Alles muss glänzen - Ilan Ronen inszeniert Noah Haidles Untergangsstück am geretteten Theater am Kurfürstendamm mit Starbesetzung
Vor uns die Sintflut
von Gabi Hift
Berlin, 25. Februar 2017. Der letzte Tanz auf den schwankenden Brettern der versinkenden Ku‘dammtheater hätte es werden können: "Alles muss glänzen", eine verzweifelten Komödie über die hereinbrechende Sintflut. Nur das Beste war dafür gut genug. Der Untergang des Theaters wurde dann auf den letzten Drücker abgewendet, der Untergang der Welt blieb aktuell, das Beste vom Besten war noch nötig. Der beste Star: Maria Furtwängler, die schönste, kühlste, geliebteste Tatortkommissarin, Bonus: bekennende Feministin.
Der beste Regisseur: Ilan Ronen, hatte mit Eine Familie einen Riesenerfolg. Bonus: Vater von Yael Ronen, der Avantgarde-Super Heldin der politischen Komödie – und wer hat's ihr beigebracht? Der Papa! Das beste Stück – sagt Theater Heute 2015. Bonus: künstlerisch geadelt durch das Unverständnis der Amis, nur die tiefgründigen Deutschen wussten zu es zu schätzen.
Dreimal das Beste – das hätte ein Feuerwerk der Unterhaltung mit Sturzflug in Abgründe geben müssen. Aber leider klappts nicht. Richtig lustig wird es nur selten, richtig schrecklich nie.
So glücklich wie Winnie
Rebecca, eine fröhliche Hausfrau (Maria Furtwängler), bereitet das Abendessen für ihre Familie zu, während draußen die Flut steigt. Sie ist eine Schwester von Winnie aus Becketts "Glückliche Tage", ignoriert das nahende Ende, twistet beim Kochen und plappert unaufhörlich. Die Tochter Rachel (Sarah Alles) wird bald aus dem Haus sein, dann ist Rebecca allein. Ihr Mann ist nämlich schon lange verschwunden, um "sein Glück zu suchen", der Sohn Michael ist schizophren und losgezogen um den Vater zu finden.
Soweit die tristen Familienverhältnisse. Darauf folgt ein Reigen schwarzkomödiantischer Auftritte: die selbstmörderische Nachbarin erschießt sich im Bad (Anna Stieblich); ein Vergewaltiger auf Besuch (Ludger Pistor) entpuppt sich als Rebeccas ehemaliger Lateinlehrer, ein rasender Zeuge Jehovas (Jerry Hoffmann) ist ihr nicht gewachsen.
Zwischen Psychologie und Twist
Noah Haidle schreibt sehr gute Dialoge – aber während die Nebenfiguren witzige Alltagssituationen spielen dürfen, ist Rebecca der unbewegliche Fels und in ihrer Unbeirrbarkeit "bigger than life" – oder sollte es sein, denn Maria Furtwängler kriegt das nicht gestemmt. Als Serial Mum müsste sie mit grimmiger Freundlichkeit alle niedermähen. Stattdessen versucht sie, die absurde Haltung der Figur – die gerade das Lustige wäre – psychologisch zu erspielen. Man muss dran denken, wie oft Theaterschauspieler, die das erste Mal einen Film drehen, alles viel zu grob spielen, überdeutlich. Hier findet das Gegenteil statt.
Wenn es richtig lustig wird, liegt das meist an Jerry Hoffmann, der zuerst den peinlich ungeschickten Kavalier der Tochter gibt und dann einen Zeugen Jehovas, der sich in apokalyptische Raserei hineinsteigert. Hoffmann ist trocken, schnell, und versemmelt niemals eine Pointe. Maria Furtwängler bleibt bei all dem "An die Wand gespielt Werden" allerdings immer liebenswert. Ihre Fans freuen sich, klatschen, wenn sie Twist tanzt oder eine – wirklich gekonnte – "Ich-spiele mich-und-mit dem Arm in seinem Regenmantel-gleichzeitig einen Mann, der mich streichelt" – Nummer hinlegt. Sie geht nicht etwa unter in ihrem blutroten Kleid, nur das Stück trägt sie nicht, das im Zentrum etwas Anderes bräuchte als einfühlsamen Filmnaturalismus.
Was auch nicht untergeht – leider! – ist die Welt. "Bis zu den Knien" soll das Wasser den Menschen draußen reichen, und ein ziemlicher Schwall sollte beim Türöffnen hereinschwappen – samt Fischen. Die Sintflut eben. Apokalypse. (Katie Mitchell hat "Glückliche Tage" von Beckett kürzlich in genau so ein mit Wasser überflutetes Wohnzimmer verlegt) Wie werden sie das machen?, fragt man sich gespannt. Die Bühne fluten? Dann – was für eine Enttäuschung! – hängt eine Dusche hinter der Tür; macht Ankömmlinge nass. Um zu zeigen: wir können hier auch Verfremdung.
Und dann gibt es keinen Wal! Der sollte nämlich durch die Wand in die Wohnung brechen und aus seinem Inneren sollte der Sohn um Hilfe rufen. (Jonas, Bibel und so weiter) Stattdessen kommt der Sohn ganz normal bei der Tür herein, faselt was von einem Wal, die Mutter tut als freundliche Angehörige eines psychisch Kranken so, als nähme sie seine Phantasien ernst.
Kein Lachen, kein Erschrecken
Könnte man ja machen – wenn, ja wenn nicht gleich drauf die Tochter mit der von einem Hai zerfetzten Leiche ihres Kavaliers wiederkäme. Wie jetzt? Haifische gibt's also doch wirklich da draußen, Walfische sind aber nur Phantasie? Es fehlt der stabile Boden, den das Surreale bräuchte – der Splatter verpufft. Es lacht keiner über den blutenden Armstumpf und es erschrickt auch keiner.
