Der blinde Fleck

2. Juni 2017. Wie halten sie's mit den Schauspieler*innen? Diese Frage kam immer wieder auf im Zuge der Debatten um die beiden neuen Intendanzen in Berlin. Ohne festes Ensemble starten an der Volksbühne Chris Dercon und Marietta Piekenbrock in die nächste Spielzeit. Oliver Reese versammelt am Schiffbauerdamm eine Riege hochkarätiger Spieler*innen, allerdings mit monochronem Hintergrund. Wie viel Diversität ein Stadttheater-Ensemble nötig hat, diskutieren Nikolaus Merck und Elena Philipp im Podcast.

 


 

ElenaNiko2 560 ZoroIm Gespräch über den Ensemble-Begriff: Die nachtkritik.de-Redakteur*innen
Elena Philipp und Nikolaus Merck © sle



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Kommentare  
Podcast Ensemble: gehe wegen der Schauspieler
Nee, Herr Merck, ich glaube, Sie gehen da etwas zu sehr von Ihrer eigenen Spezies eines Feuilletonisten aus. Selbst wenn ich "in einen Thalheimer" gehe, gehe ich da vor allem rein, weil da vielleicht Constanze Becker mitspielt. Für einen Kartenkäufer ist das viel entscheidender. Wenn ich "in einen Castorf" gehe, schaue ich zuerst mal nach, ob da auch Sophie Rois oder Alexander Scheer mitspielen. Wenn ich "in einen Peymann" gehe, schaue ich erstmal nach, ob da auch Carmen-Maja Antoni mitspielt. Zuschauer, die nicht in einer Premiere sitzen, sondern ganz reguläres Publikum sind, applaudieren am Ende den Schauspielern zu, nicht dem Regisseur. Da sind Schauspieler entscheidend und der Raum, in dem sie das Schauspiel gesehen haben. Das heißt ja nicht, dass der Regisseur keine Rolle spielt, gerade wenn es sich um prägende Namen handelt. Die Volksbühne mag da eine Ausnahme sein. Aber sehen Sie sich das Beispiel "Glückliche Tage" im Deutschen Theater an. Von allen Kritikern zerrissen. Und jede Aufführung ist ausverkauft, weil die Zuschauer Dagmar Manzel sehen wollen.

(Lieber Herr Waßmann, sagte ich nicht gerade genau dies? Die Leute gehen wegen der Schauspieler. Ja. aber die ästhetische / inhaltliche Linie wird nicht von den Schauspielern geprägt. Binnen der letzten 100 Jahre immer weniger. Vielleichti st das unterkomplex, weil das ensemble eben genau Schauspielerinnen und Kostümbilderinnen und Bühnenbauer und Regisseurinnen umfasst? Was denken Sie?)
Podcast Ensemble: Ensemble = Truppe?
Warum ziehen auch sie so eine starke Grenze zwischen Schauspielern/Darstellern, Regie, Intendanz und Dramaturgie? Macht nicht gerade diese Zusammenstellung ein Ensemble aus? Anders gesagt die Konstellationen unter den NV solo Beschäftigten(am sogen.Stadttheater) prägt doch eine Epoche an einem Haus. Regisseure'innen arbeiten doch dann oftmals am besten wenn sie ihre sogen. Familien gefunden haben, die sich gegenseitig befruchten, bestes Beispiel am BE jetzt: Thalheimer,Becker,Altmann,etc. Und hat nicht ein Haus im besten Fall mehere sich vielleicht überscheidende familien, Banden oder Bands über eine länger Zeit zu Gast?
Und das ist doch im Grunde genommen, genau das was an den Produktionshäusern (passenderer Begriff als frei Szene) passiert, nur ohne (!) das Leute zusammenarbeiten müssen, die kein Interesse aneinander und am verortneten Stück/Stoff haben (was meistens der Grund für viele mislungene oder äusserst mittelmässige Stadttheaterproduktionen ist)
Podcast Ensemble: Verantwortung
Ich finde, die Diskussion um authentische Erfahrungen, die weiße Schauspieler*innen so nicht haben, geht am Kern der Sache vorbei.

(Und ist übrigens auch rassistisch. Das einzige, was People of Color teilen, sind Erfahrungen mit Rassismus. Sonst gibt es den Professor*innensohn aus Bielefeld genauso wie das tamilische Kind der Reinigungsfachkraft, das erst vor drei Jahren nach Deutschland gekommen ist.)

Ein Ensemble sollte aus einem anderen Grund nicht zu "weiß" sein:

Wir leben in einer Gesellschaft, die strukturell rassistisch ist. Dafür spricht die Tatsache, dass auch Nikolaus Merck, auch ich, erst auf den zweiten Blick überhaupt bemerken, dass alle Schauspieler*innen weiß sind.

Und wir (Wir = weiße Mehrheitsgesellschaft) reproduzieren im Theater diese Schieflage, wenn wir immer nur weiße Schauspieler*innen besetzen. Wir reproduzieren sie auch, wenn wir PoC nur Rollen spielen lassen, die anscheinend etwas mit ihrer Hautfarbe zu tun haben. Wir erhalten Sehgewohnheiten aufrecht, in denen PoC nicht vorkommen, nichts erzählen, nichts zu sagen haben.

Und noch simpler geht es um ökonomische und künstlerische Teilhabe. Wenn Oliver Reese keine PoC-Schauspieler*innen einstellt, dann haben PoC-Schauspieler*innen auch schlechtere Chancen, Jobs zu bekommen.

Ein Theater wie das BE ist diesbezüglich in einer besonderen Verantwortung, weil kleinere Bühnen möglicherweise dem Beispiel folgen und weil das BE Bilder erzeugt, die eine größere Reichweite haben.
Podcast Ensemble: kein Transkript
Interessante Thesen, leider nicht als Text verfügbar - warum liebe nachtkritik liefert Ihr kein Transript wie zum Beispiel das D-Radio?

