Der Informierte Künstler

von Thomas Schmidt

Diese Ersetzung der Macht des Einzelnen durch die der Gemeinschaft ist der entscheidende kulturelle Schritt.
(Sigmund Freud, Das Unbehagen in der Kultur, 1930)

 

Themen: Zukunftsfonds statt Fusionen | Zentrale Rolle des Ensembles | Der Informierte Künstler | Das Drei-Stufenmodell der Mitbestimmung | Überspielhonorare | Einheitstarifvertrag | Nicht-Verlängerungs-Sperre bei Intendantenwechsel | Drei-Gliedriges Gagensystem

 

3. April 2017. Im ersten Beitrag der von nachtkritik.de maßgeblich gestalteten Stadttheaterdebatte hat Matthias von Hartz die Frage aufgeworfen, ob dem Stadttheater noch zu helfen sei? (11/2011) Seitdem ist viel passiert. Das ensemble-netzwerk hat sich gegründet und zwingt die großen Player (Bühnenverein, Gewerkschaft) zu ernsthaften Gesprächen; Art but Fair arbeitet an einer neuen Arbeitsethik, und die Dramaturgische Gesellschaft überrascht gemeinsam mit dem ensemble-netzwerk mit gelungenen Lobby-Initiativen (40.000 Theatermitarbeiter*innen treffen ihre Abgeordneten). Zuletzt haben Harald Wolff, Stephanie Gräve/Jonas Zipf, Christian Rakow und Marcel Klett in ihren Debattenbeiträgen das Theater, das Ensemble und neue Leitungsformen auf deren Zukunftsfähigkeit geprüft.

Wie könnte es jetzt weitergehen? Mir geht es zuerst um den Transfer von Macht an das Ensemble und die Ausbildung des informierten Künstlers als zentralem Gestalter von Reformen.

1. Die Fähigkeit nichts zu bewegen

Ich möchte mit einem Beispiel beginnen, das aufzeigt, wie folgenschwer das derzeitige theaterpolitische Umherirren zu Buche schlägt, wenn Theater ausharren und keine alternativen Vorschläge unterbreiten:

Es ist die "Strukturreform" in Mecklenburg-Vorpommern, wo man das Modell einer Totalverschmelzung der im Lande verstreuten Theater zu zwei großen Theaterkombinaten verordnet hat. Dort geht es nicht um Reformen, sondern um Bereinigung, um Ausdünnung des Personals, um Abbau wertvoller Substanz, um Kontrolle und Konzentration von Macht bei nun zwei anstatt einst sechs Intendanten. Der Bühnenverein hat bezeichnenderweise nicht interveniert (nachtkritik.de berichtete).

Theater Stralsund chr uBald Teil eines riesigen Theaterkombinats Nordost: das Theater Stralsund © chr

Das Modell eines auf zehn Jahre aufgelegten Zukunftsfonds wäre vielleicht eine Alternative gewesen: ein Fonds, der beim Kulturministerium angesiedelt, aber extern gesteuert die Theater dazu anregt, mit einiger konzeptioneller Phantasie eigene Modelle zu entwickeln. In Höhe von 10 Mio. € p.a. – zu je 1/5 aus Mitteln des Landes, des Bundes, der beteiligten Kommunen, der Theater und von Privaten finanziert – werden zusätzliche Mittel für fünf Projekte p.a. ausgereicht, für die sich die Theater, vorzugsweise zu zweit, zu dritt, mit freier Szene oder einem Orchester, bewerben können, um festzustellen, wo sich Kooperationsmuster und innovative Modelle abzeichnen. Einen solchen Fonds hat es leider nicht gegeben. In keinem der neun am grünen Tisch entwickelten Optionen für eine neue Struktur der Theaterlandschaft wurde etwas in dieser Art behandelt oder sich auch nur im Ansatz mit dem Thema Weiterentwicklung befasst. (METRUM Managementberatung: "Modelle zur Weiterentwicklung der Theaterstrukturen in MVP", 2012)

Der Grund für derartige Mutlosigkeit ist nicht nur fehlendes Geld, wie immer vorgespiegelt wird: Die deutschen Theater werden von einem Diskurs der Macht dominiert, in dessen Zentrum der Erhalt der Intendanz steht. Selbst Störfeuer werden ausgesessen, wie jüngst im Auditorium der Berliner Akademie der Künste (bei der Veranstaltung "Ensemble heißt: gemeinsam" am 22. Januar 2017), in der keiner der geladenen Intendanten bereit war, auch nur einen Fingerbreit nachzugeben. Mikado ist die Fähigkeit, nichts zu bewegen.

Der Diskurs ist eingebettet in die kurfürstliche Metastruktur des Bühnenvereins, der Tarifverträge, Besetzungsverfahren für neue Intendanzen und Sprachregelungen verwaltet und dabei seine eigentliche Aufgabe, die Theater-Substanz zu schützen und zu entwickeln, zumindest im Osten vergisst.

Indem der Intendant aber sich über seinen ureigenen künstlerischen Arbeitsbereich hinaus Macht aneignet, folgt er einer machiavellistischen Strategie: nicht nur darauf zu vertrauen, was ihm an Autorität durch den Intendantenvertrag verliehen wird, sondern auch darauf, was er durch Charisma, Erfahrung, Gestaltungswillen, Usurpation, Netzwerke und Informationen an Macht darüber hinaus anzusammeln vermag – im administrativen Bereich des Theaters, in Jurys, Verbandsspitzen, Aufsichtsräten. Abgesichert wird diese durch personelle Rochaden, um sich eine fleißige, loyale zweite Reihe aufzubauen – siehe die Beispiele in Trier, Bern und Darmstadt (die Dunkelziffer ist weitaus größer) und die Ausführungen von Gräve/Zipf.

Der Intendanten-Künstler wird zum Intendanten-Funktionär.

2. Der neue Quarterback will spielen

Reformen entstehen meist dann, wenn ein neuer, innovativer Akteur das Feld betritt. Derzeit besteht berechtigte Hoffnung, dass der neue Akteur ensemble-netzwerk über seine erste Agenda – Mitbestimmung und Gerechtigkeit für die Ensembles – hinaus strukturelle Reformen anstoßen wird. Dort der Intendant, der zum Funktionär wird, hier die Künstler und Mitarbeiter, die ins Zentrum der Kunst vorstoßen möchten. Mir geht es dabei um die Übergabe der Macht und damit auch um die Herausbildung des informierten Künstlers als Gestalter von Reformen, die zu planen und umzusetzen die meisten Intendanten versäumt haben.

Anhand zweier schlichter Skizzen möchte ich zeigen, was ein starker neuer Akteur in einer veralteten Struktur auslösen kann:

Skizze 1

In der ersten Skizze ist die bei der Intendanz zentralisierte Macht die entscheidende Konstante. Sie ist damit das strukturelle Zentrum der Organisation, um das herum sich die wesentlichen Variablen ansiedeln: Personal, Geld, Inhalte, Kommunikation. Das Ensemble als eigenständigen starken Faktor mit eigener Agenda gibt es hier noch nicht.

Im zweiten Modell löst sich das Ensemble aus dem Bereich Personal aus und wird in den Mittelpunkt der Theaterarbeit gerückt. Damit wird das Paradigma der Leitungs-Macht sukzessive durch das der Mitbestimmung ersetzt. Die Leitung ist nunmehr eine – wenn auch weiterhin wichtige – Variable unter anderen.

Skizze 2

 

3. Informierte Künstler

Mitbestimmung macht aus Schauspielern, Dramaturgen und Assistenten Reformer, aktive Mitgestalter der Zukunft ihres Theaters, informierte Künstler. Die bisherige "Mitbestimmung" war auf die Zustimmung zu Dienstplänen und die Ordnungsmäßigkeit der Stellenbesetzungen beschränkt – ein bürokratisches Modell, das aus meiner Sicht heute nicht mehr ausreicht. Deshalb schlage ich vor, dass Mitbestimmung alle Bereiche des Theaters durchdringt, zu echter Partizipation wird. Mitbestimmung heißt aktive Teilhabe an allen wichtigen Entscheidungen des Theaters. Um sie besser einsetzen zu können, schlage ich vor sie, in drei Bereichen zu gruppieren:

Art der
Mitbestimmung

Bereiche

Anmerkungen

I.

Einfache

Mitbestimmung

Mitbestimmung/Zustimmung:

Engagements,

Nichtverlängerungen

Gagengefüge des Ensembles
Spielplan

Dienstpläne

Sitz in der Spartenleitung (ohne Stimme);

Vorschlagsrechte für Besetzungen im Ensemble

II.

Erweiterte
Mitbestimmung

+   Mitbestimmung/Zustimmung:

Engagement von Gästen, Regisseuren;
Spartenbudgets;
Auswahl Spartenleiter

 

+  Informationsrechte über:

Kandidaten und Bestellung eines neuen Intendanten;

Strukturveränderungen;

Wirtschaftsplan

Sitz in der Spartenleitung (mit Stimme),


Vorschlagsrechte für Besetzungen im Ensemble und bei Gästen

III.

Umfassende
Mitbestimmung

= echte Partizipation

+  Mitbestimmung/Zustimmung:

 

Wirtschaftsplan

Entlassung des alten Intendanten

Auswahl und Bestellung eines neuen Intendanten

Struktur und Reformen des Theaters

Wirtschaftsplan des Theaters

 

+  komplette Informationsrechte

Mitglied der Spartenleitung/ künstlerischen Leitung

Sitz in der Auswahlkommission;

Sitz im Aufsichtsgremium (jeweils mit Stimme)

Umfassende Vorschlagsrechte

ÜBERSICHT: Modell einer Mitbestimmungsreform im Theater (Skizze)


Verantwortung und Einfluss der Ensemble-Vertreter wachsen von Stufe zu Stufe und machen aus ihnen informierte Künstler, aus Mitbestimmung wird echte Partizipation. Die künstlerische Freiheit des Intendanten wird dadurch nicht beeinträchtigt, da die Ensemble-Vertreter das künstlerische Team mit einer Stimme ergänzen und nicht stören. Der Intendant wird auch in diesem Modell seine Ideen vorstellen, diskutieren und umsetzen können; interveniert wird dann, wenn bei bestimmten Vorschlägen absehbar der "Frieden" des Ensembles oder die Zukunft des Theaters beeinträchtigt werden. Aus Sicht eines Intendanten mögen dies "Eingriffe" sein, aber aus Sicht der besser Sehenden geht es darum, ihre Kollegen zu schützen, wenn sie über eine zusätzliche, personell nicht mehr darstellbare 30. Inszenierung oder ein nicht finanzierbares Mega-Sommer-Spektakel mitbestimmen.

4. Ein neues Gagentableau

Der Intendant hat sich mit dem NV-Bühne ein Instrument zugelegt, das ihm Machtfülle verleiht, definiert über einen Katalog an dort fixierten Kompetenzen: Engagieren, Nicht-Verlängern, freie Tage genehmigen.

Er funktioniert für die Leitung. Für die Künstler ist er eine Fessel: Sie müssen sich dem Theater ganze Spielzeiten hindurch zur Verfügung stellen. Die vielen Abende und Wochenenden, an denen sie die Stadt – obwohl probenfrei – ohne Urlaubsschein nicht verlassen dürfen, sind unbezahlte Bereitschaftszeiten. Auch die 48 h-Wochen decken nicht die tatsächlich geleisteten Stunden ab. Es gibt keinen Ausgleich für sich häufende 7-Tage-Wochen und keine Regelung für Überspiel-Honorare für Spieler, die beinahe jeden Tag ein, auch zwei Mal auf der Bühne stehen. Ab einer bestimmten Zahl von Vorstellungen im Monat (15) und in einer Spielzeit (80) gehört es sich – ähnlich wie bei den Sängern (dort durch knallharte Agenturen vereinbart) – Überspielhonorare zu zahlen, die mindestens eine Tagesgage betragen sollten. Wenn nicht physisch, könnte sich ein Spieler zumindest finanziell regenerieren.

Bundesversammlung ensemble netzwerkMitbestimmungs-Diskurs: Intendant Ulrich Khuon (im blauen Sakko), inzwischen Bühnenvereins-Präsident, auf der ersten bundesweiten Versammlung des ensemble-netzwerks im Juni 2016.
© ensemble-netzwerk

Wenn man die Geschichte des Übergangs der ostdeutschen Theater in das westdeutsche Theatersystem 1990/91 genauer studiert, verliert sich ein wichtiger Aspekt: Wieso ist der Einheitstarifvertrag unter den Tisch gekehrt und niemals mehr ernsthaft thematisiert worden? Alle Künstler und Mitarbeiter der DDR-Theater hatten mit dem Rahmen-Kollektivvertrag einen einheitlichen Arbeitsvertrag; gravierende finanzielle und vertragliche Unterschiede zwischen den Sparten und Kollektiven gab es nicht. Mit der damaligen Veränderungsenergie wäre es möglich gewesen; aber der Bühnenverein hat abgewinkt. Und heute? Wieder geht es um Macht: keine Gewerkschaft möchte auf Teile ihrer Mitglieder und ihres Einflusses verzichten; Stillstand.

