Das Dimmen der Lautstärke

von Oliver Bukowski

17. August 2017. Nun also ich. Warum erst jetzt?
Weil ich, wie damals in den persönlichen Gesprächen, den direkten Kontakt zu Darja Stocker suchte. Die Idee: Vielleicht schaffen wir es, mit einander zu reden und der anscheinend so unversöhnlichen Debatte durch eine GEMEINSAME Veröffentlichung die andere Qualität zu geben. Darja Stocker hat geantwortet und denkt über meinen Vorschlag nach. Sicherlich gibt es viel zu besprechen, denn ich kenne bis heute ja nicht einmal den Wortlaut des Beschwerdebriefes an den Präsidenten der UdK; die Autorinnen wiesen an, ihn strikt vertraulich zu behandeln. Die Universitätsleitung folgte dem, und so standen wir zwar in der Kritik, nur in genau welcher?

In einer Vier-Augen-Aussprache mit Darja hieß es nur: "Nichts gegen Leidenschaft, aber bitte nicht so laut. Wir hören dich dann nicht mehr." Das leuchtete mir ein, und schon nach dem nächsten Seminar kam eine der Unterzeichnerinnen auf mich zu und dankte mir für den Stil des Seminars. Ich schildere das nicht, um weiter kleinteilig Erinnerung gegen Erinnerung zu feilschen, sondern um zu sagen: Mit mir war zu reden, und zwar immer. Sogar mit postwendenden Wirkungen.

Für meine Art zu reden, meine Körpersprache, mein Alter, meine Hautfarbe, meinen Arbeitsrhythmus (ja, ich beginne um vier Uhr morgens), mein Leben jenseits der Lehrveranstaltungen werde ich mich hier nicht rechtfertigen. Vielleicht persönlich vor Darja? Mal sehen. Aber es wird mir Sexismus vorgeworfen. Während ich bloße Beleidigungen vielleicht noch hinnehmen kann – dieser Vorwurf trifft! Ich arbeitete noch nie gegen Autorinnen und Autoren, sondern mit vorbehaltlos allem, was ich weiß und kann, für deren Texte. Und ich verlange das von allen anderen am Seminartisch ebenso. Wütend werde ich – tatsächlich, so etwas unterläuft mir –, wenn jemand schlecht vorbereitet ist, die Kompetenz und die Bereitschaft der Anwesenden also vergeudet.

Dies ist ein Institut, vor dem alle zwei Jahre einhundertachtzig Bewerber Schlange stehen. Die wenigen, die es schaffen, haben ihr Talent an ein paar Aufgaben und Entwürfen gezeigt. Reicht das? Nein. Dann aber das Aufnahmegespräch. Besser? Auch nicht. Wir wissen vielleicht erst nach ein paar Monaten, ob, die Aufgenommenen tatsächlich die zwei nötigen Begabungen mitbringen: a) das Talent, szenische Texte zu schreiben (was aber jeder auch für sich zuhause kann), b) über diese Arbeiten mit anderen streiten und reden zu können und zu wollen. Genau deshalb zählen die Aufnahmeformalien wenig, das PROBEJAHR umso mehr. Es ist also nicht sehr sinnvoll, ausgiebig über dieses Prozedere zu streiten – wir gewähren uns ja gegenseitig ein ganzes Jahr! Nur eins will und werde ich nicht so einfach akzeptieren, nämlich dass ich jemandem schon Respekt zollen soll, nur weil er oder sie (Kapuze drüber, Kopf auf die Unterarme) im Seminarraum körperlich präsent ist. Vielleicht gibt es ja Seminare und Seminarleiter, die über die lagernde Person hinweg dennoch ein angenehmes Arbeitsklima schaffen, ich aber nicht. Genau das wollte ich derjenigen bis zu Ende erklären dürfen (eben in diesem Zimmer), auch wenn sie es nicht hören und lieber mit den Türen knallen wollte.

Aber weg von den Darja-Details und weiter zu meiner Lehrauffassung. Es muss einen Raum geben, so denke ich, in dem für ein paar Stunden nichts anderes als der Text zählt. Nicht die Herkunft, das Alter oder das Geschlecht seiner AutorInnen, nicht deren Tagesform oder Stimmung, leider nicht einmal die psychische Situation, in der er verfasst wurde. Gibt es diesen Raum nicht, zählen also plötzlich andere Faktoren in die Beurteilung, so sehe ich genau hier die Einfallswinkel für jederart Ideologie, inklusive sexistischer (aber auch der von Liebeskummer, Hangover oder Schaffenskrise). Ist das zu hart, zu menschen- und lebensfeindlich? Ja, ist es. Deshalb habe ich das Seminar vertagt, weil jemand an Trennungsschmerz oder sogar nur an der Stimme einer Gastdozentin litt. Deshalb gab es für jeden und jede die Möglichkeit, das noch zu unreife Manuskript oder die eigene Arbeitssituation nicht sogleich den Härten des Seminars auszusetzen, sondern zuvor mit mir zu besprechen. Unter vier Augen, jeden Montag am Nachmittag oder wann immer gewollt. Ebenso hinterher, wenn die vielen verschiedenen Meinungen einen nur ratlos gemacht haben.

