was wollen die denn? Statt der früher ebenso beliebten wie bescheuerten Frauenquote jetzt eine nicht minder bescheuerte jung und begabt Quote als Selbstverpflichtung der Theater? Oder mehr Förderung durch Goetheinstitute, die jeden Heckmanns, Schimmelpfennig oder sonstwaswie-Text in indianische Dialekte übersetzen lassen, damit sich diese Texte bis zur letzten Squaw verbreiten?
Fußball ist herrlich: Deutschland - Polen 2 : 0 - da herrscht Klarheit!
Zur Lux-Debatte: viele Stücke sind Fast-Food
Dass viele Stücke sprachlich Fast Food sind, liegt meiner Meinung nach daran, dass viele Stücke auf Fast Food-Art, nämlich zu schnell, geradezu schluderig, geschrieben werden. Viele Schreibende nehmen sich auf dem extrem beschleunigten Markt nicht die Zeit, wirklich an der Sprache ihrer Stücke zu arbeiten. Oft steht nur die Geschichte, man könnte manchmal auch sagen: der Plot, im Vordergrund, aber ohne sprachliche Form ist das Ergebnis dann halt wirklich oft mehr Soap als Theaterstück. Und der gelernte "richtige" Bauplan eines Stücks ist eben auch nur wahlweise Literaturwissenschaft oder Handwerk, aber keine Kunst.
Autorenförderung: Staatlich subventionierte Wärmflaschen
Jetzt versandet das ja alles mal langsam im Nichts. Wie wollt ihr denn gefördert werden, liebe Autoren? Wollt ihr überhaupt gefördert werden? Wollt ihr die totale Autorenförderung? Oder lehnt ihr staatlich subventionierte Wärmflaschen, Nachthauben und Wollstrümpfe und Sozialhängematten für Junggenies ab? Und Sie Frau Mansmann? Wollen Sie, dass Ihre Stücke bei Hamburger oder sonstwelchen Autorenwerkstattstücketagen lustig lustig mal so schnell stattfinden, weil besser so als gar nicht? Achtung! Fangfrage!!! Können auch andere beantworten! Baucks (schreibt der gerade ein Stück oder warum ist der weg vom Fenster?), Ostermaier, Philipp Löhle - Held aller Förderfestivals, Habermehl (schöner Name) - auch schon völlig von allen Förderprogrammen durchgemahlen. Wer hat die eigentlich zuerst gefördert? Hier Ich! Ich! Ich! schreien alle Juroren, Dramaturgen und Stückemarkt-standverkäufer, die ihr noch gar nicht gereiftes Obst direkt aus dem Kühlfach auf die Ladentheke der großen, weiten Welt knallen, - ogottogott.........
Autoren können von Tantiemen nicht leben
Bei der Wärmflaschendebatte wäre zu bedenken, daß das gesamte subventionierte Theater sehr viel besser "gefördert" wird als die Autoren mit sämtlichen Programmen. Es geht ja nicht um Frühpension mit Schreibmöglichkeit, sondern um die Frage, warum ein Autor, dessen Stücke jede Spielzeit in mehreren Theatern laufen, von seinen Tantiemen normalerweise nicht leben kann.
Die ins pädophile tendierende Kinderförderung ist ein anderes Problem.
Zur Luxdebatte: gegen die Eintagsfliegenverfasser
Wer sind denn die Autoren, die jede Spielzeit in mehreren Theatern laufen? Die gibts nämlich gar nicht. Es sei denn, lieber Gustav, Sie reden von Botho Strauß, Schimmmelpfennig oder Lukas Bärfuß, aber die können auch davon leben.
Wenn Sie aber die Eintagsfliegenverfasser meinen, die zwischen Coburg und Pforzheim in Werkstattbühnen vorkommen, da haben Sie recht. Aber das ist wie mit Büchern - die kleine Novelle im Selbstverlag mit 500 Stück bringts halt nicht, und zwar zurecht, findet der Markt, Guido, herzlich und unerbittlich wie immer.
Also Autoren, schreibt mal was für die große Bühne, du Baucks, Mannsmann und so. So mal n bißchen Multikultikram oder Mann erschlägt Frau für den hippen Regieassistenten, das kann ja jeder. Ich will nen Text mal so voll stadelmaiermäßig auch später noch gut finden dürfen...
Theater ohne Autoren: Tantiemen, Förderungen etc.
Wo leben Sie, mein lieber MArktführer? Es gibt in Deutschland tatsächlich jede Menge Autoren jenseits von Schimmelpfennig und Co, die weniger bekannt sind, gespielt werden in mehreren Häusern und nicht davon leben können. Wenn ein Staatstheater-Studio auch in einer großen Stadt ein Stück spielt, dann kann der Autor von den Tantiemen aller Vorstellungen die Hälfte einer Monatsmiete zahlen, um mal einen Richtwert anzugeben.
Und wieso so arrogant gegenüber kleinen Häusern? Coburg und Pforzheim haben hoch subventionierte Theater, an denen viele Menschen von ihrer Arbeit leben können. Das mit Selbstverlag zu vergleichen ist idiotisch.
Das Elend beginnt nicht in Pforzheim, sondern dort, wo die Dramaturgen sagen: Schreib doch mal für die große Bühne, mit einem optimistischen Augenzwinkern. Da setzt man sich einem hohen unternehmerischen Risiko aus, wenn man keinen Auftrag schreibt oder keinen großen Namen hat. Das ist Arbeit, falls es sich noch nicht herumgesprochen hat, und man braucht neben Talent auch viel Zeit, Glück und gute Kontakte, um so ein Stück anzubringen.
Und ob selbst ein Lukas Bärfuß von Tantiemen leben kann, da habe ich meine großen Zweifel.
Die Blauäugigkeit Ihrer Zeilen ist hochverbreitet. Es wird von den Theaterleuten konsequent verdrängt, unter welchen ökonomischen Bedingungen sie Autoren arbeiten lassen. Da hört man dann Sprüche wie: "Ja, ich will auch, dass alle gerecht bezahlt werden." Oder "Unsere Autoren sind zufrieden." (Weil keiner sich traut, den Mund aufzumachen.) Oder "Es gibt doch landauf, landab Förderungen, viel zu viele eigentlich."
Wer schafft endlich mal die Förderung von diesem Lux ab?! Der verdient doch im Jahr so viel, wie alle deutschen Dramatikerpreise zusammen kosten. Und von wem werden Sie gefördert, Herr MArkt?
Autorenförderung: Schnief
ach ja, die armen autoren... die haben's ja sooooooooo schwer.... schnief.