Auch die derzeitige Nichtverlängerungspraxis ist ein Relikt. Das demütigende Auskehren der Häuser bei Intendantenwechseln führt zu Verlust und großem Unmut auch beim Publikum. Wenn man in den Intendanten-Ausschreibungen vermittelt, dass Mitglieder des Ensembles zwei Spielzeiten nicht gekündigt werden dürfen: würde dies die Arbeit eines Intendanten wirklich behindern? Wohl kaum. So, why not?

Gagen – über die übrigens jederzeit publik gesprochen werden darf – sind Zündstoff in den Kantinen und auf den Probebühnen. Die Angst vor dem Gespräch beim Intendanten über die dringend nötige Gagenerhöhung sitzt vielen im Nacken. Das verschwendet gute Energie, die in die künstlerische Arbeit fließen sollte. Ich möchte deshalb ein simples, dreigliedriges Gagensystem vorschlagen:

• 2600 Euro für den Einstieg und die ersten fünf Berufsjahre,
• 3100 Euro für die nächsten fünf Jahre,
• 3600 Euro final, Zuschläge sind möglich.

(das entspricht etwa dem Einstieg in der Entgeltgruppe 9 des öffentlichen Dienstes; die derzeit üblichen 1850 € liegen im Bereich der Gruppen 1 – 2, also ungelernter Hilfskräfte! Quelle: Entgelttabelle des TVöD für Kommunen).

Die Jahre werden auch bei Wechseln an andere Häuser angerechnet – wie es auch die Musiker machen. Die Gagen nehmen selbstverständlich an den jährlichen Tariferhöhungen teil. Finanzierung: über Umverteilung aus den Budgets der anderen Tarifgruppen durch Angleichung. Très simple!

5. Weniger System, mehr Diskurs

Das Theater hat die Aufgabe, sich in einer sich wandelnden und herausfordernden Umwelt sinnvoll zu präsentieren und dabei auch künstlerisch Grenzen zu überschreiten.
Viele der damit verbundenen Aufgaben sind so erschöpfend oder verführerisch, dass man nicht bemerkt, wann man dabei die eigene Grenze überschreitet, sich, seine Mitarbeiter und das gesamte Theater gefährdet. Compliance ist ein neuer Bereich für Theater, der davor schützen soll. Es bedeutet Beachtung, auch positive Nachgiebigkeit, und beschreibt ein System aus kristallklaren Regeln und freiwilligen Vereinbarungen, die beachtet werden sollen und mit denen jeder Betrieb einen Teil seiner Risiken besser steuern kann.

Noch mehr Regeln? Nein.

Es geht um Klarheit und Transparenz. Compliance legt ganz klar fest, was bis wohin erlaubt ist und was nicht, sei es bei der Annahme von Geschenken, bei der Vergabe von Freikarten, der Beschäftigung von Verwandten, der Planung der Dienste und beim Umgang mit den eigenen Mitarbeitern. Die wenigsten Verantwortlichen wissen zum Beispiel, wie konkret sie ihre Solisten und Assistenten mit der von ihnen angezettelten Überproduktion in Bereiche von Arbeitsbelastungen führen, die weit über dem physischen, psychischen und juristischen Limit liegen, und wie sehr sie damit sich und ihre Arbeit gefährden.

 

Schmidt Tafel

 

Es geht darum, die Grenzen festzulegen, die eine Organisation bislang vermieden oder nicht geschafft hat. Es liegt nicht an den Regeln, es liegt an der Arroganz einer Planung, die oft ungenau und wenig präzise ist, immer in der Hoffnung, dass am Ende, wenn es auf die Premiere zuläuft, alle bereit sind, das Letzte zu geben. Wenn das einmal zugelassen wird, wird es immer wieder vorausgesetzt.

Wenn man Jahre an der Spitze eines Theaters gearbeitet hat und nur noch ein sehr kleiner Kreis Menschen überhaupt etwas kritisch anmerken darf, geht auch das Gefühl für das Unerlaubte verloren. Also geht es darum, die Mitarbeiter und die Leitung vor sich selbst zu schützen. Ein Intendant, der fürchten muss, für die Vergabe von Aufträgen oder die Beschäftigung von Verwandten durch Presse, Aufsichtsräte oder Mitarbeiter angegriffen und verwundet zu werden, ist kein Intendant, der ein Haus aus einer Krise oder in eine nachhaltige Zukunft führen kann. Niemand hat etwas dagegen, wenn die Partner*in des Intendanten am Haus arbeitet; aber er darf sie nicht selbst anstellen, weil das Theater nicht ihm gehört. Wenn es gute künstlerische Gründe für die Anstellung gibt, wird das Aufsichtsgremium die Verträge auch gerne schließen. Nur dann. Erneut geht es um Respekt gegenüber den Mitarbeitern im Haus.

Die Intendanten haben es derzeit selbst in der Hand, den Spielern ein ethisch und rechtlich transparentes Arbeitsmodell vorzuschlagen, in dem Überstunden notiert und Grenzen eingehalten, Vorbereitungszeiten anerkannt, Bereitschaftszeiträume gekürzt, Zeit für Regeneration (freie Samstage, alternative Proben-Zeiten) eingeplant und die Mitglieder der Ensembles als informierte Künstler in die Lage versetzt werden, weitere Reformen anzuschieben und neue Modelle zu entwickeln.

 

thomas schmidtThomas Schmidt ist Professor für Theater- und Orchestermanagement und Direktor des gleichnamigen Masterstudiengangs an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main. Seine Lehrschwerpunkte sind Theatermanagement, Kulturtheorie und -kritik, Kulturpolitik sowie Organisationstheorie. Er war Geschäftsführer des Deutschen Nationaltheaters Weimar und in der Spielzeit 2012/13 dessen Interimsintendant. Er ist Autor des Buches "Theatermanagement" (2013) sowie der viel beachteten Studie Theater, Krise und Reform. Eine Kritik des deutschen Theatersystems (2016).​

 

Der Autor legt Wert auf den Hinweis, dass die männliche Form im Beitrag gleichberechtigt für alle Geschlechter steht.


Die gesammelten Beiträge zur Stadttheaterdebatte auf nachtkritik.de finden Sie im Lexikon.

 

 

mehr debatten

Kommentare  
Der informierte Künstler: Einwände
Mit den meisten Vorschlägen und Erörterungen Schmidts kann man spontan sehr einverstanden sein, ob das Einverständnis so durchgehend bliebe, müsste man nach genauerer Untersuchung sehen. Nur wenige spontane Einwände habe ich sofort:
1. Warum ist es nötig, physisches Regenerieren ersatzweise durch finazielles Regenieren zu ersetzen? Gibt es so etwas überhaupt, finanzielles Regenerieren? Wem nutzt es, wenn die Physis nicht mehr regenerationsfähig ist? Es geht um Bezahlung von Arbeit und Arbeitsverhältnisse, die physische Regenration erlauben und nicht um finanzielle Trostpflaster für Einverständnis in unzumutbaren Verschleiß der Physis durch unzumutbare Arbeitsbedingungen - das ist Managerdenken: hoffen, dass durch Dauerstress der Herzinfarkt nach hinten verschoben wird, aber wenigstens die Familie, die den Rücken freihält, finanziell ausgesorgt hat... Bei der physischen Regenration von Schauspielern*innen - gern immer häufiger m.E. bedenkenlos Spieler*innen genannt, geht es jedoch um eine andere Art des Regenierens weil es um eine andere Art der Beanspruchung geht. Die ist mit einem finanziellen Lastenausgleich nicht einmal im Bereich der Hoffnung zu ersetzen.

2. Bei Musikern werden die gehaltssteigernden Berufjahre bei Häuserwechseln angerechnet. Auf dem Papier. In der Praxis werden jedoch die teueren, wechselwilligen und-fähigen Musiker in den Orchestern immer häufiger ersetzt durch billige Praktikanten und Dauersubstitute ohne die Berufserfahrung, die zu den Gehaltssteigerungen berechtigte und die auch durch hohe Begabung von Jung-Musikern nicht ersetzbar ist, wenn es um den Erhalt eines spezifischen Ensembleklanges geht.

3. Ich würde die "Informationsrechte" herausnehmen als Besonderheit jedweder Mitbestimmung. Das ist kein Fortschritt und auch deshalb nicht als Fortschritt im Sinne einer Reformierung seriös theoretisch anzubieten, weil einfach jeder Bürger in Demokratien einfach jedes Informationsrecht hat. Wenn wir so weit sind, dass für irgenwo für irgendwen gesondert das Recht darauf, irgendwen über irgendetwas zu informieren, festgeschrieben werden muss, haben wir es eindeutig mit einer Diktatur zu tun.
Ich glaube nicht, dass wir in einer leben. Deshalb halte ich das so nicht als Reforminhalt für darstellbar und da müsste aus meiner Sicht Herr Schmidt unbedingt nachbessern.
Die Folge allerdings wäre: Die ohne das "neu" festgeschriebene "Informationsrecht" dargestellte Reformierung des Theaterbetriebes nach Schmidt, fiele dann auffällig eher schmal aus und enthielte nichts, was nicht ganz eindeutig als gelistete Forderung, ohne diese zusätzlich darstellerisch zu verkomplizieren, gestellt werden könnte:
1. Anhebung der Vergütung.
2. Vereinheitlichung der Tarifverträge.(Versäumnisse lassen sich manchmal nicht, aber in jedem Fall öfter nachholen, als man denkt)
3. Vergütung von Mehrarbeit ab einer festzulegenden Stundenzahl.
4. Ensemnble-Mitsprache bei der Spielplangestaltung und bei Gastengagements.
5. Festgelegte Beschränkung beim Personalaustausch bei Intendantenwechseln.
Der informierte Künstler: sprachliche Erwähnung
wäre es nicht noch deutlich schöner,wenn auch frauen mitbestimmen dürften? wenn künstlerinnen, schauspielerinnen, musikerinnen u.s.w., selbst mehr oder weniger despotische intendantinnen, im jahre 2017 zumindest die anerkennung ihrer existenz- durch sprachliche erwähnung - erführen?
Der informierte Künstler: Antworten des Autors
# 2
Dieses Versäumnis tut mir aufrichtig leid. Es fehlt der redaktionelle Zusatz, dass die männliche Form hier gleichberechtigt für alle Geschlechter steht. (liebe nachtkritik, können wir das noch einsetzen?)

# 1
Nun, es gibt doch einige neue Aspekte, wie

1 die Teilnahme der Vertreter des Ensembles an Leitungssitzungen und das Einrücken in die Leitung bzw. den Aufsichtsrat, jeweils mit Stimme;

2 weiters, die Teilnahme an den Kommissionen zur Auswahl eines neuen Intendanten mit Stimme und Vetorecht in den Gremien. Das heisst, kein Intendant kann mehr gegen das Votum des Ensembles gewählt werden;

3 Die Mitwirkung an der Erstellung von Budgets und von Wirtschaftsplänen; was nicht heissen soll, dass die Spielerin zur Buchhaltungskraft wird, sondern dass sie über die Komposition und Struktur von Budgets informiert wird, und hier mit einer Stimme mitwirken kann.

4 Die aktive Mitwirkung der Ensembles an der Initiierung und Umsetzung von strukturellen Veränderungen und der Initiierung von Reformen.

Und die Informationsrechte sind hier besonders wichtig. Ich habe in meinen Untersuchungen kaum einen Bereich - ausser vielleicht die ministerialen - kennen gelernt, in denen so sparsam und wenig offen gegenüber Mitarbeitern, hier gegenüber dem Ensemble, informiert wird, wie im Theater. Es schwirren zwar viele Informationen im System, aber die Hälfte davon sind Gerüchte.
Wie wäre es, wenn das Ensemble zuerst erfährt, wer der neue Intendant wird. Wie wäre es, wenn das Ensemble vor jedem Einschnitt, vor jeder personellen oder strukturellen Veränderung gehört wird.
Ich denke, dass sind nicht nur legitime, sondern zeitgemäße Forderungen.
Der informierte Künstler: mehr Feuer
Die Einbeziehung von Ensemblemitgliedern, hier jetzt unter dem Label 'informierte Künstler' (was ich ab jetzt auch in anderen Zusammenhängen gerne verwenden werde...), in Entscheidungen von Theatern scheint mir eine gute Idee. Ich bezweifle allerdings, daß es ein entsprechendes Gremium, in dem der Vertreter mit Stimme gehört wird, überhaupt so gibt. Es hat gute Gründe warum Mitbestimmung in Vorständen erst in sehr großen Unternehmen Pflicht ist, und auch Mitbestimmung über Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten auch erst in mittelgroßen Unternehmen, wozu die allermeisten Theater nicht zählen dürften. Da geht es auch um Entscheidungsfähigkeit, Verantwortlichkeit, Rechenschaftspflicht.