Denn, auch hier gibt es einen Irrtum, das Szenische Schreiben an der UdK ist keine Meisterschule! AutorInnen und ihre Texte werden weder im Seminar noch im gesamten Studiengang der einen, alleingeltenden Mastermeinung ausgesetzt, sondern im Gegenteil: Wir luden Dozenten aller Theaterauffassungen zu uns ein, auch und gerade wenn sie uns nicht ins eigene Bild passten. Es konnte also durchaus vorkommen, in einem Seminar hoch gelobt, im anderen aber "verrissen" zu werden. Genau deshalb unterscheiden sich die Handschriften der Absolventen. Sie bilden sich unter dem Einfluss vieler verschiedener Sichtweisen. Und deshalb war es für Darja Stocker auch nicht so schwer, eine Dozentin zu finden, die ihre Skepsis gegenüber unseren Seminarpraktiken teilte. Wir hatten diese Dozentin ja eingeladen und unter Vertrag genommen. Aber kann es sein, dass hier selbstherrlich von oben herab entschieden wurde? Nein, auch nicht. GastdozentInnen konnten gern von Studierenden vorgeschlagen werden, wir kümmerten uns dann. Übrigens bin ich selbst nur dauerhaft an die UdK gekommen, weil Jürgen Hofmann der Entscheidung der StudentInnen folgte.

Hier wird zurecht gefordert, die Debatte endlich produktiver werden zu lassen und über Strukturen zu reden – ich bin dabei. Noch nicht gleich in Makro, für den Anfang aber vielleicht zur Mikrostruktur meines Seminars. Jeder Ratschlag ist willkommen! Noch mehr jeder, der sexistische Strukturen zu vermeiden hilft. Also: Alle haben zuhause gelesen und Randnotizen an ihre jeweiligen Arbeitsmanuskripte gemacht. Die VerfasserInnen geben zu Beginn den Arbeitsstand des Textes und ihre Probleme mit dem Entwurf an und übergeben ihn dann für zwei Stunden dem Seminar. Ab jetzt ist es, was es ist. Und selbst wenn wir uns alle irren sollten, ist das für die Autorin/ den Autor eine wichtige Information. Wer aber auch nur eine eigene Zeile in die Mitte einer Seminarrunde gelegt hat, weiß was Anspannung und Verlustaversion bedeuten. Also bekommt die Autorin/ der Autor persönlichen Beistand: Sie oder er wählt sich unter den Studierenden einen Partner, der auf Ruhepuls mitschreibt und hinterher auch dann noch all das Sagen und Meinen erklären kann, wenn es hochherging und der jeweilige Autor/ die Autorin zu verzweifelt ist (oder zu euphorisch). Wir lesen den gesamten Text laut, jede und jeder gibt drei Sätze ersten Eindruck, dann aber widmet sich jeder einer Art Intensitätsabgleich. Er zeigt graphisch, wo und wann (und zunächst aus welchen Gründen auch immer) das Interesse sank oder stieg. Das ist nicht etwa zu technisch oder klippschulhaft, an diesem Abgleich hangelt sich jeder Kommilitone bei seinem ersten Vortrag zum Text entlang. So kommt gleich zu Beginn jede und jeder zu Wort, und niemand kann die Diskussion an sich reißen.

Zudem wird verhindert, dass man sich "anschmiegt", also der vielleicht eloquenter vorgetragenen Meinung träge zustimmen kann. Jeder dieser Zettel ist ja für sich gefertigt und folglich so verschieden wie der Eingangsvortrag. Er liegt vor uns, und man kann ihn im Nachhinein nicht angleichen oder fälschen. Wir wissen: so viele Gutachter, so viele Meinungen. Da hier jeder nun zu der seinen reden und gehört werden muss (Selbstkorrekturen immer möglich), vermeiden wir den Ringelmann-Effekt klassischen Brainstormings, also das behagliche Abtauchen in der Gruppe. Wir kommen eben nicht zu der einen, einzigen Seminargruppenmeinung, sondern jede, ob weiblich oder männlich, Sicht zählt gleichermaßen – und auch meine ist nur eine unter anderen. Das vermeidet im Ergebnis zwar das Mittelmaß einer einzigen Meinung "mit der jeder irgendwie leben" kann, führt aber eben auch zu heftigen Auseinandersetzungen. Hier hat nämlich jede und jeder begründete Argumente und gibt sie nicht so einfach aus der Hand. Nun komme ich ins Spiel. Läuft es gut, bin ich nicht mehr als ein Mediator der Debatte. Allerdings lebt diese kleine Seminargruppe in ihrem Studium tagtäglich Stunde um Stunde zusammen. Es ist verständlich, dass man da manchmal den allzu heftigen Konflikt scheuen, man muss ja nachher auch noch in der Kantine zusammenhocken. Ich sehe es aber (auch) als meine Aufgabe, Dinge sehr klar anzusprechen, die womöglich unangenehm sind. Das jedoch nicht, weil das Theater da draußen gar grässlich lauert, sondern weil Publikum oder die Theaterkritik gewiss sehen werden, was wir zugunsten des angenehmen Klimas unter den Seminartisch fallen ließen. Lob du mich, dann lob ich dich – diese Haltung sorgt im Moment vielleicht für gute Laune, lässt die Autorin oder den Autor dann ins Messer laufen, und zwar öffentlich. Kurz, es muss raus, es muss gesagt werden.