Autorenförderung: Über und unter
Bin volle Kanne gegen die Überförderung von Unterfordernden!!- Talent hat Recht!
Autorenförderung: Autor legt Einkommen offen
Im Jahr 2007 wurden an 8 Theatern 6 Stücke von mir gespielt. Theater für Kinder, Jugendliche, sowie auch für Erwachsene im Abendspielplan (Studiobühne). Die zusammengefassten Jahrestantiemen für das Jahr 2007 ergaben gerundete 7990,- Euro.
Autorenförderung: Thema Geld und Überförderung
"Autor" steht stellvertretend. Und nun Wahrscheinlichdramaturg M.Arkt, legen Sie mal Ihre Überförderung offen! Oder Herr von und zu Lux!
Dieses Thema Geld ist so schwer zu besprechen, weil Deutschland da vollgesülzt ist mit dem Talkshowgejammer von allen Seiten. Da verstehe ich, wenn auch dem gesprächigen Arkt und anderen nur flotte Sprüche einfallen. Und der überförderte Lux oder ein ebenso überförderter Jörg Bochow (Staatstheater Stuttgart) die "Dramatikerförderung" für sinnlos erachten.
Die Theater stellen sich der Thematik ebensowenig, außer wenn sie ganz abstrakt in ihren Inszenierungen die böse Ausbeutung in dieser Welt anprangern. Die stellen sich dem einfach nicht! Das wird vehement verdrängt, daß die Autoren z.B. die einzigen sind, die das unternehmerische Risiko einer Theatervorstellung tragen, die unter den Subventionen der Häuser leiden, weil billige Eintrittskarten niedrige Tantiemen bedeuten.
Inhaltliche Diskussionen müssen sicherlich geführt werden. Die Frage sind da: Brauchen wir so viele Dramatikerschulen? Warum sind die Texte oft nullachtfuffzehn usw, aber: Wenn sich die Theater für Autoren entscheiden, dann stehen sie in der Verantwortung.
Oder sie machen nur noch "Performances". Rimini kann fünf Produktionen im Jahr locker stemmen, das rentiert sich dann, da ist nicht viel Arbeit dahinter. Zehn hochbegabte Kinder sind schnell mit ein paar albernen Spielchen auf eine Bühne gestellt. Dann soll das die Zukunft des Theaters sein. Theater ohne Autoren. Erst wenn die Verhältnisse wirklich kaputt sind, geht vielleicht wieder was.
Autorentantiemen: Angebot der Offenlegung
Falls irgendwer mir hier nicht glauben sollte, dem schicke ich gern die Kopien meiner Tantiemenrechnungen für das Jahr 2007 zu. Über Nachtkritik läßt sich sicher die Mailadresse mit dem richtigen Namen herauskriegen, wenn man sich hier nicht öffentlich outen möchte, was ich auch nicht will. Aber ich möchte, daß endlich mal klar wird, wie und wovon Autoren leben. Ich bin ganz und gar kein Einzelfall. Ich könnte jederzeit verschiedene Kollegen bitten, ihre Tantiemenjahresabrechnung hier als Ansicht offen zu legen. Oder z.B. die Honorare verschiedenster Auftragsarbeiten an größeren und kleineren Häuern. Und es handelt sich hier um Autoren, die nicht namenlos sind und nicht überduchschnittlich viel, aber doch anständig mittelmäßig, was die Menge der Stücke in den Spielplänen betrifft, auf deutschsprachigen Bühnen auftauchen. Und nun machen Sie weiter mit Ihrem "schnief" und "Talent".
Theater ohne Autoren: Gejammer will keiner hören
ach autor, das gejammere will keiner hören. mach nichts mittelmässiges, dann verdienst du auch nicht mittelmässig!
Autoren-Tantiemen: Bis 100.000 Euro
Im letzten Jahr wurden weltweit 10 unterschiedliche Stücke von mir gespielt und die Tantiemen belaufen sich auf etwa 80 000 bis 100 000 Euro - also das gibt es eben auch.
Mittelmäßig? Quatsch! Autoren, bildet Banden!
mit mittelmäßig hat das m.e. überhaupt nichts zu tun - mal abgesehen davon: wie naiv kann man denn sein, zu behaupten, dass "hohe qualität" automatisch hohen verdienst nach sich zieht? was ist das für eine unfaire kapitalistische argumentation?
außerdem: wenn man an 8 stadttheatern 6 stücke laufen hat, dann ist das sicherlich NICHT mittelmäßig! und die entsprechende bezahlung, die hier offengelegt wurde, ist auch nicht mittelmäßig, sondern mehr als niedrig!
aber liegt der grund dafür nicht auf der hand, nämlich mangelnde lobby der autoren bei geldgebern? und ist das nicht vielleicht auch der einzige vorwurf, den sich autoren gefallen lassen müssen, nämlich dass ihre lobbyarbeit mangelhaft ist? die zeiten des im kämmerchen zurückgezogenen genialen schreiberlings sind ja nun vorbei. müssen autoren nicht auch neben ihrer schriftstellerischen tätigkeit ihre notwendigkeit im theaterbetrieb unter beweis stellen? da hilft mal wieder nur der alte schlachtruf: BILDET BANDEN!
Theater ohne Autoren: Kein Gejammer, sondern Realität
Entschuldigung allerseits, aber jammern wollte ich hier überhaupt nicht. Ich habe nur Gustav G. mit Fakten unterstützen wollen und Herrn M.Arkt auf seine Frage: "Wer sind denn die Autoren, die jede Spielzeit in mehreren Theatern laufen? Die gibts nämlich gar nicht." antworten.
Und Sie, AUTOR, es ist schön, dass Sie bis zu 100 000 Euro verdienen, denoch wissen Sie ganz genau, daß das nicht die Regel ist. " also das gibt es eben auch." schreiben Sie, es gibt aber ebenso noch die anderen 90 Prozent, die doch mal über ihre Situation reden können, ohne dass das gleich als Gejammer abgestempelt wird. Hatte Gustav G. also doch Recht, als er meinte: "Die Theater stellen sich der Thematik ebensowenig, außer wenn sie ganz abstrakt in ihren Inszenierungen die böse Ausbeutung in dieser Welt anprangern."?
Und Sie geschichte, ich hoffe für Sie, dass Sie nicht an einem mittelmässigen Haus arbeiten sondern an einem der wenigen großen; ansonsten müssen Sie sich eben auch mit einem schmaleren Gehalt abfinden, nicht wahr? An kleineren Häusern arbeitet man ja viel weniger und kleiner, als an großen. An kleineren Häusern ist die Arbeit im Grunde überhaupt nichts wert, da kann man froh sein, wenn man dort überhaupt noch was verdient.