Darüber hinaus erschließt sich mir nicht, wie eine solche angestrebte Neuregelung durchgesetzt werden sollte. Das kann ja höchstens die Politik erreichen, aus eigener Kraft haben Ensembles es bislang nicht einmal vermocht, - etwas zugespitzt formuliert - arbeitsrechtliche Standards wie sie seit Dekaden in der Wirtschaft normal sind zu erkämpfen. Auf die Kommunalpolitik aber kann man hier wohl nicht setzen, zu sehr sind sie in der Rolle des Gesellschafters, der einen return on investment sehen will.
Ich bin, wie wohl auch Herr Schmidt, gespannt, was das ensemble netzwerk so zustande bringt, aber habe noch den Eindruck, daß da mehr Feuer notwendig ist.
Rein taktisch: den Hinweis von Herrn Schmidt, Ensemble und Personal gesondert zu behandeln, halte ich eher für schädlich. Wenn es Theatermitarbeiter mit starker Arbeitnehmervertretung gibt, dann in den 'Gewerken'. Vielleicht habe ich den Hinweis auch falsch verstanden, und es geht um Heraushebung des 'informierten Künstlers' von allen anderen Kollegen. Da zeigt allerdings die Empirie, daß herausragende Künstler als Intendant in der Regel ein fähiges administratives Team brauchen, um als Manager nicht zu scheitern. Führen will gelernt sein, mitbestimmen auch.
Der informierte Künstler: Vetorechte
@ (Lieber) Thomas Schmidt:
Ja, so liest sich 1,2,3,4 das auch gleich viel besser.
Was das Informationsrecht anlangt, fände ich es weniger irritierend, wenn es Informationspflicht der Intendanz gegenüber dem Ensemble hieße. Also die Pflicht, Mitarbeiter zu informieren über Entscheidungen und Belange, die sie betreffen. Das Recht, sich auch gegen die Einhaltung dieser Pflicht, die Informationen, die man eigentlich ein Recht hätte zu bekommen, weil sie einen persönlich betreffen, die Informationen zu beschaffen, hat doch einfach jeder. Es ist nahezu eine Bürgerpflicht. Wenn man dieses Recht also nicht wahrnimmt, hat man eigentlich seine Aufgabe als Demokrat nicht erfüllt... Deshalb finde ich das als Festlegung hier einigermaßen unsinnig. Sowohl als verankertes Recht wie als festgeschriebene Pflicht der Leitung - es sollte einfach selbstverständlich sein, sich zu informieren und Mitarbeiter zeitnah in Kenntnis zu setzen von allen Dingen, die sie betreffen...
Und dafür benötigt es keiner arbeitsrechtlichen Reform, sondern einer Reform der zwischenmenschlichen Umgangsformen. Die kann man nicht verordnen und muss sich da in zwei Richtungen bewegen, wenn einem die herrschenden Moden nicht behagen
1. Forderungen stellen und sagen, wie man gefälligst im zwischenmenschlichen Umgang behandelt werden möchte
2. gleichzeitig mit gutem Beispiel vorangehen.

Ansonsten fände ich der Einfachheit besser zu sagen, die neue Regel ist:

Bei der Spielplangestaltung unter Mitspracherecht des Ensembles hat die Leitung bzw. der Intendant ein Vetorecht.
Bei der Auswahl der Intendanz unter Mitspracherecht von Bühnenverein und Kommunalpoltik hat das jeweils betreffende Ensemble eine Vetorecht.

Ensemble und Personal gesondert zu behandeln, halte auch ich wie "dabeigewesen" für der Sache abträglich. Mit dem kleinen Unterschied, dass ich das gar nicht gesondert denken kann, weil ich die Gewerke oder das KBB eines Theaters z.B. als erweitertes künstlerisches Personal mit besonderen Aufgaben verstehe. Das kann ich aber nur, weil ich kein Intendant bin, sonst würde man mir realpolitisch diese zu idealistischen Flügelchen sehr schnell stutzen. Exakt deshalb bin ich kein Intendant - Einer muss ja die Flügel hochhalten!
Der informierte Künstler: Autonomie
Selbstbestimmung! Autonomie, nicht Mitbestimmung!
Der informierte Künstler: Umsetzung
Ich glaube, wir sind uns in der Sache einig.
Ein stabiles Stadttheater-Ensemble kann als Identifikationspunkt für eine Stadtgesellschaft das Fundament für die Zukunftsfähigkeit des Stadttheatersystems sein.
Nicht dieser Zirkus, mit dem alle paar Jahr ein Intendant mit komplettem Hofstaat von einem Theater zum nächsten zieht. Da kann ich mir als Stadt ja gleich ein Bespiel-Theater zulegen.

Die Frage der Umsetzung wird gestellt.
Nach den momentanen Gegebenheiten müsste die Tarifkommission der GDBA bei den nächsten Tarifverhandlungen diese Dinge fordern, und die Tarifkommission des Deutschen Bühnenvereins müsste sie akzeptieren.
Das wird aber nichts, nicht in 10 Jahren.

Es gibt jetzt ein Zeitfenster:
Mai - Bundesweite Ensembleversammlung in Potsdam,
Mai - Genossenschaftstag GDBA (höchstes Entscheidungsgremium, findet nur alle 4 Jahre statt)
Juni - Jahreshauptversammlung DBV
Im Sommer werden wir wissen, wohin die Reise geht.

In der kommenden Spielzeit wird sich dann entscheiden, ob die GDBA weiterhin Tarifpartner bleiben wird, oder ob sich neue Konstellationen ergeben werden.

1.) Der BFFS steht in den Startlöchern. "Als Gewerkschaft, als mitgliedsstärkste Schauspielorganisation und als Berufsverband mit den meisten Bühnenschauspielerinnen und -schauspielern in Deutschland hat der Bundesverband Schauspiel die Verpflichtung, sich in der Theaterlandschaft für seine Mitglieder einzusetzen", schreibt Heinrich Schafmeister am 3.3.2017 hier: https://www.bffs.de/2017/03/03/bffs-buehne/

2.) Ver.di vertritt bereits erfolgreich die Künstlerinnen in den großen Musicalhäusern und hat für Aufsehen bei seinen Aktionen mit dem Staatsballett Berlin gesorgt.

3.) Das Ensemble Netzwerk könnte sich dazu entschließen, als Gewerkschaft zu firmieren - oder mit BFFS bzw. Ver.di zu kooperieren.

4.) Art but fair bereitet mit ebenjenem Prof. Thomas Schmidt ein Zertifizierungsverfahren für die Theater vor, so Sören Fenner beim flausenkongress in Köln am 27.2.2017 hier: http://artbutfair.org/rede-zum-thema-arbeits-situationen-auf-dem-bundesnetzwerk-kongress-flausen/ - da kommt nochmal was von einer ganz anderen Seite.

Der Ball liegt also im Feld der alten Spieler DBV und GDBA. Die haben es in den letzten Jahrzehnten verbockt und sollten sich jetzt schleunigst überlegen, wie sie Protagonisten bleiben können. Dazu müssen sie sich bewegen. Mikado ist keine Option mehr. Ansonsten kommen - zumindest auf der einen Seite des Tisches - vermutlich neue Gesichter auf die Szene. Und dann wird es vielleicht etwas ungemütlich.
Der informierte Künstler: Erste Schritte
Wo anfangen: gute Frage! Im Thread "Debatte Intendantenmodell" wurde grad formuliert, es sollte eine Stadt mutig sein und ein Ensemblemodell installieren. Damit es das Gegenmodell, den Versuch gibt. Ideal wäre, wenn sich Ensemble-Netzwerk und Bühnenverein gemeinsam dafür stark machten - dann erst könnte man erforschen, wie sich die neue Struktur bewährt.
Doch es gibt jetzt schon Möglichkeiten: Die meisten Theater haben so etwas wie eine wöchentliche Leitungsrunde, in unterschiedlichen Zusammensetzungen. Ein erster Schritt wäre, dass gewählte Ensemblevertreter an Leitungsrunden teilnehmen - so wie z.B. der technische Direktor, Betriebsdirektor, Kommunikationschef. Denn tatsächlich ist ja (weil die Frage hier gestellt wurde) das übrige Personal durch seine jeweiligen "Abteilungsleiter" in diesen Gremien vertreten. Das sind noch keine verbrieften Mitspracherechte, aber im Vertrauen auf die Aussagen vieler Intendanten, dass sie eben ihre Entscheidungen nicht im Alleingang fällen, sondern gemeinsam im Leitungsteam, wäre es ein wichtiger Schritt, das Ensemble dort einzubinden.
Und es gilt vielleicht zu definieren, was mit Mitbestimmung gemeint ist — was Thomas Schmidt hier entwirft, scheint mir nicht das Modell der 70er, wo alle in alle Entscheidungen involviert waren. Hier geht es um eine Vertretung, und um bestimmte Bereiche. Realistisch ist zu sagen: Man erlebt in der Leitungsrunde auch nicht, dass der Marketingchef dem technischen Direktor erklärt, wie er seine Arbeit zu organisieren hat. Natürlich ist für den eigenen Bereich der jeweilige Vertreter der Experte. Wenn der Begriff Mitbestimmung reflexartig die Versuche der 70er evoziert, als Ensembles nächtelang über jedes Detail diskutiert haben, muss man einfach einen anderen wählen. Denn im Kern geht es doch darum, ein Theater von seinem künstlerischen Zentrum zu DENKEN, und das sind die Ensembles. Und nicht darum, dass das Ensemble das Theater im Kollektiv leitet. (Mir ist bewusst, dass es im Mehrspartenhaus komplizierter wird, doch wünschenswert scheinen mir ohnehin unabhängige Spartenleitungen).
Vor allem aber ist wünschenswert, dass erste Schritte, erste Modellversuche bald in Angriff genommen werden; der Zulauf, den das Ensemble-Netzwerk hat, sowie die öffentliche Debatte zeigen, dass diese Fragen für viele Künstler existenziell sind, besonders an den kleineren Häusern — die wohl in der Mehrzahl sind. Es spricht viel dafür, neue Wege zu versuchen. Und eigentlich nichts dagegen.
Der informierte Künstler: Hoffnung auf Generationswechsel
"Grau ist alle Theorie..." - ich bin so hin- und hergerissen... Einerseits finde ich es schön, dass sich die Ensembles positionieren und ihr Selbstbewusstsein stärken; gleichzeitig bin ich seit einigen Jahren Schauspieler an einem Mehrspartenhaus, und das, worüber wir Solisten uns am meisten ärgern, ist immer wieder die bürokratische Konsequenz der organisierten künstlerischen Sparten - und irgendwie habe ich Bauchschmerzen dabei, wenn wir im Schauspiel irgendwann ähnlich ticken. Ja, es soll fair zugehen. Aber mit dem Mitspracherecht des Ensembles beio Inhalten habe ich so doch meine Bedenken: Haben Sie schon einmal versucht, "demokratisch" im Ensemble allein über den Einkauf des Bieres zu einer Premierenfeier zu diskutieren? Man wird selbst bei dieser Belanglosigkeit verrückt über all die Ansichten und Befindlichkeiten, die da zum Vorschein kommen. Und wenn ich diesbezüglich an einen Spielplan denke, wird mir etwas unheimlich zumute. --- und was sehe ich parallel?: Dass in den letzten zwei Jahren mehr und mehr Menschen in Führungspositionen kommen, welche all unsere Sorgen und Bedenken teilten, weil sie es selbst erfahren mussten und willens sind, dies zu ändern und einen Wechsel herbeisteuern wollen, um voller Respekt den Künstlern eine Bühne zu bieten.... und, seien wir ehrlich: während wir in der freien Szene arbeiten, nehmen wir soviel Dinge in Kauf, die wir im Engagement an einer öffentlichen Bühne vehement kritisieren. Da juckt es uns wenig. Ich nehme mich selbst dabei nicht aus, aber finde es trotzdem seltsam, dass ich so ticke.... Ich glaube, dass ein Generationswechsel, der gerade scheinbar beginnt, vieles lösen wird, ohne dass wir in bürokratisches Verhalten verfallen müssen. Der Ansatz des Ensemble-Netzwerkes ist gut - aber ganz ohne Hierarchie in großen Theaterbetrieben kommen wir, in meinen Augen, nicht weiter.... solange nicht irgendwelche Gremien Selbstdarstellern und persönlichen Freunden die Möglichkeit bieten, in den Spiegel zu .... egal....
Der informierte Künstler: unmündig
@9
Lieber Kollege, ich würd mal sagen, du machst dir ganz schön was vor. So ein großes Thester braucht Organisation und Regeln, das ist mal klar, der Unterschied zwischen uns und den Orchestern und so ist nicht, dass wir keine Regeln haben, sondern dass wir weniger mitbestimmen an den Regeln, wie wir arbeiten. Kannst du gut finden, ich finde das scheiße. Weil wir uns nicht richtig organisiert haben, stehen wir jetzt so viel schlechter da als die anderen am Theater. Soll das immer so bleiben? Ich will nicht darauf warten, dass ich mal bei einem Intendant lande, der fair ist. Das ist mir zu unmündig. Generationswechsel, ich weiß nicht. In Darmstadt gibt es einen jungen Intendant und man weiß ja was da mit dem Schauspiel passiert ist. Wer lesen kann ist auch klar im Vorteil, lies mal den Text und was das Netzwerk will, kein Mensch schlägt vor, dass das Ensemble demokratisch den Spielplan macht.
Der informierte Künstler: Realitäten anerkennen
Ein Rudel Schauspieler, eine Gruppe von Solisten tritt auf und plötzlich wird alles gut. Jeder weiß doch, wie es im Rudel zu geht. Da tritt ein junger Hirsch auf, und der Alte sagt einfach, dann lass ich dir jetzt mal den Vortritt. Die alternde Jungdarstellerin um die Vierzig, vierzig ist ja heute dreißig, ruft der Vierundzwanzigjährigen fröhlich entgegen: Schön das du da endlich da bist! Und dann stimmen alle gemeinsam ab und plötzlich bekommt jeder eine höhere Gage! Und das nur weil endlich der böse Intendant, Betonung auf Intendant, männlich, weg ist. So wird es kommen. Jemand setzt in einem kreisrunden Tafelbild einfach mal in die Mitte des Kreises statt Intendanz Ensemble ein und schon ist der Kuchen gebacken. Jetzt muss er sein Modell nur noch zertifizieren lassen.