Das gelingt mir, ich gebe es zu, nicht immer gleich gut. Wem schon? Gegenstand unserer Arbeit sind ja nicht etwa statische Berechnungen eines Reihenhauses, sondern Erregungszustände wie Wut, Macht, Gier, Geilheit, Perversion, Sprache – auch Fäkalsprache – jeder Art. Das heißt nicht, dass man sich im Seminargespräch davon infizieren lassen muss, aber wir sind gehalten, sehr explizit zu werden. Da geht es dann nicht nur um Dramaturgie und Dialogtechnik, wir wissen: Wer schreibt, kann sich nicht bedeckt halten. Also kommen in die Debatte zwangsläufig auch sehr persönliche Erfahrungen, Ansichten und Werte. Und auch wenn wir bei solchen Themen immer zu wenig Zeit haben (der Studiengang kann es unmöglich schaffen, sozialwissenschaftliche Studien zu ersetzen), begegnen sich hier eben nicht Lehrer und Schüler, sondern schreibende Erwachsene – vielleicht der Unterschied einer Schreibschule zu allen anderen. Wir sind – Darja, mal allen Ageismus beiseite - gleichauf, wenn auch mit unterschiedlich langen sozialen und Schreiberfahrungen. Genaugenommen "beendet" selbst das Stück eines Erst- oder Zweitsemesterstudierenden auf der Bühne gleichsam das Ausbildungsverhältnis. Vor dem Finanzamt, vor Publikum und Presse – und auch vor mir. Finden wir in der Debatte nicht den richtigen Ton zueinander, wird das Seminar unterbrochen oder verschoben und darüber diskutiert. Das sind dann die "Krisengipfel", von denen Anne Rabe sprach. Und Schluss des Seminars: Jede und jeder sagt reihum, was er mit dem Textentwurf anfangen würde. Nicht die Autorin oder der Autor, sondern jeder der BearbeiterInnen. Sie tun so, als wäre es ihr eigener. Warum? Weil ich es für maßlos und sogar übergriffig halte, zu meinen, man könne auch noch wissen, was die Autorin oder der Autor tatsächlich denkt und fühlt. Danach alle lektorierten Arbeitsmanuskripte an die Autorin, weiter beim nächsten Mal: Feinschliff.

Wem aber das alles noch nicht gemäß ist, der kann sich – und, erinnere dich, dazu hab ich euch immer ermutigt – an die anderen "weißen alten Männer" der Institutsleitung wenden. Das habt ihr getan, und, siehe, mit nur einem Brief Sonderbedingungen jenseits aller Studienordnungen für euch erwirkt. Der Präsident verstand euch wie seine eigene Tochter. Ich nicht! Weil ich euch eben nicht infantilisiere. Ihr seid eben nicht meine Töchter, sondern erwachsene, sozial kompetente Frauen. Und von denen habe ich mir damals wie heute gewünscht, dass sie das geheime Schreiben von damals mir endlich zeigen und wir reden können. Vielleicht sogar noch bevor sie öffentlich meinen Ruf und meine berufliche Existenz vernichten. Denn das passiert nach solchen Veröffentlichungen. Selbst wenn ihr das nicht erlebt habt oder euch vorstellen könnt, ihr hättet es euch anlesen können. Sollte ich das verdient haben, dann bitte. Aber wäre es nicht auch eurem rein professionellen Gespür für die öffentliche Wirkung von Worten angemessener, einen Schritt zwischenzuschalten und mich wenigstens mit dem Wortlaut der Anklage zu konfrontieren? Stattdessen zehn Jahre später "knutschen" oder "schildkrötenhaft" oder "demütigende" körpersprachliche Tells – sprachlich vielleicht etwas unbeholfen, aber an Niedertracht und klebriger Nachwirkung nicht zu überbieten. Absicht und Strategie? Oder vielleicht nur eine zu früh aus der Hand gegebene Fassung? Ich werde es hoffentlich ja bald erfahren.

Dabei, Anne Rabe hat es erwähnt, haben wir damals sehr wohl über sexistische Strukturen geredet. Wie auch nicht? Wir schreiben Stücke, sorgen uns um alle möglichen Themen. Im Seminar und selbst noch in diesem "Zimmer" redeten wir über den Wert des "Binnen-I" für einen tatsächlichen Feminismus, die Anerkennung des anderen Geschlechts, einer anderen sexuellen Präferenz in Sprache und Habitus usw. usw. Wie einfach wäre es gewesen, mir zu sagen "Hör mal, an dir sind da aber auch sexistische Züge zu bemerken"? Beim Dimmen der Lautstärke meines Redens ging es doch auch (siehe oben).
Aber weiter, sachlich zu gröberen Fragen: Gab es eventuell Strukturen, die eure weitere berufliche Entwicklung verhinderten? Standen wir euch da irgendwie im Wege? Nein, das kann nicht sein. Es gab Lehrveranstaltungen zur Berufspraxis (Steuer- und Urheberrecht, Krankenversicherung usw.), Kooperationen mit der Ernst-Busch und gestandenen Bühnen, um frühe Arbeitspartnerschaften zu ermöglichen, genauso wichtig aber: Wir luden Verleger und Theaterleute zu uns ein und ließen euch dann mit ihnen allein. Ihr solltet frei zuhören und entscheiden können. Wenn gewünscht, berieten wir jede und jeden Einzelnen, wie und wo es mit dem Text "draußen" weitergehen könnte.