Gorki Theater speist mit Werkstattinszenierungen ab
Über diese Zustände kann man ja jammern oder auch nicht. Die Theater sind in der Hinsicht ohnehin aus Beton.
Neuestes Beispiel: Ein hoch subventioniertes Hauptstadttheater, das Maxim Gorki, macht "Werkstattinszenierungen" von zwei Autorinnen (jung und weiblich ist immer gut, ein Dramaturg des Gorki ist auch mit einer der Damen liiert), Darja Stocker und Tine Rahel Völcker. Statt sich zu diesen Autorinnen mit einer Uraufführung zu bekennen, werden sie abgespeist mit "Werkstattinszenierungen". Das ist billig und erzeugt weniger Erwartungen. Für andere Theater sind diese Stücke dann aber meistens durch. Natürlich dürfen die Autorinnen dankbar sein, dass sie überhaupt beachtet werden und ein paar hundert Euro werden schon herum kommen.
Autoren sind die einzigen im Theater, die frei sind
Aber wieso muss und will ein Autor nur von seinen Theatertantiemen leben? Stücke werden übersetzt, fürs Hörspiel produziert, manchmal gedruckt, man kann für Fernsehen, Kino oder Zeitung schreiben... Das ist doch das Tolle am Autorenberuf! Der Lohn, manchmal auch der Preis der Freiheit! Und in diesem Forum wird getan, als sei die Autorenbezahlung, als sei die Stellung des Autors im Theater ein Problem. Nein, ist sie nicht. Der Autor ist der einzige, der frei ist - wenn er das will -, der erfolgsabhängig bezahlt wird, und das ist gut, das ist Zukunft! Die anderen sind das Problem, die Intendanten, Dramaturgen etc., die Langzeitverträge über Festgagen haben, die Regisseure sind das Problem, die nach Feuilleton-Präsenz gehandelt werden wie TecDax-Aktien, dieser autistische Betrieb ist das Problem, wo die Leute über Wochen und Monate kein Tageslicht sehen. Und wenn ich mir die Leute in den Theatern ansehe, mit all ihrem Geld, all ihren Sicherheiten, all ihren Privilegien - glücklicher sehen sie nicht aus. Selten waren die Arbeitsmöglichkeiten für Autoren so gut wie heute - außerhalb des Theaters. Also muss sich das Theater in diese Richtung entwickeln, wenn es den Anschluss an Kino, Literatur, Bildende Kunst wiederfinden will. Ganz bestimmt nicht umgekehrt!
Gorki ist die Karikatur eines Subventionstheaters
Das Maxim Gorki ist inzwischen wirklich die Karikatur eines Subventionstheaters. Die hauen alle paar Tage die Uraufführung irgendeiner hübschen jungen Frau raus, in aller Regel in erbärmlicher Qualität. Jetzt leisten sie sich einen neuen Hausautor, der in vielen Feuilletons besprochen wird, von dem die aber noch nie ein Stück gespielt haben. Aber das Maxim Gorki Theater spielt eben auch nicht mal 14 Prozent seines Etats selbst ein, da wird dann vieles egal (Qualität und Publikum sowieso). Wer den Beton aufbrechen will, ohne ans Geld zu gehen, wird, fürchte ich, nicht weit kommen.
Weder frei noch arm
Die meisten Autoren sind doch nicht frei, auch nicht arm. Die finden ihr warmes Plätzchen im Betrieb, werden Hausautor, heiraten einen Entscheidungsträger etc. Gorki ist ein Symptom, Schaubühne ein anderes. Die spielen ihre Hausautoren, seit Jahren dieselben, erbärmlich schwache Texte, es wird immer schlimmer. Man kann das System aus gutem Grund verrottet finden. Aber dem das Ideal des freien Autors entgegenzustellen (welcher Dramatiker ist denn in anderen Medien erfolgreich?), ist naiv.
Tantiemen etc.: Es muss erlaubt sein, die Dinge sachlich zu sehe
Es muss kein Autor `nur` von den Tantiemen leben, das würde bei 90 Prozent der Autoren ja gar nicht funktionieren. Und natürlich ist es die Freiheit jedes Autoren, sich auch in anderen Bereichen, außerhalb des Theaters, zu produzieren, aber: ich meine, wenn ein Stück von einem Autor gespielt wird, zieht das Theater seinen Nutzen daraus; wieso sollte man nicht über den Nutzen, den ein Autor davon hat, reden? Und ich verlasse hier ganz bewusst die romantische Dachstubenidee von dem armen Schreiberling. Die Zeiten sind lange vorbei. Auch Autoren sollte es erlaubt sein, über finanzielle Gegebenheiten zu reden. Es ist doch so: Ein bezahlter Dramaturg in einem subventionierten Theater wählt einen Text aus. Der Regisseur, die Schauspieler, Bühnenbild usw. erhalten ihren festen Lohn oder als Gast ihr Honorar um diesen Text zu inszenieren. Der Autor, von dem das Theater ja den Text will, geht in Werkstattinszenierungen meistens völlig leer aus, bei szenischen Lesen werden oft nur Fahrtkosten und Hotelübernachtung bezahlt. Bei Aufführungen erhält er die Tantiemen. Wenn man nicht gerade in der Klasse der 100 000 Euro-Liga spielt, sieht es oft mau in der Kasse aus; obwohl man in den Spielplänen verschiedenster Häuser steht. Das kann man hinnehmen und sich dem Hörspiel oder Fernsehen zuwenden oder man nimmt es eben nicht hin und beginnt einfach mal zu hinterfragen, warum das so ist, warum das so sein muss und ob das so bleiben muss.
Ihr Möchtegernkünstler, Systemschreiber, Textstricker
Ihr die euch "Autor" etc. schimpft, ihr seid ein gieriges Gesocks, dass unbedingt ins System will, was für eine Neiddebatte. Seid Jelinek, seid Schwab, seid Beckett, Frisch, Dürrenmatt, Goethe, Kleist oder Kane, dann müsst ihr euch nicht über eure mediokren Einnahmen aufplustern, Möchtegernkünstler und angepasste Systemschreiber, Buchstabenddesigner, Worträtselmaler und Textstricker ihr ! Es lebe die Kunst ! Faule, spiessige Selbstbedienungsmentalität beschissene, die nichts gibt, aber alles fordert. Seid doch froh, dass man euer uninspiriertes Handwerkszeug überhaupt spielt...
Darf ein Autor nicht über Geld reden?