Selten so gelacht. Ja! Ist das so: Wenn das Kollektiv entscheidet wird es endlich fair und gerecht zugehen?! - Soviel Schlichtheit an Idee in Zeiten, wo wir gerade deutlich an Trump, Orban, Szydlo und anderen erkennen können, wie problematisch und gefährlich Mehrheitsbildung sein können, da frönt ausgerechnet das Theater der einfachen demokratischen Mehrheit. Wäre es nicht so tragisch, man könnte laut los brüllen vor lachen.

Und das, während ungefähr jeder weiß, in die Mitte des Tafelbildes gehört der Begriff „Finanzen“. Denn der ist entscheidend. Geld das nicht da ist, kann man auch nicht verteilen. Wären die Finanzen für das künstlerische Personal doppelt so hoch, gäbe es mehr und besser bezahlte Schauspieler und Innen. Dann wären viele Arbeitszeitregelungen immer noch nicht festgeschrieben, aber die Last verteilte sich wieder auf doppelte so viele Schultern. Diese Erkenntnis ist wirklich keine Polemik.

Und natürlich geht es nicht nur darum Begrifflichkeiten auszutauschen. Zwischen Mitbestimmung und Selbstbestimmung liegen Welten. Und nicht nur ein paar graduelle sprachliche Differenzen, die man leicht ausräumen könnte. Nach fast siebzig Jahren deutscher Demokratie soll es also endlich Mitbestimmung am Theater geben. Das ist die Reform, die Neuerung!? Man bricht innerlich zusammen und fragt sich: Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass Künstler nicht über ihre jüngere Zukunft informiert sein sollten?! Falls dem denn dann wirklich so ist, denn viele Intendanten und Innen informieren ihre Künstler durchaus über die nächste und vielleicht sogar übernächste Spielzeit. Da sind nicht nur „Arschlöcher und Innen“. Das Ganze wirkt auf mich zum Teil so unwirklich: Jeder weiß doch, wie hart die Organisationsstrukturen in einem Rudel von Solisten sind. Da gibt es doch wirklich nichts zu beschönigen durch Tafelbilder. Etwas mehr Respekt vor und mehr Anerkennung für Realitäten wäre angebracht, dann würde man vielleicht dazu kommen Begriffe wie „Ensemble“ wirklich einmal genauer zufassen und zu definieren, bevor man mit ihnen sakrosankt als Heilsbringer agiert. Jedes Ensemble hat seine ungerechten Ausschlussmechanismen, wie es in Mehrheiten so üblich ist. Wie damit umgehen? Aber dafür müsste man sich ja erst einmal von einem rein positiv besetzten Begriff „Ensemble“ trennen. Und das dürfte wirklich schwer fallen.
Der informierte Künstler: Team, Kollektiv, Ensemble
Ja, das ist wie mit der Trennung vom Begriff "Kollektiv" oder "Team". "Kollektiv", hat man jedenfalls als Alt-Ossi gelernt ist schlecht, weil nämlich rein was Schlechtes. Und "Team" ist immer rein was Gutes, weil nämlich was vollkommen anderes als ein "Kollektiv", was definitiv schlecht war. Ich denke ja, weil sich bis heute die Alt-Ossis und die Alt-Wessis nicht darauf einigen konnten, dass es auch ziemlich diktatorische Strukturen in Teams geben kann, weshalb sie nicht zwangsläufig was besseres als "Kollektive" sein müssen und "Kollektive" manchmal echt funktioniert haben konnten wie sonst nur selbstverständlich Dream-Teams, haben sich alle so gern gesamtdeutsch liebevoll dem Begriff "Ensemble" zugewandt. Da braucht man sich nicht weiter kräftezehrend streiten, wessen professionelle Arbeitsgemeinschaften von der Ethik her die besseren waren und sich auch nicht die Mühe machen, eher besseres und eher schlechteres Funktionieren beim gemeinschaftlichen Arbeiten zu differenzieren und differenziert zu kritisieren. Im Sinne von realistisch auswertend betrachten. Nu haben wir den lieben und guten, heilsbringenden begrifflichen "Ensemble"-Salat, den vollkommen realitätsfernen, der sich und uns gleich mit, wenn wir nicht aufpassen, aus der Demokratie verabschiedet - aber es fällt keinen so richtig auf... Außer dem trolligen Herrn Baucks natürlich.
Der informierte Künstler: weitere Antworten des Autors
lieber herr baucks,

ich bin entsetzt, wie wenig respekt Sie offensichtlich vor den schauspielerInnen haben. Sie sprechen von RUDEL, als wären spielerInnen tiere. ist das ihr ernst, oder nur eine unverwirklichte phantasie?

schauspielerInnen, sängerInnen, tänzerInnen sind hochbegabte menschen mit einer hohen emphatiefähigkeit, die sich durchaus gut und klug organisieren. wäre es einer lisa jopt sonst gelungen beinahe 2000 spielerInnen und assistentInnen im ensemble-netzwerk zu integrieren.
wohl kaum.
schauspielerInnen - ich weiss nicht wo und wann Sie zuletzt gearbeitet haben - wählen ihre ensemblesprecher, die zumeist hocheloquente und kluge gesprächspartner sind für die leitung, für die regisseure.

zu den finanzen. wir sollten aufhören, immer von einer festgeschriebenen summe an finanzen zu sprechen. wir haben hohe steuereinnahmen, der bühnenverein muss mit städten und ländern höher verhandeln. das ist seine wesentliche aufgabe. die zukunft der theater zu sichern und auszubauen.

und boxen und beißen Sie bitte nicht, wir diskutieren über ernste, wichtige dinge. während Sie sich echauffieren und aufplustern planen das kultusministerium in meckpom nebst oberbürgermeistern auf basis von studien nach phase 1 - der fusion - längst weiteren abbau von stellen und sparten. wenn der bühnenverein sich hier nicht bald einschaltet, werden anklam und parchim bespielhäuser und sparten an den häusern weggebrochen sein. es muss auch sichtbar sein, dass der bühnenverein kämpft.

wieso geht es in diesem konzepten eigentlich immer nur um ab- statt um sanften um- und aufbau. neue tanzzentren, akademien, labore für zukünftige künstlerische entwicklungen - all das fehlt, und nach all dem wagen wir nicht mehr zu fragen?

hier muss ich auch noch einmal bezug nehmen auf eine einlassung von herrn khuon, der im radio-interview tatsächlich vermeldete, dass das beispiel gera-altenburg ein erfolg für eine fusion und eine rettung von arbeitsplätzen sei.
de facto haben 200 mitarbeiter - die meisten davon künstlerische - ihre arbeit verloren, unter der leitung schindhelms. altenburg ist degradiert worden zu einem quasi-abspielort. und Gera ist 2010/2011 aufgrund der hohen fusionskosten - transporte, doppelter bau von bühnenbildteilen, zwei technische mannschaften, bezahlung von überstunden, abfindungen für entlassungen, etc - mit knapp 2 mio € in den roten zahlenbereich abgerutscht. ich habe das modell untersucht und die ergebnisse in einem artikel im journal für kulturmanagement niedergelegt.

und der bühnenverein hat märki, mich und unsere mitarbeiterInnen nicht unterstützt im kampf gegen eine fusion in erfurt. Everding hat ende der 90er in seinem papier mit ein paar federstrichen ein paar fusionen aufs papier gezaubert, damit eine völlig unwichtige, wie unnötige Oper für damals deutlich über 70 mio $ (basis: 2002) in der Landeshauptstadt Erfurt aus dem boden gestampft werden konnte. hätten wir in weimar auf den bühnenverein gehört, wären weitere 240 theater- arbeitsplätze verloren gegangen. heute wird wieder über eine enge zusammenarbeit und kollaboration zwischen weimar und erfurt gesprochen....

wir brauchen klarheit, deutliche ansagen. welche policy fährt der bühnenverein? wie steht er zu den ensembles? wie zu den strukturell wie finanziell benachteiligten häusern in ostdeutschland?
welche strategie baut er auf, damit die höhe der subventionen zukünftig überdurschnittlich, also deutlich über den tariferhöhungen, anwächst? denn nur so erreichen wir mehr zuschauer, nicht durch überproduktion.

nur dort, im bühnenverein, wo städte und länder gut vertreten sind, kann eine aussage über eine finanzielle zukunft der theater getroffen werden. dort sitzen die verhandlungsparteien an einem tisch.
Der informierte Künstler: ehrlich
@11: Merci, Herr baucks. Ganz ehrlich.
Der informierte Künstler: die Hauptsache
@ InformierteMitarbeit: Und es wäre - zumindest in meiner Wahrnehmung - ja sowieso totaler Quatsch, sich, wie Sie vorschlagen, "kräftezehrend zu streiten, wessen professionelle Arbeitsgemeinschaften von der Ethik her die besseren waren". Sinnlos, sich über Begrifflichkeiten bzw. über besser oder schlechter zu streiten. Sinnlos, die Ost-West-Polarität aufzumachen, denn darum geht's hier thematisch nicht. Sondern um folgendes: Hauptsache, die Sache funktioniert. Hauptsache, jede/r darf hier ohne Angst vor sofortiger Kündigung formulieren, wo seine/ihre Bedürfnisse, Wünsche und Interessen liegen und wo seine/ihre persönlichen Grenzen liegen.
Der informierte Künstler: wer soll mitmachen?
Ein Schelm, der Böses denkt bei dem Satz "niemand hat etwas dagegen, wenn die Partner*in des Intendanten am Haus arbeitet", wenn man sich überlegt, an welchem Haus Schmidt so lange gearbeitet hat..
Interessante Überlegung im Übrigen, das Ensemble auch an der Erstellung des Wirtschaftsplans beteiligen zu wollen. (Oder habe ich das falsch verstanden?!)
Sollte es dann aber nicht so sein (Gleichberechtigung aller Mitarbeiter oder so ähnlich), dass ALLE, die am Haus arbeiten, da "mitmachen" sollten? Wir können ja mal den Kantinenchef fragen, was er zum Wirtschaftsplan so zu sagen hat...
Der informierte Künstler: Teamfragen
Die Ost-West-Polarität muss nicht aufgemacht werden, sie ist nie zu gemacht worden, das ist das Problem. Das auch der AfD in den Sattel geholfen hat. Diese unausdiskutierte Polarität wirkt untergründig bis in unsere Begriffe hinein. Und sehr wohl bis in unsere Themen. Funktioniert in den Tiefen der Psyche. Und damit sollten wir uns doch nun im Theater wirklich auskennen... Jedes NEUE Problem, wie zum Beispiel das "Flüchtlingsproblem" ist uns lieber, als das alte, unausgesprochen gärende. Und das betrifft sehr wohl auch die Nachwende-Generation, die das alles "gottseidanknichtsmehrangeht", weil es nämlich für auch ihre gegenwärtigen Verhältnisse gesorgt hat... JEDER und JEDE kann ohne Angst vor sofortiger Kündigung formulieren, wo seine Bedürfnisse, Wünsche, Interessen und persönlichen Grenzen liegen.
Eben: zwischen Selbstbestimmung und Mitbestimmung liegen Welten.

Meine Fragen Richtung #11 sind allerdings:
WENN in einem Team/Kollektiv/Ensemble alle selbstbestimmt arbeiten,
a) wie haben sie sich dann überhaupt zum Team zusammengeschlossen?,
b) wie bemerken sie dann überhaupt, dass und in welcher Qualität sie wofür genau zusammenarbeiten?
c) wie genau sehen diese Welten aus, die zwischen der Zusammenarbeit Selbstbestimmter und der Zusammenarbeit von Mitbestimmenden liegen???
Lassen die sich erkennen? Und erobern?
Der informierte Künstler: Nachfrage
Waren es wirklich 70 mio $ ?!
Der informierte Künstler: ein Rudel Fragen
„Oder der Jugoslawische Traum/Zwischen zerbrochenen Statuen auf der Flucht/Vor einer unbekannten Katastrophe/Die Mutter im Schlepptau die Alte mit dem Tragholz/Im rostigen Harnisch läuft DIE ZUKUNFT mit/Ein Rudel Schauspieler passiert im Gleichschritt...“ Heiner Müller aus Medeamaterial Landschaft mit Argonauten.

Daher kommt die Formulierung „Ein Rudel Schauspieler“ Herr Schmidt, die geläufig sein sollte und über die man sich wirklich nur dann so entsetzen kann, wenn man die Gruppe stets für eine friedliche, christliche Ostergemeinschaft hält und alle anderen Aspekte verdrängt. So wenig dazu.