Ich selbst war sehr dafür, sich die ersten zwei Jahre Zeit zu nehmen und nicht schon nach Preisen, Stipendien und Uraufführungen zu hecheln. Trotzdem blieb die Entscheidung ganz bei euch. Mit einem Stück in die Berufspraxis zu starten, dazu gehört nur ein Klick auf der Tastatur oder ein Briefumschlag mit Marke. Wie sollten wir das verhindern? Wollten wir auch gar nicht. Im Gegenteil. Wir feierten die Preise und Uraufführungen in den Semesterschluss-Sitzungen, ABER wir sorgten auch nach Kräften dafür, dass frühe Erfolge im Seminaralltag keine Rolle spielten. Wie gesagt: der Text, der Text ohne zusätzliche Faktoren. Wir wussten, man kann von einem frühen Erfolg erschlagen werden; und wir wussten, dass der Status "PreisträgerIn" das nächste Stück nicht klüger oder besser macht – und seine AutorIn auch nicht. Stolz und froh und für ein paar Wochen aus dem Dispo, das ja. Aber für das Klima im Seminar, das liegt auf der Hand, war jeder noch so leise Dünkel schädlich. Sprachen wir darüber, waren wir hier einer Meinung. So schien es mir jedenfalls.

Soweit ein paar erste Informationen zu den Strukturen an der damaligen UdK. Wie gesagt: Kritik und Ratschläge willkommen.

Ich hatte mir vorgenommen, so wenig wie möglich persönlich zu werden. Das ist mir nicht gelungen. Wie auch?
Bis gleich, dann sachlicher mit Darja. Hoffe ich.

 

Zum Hintergrund: Das Magazin Merkur veröffentlicht in diesem Sommer auf seinem Blog eine Serie an Texten über Sexismus an Hochschulen. In einem der Texte reflektierte Darja Stocker ihr Studium im Fach "Szenisches Schreiben" an der Universität der Künste Berlin. Sie warf unter anderem ihrem damaligen Professor Oliver Bukowski Sexismus vor, allerdings ohne seinen Namen zu nennen. Eine Kommilitonin Stockers zu dieser Zeit, die Autorin Anne Rabe, widersprach ihrer Darstellung in einem Beitrag auf nachtkritik.de scharf. In den Kommentarthreads meldeten sich weitere frühere Student*innen zu Wort.

 

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Kommentare  
Oliver Bukowskis Antwort: Studieren im Druckbehälter
Als komplett Außenstehender bin ich baff, was für exotische Biotope es in der deutschen, in der Berliner Hochschullandschaft gibt. Die Berichte aus dem Studiengang „Szenisches Schreiben“ erinnern an Theatergruppen der 1960er Jahre, die gemeinsam spielen und gemeinsam die Welt verändern wollten, die als WG zusammenlebten. Und die sich dann auflösten oder gegenseitig „vernichteten“.

Erstaunlich, dass die drei Berichtenden – aus unterschiedlichen Blickwinkeln zwar – ein recht übereinstimmendes Bild liefern und sich gegenseitig sogar Details bestätigen. Studium und Lehre des „szenischen Schreibens“ hinterlassen in den Berichten ihre Spuren, die dramatische Betrachtung springt ins Auge, umso erstaunlicher, dass die professionelle Distanz fehlte, den Stoff von der eigenen Persönlichkeit zu lösen, ihn künstlerisch aufzubereiten und die Grenze zwischen Wahrheitsanspruch und Fiktion für immer zu verwischen.