Vielleicht ist aber auch das Surreale nur direkt nach den Kriegen lustig. Weil da Leichenberge, Armstümpfe, Vernichtung so allgegenwärtig sind und ebenso das Schweigen darüber, dass das bloße Aussprechen des Entsetzlichen Erleichterung bringt und anarchischen Spaß. Während man es in einer Phase wie jetzt, in der die Gewalt von außen in den Frieden einzubrechen droht, sehr viel schwerer mit Komödien über Absurdität des Lebens und Unausweichlichkeit des Entsetzlichen hat. Maria Furtwängler und das ganze Team wurden dennoch bejubelt – über das nackte Entsetzen, in das allzu große Beckett-Nähe die Zuschauer stürzen könnte, hätte sich auch keiner gefreut.
Alles muss glänzen
von Noah Haidle
Deutsch von Brigitte Landes
Mit: Maria Furtwängler, Sarah Alles, Anna Stieblich, Jerry Hoffmann, Ludger Pistor und Daniel Mühe/Florian Feik.
Regie: Ilan Ronen, Bühne: Sylvia Rieger, Kostüme: Miriam Marto, Dramaturgie: Patrick Wildermann, Choreographie und Sounds: Miri Lazar, Produktion: Ivan Vrgoc.
Dauer: 2 Stunden, ohne Pause
www.komoedie-berlin.de
"Alles muss glänzen", diese "apokalyptische Groteske aus dem amerikanischen Mittelwesten der 1960er Jahre" sei "mit leichter Hand geschrieben, hat hinreißend komische Szenen und geistreich witzige Dialoge", schreibt Irene Bazinger in der Frankfurter Allgemeinen (27.2.2017). Rebecca sei "mit ihrer souveränen Doppelbödigkeit und herrlichen Albernheit in jedem Fall eine Bombenrolle – aber schwer." Für Maria Furtwängler scheine "sie ein bisschen zu schwer zu sein, obwohl die sich mit größter Energie und Empathie auf sie stürzt." Vielleicht müsse "man doch öfter Theater spielen als bloß alle paar Jahre, um tatsächlich in die Figuren und über die Rampe zu kommen, vielleicht braucht man außerdem einen kühneren Regisseur und selbstbewusstere Kollegen, die einem mehr abverlangen."
Noah Haidle schreibe "zwar überbordend witzig bis schwarzhumorig, dabei aber durchaus komplex", meint Christine Wahl im Tagesspiegel (27.2.2017). "So eindeutig Klischee-amerikanisch seine Figuren auf den ersten Blick erscheinen, so widerhakenreich entpuppen sie sich auf den zweiten." Maria Furtwängler setze nun in ihrer Rolleninterpretation "auf eine Art psychologischen Alltagszugang." Mit "gesundem Menschenverstand" lasse sich aber "weder dem Weltuntergang noch dem surrealen Personal beikommen, das Noah Haidle da auf den letzten vor-apokalyptischen Metern in Rebeccas Küche schwappen lässt." Er werde "gar nicht richtig klar wird, wo der Abend eigentlich hinwill", da "auch die eine oder andere von Haidles herrlich böse funkelnden Pointen" versacke und "überhaupt vieles nicht recht zusammenpasst".
"Alles muss glänzen" sei ein Stück, "das mit boulevardesken Dialogen operiert, zugleich aber einen surrealistischen Hintergrund eingezogen hat, der das Geschehen mythisch und religiös reflektiert", schreibt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (27.2.2017). Die Aufführung indes sei missraten. "Wenn man nämlich einfach so auf die Bühne geguckt hätte, ohne das Stück zu kennen und versuchsweise auch ausblendet, wen man da vor sich hat, könnte man den Abend für einen frech und lieblos vermurksten Routineunfall halten."
Kann sie es oder kann sie es nicht, fragt Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung (28.2.2017). "Nun, sagen wir so: Sie hält sich tapfer." Was zu ihrer Rolle der tapferen Küchenzeilen-Heroine Rebecca passe. Das sei Camp vom Feinsten, gewollt oder ungewollt: "Komischer kann auch René Pollesch heteronormative Rollenmuster nicht dekonstruieren." Ilan Ronen habe seine Inszenierung mit professioneller Routine abgewickelt. "Dass es sich um eine hochtourige Groteske handelt, merkt man dank des gemächlichen Erzähltempos leider erst in der zweiten Hälfte, aber die Pointen sitzen ordentlich, die Figurenzeichnung bleibt übersichtlich."
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In Summe muss ich sagen, dass ich mich schon ein wenig gelangweilt habe.
Ich habe mich NICHT amüsiert. Lustige Dialoge gab es nicht.
Es waren auch immer nur "Dialoge" mit der Hauptdarstellerin Fr. Furtwängler und den anderen Schauspielern. Nur einmal gab es eine 3er Szene!
Da kann aus meiner Sicht wenig an "Lustigkeit" entstehen.
Auch hat sich mir nicht erschlossen, warum der Bühnenhintergrund während der gesamten Vorstellung, stetig und sehr langsam, nach hinten wanderte.
Fazit: Ich war sehr enttäuscht und kann das Stück nicht empfehlen.
Schade um die guten Schauspieler, eine sonst so phantastische Maria Furtwängler, die sich hier weit unter ihren Fähigkeiten verkauft und ja, auch schade um meine Zeit und mein Geld.
Freiwillig gehen wir nicht nochmal dort ins Theater, erstmal bedient u. es gibt noch genug Alternativen in Berlin an Theatern beim nächsten Besuch......