Es reicht nicht die Macht einfach auf mehrere Schultern diffus zu verlagern und dann zu hoffen, dass es besser werde. Sie müssen sich schon die Mühe machen genau die demokratischen Entscheidungsabläufe zu beschreiben, die sie meinen. Wann wird wer wie in Entscheidungen einbezogen nach welchen Regeln? Sind die jetzigen Ensemble beim Wechsel der Status Quo? Oder müssten sie bei einem Wechseln erst einmal alle aufgelöst werden, um Kriterien zu schaffen, wie denn nun eine Ensemblebildung von statten gehen soll, unter den neuen Bedingungen, die ja noch recht unklar sind? Es geht ja nicht an, dass man das Intendantenmodell kritisieren und ablösen will, aber ihre Ensembles nach dem Wandel als Status Quo setzt.

Dies nur ein, zwei Fragen aus einem ganzen Katalog. (…) Zu dem: Bisher waren die IntendantenInnen die Garanten dafür mit der Stadt um die Finanzen zu streiten. Wer tut dies in ihrem Modell? Ganze Gruppen? Wer geht als Verhandlungspartner verlässlich an den Tisch mit den Politikern? Das Rudel Schauspieler?! (Kleiner Scherz) Wollen die das wirklich? Denn das ist ein ganz anderer Job.

Aber in ihrem ganzen Tafelbild fehlt ja so oder so die Schnittstelle zur Politik, und die Abhängigkeit der Kunst von der Politik. Stattdessen idealisieren sie das Ensemble. Alles nur gute Menschen. Sie stellen sich nicht den Schwierigkeiten von kollektiven Führungsstrukturen, die durchaus destruktiv sein können, und die allseits bekannt sind. Ich glaube Ihnen, dass Ihnen die Sache Ernst ist, ob Sie aber ein ernsthafter Diskussionspartner sind, daran habe ich meine Zweifel. Dafür müssten Sie differenzierter auf Kritikpunkte eingehen. Ich sehe das in ihrem Modell nicht, wo wann welche Entscheidungen in welcher Gruppe, Direktorium oder Ensemble, gefällt werden! Entscheidungen wie: Wer wird hinzu engagiert? Wer entlassen? Da setzen sie wohl auf Optimismus und die „natürliche“ Gerechtigkeit in Gruppen! Ich weiß es nicht.

In meinem Modell beherbergt ein Haus mehrere Ensemble. Und wie die sich organisieren, bleibt ihnen über lassen, ist selbstbestimmt. Und das ist für mich der entscheidende Punkt. Übrigens übernehme ich diese Struktur nur von größeren Häusern, wo sich die Gruppe stets um ein paar RegisseureInnen bilden und denke diese Struktur lediglich weiter. Die Künstler werden bei mir autonom. Sie aber wollen in ihrem Modell gleich die ganzen künstlerischen Entscheidungen, neben den wirtschaftlichen einem Gruppenprozess anvertrauen. Da kommen einem begründete Zweifel.

Zudem? Soll das Rudel Schauspieler dann wirklich von der Wiege bis zur Bahre in einer Stadt immer das Selbe bleiben? Nicht alle sieben Jahre ein Wechsel? Nein? Nur altersbedingte Wechsel? Ist das nicht ein wenig langweilig für eine Stadt? Sieht man sich da nicht mit den Jahrzehnten satt? Dieser Beruf lebt auch vom Wechsel, der Veränderung.
Der informierte Künstler: gespannt auf Stellungnahme
@ #19: Ich kann Ihren Ausführungen nur zustimmen und bin gespannt, ob der Autor hierzu noch Stellung nimmt.
Der informierte Künstler: ja, gespannt
In der Tat. Man hätte gerne eine Antwort!
Der informierte Künstler: bitte keine sinnlosen Auseinandersetzungen
@20
Wir hoffen, dass es keine Antwort gibt. Don't feed the Baucks sagte jemand in einem anderen Thread. Wenn Schmidt schreibt wird es neue Auslassungen von Baucks geben die Leute angreifen und nicht konsistent und widersprüchlich sind. Wir hoffen, dass Herr Schmidt im Gegensatz zu Baucks Wichtigeres zu tun hat als eine sinnlose Auseinandersetzung zu führen.
Der informierte Künstler: auf Lebenszeit?
Mir ist etwas in der Planung der Leitungsumgestalltung nicht klar: Wie sollen die Verträge aussehen? Der Intendant soll auf jeden Fall nicht gegen das Veto des Ensembles gewählt werden. D.h.der Vertrag des Intendanten/in ist zeitlich begrenzt. Die Verträge des künstlerischen Ensembles sind zeitlich unbegrenzt? Auf Lebenszeit? Ein Wechsel des Schauspielensembles findet nicht mehr statt nur mehr freiwillig? Wie kommen die Massen von Anfängern (jedes Jahr ca 400 ) ans Theater? Man kann ja nicht aufstocken. Wie ist das gedacht?
Der informierte Künstler: Kündigung
Einmal musste ich bei der Lektüre des Threads wirklich laut auflachen. Welche Redakteurin hat denn den völlig unsinnigen Kommentar 22 durchgelassen? Seit wann ist es hier möglich, dass ein einzelner anonymer User sich zu einem "wir" aufschwingen darf? Ist der absolut unkritische "Kritisch" jetzt der Ensemblesprecher der User hier? Dann möchte ich ihnen sagen, dass ich mich durch sie, wer immer sie auch seien, nicht vertreten fühlen. Als langjährige Mitarbeiterin am Theater, gerade aus meiner DDR Erfahrung heraus, kann ich ihnen nur sagen, dass der geschätzte Herr Baucks die absolut richtigen Fragen stellt. Und ich möchte seinen Fragenkatalog noch um eine Vision erweitern.

Man stell sich einmal vor in dem Modell von Herrn Schmidt käme es wirklich mal zu einer Kündigung im Ensemble, was ja offensichtlich nicht vorgesehen ist. Dann, in dem Fall, würde die Kündigung nicht mehr von einem einzelnen Arbeitgeber ausgesprochen, sondern gleich von zwei Kollektiven, einmal dem Kollektiv des Direktoriums, wie auch dem Ensemble als Kollektiv, dass seine Zustimmung geben müsste. Das wäre eine soziale Hinrichtung. Sozusagen eine Ausbürgerung aus der Theaterrepublik, wenn alle sich gegen einen aussprechen und er seinen Job verliert, wo soll er sich mit so einem "Zeugniss" noch bewerben? Da ist Herr Schmidt wirklich gedankenlos und kein "Besser Sehender".

Wenn Herr Schmidt tatsächlich etwas Besseres zu tun hat, als diese drängenden Fragen zu beantworten, dann kann man nur hoffen, dass sich Herr Baucks von so einer Antwortlosigkeit nicht beeindrucken lässt und weiterhin kritisch hinterfragt. Leider kann ich nicht so gut und eindrucksvoll schreiben.

Trotzdem

Frohe Ostern
Der informierte Künstler: alternativlos?
(…) All dieser Streit beruht nur darauf, dass einige wenige meinen, ein Modell solle alternativlos durch ein Anderes abgelöst werden. Das alles folgt dem Gedanken: Es gäbe immer nur eine richtige Produktionsweise für Theater.

In Wahrheit sollten mehrere Modelle entwickelt werden.

Warum die Redaktion nur ein favorisiertes Modell fördert, man weiß es nicht.

Wie dem auch immer sei! Professor Schmidt hat einen staatlichen Forschungsauftrag und müsste demzufolge in alle Richtungen forschen, statt allein sein Modell alternativlos anzubieten.
Der informierte Künstler: alle Richtungen
# 23, 24, 25


Lieber Herr Baucks, niemand spricht von Alternativlosigkeit, im Gegenteil.
Ich suche in alle Richtungen und habe Ihre Vorstellungen, um die es Ihnen ja in erster Linie geht, genau und mit Interesse gelesen. Schreiben Sie bitte mehr dazu. Jede Alternative mehr ist ein Gewinn.
Mein Auftrag lautet, die Modelle weiter zu entwickeln, die in Reichweite liegen. Dabei geht es nicht um Mein oder Dein, sondern darum, welches die belastbarsten unter den gegebenen Bedingungen sind.


# 23

Die Ensemblemitglieder sollten nicht unkündbar sein (wo steht dies geschrieben?). Aber sie haben einen besseren Schutz verdient.

Erstens, sollten Berufsanfänger Drei-Jahresverträge bekommen, damit sie sich einarbeiten können.
Zweitens, sollten schwangere und KünstlerInnen in Mutterschutz/Elternzeit unkündbar sein.
Drittens, sollten Nichtverlängerungen nicht während des Intendantenwechsels ausgesprochen werden, und zwar für einen Zeitraum von zwei Jahren.

Die Verträge der Mitglieder des künstlerischen Ensembles bleiben wie bisher - natürlich - zeitlich begrenzt.

2

Zwei Jahre nach Antritt seiner Amtszeit hat der Künstlerische Leiter das erste Mal die Möglichkeit, Veränderungen seines Ensembles vorzunehmen - in Abstimmung mit den Ensemblesprechern. Bis dahin haben Ensemble und kL Zeit einander kennen zu lernen, anstatt Entscheidungen übers Knie zu brechen.

3

Oft fluktuieren SchauspielerInnen bei oder vor Intendantenwechseln selbst aus, dann hat der neue künstlerische Leiter weitere Gestaltungsspielräume.
Aber primär gilt:
Ein künstlerischer Leiter bewirbt sich auf ein Haus mit Ensemble.

4

Indem die Kündigungsrate - denn eine Nichtverlängerung ist rechtlich nichts anderes als eine Kündigung, nur der euphemistisch schönere Ausdruck - niedrig gehalten wird, besteht die Möglichkeit für das Ensemble, sich zu finden, dem Theater ein Gesicht zu geben.

5

Die Kollektive sprechen überhaupt keine Kündigungen aus. Es ist der künstlerische Leiter. In guter Sitte spricht er dies mit seinen LeitungskollegInnen und mit den EnsemblesprecherInnen ab. Das darf man erwarten. Die Möglichkeit eines Vetos gibt es natürlich.

6


Wenn 400 AbsolventInnen pro Jahr in den Theatern unterkommen müssen - immerhin 2 - 3 pro Ensemble, hieße das gemäß Ihrer Logik, 400 SchauspielerInnen im Brot verlieren jedes Jahr ihren Job - denn in der Tat, die Kulturpolitik hat erzeit wenig Interesse, die Stellenpläne aufzustocken, es sei denn...

7

...man veranlasst die Einsetzung eines Einheitsvertrages mit Gehaltseinsparungen bei TVöD und TVK in Größenordnungen, die Laufe der kommenden Jahre freigesetzt werden. Davon lassen sich neue künstlerische Stellen schaffen, vor allem aber werden damit die höheren Durchschnittsgagen der SpielerInnen finanziert.

8

Die Politik hat immer einen gewissen Spiel-Raum, sonst wäre sie nicht Politik, sondern Verwaltung.
Man kann diesen Spiel-Raum der Stadt- und Landes-PolitikerInnen nur unterschätzen, dann darf man sich nicht wundern, wenn man selbst unterschätzt wird.

Am Beispiel Berlins, der Stadt mit einer der höchsten Verschuldungsraten, sieht man sehr gut, was einer Stadt ihre Theater zu Recht wert sind. In Hamburg, München, Stuttgart gibt es ähnliches zu verzeichnen.
Das ist nicht von alleine gekommen, dafür haben alle Schauspiel- und OpernIntendantInnen (einschließlich ihrer GMD) der Stadt in den letzten Jahren hart gekämpft.

Warum sollten wir nicht anfangen, überall und systematisch wieder mehr physischen und monetären Einsatz der Kulturpolitiker für unsere Arbeitsgebiete zu fordern? Es gibt keinen besseren Ort dafür, als die Jahrestagungen des Bühnenvereins, bei denen IntendantInnen und KulturpolitikInnen auf engstem Raume zusammen sind.
Der informierte Künstler: Und am Ende?
Leider haben Sie Herr Schmidt Ihre "Thesen"nicht zuende gedacht,d.h.nicht überlegt,wie die Theaterensemble nach einigen Spielzeiten aussehen und wer die Fülle von Ensembledarstellern dann bezahlt. Alle bekommen ja höhere Gagen,die ja auch durch Tarif weiter gesteigert werden.
Jedes Jahr muss jedes Theater etwa 2-3 Anfänger in einem 3 Jahresvertrag aufnehmen,d.h. nach 3 Jahren haben die Häuser 6 -9 Anfänger. Die anderen Mitglieder dürfen ja vom Intendanten auch erst,in Absprache mit dem Ensemble,nach frühestens 2 seiner Jahre gekündigt werden.
Schwanģere und im Mutterschutz/Elternzeit befindliche Schauspielerinnen dürfen nicht gekündigt werden,hinzu kommen aber auch in der Elternzeit die Väter-Schauspieler.(Ist ja jetzt schon so)
Von Ensemblevertretern gekündigt zu werden, zwar es aus dem Mund des Intendanten zu hören,ist der Tod des Berufes für jeden Schauspieler und viele Vakanzen wird es dann ja sowieso nicht mehr geben - eher Neid,Intrigen,Machtkämpfe.
Und welches Land/ Stadt/Gemeinde kann sich ein solches Ensemble Ungetüm finanziell denn leisten?
Der informierte Künstler: Am Ende
Super Beispiel für eine total schief laufende Diskussion.