Der tatsächliche Professor schreibt: „Gegenstand unserer Arbeit sind ja nicht etwa statische Berechnungen eines Reihenhauses, sondern Erregungszustände wie Wut, Macht, Gier, Geilheit, Perversion, Sprache – auch Fäkalsprache – jeder Art.“ Kann man „szenisches Schreiben“ nicht wie Statik betreiben, die Statik des Gebäudes einer menschlichen Gemeinschaft samt der Belastungen, denen sie ausgesetzt ist? Der künstlerische Produktionsprozess mag von einer Dauererregung begleitet sein, aber muss dem nicht der kühl-distanzierte Blick auf das Produkt folgen?
Darja Stocker erwähnt, dass sie ein Stück über moderne Freiberufler, über Architekten und Anwälte schreiben wollte. Klar muss sein, dass Freiberufler von vornherein verloren haben, wenn sie Auftraggebern mit Bedingungen und Vorhaltungen aufwarten und die Art der gegenseitigen Beziehung thematisieren wollen. Zudem sollte klar sein, dass Architektur- und Jura-Studentinnen an anonymen Groß-Universitäten froh wären, wenn sie in Vorlesungen und Seminaren von den Professoren oder Dozenten überhaupt als Einzelpersonen wahrgenommen würden.
Nachfrage
Lieber Oliver Bukowski,
Ihr Text geht an Darja Stocker vorbei. Ist das dann eine Gegendarstellung?
Ich würde mir wünschen, dass Sie als Schreibender konkret Bezug auf die einzelnen Aussagen von Darja Stocker nehmen.
,,Warum erst jetzt?" kann keine ernst gemeinte Frage für Sexismus-Vorwürfe sein, oder?
Oliver Bukowskis Antwort: verstehe ich nicht
#2 Warum kann "Warum erst jetzt" keine ernst gemeinte Frage für explizit Sexismus-Vorwürfe sein?
Welche einzelnen Aussagen jetzt nochmal?
Oliver Bukowskis Antwort: sachlich-konstruktiv
Hallo Denis,
ich bin sehr verwundert und frage mich, auf welche Aussagen Stockers Bukowski noch weiter eingehen soll. Es wurde hier von mehreren Beitragenden gefordert, über strukturellen Sexismus an Schreibschulen zu diskutieren, und sich nicht weiter gegenseitig in den Kommentarspalten zu zerfetzen. Vielleicht machen Sie sich die Mühe, und schlagen die für Sie strittigen Punkte vor, auf die der - nun erstaunlich sachlich-konstruktive - Beitrag hätte reagieren sollen. Übrigens bezieht sich der Satz "Warum erst jetzt?" meiner Meinung nach eindeutig auf den Zeitpunkt der späten Veröffentlichung, er folgt auf den ersten Satz "Nun also ich" und begründet es gleich damit, dass er vor einer Gegendarstellung den direkten Kontakt zu Darja Stocker suchte, der ja anscheinend sogar zustande kam.
Oder sieht das jemand anders?
Oliver Bukowskis Antwort: Strategische Winkelzüge
Kaum zu ersehn weshalb einen Text gemeinsam zu lesen, //
solcher Komplikation sich befleissen Erwachsene Wesen //
Türmt sich der Elfen Beine Schar dem Text zu Füssen //
Will es am Ende doch keiner mehr lesen. Mit besten Grüßen.
Oliver Bukowskis Antwort: erweiterter Sexismus-Begriff
Ich nehme Darja Stocker absolut ernst in dem was sie vorträgt, und weil ich sie ernst nehme, bin ich auch bereit sie scharf zu kritisieren. Sie sagt, sie interessiere sich nicht für Klischees, ruft aber mehrfach männliche Klischees in ihrem Text auf. Sie macht die Männer in ihrer Anonymität kleiner als sie sind, beraubt sie ihrer akademischen Reputation, was natürlich erst aufliegt, wenn die Anonymität der Personen aufgehoben wird. Das sind unlautere Mittel und tragen nicht zu ihrer Glaubwürdigkeit bei. Gleichwohl gibt es grundsätzlich den Konflikt, den sie beschreibt. Es gibt aber zugleich eine Instrumentalisierung dieses Konfliktes, um unliebsame Männer, im Sinne einer „höheren“ Utopie, aus dem eigenen Lebensraum zu verbannen.

Alles beginnt mit einer sauberen Definition des Begriffes Sexismus, die bisher ausbleibt.

Ist nur ein Geschlecht von Sexismus betroffen? Oder kann grundsätzlich jeder Mensch, egal welchen Geschlechts, welchen Alters, welcher sexuellen Ausrichtung von sexistischen Übergriffen betroffen sein, also auch der weiße, heterosexuelle Mann im höherem Alter? - Ich, für meinen Teil, arbeite seit geraumer Zeit mit einem erweitertem Sexismus-Begriff, und dies zu Recht. Denn erst, wenn ich begreife, wann ich selber zum Opfer sexistischer Haltungen wurde, und das geschah häufig und fing schon im Kindesalter an, erst dann kann ich begreifen wovon Stocker überhaupt redet, und warum diese Vorgänge so schwer zu beschreiben und mittlerweile ebenso unpopulär sind, weil sie so tief in unser Leben, in unser herkömmliches Rollenverständnis eingreifen. Es ist doch viel einfacher Frauen immer nur als Opfer zu denken und sich selber, als Mann, als latenter Täter. Da scheinen die Dinge doch weiterhin geklärt. Sind sie aber nicht, wie man gerade an diesem Fall erkennen kann.

Und natürlich sind Dramatiker und Dramatiker nachdrücklich dazu aufgefordert gerade diese Rollenklischees zu durchbrechen, sofern sie überhaupt noch Rollen und Figuren kreieren, damit diese Gesellschaft sich weiter entwickeln kann. Die Defizite sind also auf allen Seiten mannigfaltig und gerade bei einem solchen Studiengang doch sehr erstaunlich. Hat Bukowski eigentlich jemals eigene Texte zur Debatte gestellt in den Seminaren? Das würde mich doch sehr interessieren.
Oliver Bukowskis Antwort: Versuch einer Definition
Ich will eine Definition von „Sexismus“ versuchen, vielleicht hilft das zumindest Herrn Baucks, der offenbar ähnlich an dieser unsäglich unwürdig anmutenden Debatte hier „leidet“ wie ich:
1.
Sexismus ist das Dogma, real existierende ökonomische undoder emotionale Abhängigkeitsverhältnisse öffentlich so darzustellen, als seien sie für spezifische Personen aus sexuellen Gründen in vollster Absicht hergestellt undoder aufrechterhalten undoder beendet worden.

