George Kaplan - Philipp Löhle inszeniert Frédéric Sonntags Stück am Theater Magdeburg
Die Welt ist scheiße – wir tun was dagegen
von Hartmut Krug
Magdeburg, 3. Februar 2017. Fünf Clowns marschieren auf die leere Bühne, immer um eine Stellwand herum. Die roten Mähnen über den kahlen Stirnen wippen mächtig, so wie die weißen Blumen in den Knopflöchern, und ihre großen Schuhe geben ihnen eine komische Schwerfälligkeit. Sie diskutieren, sie streiten und werfen dabei mit kleinen Bällen oder ihren Schuhen, und sie stellen sich vor eine Kamera, um zu erzählen, was ihre Gruppe mit dem Namen "George Kaplan" ihnen bedeuten soll.
Die kleine Gruppe von jungen Aktivisten, die auf der Suche nach sich und einer sinnvollen gemeinsamen Aktion sind, macht Regisseur Philipp Löhle von Beginn an zu komischen Figuren. Man könnte auch sagen, Löhle nimmt äußerliche Komik zu Hilfe. Dabei ist das, was die sechs Aktivisten treiben, durchaus schon von alltäglicher existentieller Komik. Unsere Zeit hängt uns zum Hals raus, lautet ihr Credo. So kämpfen sie um Definitionsmacht und setzen die fiktive Identität ihrer Gruppe in die Welt. Sie nennen sich George Kaplan, als Gruppe, aber auch als jedes einzelne Individuum. Diesen Namen trug der Durchschnittsmensch, den Cary Grant in Hitchcocks "Der unsichtbare Dritte" spielte und der als Erfindung des CIA für einen Spion gehalten wurde.
Projekt oder Verschwörung?
Das klingt so kompliziert wie ambitioniert. Sonntag benennt sein Thema mit einem Zitat aus Edward Bernays Propaganda: "Wer die ungesehenen Gesellschaftsmechanismen manipuliert, bildet eine unsichtbare Regierung, welche die wahre Herrschaft unseres Landes ist." Wenn die Clowns ihre störenden Masken abgenommen haben, kämpfen sie miteinander und streiten um Konzepte, mit denen man Einfluss nehmen kann in einer Welt, die Scheiße sei. Sie wollen mit medialen Täuschungen Missstände des medialen Mediensystems aufzeigen, können sich aber noch nicht einmal darüber einigen, in welcher Phase ihres Arbeitsprozesses sie sich befinden. Während sie, ein müder running gag, immer wieder zum Automaten gehen und sich über den schlechten Kaffee auslassen, streiten sie mit verquasten Begründungen darum, ob dies eine Sitzung oder eine allgemeine Diskussion sein, ob es eine Tagesordnung gebe, in welcher Phase ihres Konzeptes sie sich befänden und welche bisherige Textfassung sie akzeptieren. Dann darf jeder der fünf George Kaplans sagen, was dieser Fake-Name für sie bedeutetet: Gruppe, Projekt, Verschwörung, Beschwörung, Aktion, Gegenfiktion, Verarsche, Mythos oder Waffe.
Diese Szenen haben als typische Krisensituation einer studentischen Aktionsgruppe durchaus Komik, doch der tiefere Sinn, denen ihnen der Autor angeheftet hat, beschwert sie allzu sehr. Immerhin befreien sich die Schauspieler mit ihren Clownsmasken auch vom komischen Bedeutungsspiel und geben ihren Figuren nun unterschiedliche individuelle Prägungen. Was ihnen wenig hilft. Denn weil einer von ihnen sich beim Verteidigungsministerium eingehackt hat, wartet draußen ein Sondereinsatzkommando, es gibt Tote.
Gefangen im Fake-System
Der zweite Teil des dreiteiligen kurzen, aber nur selten kurzweiligen Abends führt alle wieder zusammen. Nun sind sie als Dreamteam vereint. Mit dem Auftrag, für Kunden Filmskripts zu entwerfen, um die Wirklichkeit zu beeinflussen. Sie erfinden Folter- und Mordaktionen; auch die Legende, die den Irak-Krieg begründete, scheint dabei. Der dritte Teil des Abends heißt "Die unsichtbare Regierung" und erzählt, dass ein "George Kaplan" im staatlichen Kommunikations-Überwachungssystem aufgefallen sei. Doch wer oder was er sei, ist noch unklar. Alle sind jetzt in einem System von Legenden und Fiktionen gefangen. Schließlich wird die Kamera aufs Publikum gerichtet und ein Mann gezeigt, der dieser fiktive Kaplan sein könnte. Ein offener Schluss, bei dem der Überwachte zurückschaut.
Dazwischen gibt es etliche dankenswerte Kürzungen, aber auch einige witzige Szenen. So wird von einem Kaplan berichtet, der den Fußball mit drei Toren erfunden habe. Und ein von einer Schauspielerin gespieltes Huhn, dem ein Chip implantiert wurde, wird von einer Auftragskillerin überwacht. Insgesamt aber ist das ein Abend der Theorien, ein Erklär- und Vortragsabend. Trotz aller Bemühungen von Regisseur und Darstellern, ihn zu einer spielerischen Leichtigkeit zu bringen, gelingt das nur punktuell.
George Kaplan
von Frédéric Sonntag
Regie: Philipp Löhle, Bühne/Kostüme: Heike Mondschein, Dramaturgie: Maiko Miske.
Mit: Raphael Kübler, Marie Ulbricht, Timo Hastenpflug, Pia-Micaela Barucki, Maike Schroeter.
Dauer: 1 Stunde 20 Minuten, keine Pause
www.theater-magdeburg.de
Kritikenrundschau
"Spaß statt Beklemmung, Bedrohung, Angst", schreibt Gisela Begrich in der Magdeburger Volksstimme (6.2.2017). "Wir lachen uns die Gefahren dieser Welt weg." Was die Aufführung, "die sich in drei Modulen präsentiert, eigentlich will, was das Ganze bezweckt und welchen Nutzen die Rezipienten daraus ziehen sollen, darüber kann man genausoviel und aneinander vorbei diskutieren, wie es die drei Damen und zwei Herren, mit den alle Unterschiede eliminierenden Clownsmasken im ersten Teil tun".
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