Lieneweg: Potz blitz, mehr Kündigungsschutz! Ei was! Wenn keiner gekündigt wird, können die 400 Anfänger pro Jahr kein Engagement kriegen.

(Da hätt ich eine Zwischenfrage: heißt das es ist nötig dass jedes Jahr 400 ältere Schauspieler arbeitslos werden, damit die Anfänger unterkommen? Na Prost Mahlzeit, das wär ja mal eine soziale Perspektive.)

Das fällt auch Schmidt auf, deshalb er, direkt zu Lieneweg: GEMÄSS IHRER LOGIK müsste jedes Theater also jedes Jahr 2, 3 Anfänger einstellen und 400 andere verlieren ihre Jobs.

Darob Lieneweg: Ha, Schuft, erwischt! Sie haben ihre Thesen nicht zu Ende gedacht! Was sollen das für Ensemblemonster werden, wo jedes Jahr 2-3 Anfänger engagiert werden. Wer soll das bezahlen!

Liebe Frau Lieneweg, ich habe Respekt vor ihrer Lebensleistung. Aber sie müssen trotzdem die Antworten lesen. Sie haben das mit den 400 Anfängern gegen den besseren Kündigungsschutz in Stellung gebracht. Wie kommen sie darauf, dass es keine Vakanzen mehr geben wird? Das sagt niemand, Schmidt erklärt das in 26 wieder.

Wie meinen sie bloß das mit dem Neid, Intrigen und Machtkämpfen? Gibt es die ihrer Meinung nach, wenn die Schauspieler mitbestimmen dürfen? Das sind erwachsene Menschen und können fair miteinander umgehen, die muss man nicht unter der Knute halten.

Wer ist denn vom Grips Theater sozial getötet worden, wo Mitbestimmung schon seit einer Ewigkeit praktiziert wird? Viele Intendanten sagen, dass sie sich mit den Ensembles über Regisseure besprechen. Wenn die Schauspieler sich gegen einen Regisseur aussprechen ist der dann auch sozial tot?
Der informierte Künstler: Berufsgrundlagen
Lieber Herr Regisseur aus # 28. Sie haben völlig recht, die Debatte läuft total verkehrt. Nur hat Herr Schmidt einen Forschungsauftrag, wie ich lese und da ist es dann keine Debatte mehr, da geht es um Berufsgrundlagen, um ein Theatersystem, um das wir beneidet werden! Wo gibt es denn Schauspieler in festen Arbeitsverträgen uber Jahre,mit festem Gehalt, festem Wohnsitz etc. D.h.was ich meine ist,wir müssen verantwortungsvoll mit allen Reformversuchen umgehen und sie von allen Seiten beleuchten und dazu gehört zu überlegen, wie hat sich der Beruf Schauspieler verändert, wie war der Beruf früher, wie jetzt. Unsere Theater sind so unterschiedlich wie sie arbeiten, was sie wollen, wo ihre Schwerpunkte liegen. Mitsprache gibt es schon an vielen Häusern, auch Rücksichtnahme auf private Situationen; dass die finanzielle Lage schwierig ist, weiss jeder - nur ein System zu zerschlagen ohne jeden einzelnen Kritikpunkt genauestens zu ergründen, halte ich fur fahrlässig und macht mich zornig.
Der informierte Künstler: fahrlässige Behauptung
Liebe Frau Lieneweg, von wem hat Thomas Schmidt einen "Forschungsauftrag" für das deutsche Theatersystem? Ich weiß nur, dass er einen Studiengang für Orchester- und Theatermanagement leitet und unterrichtet. Forschung gehört bestimmt irgendwie zum Job dazu, aber ist nicht alles. Sie haben recht, unser Theatersystem ist besser als das in vielen anderen Ländern, aber es wird immer schlechetr. Es wird in vielen Städten nur noch mit Ausbeutung und Selbstausbeutung ermöglicht. Die Lohnungleichheit zwischen den Häusern und an den Häusern ist extrem. Außerdem ist es absehbar, dass es nicht mehr lange so weitergeht. Die Subventionen steigen nicht, aber die Kosten. Ich glaube, dass sie das Buch von Schmidt nicht kennen und auch den Text oben nicht gründlich gelesen haben. Der Mann will nicht das "System" zerschlagen, wie kommen sie auf diese Behauptung? Der schlägt mehr Mitbestimmung und weniger Hierarchie vor. Das macht sie zornig? Kein System wird "zerschlagen", wenn das Geld und die Macht fairer verteilt werden. Meinen sie etwa wirklich das System ist zerstört wenn die Allmacht der Intendanten beschnitten wird? Ich gebe die Diskussion mit ihnen auf, bringt ja nichts. Sie behaupten einfach irgendwas, das finde ich fahrlässig.
Der informierte Künstler: offene Fragen
Denke nicht,dass ich fahrlässig bin. Ich hinterfrage nur und weise hin. Ich habe seit 1959 mit Theater zu tun und habe alles schon erlebt: den Alleinherrschenden Intendanten,das Direktionsmodell,die Mitbestimmung -immer kam man zu dem jetzigen System zurück -nicht ohne Grund! Was mir bei der jetzigen Diskussion fehlt ist z.B.auch der intensive Kontakt zu den anderen Sparten. Es gibt ja kaum reine Schauspielhäuser und die Umstruktionierung der Intendantenposition,der Wahl etc.betrifft ja ALLE SPARTEN. Wie steht Oper,Ballett,Juki dazu? Und wie soll Intendantenwahl aussehen? Wer schreibt aus,nach welchen Kriterien wird gesucht,gibt es eine Findungskommission,lassen sich die Städte/Gemeinden/Länder ihre Kompetenz so einfach beschneiden,etc. Ist das alles schon überlegt? Ich könnte immer weiter fragen......
Der informierte Künstler: Benvenuto Cellini
Liebe Karin Lieneweg,

in Zeiten, wo ganze Demokratien abgewählt werden, kann man sich ruhig einmal die Frage erlauben: Wohin mit der Macht?! - Auch ich habe große Zweifel, ob ein Theater heute wirklich eine zentrale Leitung braucht, die „Intendanz“ heißt. Machtanhäufung in einer Person erscheint mir aus der Zeit gefallen.

Und trotzdem anerkenne ich, dass es eine gewisse Hierarchie der Tätigkeiten im Theater und der Kunst gibt, die niemand wirklich unterlaufen kann. Da kommen halt zwei Systeme zusammen, die überhaupt nicht kompatibel sind. Einmal die Kunstproduktion, und die sollte im Zentrum jedes Tafelbildes stehen, eine Weise der Produktion, die sich demokratischen Vorgängen weitgehend entzieht, und dann die Sehnsucht nach einer demokratischen Verteilung der Macht im Kunstprozess des Theaters. Feuer und Wasser sozusagen.

Eine der schönsten Beschreibungen einer Kunstproduktion finden Sie in dem Lebensbericht von Benvenuto Cellini. Dort beschreibt er den Guss der Bronze des Perseus und er verlangt seinen Mitarbeitern etwas ab, dass in ihren Augen die Kunst gar nicht leisten kann. Der Vorgang, in dessen Verlauf Cellini von einem Fieber befallen wird und meint zu sterben, der Brennofen explodiert, das Dach Feuer fängt, und Cellini seine Mitarbeiter tritt und schubst, und anfängt den halben Hausstand in Form von Zinntellern in die Legierung zu werfen, um ein ganz bestimmte Verflüssigung hinzubekommen, ist absolut anarchisch und undemokratisch. Es geht um den Flow, das Fluidum und ihm soll sich alles unterordnen.

Cellini ist das klassische Abbild eines Künstlers, dass die Stadttheater fürchten. Er setzt das Haus in Brand und verbraucht das gesamte Budget. So weit so schlimm. Aber am Ende steht die Bronze dort, (es ist übrigens eine Ensemble Arbeit, aber mit einer Hierarchie der Tätigkeiten) so wie man sie noch heute in Florenz in den Arkaden der Loggia die Lanzi bewundern kann. Ein Meisterwerk, direkt in der Nähe des Hauses Medici, der Auftraggeber.

Der große Unterschied zu heute, die Auftraggeber gaben dem Künstler nicht nur ihr Vertrauen, sondern auch ihr Geld. Ab da war er auf sich gestellt, und zugleich Arbeitgeber und Künstler in einer Person in seiner eigenen Werkstatt.

Wenn man im Theater die Macht auf mehrere Schultern verteilen will, muss man auch die Finanzierung dezentralisieren und in die Hände der Künstler legen, die produzieren; sozusagen lauter kleinere Wirtschaftseinheiten unter einem Dach, einem Verbund schaffen, damit weiterhin die Hierarchie der Tätigkeiten in der Kunstproduktion gewährleistet werden kann. Wenn die gestört wird, kommt es tatsächlich nur zu Neid und Intrige, und man bleibt besser beim alten System.

Seinerzeit beschrieb ich die Truppe von Pina Bausch als solch eine kleinere Wirtschaftseinheit, die erstaunlicherweise die Krise in Wuppertal überlebte, während das Schauspielhaus schließen musste, und, das ist wirklich außergewöhnlich, immer noch Produktionen aus den vergangenen Jahrzehnten zeigen kann, wo andere Häuser immer schneller, mit immer weniger Künstlern, für immer kürzere Laufzeiten, bei schwindenden Finanzen, hastig neues Repertoire produzieren.

So betrachtet, lohnt es über neue Modelle nach zu denken. Nur wird nicht ein Modell das Bisherige ablösen können, denn es gibt, wie Sie zu recht bemerken, ungefähr so viele Produktionsweisen, wie es Theater und mit ihnen verschiedene Schwerpunkte gibt.
Der informierte Künstler: Wer fühlt sich angesprochen?
Ich muss leider schon wieder "widersprechen"- komme mir vor,wie der absolute "Neinsager"- aber die Aussage,dass der Alleinherrscher aus der Zeit gefallen ist,stimmt ja wohl nicht,wenn man sich die Weltpolitik anschaut:Trump,Erdogan,May,Putin etc.Alle vom Volk gewählt(wie auch immer).Wobei ich den alleinherrschenden Intendanten überhaupt nicht sehe....Er(sie)hat im Endeffekt das Sagen -muss eine Entscheidung ja auch tragen -aber gegen den Willen Aller herrschen??
Und bei dieser Theaterdiskussion jetzt:von welchen Häusern reden wir eigentlich? Die gr. Sprechtheater fühlen sich ganz sicher nicht angesprochen und sind sie überhaupt gemeint?(Frage!)Nur,dann gibt es ja nur noch wenige Sprechtheater,fast alle sind 3 Spartenhäuser. Und da habe ich ja die Frage schon gestellt,sind Oper,Tanz,Juki mit eingebundn in die Diskussion und wie stehen diese Sparten dazu?!
Der informierte Künstler: aus der Zeit gefallen
Falls sich ihre Frage an mich richtet, Frau Lieneweg, dann will ich mal meine Haltung eingrenzen: Für mich ist in der BRD Machtanhäufung oder auch Ämterhäufung auf eine Person aus der Zeit gefallen, und ich spreche nur für reine Schauspelhäuser.
Der informierte Künstler: Stellung des Dramatikers
Wie so oft in den Diskussionen über Theatermodelle
fehlt auch hier die Reflexion über die Stellung der DramatikerInnen.
Vermutlich weil sie nicht Teil des selbigen und
niemals Ensemblemitglied sind sondern
mit eigenen Rechten und Ansprüchen
als außenstehender Gast einfliegt,
der von Theaterleitungen nur selten
als Partner behandelt wird.