(Lieber J.A., wir würden ja auch gerne, aber manche Dinge kosten einfach viel Zeit. Die wir dann wieder für andere Sachen brauchen. Aber danke für die Anregung, wir diskutieren das noch einmal. Herzlich wb)
Podcast Ensemble: Brechts Erbe
Liebe Nachtkritik, die Kritik an der Zusammensetzung dieses Ensembles ist korrekt, nur ist sie etwas VIEL zu betuchlich formuliert. Die Zusammensetzung des Ensembles auf diese Weise, in dieser keimfreien und dadurch deutschtümelnden Zusammensetzung, gehört defintiv nicht in den Rahmen "künstlerischer Freiheit" von Oliver Reese. Helene Weigel und Bertolt Brecht und ihre MitstreiterInnen waren von 1933 bis 1949 Flüchtlinge. Danach waren sie eine freie Gruppe und haben dieses Haus 1954 bezogen. Brecht hat den grössten Teil seiner legendären Stücke als Flüchtling . und in nicht in Deutschland geschrieben. Das BE ist also zwingend einem gedanklichen und humanitären Erbe verpflichtet, das die Realitäten von Flucht, Migration, Integration nicht ignorieren DARF. In diesen Tagen hat sich ein BE - also das Weigel/Brecht-Theater - einem internationalen, multi-ethnischen, von Diversität geprägten Theater zu verpflichten, inklusive einer Zusammensetzung eines Ensemble, das die gesellschaftlichen Realitäten spiegelt. Dieses Erbe wird nun mit mit Füssen getreten, wenn einem auf der Website des neuen BE's auf diese Weise auf aggressive Weise nur die Gesichtsfarbe "Weiss" ins Gesicht springt (https://neu.berliner-ensemble.de/). Zudem fehlen - meiner Auffassung nach - auch programmtische Bekenntnisse zu einem Theater, das sich einer Innovation und einem modernen Theaterverständnis verpflichtet (das sich wiederum gegen Irrationalismen wie Rassismus wendet). Dieser museale SchauspielerInnen-Begriff von Oliver Reese ist nicht Brecht'sch. Ich wünschte mir, dass ein grosser Teil linker Theaterschaffenden nun zusammenkommt und dieses schöne und tolle Theater zurückfordert. Oliver Reese hat meiner Auffassung mit dieser Pressekonferenz gezeigt, dass er Brecht und Weigels Erbe ignorieren will. Es sollen nun besser formulierende, klügere, gebildetere von mir auch diplomatischere - am besten: mächtigere Stimmen - sich in diese Diskussion einmischen. Das geht so nicht. Das ist der viel grössere Skandal als der Neuanfang an der Volksbühne. Let's roll.
Podcast Ensembles: Team Reese als Platzhalter bis ein neuer Brecht kommt
Abgesehen davon, dass ich das "Bertolt Brecht und die Seinen auf der Flucht"- Argument sehr gut - nein, Herr Schwarz, sogar ausgezeichnet! finde - verstehe ich nicht wie sie das mit "keimfrei" meinen. Und auch nicht, wie Sie von vermeintlich vorhandener "Keimfreiheit" auf "Deutschtümelei" schließen??? ...
Einen Skandal sehe ich hier am BE nicht. Ich sehe aber bei Reese auch kein intellektuelles Abenteuer und auch keinen Brecht adäquaten Geist am Wirken. Den habe ich aber auch - bei allem Respekt vor dem großen alten Zampano - auch bei Peymann nicht gesehen. Es wird eben nicht in jedem Jahrzehnt ein Brecht geboren oder ein Müller oder selbst ein Bernhard oder eine Jelinek. Ich hoffe, Sie verlangen bei dieser Seltenheit nicht auch noch eine antirassistische Hautfarbenquote bei den deutschsprachigen Theater-Dichtern... Oliver Reese wird da also Platzhalter sein müssen wie schon Peymann vor ihm und ich wünsche ihm und seiner Mannschaft, dass er allein diese Rolle erst einmal bewältigt. Was ich nicht verstehe, ist Rinkes Mitarbeit, ohne dass er selbst ein Stück von sich im ersten Programm hat.
Programmatische Bekenntnisse fehlen mir nie. Im Gegenteil, ich finde sie oft überaus ärgerlich. Bekenntnisse sind überflüssig wie ein Kropf, was zählt ist, was einer tut.
Podcast Ensembles: Diversität ist nicht gleich Ethnizität
1. Es ist gut, dass über die Diversität in Ensembles nachgedacht werden wird. Aber müssten hier nicht endlich auch andere Punkte als die Kategorien Ethinizität/Hautfarbe/... auf den Plan gebracht werden? Natürlich ist Diversität auch in dieser Beziehung essentiell, aber wer fragt zum Beispiel nach Ensembles, die auch Menschen mit diversen Migrations- und Rassismuserfahrungen, sondern mit (ebenso diversen) Behinderungen fest engagieren?

2. Diversität auf der Bühne ist das eine, wo bleibt die Diskussion um die Diversität (und auch hier sollte es nicht nur um Ethnizität gehen) des gesamten künstlerischen Personals (Regie, Dramaturgie...)?
Podcast Ensembles: ganz normales Ensemble
Ich würde jetzt mal sagen, Constanze Becker und Stefanie Reinsperger sind die einzigen großen Namen im BE-Ensemble. Und um sie herum werden auch die Besetzungen organisiert werden. Der Rest ist ein herkömmliches, normales Ensemble. Es wird wohl sehr viele Gäste geben. Sehr viele.
Podcast Ensembles: Neo-Naturalismus
Die Forderungen nach Authentizität und Diversität in einem Ensemble sind einem Neo-Naturalismus geschuldet, der den Kunstcharakter des Theaters negiert. Es ist die Rede von den Brettern, die die Welt bedeuten und eben nicht sind! Ein Ensemble sollte nach Leistungskriterien engagiert werden. Können sollte entscheidend sein, nicht Herkunft und Hautfarbe. Was nützt ein Ensemble, politisch korrekt zusammengestellt, mit dem man einen Shakespeare oder Schiller (andere Autorennamen können eingesetzt werden) nicht besetzen und bewältigen kann? Ich höre schon den Vorwurf des Rassismus, sei es drum.
Was das BE angeht, warten wir doch erst einmal die ersten Inszenierungen ab und urteilen dann. Der Verweis auf die Tradition ist legitim, aber Theater lebt von Veränderungen, Entwicklungen. Ob die zu etwas Neuem oder gar Besserem führen, das ist schon wieder ein anderes Thema.
Podcast – Ensembles: was sind Leistungskriterien?
Zu 9