2. Ein Nachdenken, Beschreiben und künstlerisches Darstellen von real existierenden Einflüssen sexuellen Begehrens innerhalb von bestehenden undoder hergestellten undoder aufrecht erhaltenen undoder beendeten ökonomischen undoder emotionalen Abhängigkeitsverhältnissen ist ein Gegenstand der Betrachtung von Menschen und ihren Lebensverhältnissen wie jeder andere Gegenstand auch.

3. Zu denken, dies sei kein Gegenstand der Betrachtung wie jeder andere auch, oder zu betreiben oder zu verlangen, dass er im Hinblick auf k o n k r e t e Personen, also nicht allgemeingültig, sondern explizit gültig, öffentlich dargestelltbeschriebenoderbedacht wird, ist sexistisches Denken. Es dient der beabsichtigten Vorteilsnahme in real existierenden bestehenden ökonomischen undoder emotionalen Abhängigkeitsverhältnissen.
Oliver Bukowskis Antwort: beidseitig
Demzufolge, lieber Rust, wäre es ja auch möglich, dass es sich um einen beidseitigen Sexismus gehandelt haben könnte. Das heißt der eine Sexismus wurde durch einen nächsten beantwortet, und beide Äußerungen sind in dem Detail verwerflich, was das Bild wiederum verändern und verschieben würde.
Oliver Bukowskis Antwort: Misskredit
#8:
Ja. Wär möglich. Prinzipiell immer. Und in dem konkreten Fall hier mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit möglich. Wobei ich das nicht als "verwerflich" bezeichnen würde. Ich finde das jedoch für Literatur - zumal Dramatik - Schreibende eine Diskussion unter Niveau. Und das ist aus meiner Sicht nicht verwerflich, sondern fachlich überaus ärgerlich.
Und zwar weil die Dramatik schließlich die sprachbasierte Grundlage der Menschendarstellungen für Theater liefert, wie ich Ihnen nicht erklären muss. Wenn anerkannte DramatikerInnen öffentlich unter Niveau diskutieren, beschädigt das das Genre der Dramatik und das Ansehen der Dramatik als Literatur innerhalb des Theaters.
In diesem konkreten Fall hat Darja Stocker konkret erkennbar außerhalb von Literatur Oliver Bukowski öffentlich in diesen speziellen Misskredit gebracht, soweit ich das überblicke durch diese Präsentation hier auf nk.
Sonst würde ich das nicht überblicken. Ich kann nicht einmal Ehrgeiz darauf verwenden, das überblicken zu wollen. Wenn das jedenfalls das MERKUR-Niveau ist, habe ich keine Lust, den MERKUR zu lesen...

Nachtkritik ist seit vier Jahren mein bevorzugtes Informationsmedium, was den Theaterbetrieb betrifft. Es hat für mich den Vorteil, einen guten Querschnitt über die deutschsprachige Theaterkritik zu präsentieren und das hilft mir, deren Qualität in einem breiten Spektrum einzuschätzen. Keine Ahnung, warum mir daran liegt. Ich finde das normal, das einschätzen zu wollen, andere vielleicht nicht. Ich will Qualitäten von Berichterstattungen auch zu anderen Themen einschätzen können, deshalb lese ich viel quer, sozusagen geordnet nach dem Zufallprinzip.
Nachtkritik erspart mir das in unserem Fachbereich durch wie ich finde exzellent zusammenfassende Arbeit.
Und dadurch bleibt mir Kraft für Konzentration auf die Themen anderer innen- und außenpolitischer oder wissenschaftlicher Fachbereiche. Ich schätze das, wenn mir durch andere Kraft bleibt undoder geschenkt und nicht geraubt wird. Diese Stellvertreter-Debatte hier raubt Kraft und zerstreut Konzentration.
Ihre Frage an Bukowski, ob er denn seine eigenen Texte ebenfalls zur Diskussion in der gruppe stellte, fand ich übrigens einen Fingerzeig in die richtige Richtung, denn er verweist auf das Bestehen eines strukturell angelegten ökonomischen und emotionalen Abhängigkeitsverhältnisses durch die Studienorganisation dieses und ähnlicher Studiengänge an speziell Universitäten. Ich würde also den Beteiligten empfehlen, von dieser, Ihrer Fragestellung abstrahierend weiter zu arbeiten.

Mit freundlichemgutemkollegialen - irgendeinem sonst wie gearteten Gruß, suchen Sie sich raus, was Sie davon mögen - d.o.
Oliver Bukowskis Antwort: unzufrieden
@9

Womit sich die Frage anschließt, in wie fern „Schreiben“ überhaupt lehrbar ist? Und ob es dadurch lehrbar wird, in dem ein Autor seine persönliche Betriebstemperatur als Professor auf die Studierenden umlegt? Ob es dabei wichtig ist, dass er sein eigenes Schreiben den Studierenden über- oder zuordnet?