Was haben Sie Ihnen denn ins Glas gekippt, Sie Komma Sie? Und, was hat das ganze denn mit Neiddebatte zu tun? Das verstehe ich wirklich nicht. Darf ein Autor nicht über Geld reden, oder was soll das ganze aggressive Zeug plötzlich hier? "Es lebe die Kunst!" schreiben Sie. Ist Kunst für Sie unentgeldlich? Sie scheiben auch "Selbstbedienungsmentalität beschissene, die nichts gibt, aber alles fordert." Das ist doch totaler Unfug. Schließlich gibt Autor acht Theatern 6 seiner Stücke; nun soll er froh sein, dass man das "uninspirierte Handwerkszeug" auch spielt? Das Theater soll froh sein, dass dieser Autor sechs Stücke schrieb, das es spielen kann. Werden Sie zum Punkt, Sie Komma Sie.
Arbeitslosigkeit frisst am Aufstehgefühl
Zugegeben, ich habe die Zeilen oben nach dem siebten Gläschen geschrieben, wie soll ich es sagen. Ich bin seit vierzehn Monaten und vier Tagen ein arbeitsloser Dramaturg. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie das am Aufstehgefühl frisst. Vor zwanzig Jahren noch dachte ich, ich wäre ein junger Heiner Müller. Bzw. fand ich Heiner Müller unkonsequent. Im Nachhinein finde ich meine Ausbrüche selbst lächerlich. Damit habe ich mir ehrlich gesagt schon das halbe Leben ruiniert. Mir egal! Tut mir Leid, aber vielleicht gefällt es mir auch nur so zu tun, als ob es mir Leid tut. Die ganze Nacht Dostojewski gelesen. Macht euer Theater allein! Verdammte Pseudos!!
Autoren: Jammern mit Anstand
liebe nr 84,nicht registriert, danke für den ausbruch, der mit abstand der uneitelste beitrag hier gewesen ist. ich lese gerne die seiten hier und freue mich über dieses forum, dass leider gerade in dieser autorendebatte in der selbstauflösung ist. wirklich. wie bitte über irgendwas in einer konsequenz diskutieren wenn einem das eigene ego derart im wege steht und man sich im internet seinen frust hübsch erbrechen muss. gerne diskutieren über wohl tatsächlich indiskutable sport-theater wie das gorki / höherschnellerweiter! und wie sich die qualität von wir-inszenieren-mal-1-woche-stücken langsam aber ernsthaft auf die nerven fällt, über die selbstbetütelung einer schaubühne, aber bitte nicht auf dem niveau von hübsche frauen, die sich hochschlafen, die hams ja so gut. @ gustav,bitte, wenn dann jammern bitte mit anstand. oder einer aus dem battle-orden borgt dir ein taschentuch zum schnäuzen. oder dostojeweskij lesen. mal was gutes.
Autoren: Nicht bloggen, sondern handeln!
Katja, ich versteh nicht, wer erbricht sich denn nun? Und für Dostojewski sind wir doch alle. Für Differenzierungen auch. Jammern hat auch keiner Lust (nur andere des Jammerns bezichtigen). Was jammerst du also? Und ääh, was willst du?
Ich empfehle nicht bloggen, sondern handeln. Wie ein Freund von mir, ein lange ungespielter Autor, der eine Autorin erfunden hat (eine von den jungen hübschen, denen es so gut geht). Die wurde zu Festivals eingeladen. Schnell mußte er jemanden erfinden, der ihre Rolle spielen kann. Und fand eine! Eine Marketingfachfrau! Harte Verhandlungen haben zu einer 20%igen Beteiligung geführt +Spesen. Jetzt sitzt er im Publikum und freut sich über ihre Antworten. Alle werden das für eine Story, einen Witz halten, aber es ist so.
Also Antworten finden mit Taten und nicht in diesem hämischen, erberecherischen, demokratischen Blog, aus dem ich mich hiermit mit freundlichen Grüßen verabschiede.
Autoren: heterozentrisch?
dieser hoax, gustav, ist so heterozentristisch. du glaubst und willst wohl immer noch, man dürfte nicht von schön im zusammenhang mit jungen männern reden.
Autoren: Kurz schnäuzen, dann weiter: zum DramaTisch!
Hiermit biete ich ein Taschentuch. Zum kurz schnäuzen und dann wieder weitermachen. Dostojewski kann man nächtens lesen. Am 10. Juli trifft sich wieder der DramaTisch der battleAutoren, 19.30 Uhr in Berlin, in der Danziger Straße 50. Raus aus der Frustkurve und handeln!
Autoren: Bitte nicht so arrogant!
Also,jeder der mal versucht hat Autor zu werden oder halbwegs nur was zu schreiben, müsste wissen wie aufreibend das ist. Und wenn man dann ein paar funktionierende Stücke geschrieben hat kann ich das absolut verstehen, dass man sauer ist wenn man als Autor so wenig abkriegt wenn man dann gespielt wird.
Und es hat ja auch nicht jeder Lust gehobenes Boulevard zu schreiben wie Yasmina Reza, die sich gut zu vermarkten weiss. Also, lasst die Autoren sich aufregen und ihre Meinung sagen! Und die anscheinend so erfolgreichen Autoren in dieser Dikussionsrunde, schön für Sie aber bitte nicht so arrogant! Es gibt vielleicht zu viele Autoren, aber ich bin total für Subventionen! Jeder der Lust hat zu versuchen sich künstlerisch auszudrücken sollte eine Chance dazu haben! Kapitalismus haben wir schon genug anderswo!
Und leider funktioniert das Theater allzu oft nach den Regeln, die es auf der Bühne anzuprangern scheint.
Also, positive Energie und weiter!
Autoren: Nirgends ist das Neue so schwer!
Klar, jeder soll sich aufregen. Aber Subventionen? Schauen Sie sich Bestseller-Listen an, Kino-Charts, Einschaltquoten, egal... Überall hat natürlich, und gottseidank, das Alte seinen Platz, aber was oben steht, einfach weil die Leute es sehen, hören, lesen wollen, ist das Neue. Keine Kunstform wird in Deutschland auch nur annähernd so hoch subventioniert wie das Theater, und wenn Sie sich die Spielpläne ansehen: Nirgends sonst hat es das Neue so schwer (und oft genug ist im Theater das Neue bloß nachgespielter Film oder Roman). Selbst die erfolgreichen Autoren sind in der Regel Importe aus Ländern, in denen das Theater näher am Publikum, spricht: der gesellschaftlichen Realität, spielt und spielen muss. Das ist eben das Problem von Subventionen: Im Einzelfall bringen sie Gutes hervor, auch für die Autoren. Aber insgesamt haben sie einen konservierenden, schlimmer noch: marginalisierenden Effekt.