" Ein Ensemble sollte nach Leistungskriterien engagiert werden...".
Aha. Können Sie vielleicht näher ausführen, welche Kriterien das sind? Das gute Sprechen? Der schöne Körper? Ernsthaft, ich habe keine Ahnung, wovon Sie da schreiben. Oder haben Sie das BE mit der Berliner Hertha verwechselt?
Podcast Ensembles: Leistungen der Schauspieler
@10
Muss ich Ihnen das wirklich erklären, welche Leistungen eine Schauspielerin, ein Schauspieler erbringen muss? Sie scheinen nicht vom Fach zu sein.
Grundvoraussetzung ist die Beherrschung des schauspielerischen Handwerks (z.B. einen Text gut sprechen, d.h., gestalten können, Körperbeherrschung, singen, tanzen). So etwas lernt man nur an guten Schulen (vor allem staatlichen), weshalb ich dafür plädiere, dass sich nur diejenigen Schauspieler nennen dürfen, die eine entsprechende Ausbildung vorweisen können. So weit ich weiß, ist der Begriff "Schauspieler" nicht geschützt, jeder darf sich so bezeichnen.
Es gibt eine lange Geschichte des Bemühens von Theaterleuten um die Professionalisierung des Berufes. Ich habe heute die Befürchtung, dass das professionelle Niveau gefährdet ist, wofür es viele Gründe gibt. Eine Gefahr wäre die Zusammenstellung eines Ensembles nicht primär nach künstlerischen, sondern nach außerkünstlerischen Kriterien. Vielleicht sehe ich aber auch zu schwarz.
Podcasts Ensemble: es geht um Repräsentation
@Exmecklenburger

Lesen Sie dich bitte #3 und verstehen Sie dann, warum es nicht um "naturalistische" Besetzung geht. Es geht um Repräsentation. Es schadet unserer Gesellschaft, wenn "Mensch" fast immer als "weißer Mensch" gedacht wird und Leute mit anderen Hautfarben nur als vermeintliche "Fremde" und "Andere" vorkommen.
Podcast Ensembles: Gegenbeweis
@ 11

So, ich habe mir nun die Mühe gemacht, um anhand des repräsentativsten diversen deutschen Stadttheaters, dem Gorki, festzustellen, ob sich Migrationshintergrund bzw. Hautfarbe und eine gute, staatliche Ausbildung auschliessen. Die Antwort ist natürlich nein. Tut sie nicht. Ausnahmslos jeder Schauspieler dieses Hauses hat eine - wie sie postulieren- anständige Ausbildung an einer staatlichen deutschen Hochschule genossen.
Man könnte ja nun weitergehen und vielleicht sogar behaupten, dass-wie auch immer definierte- Diversitäten eher noch einen Mehrwert darstellen könnten. Vielleicht sehe ich aber auch zu weiss.
Podcast Ensembles: starten lassen
Kann man nicht einfach mal Herrn Reese und seine Truppe die Spielzeit starten lassen, ohne sich den Kopf zu zerbrechen, auf welche Dinge und welche Ausgewogenheiten und welche Schwerpunkte er und sie zu achten haben?
Podcast Ensembles: am Beispiel des BE
@ 14
Ich glaube, dies hier ist nicht speziell Reese Thema. Da haben Sie sich vermutlich vertan. Hier geht es am Beispiel des neuen Ensembles des BE um die grundsätzliche Frage, ob Ensembles per se mittlerweile divers sein sollten oder nicht.
Podcast Ensembles: keine Gleichstellungsbehörde
Ein Theater ist keine Gleichstellungsbehörde und jegliche Quote ein sicherer Kunstkiller,
Ein Theaterleiter ist dazu berufen, exakt die Schauspieler einzustellen, die er für geeignet hält.
Podcast Ensembles: Statement der Abschottung
@ D. Rust: Liebe Frau Rust, ja, sie haben natürlich recht, das muss ich erklären, wie ich das mit "keimfrei" meine. Ich meine damit die Ausstrahlung dieser neuen BE-Website - mit diesen SchauspielerInnen, die mit dieser öffentlichen-rechtlichen deutschen Vorabend-Serie-Keckheit in die Kamera schauen. Ja, das ist sehr bieder und gemahnt an die sauber geschnittenen Gärten in den privilegierten (weissen) Vororten unserer Städte. Das empfinde ich als "keimfrei" - ich habe - wenn ich mit diese Ästhetik zugute führe - Assoziationen an Ameisengift-Körner auf sauberpolierten Steinchen in wohlsortierten Gärten.

@14: Nein, man darf nun Herrn Reese nicht "einfach mal machen lassen". Die engagierte Zivilgesellschaft, die das Erbe Weigels und Brechts hochhalten will - ein Erbe das sich in der Instituion BE bündelt - muss nun endlich wieder Ansprüche stellen an dieses Theater. Es geht nicht nur um die Integration von migrantischen Positionen. Bertolt Brecht (& Ruth Berlau, die man in dem Zusammenhang immer auch erwähnen muss) arbeiteten in den USA auch mit dem (schwulen) Kommunisten Charles Laughton zusammen und ihr Galileo von 1947/1948 in Hollywood und New York war auch ein Manifest gegen den irrationale, antikommunistischen Wahn, der damals in den USA herrschte. Ein Berliner Ensemble, das 2017 einen solchen Spielplan und ein solches Ensemble ankündet - und das zu Zeiten von triumphierenden rassistischem genderfeindlichen Populismus hat total versagt. Ein solches Statement zu Abschottung und "guter deutscher Schauspielkunst" ist dem BE nicht würdig.