In dem speziellen Fall betont Frau Stocker ihre emotionale Unabhängigkeit und stilisiert sich bis in eine „kalte Arroganz“ hinein, wohingegen sie anderen Frauen die Opferrolle zuweist. Zugleich betont sie ebenso ihre damalige wirtschaftliche Unabhängigkeit, in dem sie einerseits zu Protokoll gibt, schon zur gleichen Zeit am Theater beruflich tätig gewesen zu sein, und sogar finanziell in der Lage war gleich zwei Auftragsarbeiten abzusagen. Auch erklärt sie selber nie „angemacht“ worden zu sein. Sie stand also Oliver Bukowski sowohl als berufliche Konkurrentin, wie auch als Studentin gegenüber. Und Bukowski bemerkt zu recht, dass das Lehrverhältnis im Grunde ab dem Moment aufgelöst ist, wo ein/e Studenten/in eine Uraufführung hat.

Worin also genau bestand der Sexismus im Studiengang „szenisches Schreiben“? Ein Studiengang aus dem eine Vielzahl von Frauen hervor ging, die alle einen Weg in den Beruf gefunden haben, und nicht durch ihn daran gehindert, sondern durch ihn darin gefördert wurden sich beruflich zu etablieren? Immerhin eine Form des Sexismus, die so stark war, dass man geheime Briefe verfasste und damit versuchte Professoren aus ihrer Position zu entfernen. Und das von einer Autorin, die als solche ihrem Professor beruflich auf der selben Ebene, außerhalb der UDK, gegenüber stand.

Diese Frage konnte bisher in der Debatte nicht geklärt werden? Von daher kann ich ihre Unzufriedenheit nachvollziehen. Wo ist bei alldem der emotionale Zugewinn, die tiefere Erkenntnis?
Oliver Bukowskis Antwort: Psychotische Szenario
Es ist nicht in meinem Ermessen über die Wunden von Darja Stocker zu spekulieren und was ihr alles widerfahren sei, denn ihr Leidensdruck muss groß sein, um so eine dunkle, psychotische Szenario vor die Füße der Öffentlichkeit zu kippen.
Meine Studienzeit am selben Institut mit den gleichen Dozenten (Jürgen Hofmann und Oliver Bukowski) ist als eine schöne Zeit in meine Hemisphären übergegangen.
Bei uns wurde weder geschrieen noch beleidigt. Wir kritisierten vorsichtig, aber schätzten einander gegenseitig. Vielleicht waren wir ein sanfter Jahrgang.
Beide genannten Dozenten waren mitunter pragmatisch angehaucht, fachbezogen, motiviert, uns mehr und mehr zuteil werden zu lassen und durchaus professionell, so dass ich solche Entgleisungen mir überhaupt nicht vorstellen kann. Dazu braucht man sicherlich penetrante, intrigante Kräfte, um so eine Dynamik entfachen können. Oder eine extreme Konstellation?
Bis heute sind unsere Dozenten unterstützend, wenn dies nötig sein sollte.
Vor allem Jürgen Hofmann verdanke ich viel Fachliches und Menschliches - dessen Bücher, liebe Darja Stocker, ich sehr gerne gelesen habe!
Oliver Bukowskis Antwort: lern- aber nicht lehrbar
Das sind ne Menge kluge Fragen, ich weiß nicht, warum die hier keiner sonst stellt – Ich versuche, darauf einzugehen:
1. Ich halte Schreiben für erlernbar für die allermeisten Menschen, sofern es sich um die Rechtschreibung und die Grammatik einer Sprache, das Erlernen einer Schriftsprache also handelt.
2. Ich halte literarisches Schreiben in jedem Genre außer der Lyrik für erlernbar unter der Voraussetzung, dass normales, non-literarisches Schreiben n einer sehr guten Qualität, d.h mit außerordentlich geringer Fehlerquote beim spontanen Notieren beherrscht wird.
3. Ich halte literarisches Schreiben nicht für lehrbar, ohne dass dabei emotionale Abhängigkeitsverhältnisse bestehen/bzw. entstehen. Insofern öffnen Versuche, literarisches Schreiben zu lehren, ob institutionell oder nicht, Sexismus Tür und Tor. Auch der Wille, literarisches Schreiben durch Personen gelehrt zu bekommen, tut das.
4. Wenn trotz des schnell zu bemerkenden Risikos, bei einem solchen Lehrversuch in emotionale Abhängigkeit zu geraten, der Versuch nicht abgebrochen wird, dann deshalb, weil sich von einem institutionalisierten Lehrversuch zu Recht ökonomische Vorteile im Beruf versprochen werden. D.h. eine Bevorzugung gegenüber nicht-institutionell geschult Schreibender bei Veröffentlichungen literarischer Arbeiten, die mit Verdienst einhergehen. Es besteht durch diese berechtigte Erwartung in j e d e m Fall auch ein ökonomisches Abhängigkeitsverhältnis von einem ohnehin existierenden emotionalen Abhängigkeitsverhältnis durch direkte Lehre von literarischem Schreiben durch Personen.
5. Wenn ein Literarisches Schreiben Lehrender den Studierenden sein eigenes Schreiben zu- oder unterordnet, besteht faktisch kein Lehr-Verhältnis.
Ordnet er es ihnen über, manifestiert sich das emotionale Abhängigkeitsverhältnis aber auch ökonomische Abhängigkeitsverhältnis.
6. Es besteht ein Unterschied zwischen Einrichtungen wie etwa dem Literaturinstitut in Leipzig, an welchem das Berufsziel „Autor/In“ heißt und diesen seit zwanzig Jahren überall etablierten universitären Studiengängen „Kreatives/Szenisches/Literarisches Schreiben“, wo das Berufsziel gar nichts heißt, aber über die Vernetzung der Hochschulen und der Lehrenden als etablierte Autoren das Ziel einer Veröffentlichung in Verlag und Theater für die Studierenden schneller erreicht wird, als für nicht aus solchen Studiengängen kommende AutorInnen.
7. Während ich es eventuell begrüßen würde, wenn es ein weiteres Literaturinstitut wie das in Leipzig gäbe als eigenständige Schreib-Hochschule, halte ich die an die Kunsthochschulen oder Universitäten angeschlossenen Schreibschul-Studiengänge für überaus kontraproduktiv was die Verbreitung von Literatur anlangt. Durch die Abhängigkeitsverhältnisse gibt es zu lange unbemerkte inhaltliche Einflussnahmen und daraus resultierende formale Eingrenzungen. Ich fände es wünschenswert, dass „Literarisch Schreiben und Publizieren“ als Seminar- und Vorlesungsreihe an den Philologischen Instituten der Universitäten angeboten würde und zwar für ALLE anderen Studiengänge offen und unbedingt ohne Eingangsprüfung.
Oliver Bukowskis Antwort: schwerer Widerspruch
Das ist wirklich erschütternd, was Sie da schreiben, Frau Léda Forgó,