Autoren: Tantiemen werden nicht subventioniert
nur zum verständnis: autorentantiemen werden nicht subventioniert. im gegenteil. niedrige, also subventionierte eintrittspreise bedeuten niedrige tantiemen, höhere eintrittspreise - höhere tantiemen. aber das geldgelaber wird hier langsam unerträglich. der eigentliche hase wird ganz woanders gepfeffert: in der autorenauswahl der theater und der umgang mit ihnen. vermögen zur textkritik bei den meisten dramaturgen fehlanzeige. übrigens auch bei kritikern und lektoren. man sehe sich, auf welchem künstlerischen niveau das in theater heute abgedruckte stück "funkenflug" flottiert. das ist das übliche level, auf dem die subventionen verbraten werden.
Autoren: Das Neue hat es schwer
Natürlich werden Tantiemen nicht subventioniert! Darum geht es ja gar nicht sondern um die Fördergelder und Autorenwerkstätte jeglicher Art.
Und das Neue hat es schwer, Herr oder Frau Duve, weil im Theater anscheinend der Hase nicht frisst was er nicht kennt. Es ist einfach viel schwieriger Publikum anzulocken mit zeitgenössischen Stücken.Das stelle ich immer wieder fest.Ausser es ist was "zum Lachen", wie mein Nachbar es so flott ausdrückt. Das ist wahrscheinlich eher das Problem als dass die Dramaturgen keiner Textkritik Fähig sind.Theater ist und bleibt ein elitärer Sport,aber gutes Theater ist zu diesem Preis. Und natürlich habe ich auch manchmal meine Bedenken bei, z.B. in Theater heute abgedruckten Texten. Aber es gibt auch die Interessanten, und das mögen nicht für jederman dieselben Texte sein. Und was ist, wenn auch mal Müll dabei ist, ich habe lieber ein bisschen Theaterrecherche und es kommt dann bei einigen etwas heraus als den 20.098 King Lear zu sehen mit einem Ferkel als King Lear in der Hauptrolle weil man ja den Vorgänger toppen muss!Oder den 7456ten Menschenfeind, auch wenn es ein wunderbarer Text ist (also im Original, die Uebersetzung von Enzensberger ist jedoch auch sehr gelungen). Und wo ist dieses Ausland wo das Theater so nahe am Publikum ist und so interessant?! Sehen Sie sich mal in Frankreich die Publikumsrenner an!Leider sind allzuoft Publikumsrenner verbunden mit der Idee des kleinsten gemeinsamen Nenner. Oder eine Starbesetzung. Und was ich in diesen Kategorien gesehen habe war meist für mich grauenvoll und ansonsten sehr erfolgreich. Wollen Sie das,Herr Duve? Also, lasst die Autoren schreiben, auch die die euch nicht gefallen! In anderen Bereichen wird viel mehr Geld unnütz zum Fenster rausgeworfen.
Von Stockhausen zum Spiegelei
Aus die Maus: Von Stockhausens pathetischem Schrei angesichts von 11/9/2001 sind wir jetzt bei der Frage, ob der Autor seine Spiegeleier staatssubventioniert brät oder nicht. - Na Prost. Und hoch die Tassen beim nächsten Drama-Tisch! Dramatisch!
Guido ist noch Antworten schuldig
Aber flotter Guido! Sie sind uns noch ein paar Fragen schuldig, wer Ihre Spiegeleier subventioniert. Da haben Sie sich ausgeklinkt. Hartz IV? Das gute alte Stadttheater? Aber über "Subventionen" spricht man ja nicht. Oder nur die Zukurzgekommenen, nicht wahr? Alles andere ist Geheule. Warum diese reaktionäre Stimmung sogar unter einigen Autoren verbreitet ist, schreiben Sie doch darüber mal in ihrem Porschestil.
Am DramaTisch haben sich übrigens inzwischen alle ausgeheult und reden jetzt über Texte und Taten. Das nächste mal am kommenden Donnerstag.
Drama-Tisch u.a.: siehe 88
siehe 88
AutorInnendebatte: vom Schrei zum Spiegelei
In gewissem Sinne bildet doch der Verlauf dieses Forums auch die Autorinnendebatte selbst und damit das ermattende Theater ab: Zuerst gibt es den existentiellen Schrei, dann geht es um Inhalte und zuletzt geht es dann doch immer nur wieder um die Spiegeleier, von denen Guido M. Arkt spricht.
Wahrscheinlich nutzt all das Gerede nichts, denn es ist ein Zerreden. Die starke Autorin wird ihre Themen und Formen finden - und dann vom Betrieb hochgespült oder zermalmt. Am Stammtisch - oder am DramaTisch - kann man allenfalls ein Gruppengefühl erzeugen (und vielleicht einen "interessanten" Diskurs), aber kein starkes Stück.
AutorInnendebatte: glasiger Blick, auf den man immer wieder stöß
Wer will denn in einer Diskussion oder einer Gruppe ein starkes Stück erzeugen? Und ging es denn in dem Lux-Monolog um Existentielles? "Stockhausens Schrei" war ja vor allem ein peinlicher Fehlgriff, wie Börgerding in 16 gut beschreibt. Und diese abfällige Haltung, wenn über Tantiemen und Strukturen gesprochen wird. Das wird dann gleich zum "Spiegelei". Solche Sätze wie im vorigen Kommentar, die auch inhaltlich nicht ganz klar sind, beschreiben die Mattigkeit, die ihre Autorin beklagt: "Die starke Autorin wird ihre Themen und Formen finden - und dann vom Betrieb hochgespült oder zermalmt." Dann gibt's ja nichts mehr zu sagen und zu tun!rnDie Ideenlosigkeit in diesem Land und diesem Theater wird immer mehr zur einer Art hyperaktiven Lähmung. Das ist (und da hat 96 recht) auch in so einem Blog über die grundsätzlichen Fragen zu spüren. Es gibt ja Missstände hinsichtlich der zeitgenössischen Dramatik, die fast alle Theaterleute bestätigen. Missstände in struktureller und finanzieller Hinsicht von Seiten der Theater sowie ein Mangel an mitreißenden Stücken. Aber im Gespräch darüber stößt man dann immer wieder auf einen glasigen Blick, wenn es um die Verantwortung des Gesprächspartners geht. Es sind immer die anderen, die bösen Kulturpolitiker, die Zuschauer, die ja nur jenes Zeug sehen wollen, die unfähigen Dramatiker und ein Herr Lux und andere hochbezahlte Leute wie der Chefdramaturg des Stuttgarter Staatstheaters beklagen sogar deren Förderung. Wer sich engagiert für eine auf Veränderung zielende Debatte wie jene Leute vom DramaTisch oder andere Autoren zu früherer Gelegenheit (die das dann sehr bereut haben) wird entweder angepisst (vor allem von anderen Autoren) oder der Impuls wird eingemeindet, weil man ja Themen braucht, weil das Heer von Dramaturgen und Journalisten ja beschäftigt sein will. Artikel, Interviews, Podiumsdiskussionen, Blogs usw. enstehen. Aber die Atmosphäre bleibt stickig, starr und im Grunde hasserfüllt.