@11: In einer Stadt wie Berlin muss man auch englischsprachige SchauspielerInnen in ein internationales Ensemble integrieren. Der Fokus auf die Sprache "deutsch" ist extrem aussschliessend - ja, ein Bekenntnis zum "Nationalen", das dem BE nicht ansteht. Das BE muss ein Theater sein, dass sich gegen jegliche Kriterien des "Nationalen" stellen MUSS (Grosschreibung ist hier angebracht)
Podcast Ensembles: Pflege der Muttersprache
@17
Beneidenswert wer wie Sie, Herr Schwarz, so selbstgewiss ist. Sie verwerfen das Nationale, was ich für einen Fehler halte, den die Linke und andere seit Jahrzehnten begehen. Ist man sich nicht über sein Verhältnis zur Heimat (wieder so ein Schreckenswort) klar, wird man nicht wirklich ein Europäer oder gar ein Weltbürger sein können. Unsere Sprache ist nun mal Deutsch und nicht Englisch. Sprachmischmasch (Denglisch), der oft falsch oder unfreiwillig komisch ist, haben wir in der Werbung und leider auch im Alltagsgebrauch viel zu viel. Damit will ich nichts gegen Aufführungen in Originalsprache sagen. Als Dramaturg betreute ich oft Opernaufführungen in Italienisch, Russisch oder Französisch, schrieb die deutschen Übertexte dazu. Im Schauspiel, das mag für viele extrem konservativ anmuten, plädiere ich für die Pflege und Weiterentwicklung unserer Muttersprache, schließe alle Experimente in dieser Hinsicht ein.
Die Verwendung von Anglizismen wirkt auf mich zumeist wie der misslungene Versuch, gewollt lässig (ich schreibe bewusst nicht cool) und weltläufig zu wirken. Der erwähnte Bertolt Brecht arbeitete gern mit Anglizismen, aber wenn man der Überlieferung glauben darf, sprach er nur ein mäßiges Englisch. Aber das sei nur am Rande erwähnt.
Podcast Ensembles: unzeitgemäße Aussagen
Lieber Ex-Mecklenburger, was meine sie mit "unserer" Sprache? Wer ist dieses "wir"? Meine Sprache ist genauso englisch wie französisch, wie deutsch. Es gibt keine Sprache die "mir" gehört. Und ich gehöre auch keiner Sprache an. Ich spreche vielleicht die eine Sprache ein wenig flüssiger als die andere. Mehr nicht. Ihre Aussagen sind schon sehr verwirrend und unzeitgemäss. Ich weiss nicht genau, was sie sagen wollen. Sicher sind Begriffe wie "Heimat" total ungeeignet, um sich über Brecht-Theater (und das BE) sinnstiftend und konstruktiv auszutauschen. Weigel/Brecht hatten nach 1933 nie mehr so etwas wie eine "Heimat" (und schon vorher flüchteten sie vor diesem Begriff) - sie höchstens eine solidarische Gemeinschaft mit seinem Team, das ihnen immer wieder so etwas wie "Heimat" herstellte. Brecht entwickelte in den USA mit Laughton den amerikanischen Galieo - obschon die beiden sich so gut wie nicht verstanden. Die daraus entstandene amerikanische Fassung übersetzte Brecht dann ins Deutsche zurück für die deutsche Uraufführung in Berlin. Das Galieo-Projekt 1956 am BE gezeigt war ein Fanal gegen die atomare Aufrüstung und den amerikanischen und sowjetischen Irrationalismus. Dieses Beispiel zeigt die Messlatte an, die für das BE gelten müsste. Internationale Kooperation. Nicht Heimattümelei. Ich bin übrigens auch nicht "selbstgewiss"... ich beziehe mich auf Fakten. Die permanente Verunsicherung durch das Fremde, Nicht-Vertraute, Neue war eine Konstante bei der Arbeit des Brecht-Teams. Diese 80'er Jahre Zusammensetzung des neuen BE-Ensemble ist aber ein Surrogat - eine Heimat-Blase - eine unzeitgemässe rückwärtsgewandte Verweigerung der Moderne und Postmoderne. Das BE ist defintiv nicht das "Botho Strauss-Theater". Für solche Raumsaucen-Ästhetiken sind die Privat-Theater zuständig (und evtl das DT).
Podcast Ensembles: zwei Punkte
#18 Wer sehr viel mitzuteilen hat und in seinem Denken über sehr große metaphorische Rahmen verfügt, tut auch gut daran, in der internationalen Verständigung auf dem Gebrauch seiner Muttersprache und sehr gute Übersetzer zu beharren. Natürlich ist es schön, im alltäglichen Bereich sich in einer Fremdsprache oder gar mehreren Fremdsprache nahezu ad libitum weltweit verständigen zu können. Tiefergehende Problemerörterungen wie beispielsweise philosophische sind so jedoch nur mit großen großen inhaltlichen Verlusten möglich. Das wird sehr häufig weit unterschätzt. Auch in Deutschland zum Beispiel kann man das in nahezu jedem Studienfach beobachten. Die üblich gewordene englischsprachige Erörterungen innerhalb eines Fachgebietes durch internationalen Studentenaustausch hat oft einen absurden Rückschritt in den Studien-Ergebnissen zur Folge. Es ist wichtig, dass Studien international ausgetauscht werden können. Hier soll das Englische heute leisten, was in früheren Zeiten das Latein geleistet hat. Mit einem Unterschied: Latein war internationale WISSENSCHAFTSsprache, aber als Alltagssprache eben eine tote Sprache. Die Bedingungen der interdiziplinären Verständigung waren mithin für alle am Diskurs Beteiligten die gleichen. Heute sind durch diese neue Üblichkeit die englischsprachigen, sonders die amerikanischen, Studien über die Maßen dominant. Hören Sie einmal in die Erörterungen - gleich welcher Wissenschaft - von Studierenden oder im universitären Lehrbetrieb verbliebenen frisch Graduierten - da werden sie mit beinahe 95 % amerikanischen Belegbeispielen von Studien bombardiert. Das ist für die nationalen, staatlich geförderten Wissenschaften in anderssprachigen Ländern sehr abträglich. Es verflacht die wissenschaftlichen Inhalte, die an einzelnen Orten wegen der national-wissenschaftlich traditionell angearbeiteten Kapazitäten größer sind, als sie ohne Extra-Übersetzung nur über das Englischsrpachige verbreitet werden können. Es funktioniert wie eine Art Selbstzensur durch übervorteilten Fremdsprachengebrauch.