Unbestritten ist daher, dass jede/r AutorIn,
sofern er/sie ohne Verlagsanbindung überhaupt
im professionellen Austausch mit Stadttheatern steht,
höchst informiert sein muss. Was man im Kollegenumkreise so hört,
sollte AutorInnen für Verhandlungen mit Theatern
am besten noch ein Jurastudium im Gepäck haben.
Ansonsten wird man ihn/sie mit einem Butterbrot abspeisen -
bis er/sie dann ganz verhungert ist.
Der informierte Künstler: völliger Unsinn
Sehr geehrter Herr Schmidt,
Es ist langsam genug.
1. der Intendant ist wie in allen Betrieben bürgerlichen Rechts der Alleinverantwortliche für den ökonomischen und künstlerischen Erfolg. Das Gerede von feudalistischen Strukturen etc. ist dummes Zeug.
2. sämtliche Mitbestimmungsrechte sind jederzeit auszuhandeln - auch in diesem Punkt ist ein Theater ein Betrieb wie jeder andere auch. Ab einem bestimmten Punkt koppelt sich Mitbestimmung allerdings an Mitverantwortung. Auch ökonomische. Finden Sie, dass man die Künstler daran beteiligen soll? Ich fände das fatal. Es würde zu Kunstfreunde Ökonomisierung führen.
3. der direkte Arbeitspartner des Schauspielers ist in Wirklichkeit in aller Regel der Regisseur. Der kommt in all ihren Überlegungen hinsichtlich probenzeiten, Kündigungen bei Wechseln der künstlerischen Leitung etc überhaupt nicht vor. Das ist außerordentlich bemerkenswert.
4. Sowohl Sie wie auch Ludwig von Otting haben zum Teil jahrzehntelang als Geschäftsführer gearbeitet. Warum haben Sie, warum hat Ludwig von Otting eigentlich nicht versucht, das System von innen zu reformieren? Otting hat mitgeteilt, dass ihm die Ungerechtigkeit des Systems erst nach Ende seiner dreißigjährigen Tätigkeit aufgefallen sei. Das ist natürlich völliger Unsinn. Generationen von Schauspielern berichten, wie gnadenlos er verhandelt habe. Welche Ausrede oder Notlüge haben Sie? Eine bessere? Warum haben Sie persönlich keine freien Samstage durchgesetzt? Zeitkonten? Etc.
Die Grundidee des bürgerlichen erwerbslebens ist, dass man seine Arbeitszeit zu bestimmten Bedingungen verkauft. Dafür genießt man im Gegenzug sozialen Schutz.
Der Regisseur aber gibt bekannt: Probe morgen nach Ansage. Und dehnt den "Bereitschaftsdienst" zulasten des Schauspielers. Das tut er aus "künstlerischen Gründen"! Wir haben Sie diese und andere fragen gelöst, als sie praktisch tätig waren? Darf ich vorwegnehmen? Gar nicht! Und auch Otting nicht. Oder glauben Sie, er hat Bob Wilson diesen ganzen Käse erzählt? Nein, natürlich nicht. Er hat ihm als erster Diener seines Staates die Bedingungen geliefert, die er brauchte, damit Black Rider ein Welterfolg wurde. Recht hatte er. Dass er jetzt 30 Jahre gelebtes Leben denunziert, macht ihn zum trottel. Und Sie auch. Theaterkostüm keine excel Tabelle.

Letztlich geht es um gute Kunst. Stellen Sie das mal in ihren Überlegungen nach oben.
Der informierte Künstler: nickendes Schmunzeln
Lieber T. Rottel,
ich komme nicht drum herum zu bemerken, dass ich Ihren Kommentar gerne und mit einem gar nickenden Schmunzeln gelesen habe!
Grüße aus Tübingen
Der informierte Künstler: Korrektur
@36: Stimmt von vorn bis hinten nicht, nicht jedes Theater ist eine GbR. Völliger Unsinn. In vielen Theatern sind Intendant und Geschäftsführer gleichberechtigt, die Behauptung "alleinverantwortlich" ist sowieso Unsinn. Das Theater Halle hat ein 1.5 Mio Defizit - das zahlt jetzt Matthias Brenner ihrer Meinung nach? Völliger Unsinn. Unsere Theater sind GERADE NICHT Wirtschaftsunternehmen, die etwas marktgerecht produzieren müssen und vom geschäftlichen Erfolg abhängig sind, deshalb ist ihr Vergleich von vornherein völliger Unsinn. Lassen sie sich mal erklären, wie Start ups und Geschäftsmodelle funktionieren,die kriegen nicht jährlich Millionen Steuergelder für ihr Geschäft. "Alleinverantwortlich für künstlerischen Erfolg". Wer misst denn und beurteilt ob der Intendant künstlerisch "geliefert" hat. Sie sehen ihre Kategorien sind Quatsch. Ein Taschenspielertrick, eine scheinbar klare Aussage wird in den Raum gestellt. Stimmt aber nicht. Sie benutzen sie nur um persönlich beleidigend zu werden gegen Schmidt und Otting.
Der informierte Künstler: deutsches Arbeitsrecht
@33:2 Mitbestimmungsrechte sind jederzeit auszuhandeln. Klingt auch schön einfach, ist auch am Theater nicht einfach möglich. Erstens gobt es an den Theatern SEHR UNTERSCHIEDLICHE VERTRAGSFORMEN. Ein Techniker hat ganz andere Verträge, Bedingungen und Rechte als ein Schauspieler, schon zwischen Schauspieler und Chorsänger sind die Unterschiede gigantisch. Die Interessen sind außerdem sehr unterschiedlich. In einem normalen Unternehmen gibt es diese gigantischen Unterschiede nicht, da kann ein starker Personalrat alle gleich gut vertreten. Am Theater ist das nicht so einfach.

Aber das ist nicht der Hauptpunkt. Kennen sie eigentlich das deutsche Arbeitsrecht? Wissen sie, dass es mit den meisten Arbeitsverträgen in Deutschland sehr schwer ist, einen Mitarbeiter zu entlassen, wenn es nicht betrienbsbedingt ist (Abbau von dem Arbeitsplatz.) Sie müssen nachweisen, dass der Mitarbeiter sich etwas hat zuschulden kommen lassen. Im Theatervertrag NV Bühne ist das nicht so, der kann jährlich "nicht verlàngert", also gekündigt werden. Jetzt zählen sie mal eins zu eins zusammen, vielleicht verstehen sie, warum der Solist viel mehr abhängig ist vom Intendant als ein normaler deutscher Arbeitnehmer in einem Unternehmen und weniger Möglichkeit hat Mitbestimmung zu fordern. Was sie schreiben ist völliger Unsinn für die Arbeitsrealität
Der informierte Künstler: direkte Arbeitspartner?
@33
Völliger Unsinn zum dritten. Der Regisseur ist der "direkte Arbeitspartner"? Rein praktisch auf der Probe, das lass ich mir gefallen. Aber ein Schauspieler hat pro Spielzeit mit vier bis sechs Regisseuren zu tun, die kommen und gehen. Der Intendant (Dramaturgie) entscheidet, WELCHE Regisseure kommen, WER bei WEM besetzt ist. Direkter Arbeitspartner ist Intendant/Dramaturgie, nicht wechselnde Regisseure. Der Intendant bestimmt, ob an dem Theater "Probe nach Ansage" erlaubt ist oder nicht. Die Regisseure sind in ihrer Arbeitsgestaltung abhängig von der Theaterleitung und haben wenn sie nicht gerade Superstars sind ganz wenig Rechte.
Der informierte Künstler: nicht beschäftigt
@33 34
Otting hat mitgeteilt, dass er sich in seiner dreißigjährigen Arbeitszeit am Thalia und großen gut finanzierten Häusern nicht genauer mit den Arbeitsbedingungen an den kleinen schlecht finanzierten Häusern beschaftigt hat. Zum Beispiel Häuser wie Dinslaken oder Tübingen. Schön, dass ein Intendant über den Kampf der Schauspieler gegen Unterbezahlung und Überbeanspruchung schmunzeln kann.
Der informierte Künstler: unbeantwortete Fragen?
@ T. Rottel: Danke für diesen Kommentar und die darin enthaltenen Fragen! Leider werden diese - und so einige andere hier, die gestellt wurden, von Herrn Schmidt unbeantwortet.
Der informierte Künstler: Marion Tiedtke
Manche Forderungen von Thomas Schmidt sind berechtigt, andere illusorisch. Ein in meinen Augen viel realistischeres Bild hat Marion Tiedtke, designierte Co-Chefin des Schauspiels Frankfurt und außerdem pikanterweise Kollegin von Schmidt an der HfMDK. Gerade heute veröffentlicht:

http://www.fnp.de/nachrichten/kultur/Interview-mit-Marion-Tiedtke-bdquo-Ein-festes-Ensemble-muss-sein-ldquo;art679,2603881

Sozusagen Professoren unter sich. Aber was Tiedtke sagt, gefällt mir. Gleichzeitig ein klares Bekenntnis zum Ensembleprinzip UND die Forderung, nicht zu überziehen, damit die Konfrontation mit der Politik aufzulösen, bei der die Kunst ohnehin im Zweifelsfall unter die Räder kommt. Wenn sie und Weber das in Frankfurt dauerhaft hinbekommen, besuche ich demnächst noch lieber als ohnehin schon die Bühne am Willy-Brandt-Platz.
Der informierte Künstler: Zustimmung zu Tiedtke
Ist zwar keine Petition, aber trotzdem 100 % Übereinstimmung mit Tiedtke. Unterschrift.
Der informierte Künstler: Nagelprobe
#43
Nun, wes Brot ich ess, des Lied ich sing'
Wenn man mich gerade zur starken Frau hinter einem Intendanten gemacht hätte, den ich eines Tages womöglich beerbe, werde ich einen Teufel tun, und den Vorschlägen meines ehemaligen Kollegen zustimmen. Dann sage ich doch, was die Politik hören will. Auch wenn das nicht von und für allzu viel Loyalität und Reformwillen spricht.
Die Nagelprobe indes wird sein, wieviele ihrer ehemaligen Absolvent*innen werden fest ins Ensemble übernommen? Wieviel sind ihr die von ihr selbst ausgebildeten Schauspielerinnen wert?
Lasst den Worten Taten folgen...
Der informierte Künstler: um Längen präziser
#44: Ja, das ist wahr. Das ist immer die Nagelprobe. Die Praxis ist immer die Nagelprobe. Es gibt immer Leute, die mehr versprechen als sie halten. Und dann gibt es Leute, die, was sie heute nicht halten, morgen nicht einmal mehr versprechen. Mir persönlich sind ja auch die Leute am liebsten, die rigoros gar nichts versprechen und mehr halten, als sie jemals von der Politik und Medien gezwungen sein könnten, versprechen zu müssen. - Die sind aber, denke ich, rar gesät. Und für ein vorsprechendes Versprechen war das von Frau Tiedtke um Längen besser das gesamte Verantwortungsspektrum abdeckend, strategisch festgelegter und auch präziser formuliert als alle die Führungswechsler-Aussagen in den Medien der ganzen letzten Zeit, die man alle irgendwie austauschen kann in ihrem habituellen Tenor des heruntergeleierten publikumsgefälligen Theaterkunstklischees... JawirwollenvollkommenneuprovozierenddasPublikumdaabholenwoesistinunsererStadtdiewirunsschonjetztliebendüberliebendzueigengemachthabenundwirarbeitensupergernmitdenletztenbeidenvonunsverlängertenleutenvonhierzusammenblblablablablabla
Der informierte Künstler: nicht anecken
#46
Da bin ich ganz bei Ihnen, werte/r DR,

es gibt die, die viel oder nichts versprechen und die, die viel, weniger oder nichts halten. und?

Und, es gibt die, die nichts (ver)sprechen, weil sie gar nicht erst etwas sagen. Damit meine ich natürlich nicht Sie, werte/r DR.

Aber bitte:
Welches genau sind denn nun eigentlich die Botschaft und das besondere, neue Programmatische in Frankfurt? Ich kann es dem Interview nicht entnehmen.
Und was genau ist das neue Strukturelle, wenn alles so bleibt, wie bisher, mit einem Intendanten an der Spitze, etcetera p.p.?
Nichts.
Also, wer nichts will, wird auch niemals anecken, aber auch niemals mitreissen. Für Prognosen ist es noch viel zu früh. Aber selbst Schuld, wer so früh schon seine Unterwäsche aus dem Fenster hängt. Da hätte ein PR-Chef vielleicht anders beraten sollen....
Der informierte Künstler: finanziellen Status quo erhalten
Entscheidend ist der Punkt: Wie will eine Reform nicht als Sparmodell wahrgenommen werden?! Wie erhält man den finanziellen Status Quo ?!

Da würde ich zustimmen und mich ansonsten fleißig streiten wollen, auch mit Marion Tiedke.
Der informierte Künstler: Reform- vs. Krisenverwaltungs-Modelle
lieber martin baucks, liebe kollegInnen,


ich melde mich, um auf Ihren punkt des finanziellen status einzugehen:
selbstverständlich muss eine reform mindestens den finanziellen status quo erhalten und wenn möglich ausbauen, alles andere wäre nicht reform, sondern krisenkonzept.
so wie jüngst in mecklenburg-vorpommern, wo man 9 theater in 2 so artifizielle wie sinnlose staatstheater-konstruktionen hineinzwingt, mit nur einem ziel, über die nächsten 8 jahre die zuwendungen auf gleicher höhe halten zu können - was de facto kürzungen entspricht. denn die jährliche inflation von etwa 1,5 - 2,5% wird einfach unter den tisch gekehrt.

dass dort künstlerInnen, technikerInnen bis zu 120 km tingeln fahren müssen, wird am ende mehr geld kosten, als eingespart wurde. das modell habe ich immer wieder als negativ-beispiel zitiert.

die kulturpolitik - als aktivierende politik - macht sich also einfach aus dem staub. und gegen das gutachten der dort tätigen beratungsagentur hat nicht ein einziger intendant oder geschäftsführer interveniert! zumindest habe ich davon nichts lesen können.