AutorInnendebatte: behauptete Bedürfnisse
>> Dann gibt's ja nichts mehr zu sagen und zu tun!

Ja, im Grunde ist das meine Ansicht. Die Ideen kamen und kommen nie einfach so aus der Struktur des Theatersystems. Wenn es ein Bedürfnis nach großem Theater und großen Texten gibt, dann wird es großes Theater und große Texte geben, unabhängig von allen Strukturen. Ich behaupte allerdings auch, dass es das eben erwähnte Bedürfnis offenbar derzeit gar nicht gibt - es wird bloß behauptet. Vielleicht weil es unserer Gesellschaft noch zu gut geht. Dann könnte man auch gut auf den großen Theatertext verzichten, denn dass es unserer Gesellschaft schlecht gehen soll, das möchte doch keine.
AutorInnendebatte: Strukturen öffnen
Es gibt das Bedürfnis, und die großen Texte - oder, weiter gefaßt, Werke - entstehen ja auch, nur überall eher als im Theater. Die Leute, die was zu sagen haben, machen eher Kino, Literatur, Bildende Kunst. Und da ist man dann schon bei der Frage der Strukturen. Die geschlossenen Theateranstalten mit ihren Placebo-Förderungen und ihren Festverträgen und ihrem Feuilleton-Autismus ziehen eher die Funktionäre an, egal ob Autoren oder Regisseure. Allein schon die Biografien, alle gleich, die können Sie nicht auseinanderhalten. Wer das Theater verbessern will, muss die Strukturen öffnen, weiß doch im Prinzip jeder, und auch die grobe Richtung ist klar.
AutorInnendebatte: Vorredner, bitte konkretisieren Sie!
Entschuldigung, "die grobe Richtung", könnten Sie sich da etwas konkreter fassen?
AutorInnendebatte: Geniekult & Biedersinn
Dieser Ruf nach dem Großen Text, dem Messias der modernen Dramatik! Der braucht natürlich keine staatlichen Spiegeleier, weil sein Können schon im Mutterbauch zu uns sprechen wird und er im Kindergarten statt bunten Kitsch zu malen Seine Neue Dramatik schreiben wird. Der Rest ist Abfall.
Wer das meint, muß sich nicht engagieren. Hinter diesem Geniekult steckt ein deutscher Biedersinn.
Sollte man demzufolge nicht jedem Dramatugen, der nicht auf einer Stufe mit Heiner Müller steht, jedem Regisseur, der es mit Zadek nicht aufnehmen kann und jedem Schauspieler, der nicht die Qualität einer Duse besitzt, das Handwerk legen, d.h. die Gage entziehen?
Strukturen öffnen, ja, aber wie beginnen? Wie diesen wunderbaren Reichtum, den wir haben, fruchtbarer machen? Wie die Wohlstandsprobleme lösen? Sicher nicht durch Abschaffung des Wohlstands. Das führt in soche grottigen Zustände, wie wir sie in Italien sehen.
Welturaufführung! Bildzeitung! Vorredner wird konkret
Konkretisieren? Gern: Wenn ich mich als Filmproduzent, Buchverleger, Galerist ökonomisch rational verhalte, dann suche ich nach Themen, Stoffen, Formen, die neu sind, die die Leute interessieren und packen. Und ich suche Leute, die mir das liefern. Am Ende können Meisterwerke wie "Gegen die Wand" oder Bestseller wie "Feuchtgebiete" stehen oder irgendwas dazwischen. Wenn ich mich als Intendant eines öffentlichen Theaters ökonomisch rational verhalte, dann mache ich ein paar Klassiker fürs Abo, ein paar Literaturadaptionen für die Schulklassen und ein paar Werkstatt-Uraufführungen von zwanzigjährigen Mädchen, das finden Kritiker immer niedlich. Erfolg - jenseits von Feuilleton-Besprechungen - lohnt sich doch im Theater einfach nicht, und ist immer mit Arbeit und Risiko verbunden. Strukturen öffnen heißt, die Theater so aufstellen, dass sie den Erfolg, die Öffentlichkeit, das Neue einfach brauchen, dass die Beteiligten davon auch etwas haben. Sonst zieht's eben vor allem die Funktionäre an. Und die machen - siehe rechts - eine Bühnenadaption von "Feuchtgebiete". Welturaufführung! Bildzeitung! Puls der Zeit, Theater darf auch mal anfassen!
AutorInnendebatte: Landschaft mit Funktionären
Reinster Strukturalismus! Nur ist "Feuchtgebiete" als Buch schon schlecht und "Gegen die Wand" trotz aller Preise ein flacher Film mit mittelmäßigen Schauspielern. Was ist schlechter: Die fünf besten deutschen Filme des letzten Jahres oder die fünf besten Theaterinszenierungen dieses Zeitraums. Aber soll hier wirklich über die Landschaft mit Funktionären debattiert werden? Falls ja, her mit den Vorschlägen, wie wir das verändert kriegen.
AutorInnendebatte: Grundkultur statt Strukturänderung
"Hinter diesem Geniekult steckt ein deutscher Biedersinn. Sollte man demzufolge nicht jedem Dramatugen, der nicht auf einer Stufe mit Heiner Müller steht, jedem Regisseur, der es mit Zadek nicht aufnehmen kann und jedem Schauspieler, der nicht die Qualität einer Duse besitzt, das Handwerk legen, d.h. die Gage entziehen?"

Nein, Herr Weyland, darum geht es nicht! Es gibt schon eine Art Nährboden, auf dem sich "das Genie" entwickeln kann - eine Grundkultur. Die sollte man erhalten. Jede Dramaturgin darf und soll gerne ihr Geld kriegen, ebenso jede Schauspielerin, auch wenn sie nicht die Duse ist.
Aber: In der Debatte hier klingt es oft so, als müsse man die Strukturen ÄNDERN, um wieder gute Texte zu bekommen. Das ist doch der Unsinn. Keine Strukturänderung wird gute Autorinnen generieren.