Im Übrigen: ich gebrauche - des Englischen nicht so mächtig, als dass ich es ohne Intensivlernen (by doing) auch nur im Alltag gebrauchen würde - sehr gern Anglizismen wie "cool" oder "okay" oder "by the way" o.ä. - Aber: es geht nicht ohne lässige Ironie oder leichten bis mäßigen Spott dabei, manchmal auch als Anbiederung an echten oder nur imitierten Alltags-Jugendslang... Das ist jedoch etwas, das man nicht ab-lesen, sondern lediglich abhören oder -sehen kann. Das wiederum könnte als alltäglichen Sprachgebrauch nur ein*e Schauspieler*in übersetzen:) Denn Übersetzer oder Lektoren verstehen davon gar nichts- Ich glaube, nicht einmal Dramaturgen verstehen davon etwwas ...
#17: Lieber Samuel Schwarz: Versuchen Sie doch einmal, erst einmal darüber nachzudenken, was Sie wirklich meinen, bevor Sie etwas sagen oder schreiben, und sagen oder schreiben dann, was Sie meinen.
Das ist doch ein sehr großer Unterschied, ob einem eine Website durch Ameisengift "keimfrei" gemacht in ihrer Ausstrahlung vorkommt, oder die Menschen, die auf ihr abgebildet werden! - Und es ist ebenfalls ein großer Unterschied, ob man in etwa Probenprozess solche Dinge im intimen Schutzraum des Theaters so etwas Spontanes sagt oder eben hier so etwas spontan Gedachtes schreibt- Ich finde, Sie sollten sich nicht nicht so aufregen. Sie belegen das alles selbst so eindrücklich: Das Berliner Ensemble als Brecht-Ensemble war überall da, wo Brecht gearbeitet hat. Und da war es gleich, ob das in Amerika, in Finnland, Dänemark, der Schweiz oder halt in Deutschland war - Und so würde das auch heute sein, lebte er. Neues Berliner Ensemble heißen und Neues Berliner Ensemble sein sind nicht notwendig dasselbe und auch nicht auf dieses Theaterhaus zu verkürzen. Das ist halt ein - zugegeben für Theater sehr geeignetes - Gebäude. Und wie wir wissen, gehört und gehörte es nicht unbedingt vollkommen zweifelsfrei der Stadt Berlin...
Podcast Ensembles: Nebengeleise
@D.Rust. Danke für die Kritik. Aber ich denke, innerhalb des poetischen Systems meiner Aussage war es ganz klar, was ich meinte mit der keimfreien Ausstrahlung der Website. Ich fände es wirklich grossartig, sie könnten sich jeweils etwas prägnanter und kürzer fassen. Wenn eine inhaltliche Dringlichkeit besteht, versteht man sich zudem oft auch durch Einsatz aussersprachlicher oder poetischer Kommunikation. Zudem schreiben wir hier ganz sicher keine wissenschaftlichen Dissertationen. Ihre Beispiele aus der Uni lenken total von dem Thema ab. Und das Beispiel von Laughton/Brecht zeigt auch, dass - wenn der Wille da ist - es gerade am Theater ganz sicher keinen Fokus auf "Heimatsprachen" braucht, sondern die Freude an der Sprache, und die Dringlichkeit des Themas reichen aus um Grosses zu schaffen. wenn hier weiter so weitergeschwurbelt wird über "Heimatsprachen" und andere Nebengeleise, verliere ich die Lust an dieser Diskussion. Was auch nicht so tragisch wäre. Es gibt sicher andere, die da gerne noch was schreiben.
Podcast Ensembles: Poesie und System
@Samuel Schwarz: Ich rede nicht (nie) von "Heimatsprache", sondern von Muttersprache. Das ist konkret die Sprache, die jemand durch seine Mutter bzw., die e n g s t e frühkindlich prägende Bezugsperson erlernt hat. Weil ihn neuronal dieser frühkindliche Spracherwerb für den Rest seines Lebens und jedes weitere, auch eigenständig erwachsene Lernen, konditioniert. Und das lenkt hier nur Sie offenbar entnervend vom Thema ab... Wenn es aber um Brecht geht, geht es um Dichtung. Bis ins Theater hinein um Dichtung. Da hat Sprache ja was mit zun tun.
Ich habe in Ihrer ersten obigen Aussage wenn ein System, dann kein poetisches System erkannt.
Lag das an mir, weil ich es nicht erkennen konnte?
Oder an Ihnen, weil es sich möglicherweise um ein System, aber durchaus kein poetisches handelte?
Ist Poesie überhaupt ein System?
Warum heißt Poesie dann nicht einfach System statt Poesie?
Niemand, lieber Samuel Schwarz, fände es großartiger als ich selbst, wenn ich mich so kurz und prägnant fassen dürfte, wie ich es nachweislich kann. Jeder Kommentar hier ist nämlich für mich ein poetischer und daher persönlicher Rückschritt. Allerdings ein inzwischen besser sichtbarer.
Podcast Ensembles: Verteidigung und Angriff
Liebe (r) D. Rust,


