"Endlich Verräter"

21. September 2017. Der Ausschuss für Nationale Sicherheit des ungarischen Parlaments hat vergangene Woche drei Personen als "potentielle Vorbereiter staatsfeindlicher Aktivitäten" ausgemacht, darunter den Regisseur Árpád Schilling und den Mitbegründer von Schillings Theatergruppe Krétakör Márton Gulyás. Der dritte "Staatsfeind" ist der Bürgerrechtler Gábor Vágó.

Das gab der stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsausschusses sowie der regierenden Fidesz-Partei Szilard Nemeth mehreren ungarischen und internationalen Medien zufolge am 12. September an die Öffentlichkeit – aus dem Ausland finanzierte Organisationen beabsichtigten die Störung der inneren Ordnung Ungarns, und die drei hätten als "Anstifter" fungiert. Beweise für den Vorwurf nannte Nemeth den Medien zufolge nicht.

Fidesz gegen den "Soros-Plan"

In ihrer Kampagne gegen den sogenannten "Soros-Plan" scheuen Ungarns Präsident Viktor Orbán und seine Fidez-Partei vor immer weniger zurück – im Frühjahr gingen sie gegen die von dem Investor George Soros gegründete Central European University vor, erließen kurz darauf ein Gesetz, das die Arbeit aus dem Ausland unterstützter NGOs erschwert. Es folgte eine landesweite Plakatkampagne, in der unter einem unvorteilhaften Foto von George Soros der Satz "Lassen wir nicht zu, dass Soros als Letzter lacht" zu lesen war. Auch Journalisten werden zunehmend aus dem Regierungslager angegriffen; im September publizierte das einem engen Berater Orbáns gehörende Nachrichtenportal 888.hu eine Liste von "Soros-Propagandisten", die Ungarn im Ausland schlechtmachten. Auf ihr unter anderem die Namen von Mitarbeiter*innen der internationalen Nachrichten-Agenturen Reuters und Bloomberg.

Schilling 560 wikiArpad Schilling (2015) © Screenshot

Auf seine Erklärung zum nationalen Sicherheitsrisiko entgegnete nun Árpád Schilling in einem Artikel für das Nachrichtenportal 444.hu und schreibt dort, dass es doch eigenartig sei, dass der Ministerpräsident "das Land an die Russen verkaufe, er aber als nationales Sicherheitsrisiko eingestuft" werde. Seine "Verbrechen, die mich zum subversiven Subjekt werden ließen", hätten darin bestanden, ein Referendum gegen Korruption beantragt und mit einer Demo die Ruhe in Orbáns-Heimatort Felcsút gestört zu haben. Auf seiner Facebook-Seite schreibt Schilling: "Die Sache ist gleichzeitig komisch und beängstigend. (…) Der Tag ist gekommen, endlich habe ich den prestigeträchtigsten Orden der Fidesz-Regierung erhalten: die Medaille des Verräters!"

(Pester Lloyd / The Budapest Beacon / Neue Zürcher Zeitung / sd)


Update 29. September 2017: Der steirische herbst und das Burgtheater protestieren gegen diese Verfolgung von Künstlerinnen, Künstlern und Andersdenkenden. In ihrer Solidaritätbekundung schreiben sie: "Diese Aktion ist ein weiterer schmerzlicher Höhepunkt der Stigmatisierung von Personen und Szenen in Ungarn, die sich gegen das Orbán-Regime stellen. Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit werden massiv verletzt, um die Kultur- und Intellektuellenszene auszuhöhlen und mundtot zu machen. Wir sehen die Idee der freien Zivilgesellschaft in Ungarn stark gefährdet."

 

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Kommentare  
Ungarische Theatermacher als Staatsfeinde: Aufruf
Erinnert sich noch jemand an den von vielen bedeutenden Kulturschaffenden unterzeichneten Aufruf (von Klaus Pierwoß) zu einem Ungarn-Kongress?

(siehe hier: https://www.nachtkritik.de/index.php?view=article&id=7911:deutsche-und-oestrreichische-intellektuelle-rufen-zum-widerstand-gegen-die-regierung-orban-in-ungarn-auf&option=com_content&Itemid=126)
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