deshalb lohnt es sich einmal genauer hinzuschauen. In Abwandlung des Satzes von Wittgenstein könnte man meinen: Was man nicht sagen kann, darüber sollte man nicht sprechen, vor allem, wenn man eine Spezialistin ist wie Frau Stocker, denn eine Autorin ist ja gerade dazu da das Unaussprechliche, schwer zu Beschreibende eben doch aussprechen und niederschreiben zu können, das ist ihr Beruf. Trotzdem beansprucht Frau Stocker für sich über etwas zu berichten, dass sich gar nicht wirklich aussprechen, ausführen lässt, weil es zu sehr im Verborgenen stattfindet und kaum zu benennen ist, für niemanden, aber eben trotzdem da. Augenscheinlich kämpft sie einen Kampf mit einem unsichtbaren Geist. Sie kann es nicht wirklich formulieren, was da Sexismus war, es ist eben nicht wirklich „handfest“, nachweisbar. - Moment einmal. Stimmt das wirklich?! Schreibt Sie nicht selber, dass Sie über Weihnachten, statt an einem Stück zu schreiben, einen Brief formulierte, der genau dies „Unsagbare“ aussprach. Man mag mir diese Spitzheit verzeihen, einen Brief eben, in dem Sie verdeutlichte welchen Sexismus sie meint, der aber, auf Grund ihrer Anweisung, geheimgehalten, auch verborgen werden muss. - Welcher Universitätsleiter, welcher Dekan hält sich eigentlich an eine solche Weisung und warum? Was steht in dem Brief, dass keinesfalls an die Öffentlichkeit darf? Und strikter Geheimhaltung unterliegen soll? Mindestens muss darin doch wohl etwas verfasst sein, von dem Sie nur zum Schein behauptet, sie, die Schriftstellerin, könne es gar nicht sagen oder gar niederschreiben. Aber Kritik, Vorwürfe, Anklagen, die man nicht öffentlich vortragen und zu Gehör bringen kann, wie ist es wohl um deren Charakter bestellt? All diese Dinge, die man nur hinter verschlossenen Türen über andere Menschen verhandeln möchte, und die man dort sehr wohl aussprechen kann, was könnte deren Kern sein? Unhaltbare Dinge vielleicht, die nicht tageslichttauglich sind?! Für die man in der Öffentlichkeit selber in Kritik geraten könnte, weil sie zu widerlegen wären? - Unter dem Schutz der Anonymität derer, die man anklagt, mit einer Geheimhaltungsstufe für das, was man wirklich über sie denkt, lässt sich ja einiges in die Welt setzen. Was aber, wenn der Brief nun doch ans Tageslicht käme und veröffentlicht würde? Dann bekämen wir wohl echte Einsicht in den Vorgang um Frau Stocker. Aber wahrscheinlich ist es kaum empfehlenswert ihn zu veröffentlichen, weil dann noch mehr „Material“ ausgekippt würde. Doch wieso fällt einem geschulten Redakteur des „Merkur“ ein so schwerer Widerspruch in einem Text nicht auf, der von sich behauptet, er könne nicht aussprechen, was er andernorts schon klar formuliert hatte. Das will mir nicht in den Sinn.
Oliver Bukowskis Antwort: geschlossen
Liebe Leserinnen und Lesern,

dieser Thread und auch die Kommentarspalten unter den sachverwandten Beiträgen sind nun geschlossen. Bitte wenden Sie sich an die Redaktion, wenn Sie sich noch Substanzielles zum Thema oder zur Klärung der Sachlage beizutragen haben: redaktion@nachtkritik.de

Herzliche Grüsse
Esther Slevogt
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