S. Schwarz hat relativ deutlich seinen Standpunkt erklärt. Nichts davon erscheint in irgendeiner Weise unreflektiert bzw. undurchdacht.Im Gegenteil. Das Ameisengift hätte ich vielleicht durch aseptisches Natriumchlorid ersetzt, aber nun gut.
Im Gegensatz dazu schweifen Sie tatsächlich vom Thema ab und starten quasi eine Genealogie der Sprachen und deren Verwendung. Zu weit hergeholt. Eher bin ich aber etwas erschrocken über die Kommentare eines Exmecklenburgers, die von Deutschtümelei und , ich will beinahe sagen, nationalistischerm Hochmut durchsetzt sind.
Podcast Ensembles: kein ewiggültiges Anrecht
Engste frühkindliche prägende Bezugspersonen. Ja, das erinnert nun ein wenig an den "kaukasischen Kreidekreis" - und ein bisschen führt das vielleicht wieder zu den angerissenen Themen zurück. Aber wirklich nur, wenn man sich ganz fest Mühe gibt. Das sollten wir nun aber. Ich verstehe diese Verschleierungstaktik nicht. Zu ihrem Statement #18. Das BE bezieht sehr viele Fördermittel, gewiss, weil dieser Name einer gewissen Theater-Tradition verpflichtet ist. Wenn sich dieses Theater nun aber neuerfinden möchte, das heisst, sich von der Brecht- Tradition entfernen will und sich als eine Art "Heimattheater deutsch sprechender weisshäutiger Schauspieler" neu legitimieren will - und sich dabei auf Aufführungstraditionen von Botho Strauss, Moritz Rinke, Dieter Wedel und Gustav Gründgens beruft, gut, dann soll es dafür Mittel beantragen. Aber 2019 - wenn 70Jahre Berliner Ensemble Gründung gefeiert wird, dann soll es sich mit diesem Ansatz dann bitte nicht auf Weigel&Brecht berufen. es gibt keine ewiggütiges Anrecht auf Fördermittel... und es gibt auch kein göttliches Anrecht gewisser Intendanten auf "Brands". BE ist ein "Brand" (um diesen ökonomischen Begriff zu bemühen). Wenn Oliver Reese sich um das auklärerische Konzept von Weigel/Brecht etc foutiert, dann soll es für "Theater am Schiffbauerdamm" mit deutschnationalem Konzept neu Gelder beantragen.
Podcast Ensembles: Sprache
#Ja, nehm ich auch an die Kritik, was die Kritik an Samuel Schwarz betrifft. Mich hat vor allem gestört, dass er Keimfreiheit und Deutschtümelei ineinsgesetzt hat und ich das auch noch als poetisches System begreifen soll. Und seine Behauptung, was alles für Reese und sein Team sein "muss". Wenn er so genau weiß, was alles sein "muss" im Namen Brechts in diesem neuen BE-Team, hätte er sich doch um die Intendanz bewerben können und es besser machen. Hat er?
Und wenn jemand so strikt Reese-Ensemble vs Brecht-Ensemble mit Brecht argumentiert, dann argumentiere ich selbstverständlich mit der Verwendung von Sprache(n). Weil Brecht als Ensembleleiter nun einmal Dichter war. Erst Dichter und dann zusätzlich Ensembleleiter. Da ist die Sprache kein schmückendes oder lästiges Beiwerk, sondern durch und durch Hauptarbeitsmittel. Brecht ist aus seinen dezidierten Haltungen zur Welt heraus zu seiner Sprache gekommen und wegen seiner Sprache auf der Flucht gewesen, und er hat wegen seiner ganz persönlichen Dichtung notwendig Theater gemacht und alles andere an seiner Entwicklung resultierte daraus. Auch das Ensemble, das er um sich versammeln konnte und das sich um ihn sammelte. Deshalb ist das kein Abschweifen, sondern nur besonders rigoros am Thema.
Podcast Ensembles: sein lassen
@23
Sie scheinen Texte nicht lesen zu können, daher lohnt sich für mich eine Diskussion mit Ihnen nicht. Leider mache ich auch bei Ihnen die Erfahrung
des reflexhaften Reagierens auf bestimmte Begriffe. Unterstellungen sind das Gegenteil von Diskussion, also lassen wir es.
Podcast Ensembles: über das Berliner Ensemble diskutieren
@D. Rust. Ja, gerne beim Thema BE bleiben. Ensembleleiterin des BE war im übrigen von 1949 bis 1971 Helene Weigel - und nie Bertolt Brecht. Lasst uns also nun über das "Berliner Ensemble" diskutieren.
Podcast Ensembles: eine Verdacht
Ich glaube, Manfred Wekwerth ist gar nicht tot.
Podcast Ensemble: Aktivistensprech
Ach, Herr Schwarz... das ist doch wirklich nichts als Provokation, Polemik mit ein bißchen links-intellektualistischer Phrasendrescherei. Nicht falsch verstehen, als Beitrag in einem solchen Online-Forum ist das sehr unterhaltsam, aber als ernst zu nehmender Debattenbeitrag zu Diversität an Stadttheatern doch rührend unterkomplex. Aktivistensprech ist eben Ihre Theatersprache und das ist auch völlig ok so. Aber ich glaube, Sie wollen auch gar nicht ernst genommen werden. Und das macht Ihre Einlassungen so erfrischend. In diesem Sinne: Keep rollin'!
Podcast Ensembles: Wekwerth
#28 Es ist keine Glaubensfrage: Manfred Wekwerth, der das Berliner Ensemble von 1977 bis 1991 leitete, starb 2014.
Podcast Ensembles: Brechts Ensemble
Lieber Bert, Sie scheinen einen so erfrischend beruhigenden Einfluss auf Samuel Schwarz zu haben, vielleicht können Sie ihm übermitteln: Helene Weigel leitete das zur Marke gewordene um Brecht versammelte Ensemble unter dem Label "Berliner Ensemble". Das um ihn versammelte Ensemble vom Brecht, einschließlich Weigel, war von mir gemeint, nicht die institutionelle Besetzung der Theater-Leitung. Ich meinte seine Ensemble-Leitung so eher im Sinne von Alpha-Tier...
Podcast Ensembles: Wie wird es am 70. Geburtstag des BE?
Lieber Bert, dann stellt sich nun die Frage, ob ernstzunehmende Debattenbeiträge hier überhaupt möglich sind, wenn man sich - wie Sie das tun - hinter Pseudonymen verstecken. Wenn nicht, dass stellt sich die dringliche Frage, ob es dann wirklich an meinen Beiträgen liegt, ob eine Diskussion ernstzunehmen ist - oder ob es eher an ihrer Feigheit liegt, dass das ganze eher peinlich rüberkommt. Also ich finde schon, dass die Diskussion, die hier von dem Podcast angestossen wurde, eine wichtige ist. Diese bündelt vielleicht auch in einer sehr praktischen Frage: Wie feiert das BE (ohne seine Wurzeln zu verleugnen) im Jahr 2019 den 70. Geburtstag-Tag seiner Gründung? In Zeiten populistischer Politik und neo-nationalistischer Rhetorik? Wird ein Heimat-Fest wie exmecklenburger sich das vielleicht vorstellt? Mit weissem Ensemble. Und gut gesprochenen, deutschen Oden an die Heimat? Oder eher so, wie ich mir und andere sich das wünschen würden? Mit Rückbesinnung auf das coole, urbane, smarte, technologisch fitte, multimediale, kosmopolitische, multilinguale, transmediale Weigel/Brecht-Theater, das auch die Ruth Berlau'sche feministische Perspektive hochhält und den Wagemut eines Charles Laughton in die heutige Zeit überträgt - ein Wagemut, der den militärisch/industriellen Wahn an den Pranger zu stellen versuchte. Ein Theater, das mit SchauspielerInnen-Bildern aus dem 21. Jahrhundert arbeitet und nicht mit dieser "Rees'schen Muse", die wie eine gruslige Wiedergängerin aus alter Zeit erscheint. Ja, wir wollen was "sehen" am BE - und nicht "romantisch glotzen" müssen. Ich meine, das wäre angebracht. Am Max Plank-Institut lernt man schliesslich auch nicht mehr das Weltbild des Ptolemäus. Mag sein, dass man diesen Anspruch nicht haben muss. Müssen muss man sowieso nichts. Aber dürfen.
Podcast Ensembles: unzutreffend
@32: Wenn ich mir erlauben darf, meine persönliche Wahrnehmung des beabsichtigten Programms (inklusive der Personalien und deren innerer und äußerer Hautfarbe) des Reese-BE zu beurteilen, dann kann ich *überhaupt* keine Deutschtümelei, keinen (Neo-)Nationalismus, keine Heimatverblendung erkennen. Wirklich nicht. Den Diskurs und alle Beteiligten in allen Ehren, aber dass Reese hier ein "deutsches" Haus aufbaut halte ich schlicht und einfach für unzutreffend.