ähnlich wie in halle. wo man fünf theater/orchester in eine gmbh-konstruktion gezwungen hat, und wo - wie auf nachtkritik zu lesen ist - die intendanten nicht einmal mitglieder der geschäftsführung, also de facto macht- und rechtlos sind. weil der geschäftsführer ein modell gestrickt hat, in dem alle macht von ihm ausgeht.
das ziel auch hier: stellen einzusparen, um die zuwendungen senken zu können.

diese modelle, halle, mecklenburg-vorpommern, sind KEINE reform-modelle.
es sind krisen-verwaltuns- und theater-abbau-modelle.

reform-modelle sollten mit dem anliegen einhergehen, die kulturpolitik zu gewinnen, um die reformen mit ZUSÄTZLICHEN finanzen zu stärken.

dass das möglich ist, zeigt das modell THÜRINGEN. der dortige, im vergangenen jahr geschlossene theaterpakt sieht eine steigerung der landesfinanzierung für die theater im zeitraum 2016 bis 2021 um 10 mio euro vor. das heisst, 2021 wird das land thüringen mit 76 (statt bisher 66) mio euro theater finanzieren.
zusätzlich gibt das land über diesen zeitraum 22 mio euro für eine stärkung der zusammenarbeit und für direkte kooperationen aus.

das kommt meinen vorschlägen einer Reform-Finanzierung, die hier als "illusorisch" abgetan werden, sehr nahe. der begriff illusorisch stört mich nicht. dass er fällt, zeugt davon, dass nicht mehr gedacht, entworfen, entwickelt werden darf. es geht schließlich darum zu zeigen, welche potentiale es gibt, darum, einen Möglichkeits-Raum zu entwerfen und zu eröffnen.

wenn wir uns hier immer wieder selbst begrenzen, immer nur die opportunen lösungen vorschlagen, werden wir die theater als organisationen nicht weiter entwickeln können; dann hinkt die organisation theater den künstlerischen entwicklungen auf der bühne weiterhin hinterher.
stellen Sie sich doch bitte eine theater-organisation vor, die strukturell und organisatorisch mithalten kann, mit den anforderungen an modernes, zeitgenössisches produzieren.

die bitte: die theater dürfen nicht aufhören, immer wieder bei der politik um erhöhung der zuwendungen zu bitten - dort wo sie gut begründet sind, und dort, wo durch diese zuwendungen reformen gestärkt werden.
deshalb muss die professionelle lobby-arbeit verstärkt werden, auch das ist besser über ein direktorium zu verwirklichen, als über eine überlastete intendanz, die sich künstlerischen aufgaben widmen sollte.

damit will ich sagen, dass die selbstverständlichkeit, mit der theater darauf warten, dass es schon passen wird mit dem geld, nicht zum erfolg führt. vor allem die bundesländer haben im moment finanziell ordentlich luft. die steuereinnahmen waren wieder einmal so hoch wie lange nicht mehr, warum sollte dann die kultur nicht auch mehr davon abbekommen? das sollte eine selbstverständlichkeit werden.
Der informierte Künstler: illusorische Forderung
Zu jedem "illusorischen" Reformmodell gehört ein Zeitrahmen, in der man seine Umsetzung planen und organisieren kann. Ein Zeitrahmen, der sich an gegebenen Tatsachen orientiert. Es ist ein Unterschied, zu sagen, die Gesellschaft muss jetzt grundlegend anders werden und dann muss u.a. das Theater so und so anders aufgestellt werden, im Beschäftigtenrecht, in der Finazierung und weiteren Finanzplanung, räumlich usw. Oder ob man sagt: ja, das muss hier jetzt alles notwendig anders werden und von den Änderungen kann man jetzt in diesem Zeitrahmen realistisch politisch das durchsetzen und in jenem Zeitraum das andere - Und wenn man das nicht tut, bleibt das schönste und beste Reformmodell Makulatur undoder einfach nur Ablenkung vom Anschwellen der gesellschaftlichen Trieb-Kraft die hinter berechtigten Forderungen sich aufbaut.
Und dann darf man auch das eher meckernde als durchschlganed überzeugende Modell zur Vernunft bringen und sagen: dieser Teil ist realistisch und sofort zu verwirklichen und jener Teil wird für die nächsten fünf oder drei Jahre zur schrittweisen Einführung geplant. Und wenn das nicht möglich ist in einem vorgestellten Modell, darf man es auch als illusorische Forderung, wie Frau Tiedtke das getan hat, bezeichnen. Und natürlich darf man sich auch gern mit ihr streiten wollen, denn ihre Theater-Praxis wird ja ihre getroffenen Aussagen sehr schnell überprüfbar machen und man kann sie dann daran messen und demzufolge besser diskutieren als von Theaterpraxis zu Akademischer Praxis. - Find ich gut.
Der informierte Künstler: Pilotprojekt
Lieber Thomas Schmidt,

ihren Ausführungen kann man über weite Strecken einfach nur zustimmen. Natürlich erleben wir die Fusionen von Theatern, als eine Kürzung des Kulturetats, und nicht als eine Reform. Ich habe einfach Schwierigkeiten damit, wenn jemand sich hinstellt, und das Frankfurter Mitbestimmungsmodell als „gescheitert“ bezeichnet, und mit diesem „Urteil“ auf heutige Reformbestrebungen reflektiert. Erst einmal war das Theater von Palitzsch in Frankfurt durchaus leistungsfähig. Immerhin gab es zwei Einladungen zum Theatertreffen, falls dies ein Maßstab ist. Peter Steins Modell war fraglos die Messlatte für alles, was seiner Zeit relevant war. Aber dies nur am Rande.

Zunächst einmal sollte man die Arbeitszeitreform für Schauspieler und Schauspielerinnen entkoppeln. Sie kann man getrennt von Direktoriumsmodellen erkämpfen.

Die eigentliche Reform der Strukturen sind nochmals eine andere Geschichte. Die heutige Bewegung ist ja nicht an Begriffe wie „Klassenkampf“ oder dem „Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital“ im besonderen geknüpft. Von daher ist Marion Tiedtke´s Bemerkung eher als flappsig zu bewerten. Das Modell, das Sie bevorzugen, speist sich ja eher aus der Welt des Kulturmanagements und nicht aus der des „Klassenkampfes“. Von daher bedeutet die Beendigung des Experiments von Palitzsch in Frankfurt, auf Grund schlimmer politischer Spannungen, für sie recht wenig. Man kann das nicht vergleichend heranziehen.

Was ich nur ständig als „illusorisch“ erachte, ist ein anderer Punkt. All die Reformüberlegungen kommen daher, als ob morgen ein neues Modell für Gesamtdeutschland umgesetzt werden würde. So sehe ich das überhaupt nicht. Ich meine, man müsse, wieder einmal, ein Modell als Pilotprojekt ausprobieren, oder sogar zwei oder drei, als eine Art Forschungsarbeit.

Einer sofortigen, flächendeckenden Umsetzung fehlt tatsächlich der Realitätssinn, da hat Tiedtke wiederum Recht.
Der informierte Künstler: zu einfach gemacht
All diesen Ausführungen zum Trotz sollte die Frage erlaubt sein, warum sich Herr Schmidt in seiner Zeit als Geschäftsführer in Weimar nicht so für Ensemble und "restliche" Mitarbeiter im Haus eingesetzt hat, Reformen / Verbesserungen angestoßen und / oder umgesetzt hat, wie es jetzt von ihm gefordert wird. Wenn ihm doch das hoch intelligente künstlerische Personal so sehr am Herzen liegt, wie man es nach seinen Ausführungen vermuten mag.
Meiner Meinung nach ist es doch sehr einfach, Theorien aufzustellen, ein Buch darüber zu schreiben und die praktische Umsetzung anderen zu überlassen und dabei als "Verteidiger der Entrechteten" aufzutreten.
Der informierte Künstler: nachgefragt
Woher wissen sie, was Schmidt in Weimar für die Mitarbeiter erreicht hat und was nicht? (…)
Der informierte Künstler: ja, nachgefragt!
ich wundere mich über die Kürzung. Es gab hier in Bern einen grossen OFFENTLICHEN Personalskandal, für den Intendant Märki verantwortlich ist. Wieso darf ich das nicht erwähnen? "Anna Amalia" darf ihren Autor Schmidt persönlich angreifen und unüberprüfbar behaupten er hat sich nicht für die Mitarbeiter eingesetzt, aber ich darf nicht die Vermutung entgegensetzen, dass er vielleicht solche Eklats verhindert hat? Ihr habt meinen letzten Kommentar zu einem Artikel über Märki überhaupt nicht veröffentlicht, der enthielt keine "unüberprüfbare Tatsachenbehauptung" und keinen "Angriff ad personam". Ich habe mich darin nur mit dem Artikel und Märkis Äusserungen zum Theater beschäftigt. Die hat er selbst "altmodisch" genannt und ich habe das bestätigt. Ausserdem habe ich dem negativen Bild widersprochen, das er öffentlich von Bern zeichnet. Warum darf man bei euch kein kritisches Wort über diesen Märki schreiben?

(Sehr geehrter Berner, es war eine Frage der Formulierung, die potentiell missverständlich war. MfG für die Red.: wb)
Der informierte Künstler: Finanzplan
@50, dann schreiben wir doch mal kurz einen Zeit- und Finanzplan auf. Es ist ja überhaupt nicht schwer. Und auch nicht teuer. Schaun Sie mal:

2017-2019
1.) Erhöhung der Mindestgage im NV-Bühne auf 2.100 Euro. Analog Erhöhung der neuen Gast-Mindestgage auf 300 Euro (ohne Ausnahmen), damit es kein Ausweichen in Gastverträge gibt.
2.) Festlegung der Arbeitszeiten von NV-Bühne-Beschäftigten auf max. 40 Stunden/Woche, Festlegungen eines festen Überstundenhonorars. Kontrolle der Arbeitszeiten durch den Betriebs-/bzw. Personalrat.
3.) Jedes Ensemble über 5 Mitgliedern wählt einen Ensemblesprecher, dieser ist für seine Amtszeit und 2 Jahre darüber hinaus vor Nichtverlängerung geschützt. Ab 9 Mitgliedern mindestens zwei Ensemblesprecher. Ensemblesprecher erhalten 'einfache Mitbestimmung' lt. Schmidt.

>>> Kostenschätzung: etwas über 4 Mio. Euro/Jahr für das gesamte deutsche Stadttheatersystem

2019-2022:
1.) Der DBV entwickelt gemeinsam mit den Gewerkschaften eine Einteilung der Häuser nach A,B,C,D-Kategorien, analog zu den Orchestern.
2.) Einführung von Mindestgagen-Tableaus im NV-Bühne: Kriterien sind die neue Kategorieeinteilung und die Berufserfahrung der Kolleginnen. Es entstehen vier Mindestgagentableaus:
a.) Anfänger bis 2 Jahre Berufserfahrung (A-Haus: 2.600 €, D: 2.100))
b.) 3-5 Jahre Berufserfahrung (A-Haus: 3.100 € )
c.) 6-10 Jahre Berufserfahrung (A-Haus: 3.600 €)
d.) über 11 Jahre Berufserfahrung (A-Haus: 4.100 €)
3.) Analog Steigerung der Mindestgage im Gastvertragsbereich.
4.) Festlegung von Vorbereitungspauschalen für Solisten, da Textlernen, Einstudierung von Arien und Choreographien, usw. bisher als "Freizeit" gelten.
5.) Einführung von ersten Partizipationsmodellen für Ensemblesprecher: Die 'erweiterte Mitbestimmung' lt. Schmidt wird eingeführt.

>>> Kosten: ca. 20 Mio. Euro/Jahr für das gesamte System

Ludwig von Otting hat mal gesagt: "Es gibt momentan 3.260 fest angestellte Schauspieler*innen und Sänger*innen an deutschen Stadttheatern. Wenn man davon ausgeht, dass die Hälfte unterbezahlt sind und dieser Hälfte einfach 1.000 Euro mehr pro Monat bezahlt, dann kostet das (bei 14 Monatsgehältern) pro Jahr insgesamt 23 Mio €. Für alle Theater."

Ein paar Vergleiche:
Allein das Staatstheater Hannover erhält einen jährlichen Zuschuss von über 55 Mio. €
Eine Tariferhöhung im Öffentlichen Dienst kostet allein das Thalia Theater Hamburg rund 600.000 Euro jährlich.

Und eine Sache fällt bei der Diskussion unter den Tisch. Wollen wir zufriedene künstlerische Mitarbeiter*innen am Theater, oder ist uns das egal? Wollen die Stadttheater als Arbeitgeber attraktiv bleiben? Wenn ja, sollten sie sich langsam mal was ausdenken. Die Freie Szene kommt mit Riesenschritten daher und hat inzwischen fast dieselben sozialen Standards erreicht (Honoraruntergrenze).

Also, lasst uns das endlich anfangen das Stadttheater zukunftsfähig zu machen. Ansonsten ist es bald weg.
Der informierte Künstler: naive Rechnung
Was ist das denn bitte für eine naive Rechnung für die Erhöhung der 1630 Schauspielgagen.?
Sind die Gagenerhöhungen der Schauspieler Arbeitgeber- Brutto? Sicher nicht. Da können sie die Summen mal mindestens getrost verdoppeln.
Und wo ist da die Gagengerechtigkeit der Schauspieler untereinander. Denn wenn die Gagen der unteren Gruppen angehoben werden müssen die Gagen der Betriebsälteren angehoben werden, um die Gagengerechtigkeit untereinander zu bewahren. Die müssten auch 1000€ mehr bekommen.

Heisst bei einem Theater 12 Schauspieler x 2000€ AG Brutto x 14 Monate macht336.000 pro Theater pro Saison. Das entspricht ja mal locker dem künstlerischen Etat eines kleinen Theaters.


Wer zahlt das? Die Theater aus ihrem Etat? Die Kommunen aus dem Kulturetats der Städte und Landkreise?
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