AutorInnendebatte: bessere Arbeitssituation für bessere Arbeit
Wie jetzt? Dramaturgen und Schauspieler sollen ihr Geld kriegen, auch wenn sie nicht werwasweißich sind, aber wenn man über Autoren spricht, sieht das anders aus? Es ist sicher richtig, dass keine Strukturänderung gute Autoren hervorbringen wird, sie würde aber die Arbeitssituation verbessern und eine bessere Arbeitssituation bringt meiner Ansicht nach immer eine bessere Arbeit hervor.
AutorInnendebatte: Es geht um Strukturen!
Klar geht's um Strukturen. Überall. Keiner sagt doch: Das Schulsystem muss man nicht ändern, wirklich begabte Kinder schaffen's auch so. Am Gesundheitssystem muss man nichts tun, die wirklich gesunden Patienten kommen durch. Am Training der Nationalmannschaft muss man nichts verbessern, wirklich tolle Fußballspieler schießen ihre Tore immer. Wenn das Theater mit sich nicht zufrieden ist - und das ist es nicht, es gibt überall einen großen Frust, die Autorendebatte ist ja nur ein Symptom -, muss es überlegen, was es aus eigener Kraft ändern kann. Auf "Genie", "Nährboden" oder "Grundkultur" zu verweisen - also alles Dinge außerhalb eigener Einflussmöglichkeiten -, ist ein Placebo ohne lange Wirkung.
AutorInnendebatte: Der Vergleich tut weh!
der vergleich hinkt so unglaublich, das tut schon weh. das schulsystem ist für alle da und gesellschaftlicher need, kranke müssen betreut werden, spieler der nationalmannschaft sind schon gut und trainieren, um sich zu verbessern, tausende kicker sind wegen unterbegabung eben nicht in der nationalmannschaft oder betreiben fußball eben als hobby. und theaterautoren? hallo? dieser beruf ist völlig freiwillig gewählt und talent kann zum glück noch nicht eingekauft werden. wenn ein autor nichts zu erzählen hat, keine haltung zu der welt hat, warum sollte man ihn denn bitte finanzieren? elitärer und abgehobener geht es doch gar nicht mehr. dieses geforderte recht auf durchfütterung von unterdurchschnittlichkeit und mangelbegabung ist erschreckend, obszön und komplett würdelos. talentlosigkeit muss leider eingesehen werden. seit ein paar jahrtausenden schon. es gibt auch andere berufe.
AutorInnendebatte: Aber wer will denn ein Grundeinkommen?
Aber wer will denn bitteschön ein Grundeinkommen für alle selbsternannten Theaterautoren? Kein Mensch.
Wenn ich die Initiativen, die gerade unterwegs sind, richtig verstehe, geht es darum, jenen Autoren, die von den Theatern großzügig in die Spielpläne gewählt werden, faire Arbeitsbedingungen zu ermöglichen.

Die Frage stellt sich, woher die ständige Behauptung kommt, diese Forderung würde für alle Autoren erhoben, und dann dieser Schaum vor dem Mund, der Schrei, daß das nicht geht. Ein psychologisch interessantes Phänomen.
AutorInnendebatte: Der Vergleich stimmt!
Es geht doch hier nicht um einen jeden, der sich hinsetzt und mal ein paar Dialoge zusammenschustern kann. Es geht um Autoren, die im Theater gespielt werden, in den Spielplänen stehen, durch WerkstattTage gefördert und durch szenische Lesungen geschleust werden. Es geht nicht um HobbyAutoren. Es geht um Autoren, deren Begabung das Theater bereits schon entdeckt hat. Der Vergleich mit der Nationalmannschaft hinkt also überhaupt nicht. Ist doch totaler Quatsch was 107 da schreibt und das weiß 107 hoffentlich auch und wollte nur provozieren oder so. Warum ist es verdammt nochmal so eine schwierige Angelegenheit über faire Arbeitsbedingungen von Theaterautoren zu reden? Ich versteh das nicht. Sehen wir doch einmal auf die Zustände. Auf die Ursachen. Auf die Möglichkeiten, da was zu verändern. Jetzt werden wieder welche kommen und sagen, hier fehlt der Inhalt! Die Kunst! Aber diejenigen bitte ich schon jetzt, darüber nachzudenken, dass wenn z.B. Straßenbahnfahrer streiken um ihre Arbeitsbedingungen zu verändern, auch nicht über die verschiedenen Straßenbahnstrecken und -richtungen verhandeln.
AutorInnendebatte: Wenn Straßenbahnfahrer und Autoren streiken
der unterschied ist, wenn straßenbahnfahrer streiken, ärgern sich die menschen und es gibt ein umdenken, wenn theaterautoren streiken, ist es der menschheit und sogar dem theater aber so was von egal, zudem hat man ja sowieso das gefühl, dass deutsche schriftsteller (und nicht theaterautoren oder ehedem "dramatiker") seit jahren im theater- streik sind. solange ein autor nichts wirklich zwingendes schreibt, wird er eben wenig verdienen. was sollen denn maler oder architekten von so einer absurden diskussion wie hier halten ? im grunde müssten diese probleme mit den verlagen besprochen werden, aber nicht mit den theatern. aber wahrscheinlich haben die meisten kommentatoren hier nicht mal einen verlag.
AutorInnendebatte: anständige Bezahlung
Wenn Theaterautoren im Theater gespielt werden, nutzt das Theater die Arbeit der Autoren. Und Arbeit muß anständig bezahlt werden. So denke ich.
AutorInnendebatte: doofdeutsche Selbstherrlichkeiten
Dieses ganze doofdeutsche "bätsch ihr könnt alle nix" und "wenn du nix machts merkz keiner" und "jeder straßenbahnfahrer is super wichtiga" und "hast du überhaupt verlag?" ist und bleibt wohl das Level so einer Diskussion in diesem Rahmen. Allerdings: Das Level auf Podiumsdiskussionen zu diesem Thema, und da gabs ja einige davon, ist auch nicht ganz anders, nur verbal aufgemotzt, aber mit den gleichen Selbstherrlichkeiten und Beschränktheiten. Na denn Prost!
AutorInnendebatte: Uraufführung in Theater heute
Ich habe einen Verlag. Bin total erfolgreich (und oute mich hier trotzdem nicht, ich feige Sau). Klassischer Dialog Intendant-Autor: "Sie haben ein tolles Stück geschrieben." "Danke. Spielen Sie's?" "Nee, Uraufführung war ja schon in Theater heute. Aber schreiben Sie doch mal für uns einen Auftrag." Ein Theatersystem, in dem solche Intendanten nicht sofort ins Straflager kommen, ist faul.
