Gestörtes Vertrauensverhältnis

1. September 2017. Romy Schmidt verlässt das Prinz-Regent-Theater (PRT) Bochum zum Ende der Spielzeit 2017/18. Das verkündete Schmidt mehreren Medien zufolge am 31. August im Rahmen der Spielzeit-Pressekonferenz des Hauses – der Vorstand des Theatervereins Prinz Regent e. V., der das freie Theater trägt, habe ihren Vertrag, der Mitte 2018 nach drei Jahren ausläuft, nicht verlängert.

"Die Gründe sind für mich nicht nachvollziehbar", sagte Schmidt bei der Pressekonferenz; nachtkritik.de gegenüber erklärt der Dramaturg Frank Weiß aus dem Leitungsteam des PRT: "Wir wollen die Stadt nicht verlassen und werden nicht kampflos gehen." Für ihn gebe es keine nachvollziehbaren Gründe für die Nichtverlängerung, "sonst wären die öffentlich benannt worden."

Dem Vorstand des Prinz-Regent-Theaters sitzt Romy Schmidts Vorgängerin als Intendantin des Prinz-Regent-Theaters Sibylle Broll-Pape vor, die das PRT 1991 mitgründete, von 1995 bis 2015 leitete und seit 2015 Intendantin des E.T.A.-Hoffmann Theaters Bamberg ist.

PRTBochum 560 wikiDas Prinz-Regent-Theater in Bochum © Wikipedia

Zufrieden mit Schmidts künstlerischer Arbeit

Den Zeitungen zufolge hat sie sich bisher nicht zu der Aufkündigung der Zusammenarbeit mit Schmidt geäußert, aber die zweite Vorsitzende des Theatervereins Prinz Regent Susanne Muthig-Beilmann wird in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) so zitiert: "Wir stehen hinter der künstlerischen Arbeit von Romy Schmidt und sind zufrieden mit dem, was sie hier gemacht hat." Allerdings habe es schon längere Zeit "Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit" gegeben: "Das Vertrauensverhältnis zur Theaterleitung ist irreparabel gestört."

Konflikt wegen Fördermitteln?

Die WAZ findet einen möglichen Konfliktherd zwischen Vorstand und künstlerischer Leitung in der zeitweisen Einstellung von Landesfördermitteln an das Theater, das mit 300.000 Euro pro Jahr von der Stadt institutionell gefördert wird. Weil am Landesrechnungshof in Düsseldorf ein Prüfverfahren wegen "finanzieller Unregelmäßigkeiten" am Prinz-Regent-Theater läuft, ist die zusätzliche Fördersumme des Landes in Höhe von 100.000 Euro pro Jahr derzeit eingefroren.

In dem Verfahren wird das Jahr 2014 unter die Lupe genommen, als das PRT noch unter der Intendanz Broll-Pape war. Der WAZ zufolge geht es um "Irrtümer bei der Mittelvergabe", "persönliche Bereicherung soll nicht im Spiel gewesen sein."

 

Update: Angebot und Maulkorb

6. September 2017. Der Streit zwischen der Prinz-Regent-Chefin Romy Schmidt und dem Vorstand des Trägervereins, vertreten durch Susanne Muthig-Beilmann und Ex-Prinz-Regent-Chefin Sibylle Broll-Pape geht weiter. In einem Interview der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (5.9.2017) teilen die Vorstandsfrauen mit, dass "bei einer Sitzung" am 13. Juli Romy Schmidt die "Nichtverlängerung ihres Drei-Jahres-Vertrages übergeben" und "ihr gleichzeitig" ein "neuer Vertrag in Aussicht gestellt" worden sei. Mit ihrer "künstlerischen Arbeit" sei man "extrem zufrieden" gewesen, habe sich von Schmidt jedoch "mehr Solidarität dem Verein gegenüber gewünscht". Als Schmidt der Presse gegenüber erklärt habe, "dass ihr Vertrag nicht verlängert werde, ohne vorher den Vorstand darüber zu unterrichten", seien sie "aus allen Wolken gefallen".

Kein ernsthaftes Angebot

Bei den Ruhrbaronen (5.9.2017) bestreitet Schmidt diese Darstellung. Niemals sei ihr auf einer "Sitzung des Trägervereins" ein "Angebot" vorgelegt worden. Lediglich einmal auf offener Straße sei "ein mündlicher Hinweis auf eine mögliche Weiterführung des Arbeitsverhältnisses erfolgt", "unkonkret" und "nur, falls ich bestimmte Vorgaben und Regularien des Vorstandes berücksichtigen würde". In "Form und Inhalt" habe "das Gesagte" in Schmidts Augen "kein ernsthaftes Angebot dargestellt". Als "Grund für die Nichtverlängerung" ihres Vertrages sei ihr mitgeteilt worden, sie habe "vertrauliche Informationen an den Blog 'Ruhrbarone' weitergegeben". Dem wiederum widersprechen nicht nur Schmidt, sondern auch die Ruhrbarone vehement.

