Langjähriger SZ-Kritiker Joachim Kaiser ist tot
"Mit missionarischer Leidenschaft"
München, 11. Mai 2017. Der langjährige Feuilletonchef und Kritiker der Süddeutschen Zeitung, Joachim Kaiser, ist tot, das meldet die Zeitung. Kaiser, 1928 in Ostpreußen geboren, war seit 1959 leitender Redakteur der Zeitung. Er zählte zu den einflussreichsten deutschsprachigen Musik-, Literatur- und Theaterkritikern, war Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland und neunzehn Jahre lang Professor für Musikgeschichte an der Hochschule für Musik und Darstellende Künste in Stuttgart. Kaiser verstarb heute in München.
Im Nachruf schreibt Andrian Kreye in der Süddeutschen Zeitung: "In den ersten Jahren bei der SZ war Joachim Kaiser noch ganz der klassische Feuilletonist. Es gab kaum ein Thema, über das er nicht geschrieben hätte. (...) Sein enormer Bildungsschatz sorgte selbst bei Themen, die ihm fremd waren, dafür, dass er nie dilettierte." Schon bald sei Kaiser neben seinem Freund und Konkurrenten bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Marcel Reich-Ranicki, einer der Kritiker gewesen, die den Kanon der Bundesrepublik bestimmten. "Sie hatten eine wichtige Rolle zu spielen. Bildung und Hochkultur waren im Nachkriegsdeutschland für das Bürgertum gleichzeitig Flucht und Rettung aus einer finsteren Vergangenheit." Kaiser führte seine Leserschaft mit einer Eleganz in neue Höhen der Kultur, die ans Missionarische grenzte. Er sei nie ungerecht gewesen, aber er konnte grausam sein. Viele große Musiker begleitete er über die Jahre, "er konnte aber nicht nur den musikalischen Kontext herstellen. Stardirigent Herbert von Karajan etwa war für Kaiser immer auch ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Phänomen."
(sik)
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