Einer der gehaltreichsten Kommentare scheint mir gleichwohl #3 zu sein. Mich überrascht, dass bei dem insgesamt so klug (wahlweise: langweilig) austarierten Gesamtprogramm Reese die Ensemblemischung in Bezug auf die hier geäußerten Kritikpunkte nicht aufgefallen ist.

Dennoch möchte ich meinen Punkt aus einem anderen Thread wiederholen, den Nikolaus Merck hier aufgegriffen hatte, nämlich inwieweit auf *allen Ebenen* (Intendanz, künstlerisches Personal, insbesondere Ensemble, Gewerke) *an jedem Haus* immer jede Quote erfüllt sein muss? Ist es nicht reizvoller, Diversität auch *über die Häuser hinweg* zu haben? Also das eine eben mehr so, das andere mehr so? Genau dann wäre doch der Vergleich der Ästhetiken möglich! Meine Vermutung ist, dass bei einer statistischen "Gleichschaltung" (cum grano salis!), auch Spezifika der Wahrnehmungen, der Äußerungen, der Form, der Herangehensweisen, der Auseinandersetzungen verloren gehen.


PS: Von einer äußerlichen Personalbesetzung auf die innere Haltung / Vorgehensweise zu schließen ist an sich schon fragwürdig. Siehe Jury-Besetzung und Regisseursportfolio des diesjährigen Theatertreffens in Bezug auf Geschlechterverteilung.
Podcast Ensembles: Quote
Es ist doch ganz klar, dass bezüglich der Fragestellung der Repräsentanz (für wen stehen die Schauspieler*innen-Körper/Gesichter, wen "vertreten" sie?) die Frage der Hautfarbe oder des Geschlechts nebst anderen Kriterien (wie Talent, Sprache, Skills, Herkunft etc) bei einem Theater wie dem BE auch eine Rolle spielen muss. Wer das in Frage stellt (in einer Migrationsgesellschaft wie der deutschen) hat verdeckte Interessen, die er/sie verfolgt. Es wäre gut, diese Interessen genauer zu benennen, denn dann wäre ein gewisser Druck aus dieser Diskussion weg - einem Druck, den aufzugeben ich mich weigere. Die "Diversitäten" der Bühnen zu erhalten kann ja nicht ein ehrlich gemeintes Interesse sein. Dann möchte ich doch noch das Oberflächen-Phänomen dieser kleinen SchauspielerInnen-Showings auf der Website nochmals fokussieren. Nebst dem Umstand, dass diese SchauspielerInnen alle weisse Haut haben, fällt doch auch die damit verbundene Ästhetik negativ auf. Diese Art der "Ich-Präsentation" ist sowas von old-school und spricht in seiner Betulichkeit und (klein)-bürgerlichem TV-Harmlosigkeit wirklich nur Ü50 Menschen an. Die Wahl von nur "weissen" SchauspielerInnen ist ja letztlich nur ein Kriterium der formulierten Kritik. Eine Kritik an dieser Zusammensetzung hängt definitiv auch von der Art des SchauspielerInnen-Bildes an, das durch diese Clips kommunziert wird (und niemand soll nun sagen, dass sei nur ein Oberflächenphänomen).
Podcast Ensembles: Verschwörungstheorie
#34 "Wer das in Frage stellt (in einer Migrationsgesellschaft wie der deutschen) hat verdeckte Interessen, die er/sie verfolgt." - Das würde ich mal eine Behauptung nennen, die sich schwer verifizieren lässt. Für mich klingt das eher nach eine Verschwörungstheorie.
Podcast Ensembles: offener Diskurs
@34: Sie schreiben "Die 'Diversitäten' der Bühnen zu erhalten kann ja nicht ein ehrlich gemeintes Interesse sein." Ähmm, doch!

Ich zielte damit auf die Frage, inwieweit (freiwillige) Quotenerfüllung (im besten Sinne) das alleinige Ziel sein kann. Klarerweise gibt es ja auch andere Ziele. Und eines davon könnte sein: Spezifizität der Ästhetiken, der Personalien usw. Niemand würde doch vom Ballhaus Naunynstraße fordern, proporzgemäß Ostberliner oder Schlesierinnen oder Blauäugige sonstewen einzustellen. (Ich habe auch nicht gehört, dass die in den Opernintendanzen überproportional vertretenen sexuellen Präferenzen wegquotiert werden sollen.) Nein, die Berliner Mischung ergibt sich eben auch *über die Häuser hinweg*. Dieser Aspekt schien mir in der in diesem Thread geführten Diskussion unterbelichtet. In kleineren Städten mag das anders sein, weil die Theaterlandschaft dort naturgemäß schmaler ist. Aber in Berlin haben wir ja gerade den Luxus einer sehr breiten Landschaft. Da kann es Nischen für vielerlei geben. Für Postmigrantisches genau wie für Sorbisches, wie für PoC-iges, für Maskulinisten, für Langhaarige und für Brillenträgerinnen und für Arbeiterkinder. Alle haben Ihre Perspektive, alle können einen Platz finden. Aber eben nicht alle überall und jederzeit und erzwungenermaßen/zwangsläufig. Man kann das (zurecht) fordern. Man kann aber auch hinterfragen, wozu die Erfüllung dieser Forderung führen würde. Das hat nichts mit versteckter Agenda zu tun, sondern ist schlicht und ergreifend: offener Diskurs.