Causa Fördermittel

Als gegenstandslos hingegen können wohl die Insinuationen gelten, dass eine Untersuchung des Landesrechnungshofes über Verwendung von Fördermitteln in der Ära Broll-Pape mit dem Streit am Prinz Regent Theater in Zusammenhang stünden. Der WAZ gegenüber macht Broll-Pape klar, dass sie damals Rücklagen für schlechte Zeiten gebildet habe, was aber nicht erlaubt sei. Das habe sie damals nicht gewusst. Deshalb würden nun, bis zum Abschluss der Untersuchungen, Landesfördermittel zurückgehalten.

Warum blieb die Ex-Chefin im Trägerverein

Auch auf die Frage, weshalb sie nach dem Ende ihrer Intendanz in Bochum im Trägerverein verblieben sei, gibt Broll-Pape Antwort. Sie habe Romy Schmidt "bei ihrer neuen Arbeit zu unterstützen" wollen. Schmidt habe "vorher ja noch kein Theater geleitet". Sie, Broll-Pape werde den Vorstand des Trägervereins "Ende des Jahres definitiv verlassen". Sie strebe auch keine Rückkehr in die Leitung des Prinz Regent Theaters an.

 

Update: Sibylle Broll-Pape und Romy Schmidt äußern sich gegenüber nachtkritik.de

7. September 2017. Im Telefonat mit nachtkritik.de beschreibt Sibylle Broll-Pape das Vertrauensverhältnis zwischen Verein und künstlerischer Leitung des PRT als zerrüttet – zu ihrem Bedauern: "Man möchte ja im Gespräch bleiben." Romy Schmidt habe schon seit längerem einerseits eingefordert, "dass wir was für sie tun", sich andererseits über Einmischung beschwert.

Strukturell beschreibt Broll-Pape das Verhältnis zwischen Verein und künstlerischer Leitung so: Eigentlich leite der Vereinsvorstand das PRT und suche sich mit der künstlerischen Leitung jemanden, "der das für ihn tut". Die Verantwortung für Mitarbeiter und Finanzen bleibe aber ja beim Verein, der deshalb darauf achten müsse, dass das gegenseitige Vertrauen gewährleistet sei – und in der aktuellen Situation einer Meinung sei.

Zur Nichtverlängerung Romy Schmidts stellt Broll-Pape die Vorgänge so dar, dass Schmidt vor dem Sommer mitgeteilt worden sei, dass ihr Vertrag in der bestehenden Form nicht verlängert werde; es sei ihr aber eine Weiterbeschäftigung in Aussicht gestellt worden mit einem neuen Vertrag, der "die Zusammenarbeit klarer fasst". Vor Ausarbeitung eines solchen neuen Vertrags habe der Verein Romy Schmidt mündlich darum gebeten, mitzuteilen, ob sie eine weitere Zusammenarbeit wünsche. Darauf sei keine Antwort erfolgt – bis Schmidt bei der Spielzeiteröffnungs-PK die Vertragsnichtverlängerung öffentlich verkündet habe.

Romy Schmidt sagt am Telefon mit nachtkritik.de, die Nichtverlängerung sei ihr am Rande eines Arbeitsrechtsprozesses, in dem es um die Kündigung einer Mitarbeiterin durch den Verein ging, von einem Anwalt mitgeteilt worden – diese Umstände zusammen mit dem Eindruck, dem Verein für eine Vertragsverlängerung mit "sehr viel Wohlwollen" entgegenkommen zu müssen, hätten auf sie den Eindruck gemacht, ihr sei nicht wirklich ein Angebot zur weiteren Zusammenarbeit gemacht worden.

Romy Schmidt weiter: "Der eigentliche Anlass für die Nichtverlängerung meines Vertrags ist im Umfeld der Prüfung durch den Rechnungshof zu sehen."

Die Rechnungshof-Prüfung habe nichts mit der Auseinandersetzung zu tun, sagt dagegen Sibylle Broll-Pape, und plädiert generell dafür, "darüber nachzudenken, dass solche Rücklagen im Rahmen öffentlicher Förderungen gebildet werden dürfen".

Sie selbst habe nicht vor, nach Bochum zurückzukehren und habe sich eigentlich mit Beginn dieser Spielzeit aus der Vorstandsarbeit beim Prinz Regent Verein zurückziehen wollen – jetzt warte sie aber noch auf eine neue Lösung, spätestens bis Ende des Jahres.

Ob der Rückzug Broll-Papes als Vorstand etwas an ihrer Situation ändern könnte, wisse sie nicht, sagt Romy Schmidt – man konzentriere sich jetzt darauf ein "tolles letztes Jahr" zu machen.

(WAZ / Ruhrbarone / Lokalkompass / Coolibri / Wikipedia / sd / jnm)

 

2017 wurde das Prinz-Regent-Theater mit Romy Schmidts Inszenierung "Die Schöne und das Biest" auf Platz 1 des virtuellen nachtkritik-Theatertreffens gewählt, der Preis war ein Vor-Ort-Gespräch in Kooperation mit Deutschlandfunk Kultur, in dem es um die Produktionsbedingungen des Hauses und seinen Stellenwert für die Region ging – nachzuhören hier.

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