Presseschau vom 1. Juli 2017 – Die Frankfurter Allgemeine Zeitung denkt über die Kosten für die Sanierung des Frankfurter Theaters nach

Für eine neue Kargheit

Für eine neue Kargheit

1. Juli 2017. Niklas Maak fragt heute in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (1.7.2017), wie es sein könne, dass die Sanierung des Frankfurter Theaters rund 900 Millionen Euro kosten solle, und ein Neubau genauso viel.

Verschwörungstheorie

Erste Vermutung, eine Verschwörungstheorie: hier solle durch künstliches Hochrechnen der Kosten, das wertvolle innerstädtische Grundstück quasi freigezogen werden. Billiger sei es vielleicht, anderswo Oper und Schauspiel neu zu bauen, dann könne man das Filetgrundstück freiräumen und verwerten. Echt jetzt mal: "900 Millionen für die Reparatur eines Theaters aus dem Jahr 1963?" Wie kann das sein?

Wie es sein kann, erklärt Jörg Friedrich, "dessen Büro das Gutachten verfasst hat". Dass er billiger könne, habe er beim Umbau des Kraftwerks Mitte in Dresden gerade bewiesen. Was also ist der Punkt? Die hypertrophen Vorschriften für Neubauten, was Wärmedämmung und Brandschutz betrifft, einerseits, sowie die irrsinnigen Ausstattungsansprüche der Theater andererseits, schreibt Maak.

Brandschutz als Kostentreiber

1963 hätten andere "Sicherheits- und Energiestandards" gegolten. "Die Frankfurter Feuerwehr hat verkündet, dass von 2021 an der Brandschutz in den Städtischen Bühnen erneuert werden muss, sonst verfalle die Betriebserlaubnis." Aber der "leichte moderne Bau" mit seinen flachen Räumen und engen Gängen lasse sich nicht "einfach auf- und umrüsten". Würde man "die Decke eines drei Meter hohen Foyers heutigen Lüftungs- und Brandschutzanforderungen anpassen, hätte der Raum noch eine Höhe von 1,80 Meter", sage Friedrich, schreibt Maak. Die "Sanierung" bedeute, dass "fünfzig Prozent neu gebaut werden müssen".

"Verordnungswahnsinn" mache das öffentliche Bauen "fast unmöglich" macht. "Darüber – und nicht über den Standort am Willy-Brandt-Platz, (...) muss jetzt geredet werden".

Größe als Kostentreiber

Das andere kostentreibende Problem sei die Größe des Schauspiels. Billigere Theater hätten "keinen riesigen Probenraum, keinen großen Backstagebereich", sage Friedrich. Im Frankfurter Theater befänden sich "siebzig Prozent des Baus hinter der Bühne". Und "je größer ein Bau wird, desto komplizierter wird die Logistik, desto vertrackter und teurer werden Brandschutz, Lüftung, Entfluchtung". Das Frankfurter Haus "müsste um ein Drittel seiner jetzigen Größe wachsen, allein um die von der Feuerwehr geforderten brandschutztechnischen Anlagen beherbergen zu können".

Ausstattung als Kostentreiber

Indes seien nicht alle "Ausstattungswünsche" des Theaters "sinnvoll". Beim "Entwurf staatlicher Kulturbauten richtete man sich in den letzten Jahren trotz allen antikapitalistischen Geklingels, das in ihnen oft stattfindet, gern nach dem Werbemotto von Daimler Benz: 'Das Beste oder nichts'." Aber brauche man wirklich "Bühnentechnik, die so tanzen kann wie die Buchstaben bei 'Wetten, dass...'?"

Ein bisschen mehr Arte povera könnte auch bei der Architektur nicht schaden, schreibt Maak weiter. Dass man einen Industriebau des neunzehnten Jahrhunderts leicht sanieren könne, ein Theater aus den sechziger Jahren aber nur "unter Aufbietung irrwitziger Summen, ist Wasser auf die Mühlen derer, die immer schon sagten, dass das moderne Bauen klapprig und fragwürdig sei". Dabei "halten" die modernen Gebäude oft gut; "klapprig und fragwürdig sind dagegen die neuen Standards". Die Frankfurter Glasfassade mit "wärmedämmoptimierter Dreifachverglasung" zu versehen, sei natürlich sehr teuer.

Enegiesparvorschriften als Kostentreiber

Aber müsse man überhaupt "das Passivhausgesetz und Energiestandards, die für den Wohnungsbau entwickelt wurden", auch für ein Theater anwenden? Dass Energiesparverordnungen "dogmatisch auch auf Orte angewendet werden, an denen sie für unglaubliche Energieverschwendung sorgen", sei Teil des "Kostenexplosionsproblems".

Imponiergehabe als Kostentreiber

Vielleicht sollte man nicht aus herrschaftlichem Imponiergehabe das Teuerste und Beste bauen, um Besucher zu beeindrucken, ein neues oder ein "klug saniertes" Haus könnte auch die Botschaft haben, dass Kargheit ihren eigenen Reiz hätte: "Weil sie die Wahrnehmung schärft und eine Konzentration auf das Wesentliche, das Schauspiel, die Nähe der Stimme und der Körper, überhaupt erst möglich macht."

(jnm)

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