AutorInnendebatte: ach, wir Armen
Wenn sich jetzt schon Philipp Löhle beschwert, dass er zu wenig nachgespielt wird, obwohl er für seine drei harmlosen Stücke zum gleichen Thema mit allen Preisen beworfen wird, dann ist mit den Autoren etwas faul.
AutorInnendebatte: Was lässt sich wie ändern?
Hab auch einen Verlag, werde gespielt usw. Muss mir also nicht den Stempel talentfrei aufdrücken lassen. Finde die Debatte hier wichtig. Aber! Sie dreht sich im Kreis! Kreisanfang ist nachzulesen ab Punkt 70. Die Frage ist doch, was lässt sich wie ändern?
AutorInnendebatte: zu Recht
ins straflager ? bei dem duktus wurde ihr stück wohl zu recht nicht gespielt.
AutorInnendebatte: Genie braucht Kultur
Die These, dass sich das Genie von alleine durchsetzt, ist sicherlich nicht nur doofdeutsch, sondern durch vielerlei Beispiele bestätigt. Zwei Sachen sind aber zu bedenken:
1. Die Fälle, wo sich das Genie nicht durchgesetzt hat, sind uns nicht bekannt geworden. Wären sie uns bekannt geworden, hätte sich das Genie schließlich doch noch durchgesetzt. Es gibt also eo ipso eine nicht bestimmbare Grauzone verkannter Genies (keine Angst, ich gehöre nicht dazu).

2. Das Genie braucht in der Regel einen gedüngten Boden. In einem Land, in dem es kein Theater gibt, ist das Auftreten eines Theatergenies unwahrscheinlich. D.h. je besser die Strukturen sind, desto mehr Input bekommt das potentielle Genie. Je mehr es von mittelmäßigen Autoren (Regisseuren, Schauspielern etc.) umgeben ist, die von den Strukturen profitieren, desto eher wird es sich abstoßen und aufschwingen können. Im Klartext: Das Genie braucht eine bestehende Kultur, die es erweitern und überwinden kann.

Klaro? Yeah, Mann!
AutorInnendebatte: Schluß mit dem Gottesgericht!
Dieses dröge Geniegequatsche. Wir warten ab jetzt auf das Intendantengenie, das Regiegenie, das Schauspielergenie... Schluß mit dem Gottesgericht!
AutorInnendebatte: mehr Genie, weniger Linsengericht
Man kann den Begriff "genial" auch gerne durch "herausragend" ersetzen. Aber Herr Artaud: Gehen Sie gerne ins Theater, wenn Sie dort nur Mittelmäßigkeiten vorgesetzt bekommen? Schluß mit dem Linsengericht!
AutorInnendebatte: das, was fehlt
Die deftigen Linsengerichte fehlen doch! Mit viel Fleisch und Pfeffer drin. So kleine lieb und fein geschmierten Lachshäppchen ohne Geschmack und nur fein auf der Platte angeordnet schmecken nach gar nichts und satt machen die auch nicht. Also. Nix gegen ehrliche Linsensuppen!
AutorInnendebatte: Zwischen Feuchtgebieten und Hölderlin
Heisse Empfehlung an die Beiträger 1 bis 120 (mit Ausnahme von Guido M. Arkt): Lest mal Romane, da wird man blass vor Neid. Die erzählen so oft und so gut und welthaltig, daß 1 bis 120 (außer Guido) blaß werden müßten vor Neid und sich alle nur noch eine Frage stellen müßten: warum schaffen die das? Weil sie einfach besser sind oder weil das Theater das nicht kann? Tja, das wäre die Orakelfrage an den DramaTisch, Antwort im Jahr 2042. Wenn man da lernen könnte oder wollte, würde aus dem subventionierten Spiegelei schnell mal ein frei finanziertes Lachshäppchen, und die Linsensuppe würde übersprungen, wobei wir natürlich auch Speisevorlieben diskutieren könnten: Was ist der Vorteil eines Lachshäppchen gegen eine Linsensuppe? Selbst Kant und Hegel wüßten keine Antwort und die Postmoderne (schöne Grüße an Börgerding) würde sagen: je nachdem während Andre Rieu die Präferenz seiner Schmalzlocke hätte und andere die Ruhrpottbratwurst vorziehen - zwischen irgendwelchen "Feuchtgebieten" und Hölderlins Genie ist eben - verdammte liberale Scheisse - alles möglich. Und die einen verdienen aufgrund ihrer tollen Qualität (Andre Rieu) super viel Geld,während all diese beschissenen Autoren am Hungertuch leiden. Und dazwischen klafft das Loch der Verkannten. Herzlich Euer Andre Rieu.
Mit herzlichen Grüßen auch an Katharina und Nike Wagner. Schöne Grüße auch an Rainald Goetz und Gerard Mortier sowie alles Gute an Sebastian Hartmann nach Leipzig, der dort mit Apostel Matthäus bestimmt reussieren wird, auch wenn der schon 2000 Jahre tot ist und ganz und gar kein Gegenwartsautor, den man zu irgendwelchen Autorentagen einladen könnte. So ist doch alles so verworren, wie es sein soll. Und Gott sah, das es gut war. Und am siebten Tag sollst du ruhen - weswegen wir seit 2000 Jahren das Wort zum Sonntag haben, das aber leidergottes noch keiner dramatisiert hat.
AutorInnendebatte: Bitte nochmal im Klartext!
so, und jetzt das ganze nochmal ohne metaphern und vagen andeutungen, dann wird der beitrag auch diskutierbar, herr rieu. daaaaanke!
AutorInnendebatte: Bitte kein Vergleich Roman-Theaterstück
Lieber Andre Guido Rieu,
Sie müssen angeben wenn Sie für Leute mit einem IQ unter 30 Kommentare schreiben. Wie kann man nur eine solche Aussage machen und ernst genommen werden wollen? Romane lese ich wahrscheinlich mehr als Sie (sogar beruflich) und die richtig guten sind nicht so weit verbreitet, wie Sie es uns zu verstehen geben wollen, und ausserdem, was ist für Sie ein guter Roman? Namen bitte! Dann weiss man wenigstens mit wem man es zu tun hat.
Dass man einen Roman und ein Theaterstück auch nicht einfach so ohne weiteres vergleichen kann müsste Ihnen, grosser Literaturkenner, ja auch bekannt sein!
Was den Rest ihres Gelabers angeht, siehe 122.
AutorInnendebatte: Die Kritiker der Elche
122. dito.
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