Strukturellem Rassismus (der auf keinem Auge blind ist!) zu begegnen erfordert genau diesen!
Podcast Ensembles: rassistisch
@36
Ihr Beispiel mit dem Ballhaus Naunystrasse ist etwas geschmacklos. Am Ballhaus Naunystrasse treten Menschen aus allen Gesellschaftsschichten mit allen Hautfarben, die der liebe Gott erfunden hat, auf. Was Gorki-Theater und Ballhaus Naunystrasse machen, ist - was die Abbildung der Zusammensetzung der Bevölkerung angeht - eigentlich "normal"...nur durch die monochrome Ensemblepolitik der sonstigen deutschen Theater wirken nun Gorki- und Ballhaustheater exotisch. Hier werden also Fakten verdreht. Was eigentlich "normal" wir als "exotisch" markiert. Ich weiss nicht, wie es ihnen geht. Aber ich persönlich stelle als Theaterschaffender Anspruch an die Erkenntnisse und Traditionen des Weigel/Brecht-Theaters namens BE. Dieser Theaterstil, die Theorie auf der dieser Stil basiert, die Arbeitstechniken, die es nutzte, das ist für mich nicht verbunden mit irgendeinem deutschen Provinz-"Theater" (dem man eine solche Ensemblepolitik natürlich auch vorwerfen müsste), sondern mit dem BE, dem legendärsten der Berliner Theater. Dieses Theater namens BE ist mit einer Geschichte und Tradition verbunden - ja, mit einer ganz spezifischen Haltung, mit Fortschritt, internationaler Solidarität und ja, dezidiertem Anti-Rassismus. Ja, ich muss es anscheinend so deutlich sagen: Ich empfinde, diese Ensemblepolitik des neuen BE - auf Basis der auf Diversität setzenden Theaterpraxis des Jahres 2017 - als rassistisch.
Podcast Ensembles: nebeneinander
#36
ich bin voll bei ihrer argumentation, die sich der "ideologisierung von laub -und mischwäldern" verweigert - die jetzt auch noch im bereich der kunst eine quotenordnung schaffen will - welch anmaßung dahinter steckt und auf welche "wurzeln" sie zurückgreift, sollte sich jeder selbst befragen und nicht dem zeitgeist der politik blind folgen, sondern sich der aufgabe der kunst besinnen. das dabei ganz UNTERSCHIEDLICH ansätze NEBENEINANDER geben darf/muß/sollte scheint bei manchen vergessen zu sein, wenn sie für eine "große mitte/große koalition mit gebashter opposition" nun auch schon am theater plädiert ... sie haben schon alles gesagt, ich kann mich nur wiederholen ... bis ich hier wieder wegzensiert werde und der "offene diskurs" auf einem "zensierten diskurs" reduziert wird ... mit den gesellschaftlich bekannten folgen ...
Podcast Ensembles: vorbildlich normal?
#37

frage: sind die bewohnerinnen eines frauenhauses "sexistisch"? sind zufällige zusammenschlüsse einer einzigen ethnie - seien es nun chinesen oder deutsche per se "rassistisch"? sind globale finanz- und militärvereinigungen aus sehr unterschiedlichen ethnien per se "vorbildlich normal" und richtungsweisend für die zukunft der menschheit?

und ja - das be hat eine tradition - brecht und weigel, die sie geprägt haben sind tot. leider auch heiner müller ... will das heutige be diese - nun klassischen texte - vordergründig oder neben anderen klassikern mit zeitgemäßem leben füllen oder/und zeitgenössische autoren bekannt machen? das wäre doch der diskurs ... denn auch brecht wirkte ja zu seiner lebenszeit und verhielt sich den umständen entsprechend - auch DIES ist eine tradtion: die schriften der gegenwart mit einem ensemble, dass diese optimal transportiert. wäre für sie eine theaterpraxis der "optimal-ethnien" die einzig nicht "rassistische" variante - und alle, die sich durch diese "quote" nicht eignen (überflüssig wären für ihre behauptete "norm") sind dann >>> halt weg ... wie nennen sie DAS? "die neue normale selektion"?
Podcast Ensembles: Totschlagargumentation
"nur durch die monochrome Ensemblepolitik der sonstigen deutschen Theater wirken nun Gorki- und Ballhaustheater exotisch."

Da pflichte ich S.Schwarz bei. Das kann man definitiv so sehen. Ich verstehe absolut die Argumentation eines Herrn Zisch, aber der Totschlagargumentation einer Marie lässt sich nicht folgen. Das Frauenhaus anzuführen anaolog zum BE Ensemble ist 1. ausgedacht und 2. schlecht gedacht, wenn man weiss, dass in einem solchen Frauen Zuflucht finden, die nicht selten Opfer von männlicher Gewalt wurden. Sind die Schauspieler des neuen BE Ensembles etwa Opfer von Schauspielern mit Migrationshintergrund? Absurd. Ich weiß wohl, worauf Sie hinauswollen, jedoch sollten Sie tunlichst passendere Vergleiche finden.
Podcast Ensembles: Räume
#40

pardon - es wurde über (theater) räume ein rückschluß von deren bewohnern auf ihre "rassistische" haltung gezogen ... okay, wenn sie dem folgen können ...

und "exotisch" sehe ich die schauspieler am gorki-theater auch nicht - sie wären ja auch persönlich zu befragen, ob sie sich selbst als "exoten" sehen bzw. wie sie die einordnung wahrnehmen ... ich meine "tunlichst vergleichsweise" ... eigen- und fremdbild, wenn sie wissen was ich meine
Podcast Ensembles: ohne Gedichte
#39
Ich habe das so verstanden, dass das neue BE unter der Leitung eines u.a. - Autors, von dem jedoch keine Gedichte noch ein literarisch erfolgreich durchschlagendes Stück bekannt sind und unter der von ihm angeleiteten Verantwortungsübernahme eines begabten weiteren Autors, von dem zwar ebenfalls keine Gedichte aber recht begabte Kolumnen aus der Berliner Zeitung und einige begabte dramatische Arbeiten bekannt sind, neue, und zwar vor allem nicht-deutschmuttersprachige (?) Autoren bekannt machen will, von denen jedoch auch keine Gedichte bekannt sind.
Und die außerdem Alexander Eisenach aus dem Frankfurter Regie/Dramatik-Entwicklungs-Pool mitbringen, von dem ebenfalls keine Gedichte als literarisches Ereignis bekannt sind, der aber ein selbst geschriebenes kapitalismuskritisches Stück in Westernmanier zu inszenieren vermag. Um ihn als wirkungsmächtig wie einst Brecht dem Berliner Publikum anzubieten. Da tut einem der Alexaander Eisenach wirklich nur leid. Außer er hat solche potentiell wirkungsmächtigen Gedichte in der Schublade wie einst Brecht oder zum Beispiel aktuell so eine selbstgeschriebene Erste Hilfe-Fibel wie einst jener geschrieben hatte zu den fünf Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit. - Sonst kann er nämlich in den ihm nahegelegten Schuhen nur im Ganzen Kahn fahren...
Auf jeden Fall haben sie (Reese/Rinke- ein anderer Name fiel zum Zeitpunkt des damaligen Versprechens nicht) damit erst einmal ihr Versprechen eingelöst.
Denn als sie antraten um Peymann am BE nachfolgen zu wollen, haben sie das mit dem Argument getan, in Berlin ein Autorentheater etablieren zu wollen. Das ist ihnen bis jetzt, ganz nüchtern betrachtet, doch gelungen!
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