Presseschau vom 31. Januar 2017 – Die FAZ berichtet über die Tagung "Zukunft des Dramas" in Berlin

Geschäft in der Krise

Geschäft in der Krise

31. Januar 2017. Drei Tage lang fand vergangene Woche im Literaturforum des Berliner Brecht-Hauses die Tagung Zukunft des Dramas statt, theaterwissenschaftlich mändernd um die Frage, warum das Drama von den Bühnen verschwindet. Was dort zur Sprache kam, beurteilt Irene Bazinger in ihrem Bericht für die Frankfurter Allgemeine Zeitung als "erhellend".

Bernd Stegemann, der am ersten Tag mit auf dem Podium saß, "sieht vor allem die Gesellschaft in der Krise", schreibt Bazinger. Und: "Es ist erstaunlich, wie genau und schnell Stegemann, eigentlich für Schauspielgeschichte und Dramaturgie zuständig, mit seinen Diagnosen zum Theater tatsächlich Diagnosen zur Gegenwart erstellt." Für ihn gelte die ästhetische Wahrheit des postdramatischen Theaters ganz einfach als "gesellschaftliche Lüge".

Der Publizist Jakob Hayner räumt dem Drama unter den derzeitigen gesellschaftlichen Bedingungen indes wenig Zukunft ein: "Ohne Öffentlichkeit käme ihm keine Notwendigkeit zu – und diese würde gerade gezielt und massiv attackiert." Vernichtet werde, wie er es in der Sprache der marxistischen Ökonomie formulierte, der Gebrauchswert des Dramas, weil der stört, wohingegen der Tauschwert umso höher veranschlagt werde. "Auf eine Frage aus dem Publikum, weshalb es heute eine große Vorliebe fürs dokumentarische Theater gebe, aber nicht für Geschichtsdramen, wie sie Heiner Müller oder Peter Hacks geschrieben hätten, verwies er auf veränderte Produktionsbedingungen vor und nach dem Mauerfall 1989 und zitierte einen Satz von Walter Benjamin: 'Der Künstler macht ein Werk. Der Primitive äußert sich in Dokumenten.'"

Alexander García Düttmann, Professor für Kultur- und Kunsttheorie an der Universität der Künste wiederum fordert, dass "die Anwesenheit in den Theatern zur Pflicht gemacht werden" müsse, weil Gesellschaften mit einer lebendigen Theater- und Dramenkultur eben besser als solche ohne.

So wurde die Zukunft des als hochgefährdet eingeschätzten Dramas aus literatur- und theaterwissenschaftlicher Perspektive analysiert und seine ökonomische Position auf dem Markt erörtert – und verteidigt. Wenigstens von Seiten der Theoretiker, denn die eingeladenen Autoren Theresia Walser, Werner Buhss und Eugen Ruge übten sich etwas überraschend in gelassenem Zweckoptimismus. Fazit: "Zündstoff gab es genug bei dieser anregenden und konzeptuell spannenden Tagung, die sich auf aktuell-erhellende Weise den Wechselwirkungen von Politik und Theater, Ideologie und Ästhetik widmete."

(sik)

Kommentare  
Presseschau Zukunft des Dramas: beliebige Texte
Das Drama macht Theater und der beliebige Text degradiert Schauspiel zur Kommunikations-Performance.
Presseschau Zukunft des Dramas: Würde des Theaters
Kann es nicht sein, dass es zur Zeit "einfach" keine Dramatiker gibt? Natürlich sind die Bedingungen ungünstig: Die Theater verachten offenbar die Kunst des Dramenschreibens, und welcher Dramatiker kann denn heute von seiner Arbeit leben?
Blickt man in die Geschichte: Lessing, Schiller, Goethe und dann lange nichts. Bis mit der sozialen Frage und der Arbeiterbewegung der Naturalismus aufkam (Gerhart Hauptmann u.a.). Solange haben sich die Theater beholfen - mit den "Klassikern" und unzähligen Gebrauchsstücken, die heute (zurecht) niemand mehr kennt. Den Beruf des "Bühnenschriftstellers" gibt es ja nicht mehr.
Also können wir trotzdem hoffen, denn Talente erscheinen immer wieder, gerade, wenn niemand mehr mit ihnen gerechnet hat.
Theater ist die vergänglichste aller Künste, allein die großen Dramen sind uns lebendig geblieben. Vielleicht erklärt sich daraus die Abneigung heutiger Regisseure und Dramaturgen gegen die Dramatik. Sie können sich nicht mit der Vergänglichkeit ihres Tuns abfinden. Aber die Würde des Theaters liegt nun aber gerade darin, dass es eine transoistorische Kunst ist.
Presseschau Zukunft des Dramas: interessantere Tischgesellschaft
Also wenn man sich so die Ansagen diverser Verlage oder Festivals anhört oder durchliest und das mal hochrechnet, kommt man auf deutschsprachige 8,7 neue Dramtiker. Pro Jahr. Seit ungefähr 1997. Davon sind 7 deutsche und und der Rest verteilt sich zu 2/3 Österreicher und Schweizer. - Hätte Kant das auch nur geahnt! - hätte er sich entschieden, später geboren zu werden, schon wegen der interessanteren Tischgesellschaften als den seinerzeitigen zu Königsberg, die das dann gegeben hätte.
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